Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Urheberrechtsverletzung durch öffentliche Zugänglichmachung eines Gedichts

Aktenzeichen  21 S 5389/20 (2)

Datum:
31.3.2021
Fundstelle:
GRUR-RS – 2021, 46224
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 2, § 16, § 19a, § 72, § 97 Abs. 2, § 97a Abs. 3

 

Leitsatz

1. Eine Schadensersatzpflicht wegen einer Urheberrechtsverletzung scheidet nicht ohne weiteres allein deshalb aus, weil das betroffene Werk vom Urheber auf einer kostenfreien Internetplattform eingestellt wird.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sinn und Zweck der Berechnung des Schadens nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ist es, dem Urheber in den Fällen, in denen die Bestimmung eines konkreten Schadens nicht oder nur schwer möglich ist, eine Schadensbemessung zu ermöglichen, etwa weil der Verletzte die vom Rechtsverletzer vorgenommene Nutzung selbst gar nicht vornimmt;  entscheidend ist, ob das geschützte Recht derart ausgewertet wird, dass der Verletzer dessen kommerzielles Potential ausbeutet, ohne hierzu berechtigt zu sein. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

161 C 17971/19 2020-04-02 Urt AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten hin wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 02.04.2020, Az. 161 C 17971/19, abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 945,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.09.2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 02.04.2020, Az. 161 C 17971/19, wird zurückgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu 3/4, der Kläger zu 1/4 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgemäß eingelegte und begründete Berufung des Beklagten hat in der Sache – wenn auch in nur geringem Umfang – teilweise Erfolg. Die Anschlussberufung des Klägers war vollumfänglich als unbegründet zurückzuweisen.
Das Amtsgericht hat dem Kläger dem Grunde nach zu Recht einen Anspruch auf Zahlung von Schadens- und Aufwendungsersatz gemäß §§ 97 Abs. 2, 97a Abs. 3 Satz 1, 16, 19a UrhG zugesprochen. Lediglich der Höhe nach war, worauf die Berufung zutreffend hinweist, das Urteil insoweit abzuändern, als das Amtsgericht ausgehend von einem Streitwert von 10.000,00 € zu Unrecht anstatt 725,40 € eine Gebühr von 785,20 € angenommen hat. Im Übrigen hat das Amtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Die mit der Anschlussberufung seitens des Klägers geltend gemachten, weitergehenden Schadensersatzansprüche bestehen nicht.
I. Dem Kläger steht der vom Amtsgericht zuerkannte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 200,00 € aus §§ 97 Abs. 2, 16 Abs. 1, 19a UrhG zu.
1. Soweit das Amtsgericht in seiner Begründung auf §§ 72 Abs. 1, 16, 19a UrhG abgestellt und ausgeführt hat, dass „das Bild“ unstreitig 9 Monate auf der Facebookseite des Beklagten eingestellt gewesen sei, liegt ein offensichtliches Schreibversehen vor. Sowohl aus dem Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils als auch der Urteilsbegründung im Übrigen ergibt sich eindeutig und ohne jeden vernünftigen Zweifel, dass dem eine von dem Beklagten schuldhaft begangene Urheberrechtsverletzung zu Grunde liegt, indem dieser das unstreitig von dem Kläger verfasste Gedicht mit dem Titel „Dachdeckers Weihnachtsgedicht“ als urheberrechtlich geschütztes Schriftwerk auf seiner zumindest auch gewerblich genutzten Facebookseite für einen Zeitraum von 9 Monaten veröffentlicht hat. An der gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG notwendigen Schöpfungshöhe hat das Gericht keinerlei Zweifel.
2. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Berufung, dass eine Schadensersatzpflicht nicht in Betracht komme, weil der Kläger auf der kostenfreien Internetplattform www…..de keine Lizenzerlöse erziele und der Kläger eine sonstige Kommerzialisierung des Gedichts gegenüber Verlagen oder anderen Nachfragern nicht dargelegt und bewiesen habe. Die Berufung verkennt dabei, dass zwar der unmittelbare Werkgenuss über die Literaturplattform ….de kostenlos ermöglicht wird, jede weitere Werknutzung aber von der entsprechend einzuholenden Erlaubnis des Urhebers abhängig ist. Dem klar verständlichen und für jeden Nutzer ohne weiteres zugänglichen, unmittelbar unterhalb des streitgegenständlichen Gedichts abgebildeten Hinweis zufolge liegen die entsprechenden Rechte bei dem namentlich zudem nochmals ausdrücklich genannten Kläger. Weiter werden Nutzer über den Link „Urheberrecht“, welcher unmittelbar neben dem vorstehenden Hinweis abgebildet ist, explizit darauf hingewiesen, dass das Einverständnis des jeweiligen Autors benötigt wird, wenn Texte für eigene Publikationen, Internetseiten, Bücher, etc. genutzt werden sollen und das Kopieren der Texte auf andere Internetseiten ohne Zustimmung des Verfassers gegen das Urheberrecht verstößt.
Dass der Beklagte den Kläger kontaktiert und um Erlaubnis gefragt hat, bevor er das streitgegenständliche Gedicht auf seine Facebookseite gestellt und dort veröffentlicht hat, trägt der Beklagte selbst nicht vor. Damit ist die Widerrechtlichkeit des Handelns des Beklagten letztlich evident.
3. Weiter vermag die Kammer auch insoweit keinen Rechtsfehler zu erkennen, als das Amtsgericht dem Kläger der Höhe nach einen Schadensersatzanspruch von 200,00 € zugesprochen hat.
a. Das Argument, dass mangels einer tatsächlichen Lizenzierungspraxis des Klä gers ein bezifferbarer Schadensersatzanspruch nicht bestehe, verfängt nicht.
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts ergibt sich im Falle einer wie hier erfolgten Urheberrechtsverletzung bereits unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut des § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG, dass der Kläger als Urheber den ihm entstanden Schaden nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie bestimmen kann. Für die Berechnung eines Schadens nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie kommt es aber entgegen der Berufung nicht darauf an, dass eine tatsächliche Lizenzierungspraxis besteht. Bestünde eine tatsächliche Lizenzierungspraxis, würden entsprechende Lizenzbeträge bereits als konkreter Schaden in Höhe des entgangenen Gewinns erstattet. Sinn und Zweck der Berechnung des Schadens nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ist aber gerade, dem Urheber in den Fällen, in denen die Bestimmung eines konkreten Schadens nicht oder nur schwer möglich ist, eine Schadensbemessung zu ermöglichen, etwa weil der Verletzte die vom Rechtsverletzer vorgenommene Nutzungsart selbst gar nicht vornimmt (Reber in Ahlberg/Götting, BeckOK Urheberrecht, 30. Edition, Stand: 15.01.2021, § 97 UrhG Rn. 120). Entscheidend ist vielmehr, ob das geschützte Recht derart ausgewertet wird, dass der Verletzer dessen kommerzielles Potential ausbeutet, ohne hierzu berechtigt zu sein (vgl. BGH, GRUR 1973, 375, 377 – Miss Petite; Reber, a.a.O.; v. Wolff in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 97 UrhG Rn. 69 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund hat der BGH für den Fall einer Persönlichkeitsrechtsverletzung entschieden, dass bereits die unberechtigte Ausnutzung des fraglichen Rechts für kommerzielle Zwecke zeige, dass der Verletzer dem Recht einen wirtschaftlichen Wert beimesse. Ausdrücklich hat der BGH in diesem Zusammenhang betont, dass sich der Verletzer damit an der von ihm selbst geschaffenen vermögensrechtlichen Zuordnung festhalten lassen und einen der Nutzung entsprechenden Wertersatz leisten muss (BGH, GRUR 2007, 139, 140 Rn. 12 – Rücktritt eines Finanzministers). Dies muss erst Recht für das über persönlichkeitsrechtliche Befugnisse hinaus bereits genuin eine vermögensrechtliche Sphäre aufweisende Urheberrecht gelten.
Allenfalls könnte ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie daher dann ausscheiden, wenn der Urheber für die fragliche Nutzungsart kostenlose Lizenzen erteilt hätte (vgl. OLG Köln, GRUR 2015, 167, 173 – Creative-Commons-Lizenz; Reber, a.a.O.). Das ist vorliegend indes ersichtlich nicht der Fall. Obwohl das Gedicht des Klägers ausdrücklich unter dem Vorbehalt seiner Erlaubnis zur bloßen Lektüre auf der Literaturplattform ….de im Internet abgedruckt war und jede weitere Nutzung ersichtlich die Zustimmung des Klägers erfordert hätte, hat der Beklagte das Gedicht auf der Facebook-Seite seines Dachdeckerbetriebs veröffentlicht und dieses somit zumindest auch kommerziell verwertet. An der dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzpflicht verbleiben daher keinerlei Zweifel.
b. Keinerlei Zweifel hat die Kammer auch an der seitens des Amtsgerichts zutreffend erfolgten Bemessung des Schadens in Höhe eines Betrages von 100,00 € (vgl. auch BGH, GRUR 2019, 292, 293 f. – Foto eines Sportwagens). Ebenso zutreffend hat das Amtsgericht dem Kläger einen Verletzerzuschlag in Höhe von 100% zugesprochen. Dass im Falle einer wie hier unstreitig unterbliebenen Urheberbenennung ein entsprechender Verletzerzuschlag zu gewähren ist, ist in der ständigen Rechtsprechung des hiesigen Gerichts anerkannt und wird auch höchstrichterlich nicht in Frage gestellt (vgl. BGH, a.a.O.).
c. Entgegen der Anschlussberufung kommen indes keine den Betrag von 200,00 € übersteigenden Schadensersatzansprüche in Betracht. Inwieweit der Vortrag des Klägers, unmittelbar nach Schluss der mündlichen Verhandlung begonnen zu haben, seine Gedichte entgeltlich zu lizenzieren, glaubwürdig ist, lässt die Kammer ausdrücklich offen. Auf diese Frage kommt es bereits aus rechtlichen Gründen nicht an. Für die Bemessung des Schadens sind die Umstände im Zeitpunkt der Verletzungshandlung entscheidend. Zu diesem Zeitpunkt bestand eine entgeltliche Lizenzierungspraxis aber unstreitig nicht. Die Anschlussberufung war daher vollumfänglich als unbegründet zurückzuweisen.
II. Dem Grunde nach zu Recht hat das Amtsgericht dem Kläger darüber hinaus einen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten zugesprochen.
1. Entgegen der Berufung ist der Kläger mit der von ihm geforderten Unterlas sungserklärung nicht über die Reichweite der ihm gesetzlich zustehenden Unterlassungsansprüche hinausgegangen. Seiner Reichweite nach erfasst der Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 UrhG auch Verletzungshandlungen, die der Verletzer nicht selbst, sondern durch Dritte vornehmen lässt (vgl. BGH, GRUR 2020, 738, 743 Rn. 48 – Internet-Radiorecorder; OLG Karlsruhe, BeckRS 2011, 28840; OLG München, GRUR-RR 2010, 157 – Völkischer Beobachter).
2. Die durch das Amtsgericht erfolgte Bemessung des Gegenstandswerts in Höhe von insgesamt 10.000,00 € ist sachgerecht. Insbesondere lassen die Erwägungen des Amtsgerichts keine Rechtsfehler erkennen. Die indizielle Wirkung der Wertangabe der Partei ist in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt (vgl. Wendtland in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 40. Edition, Stand: 01.03.2021, § 3 ZPO Rn. 1 m.w.N.). Auch die Berücksichtigung der Qualität des Gedichts und das Ziel der Vermeidung gleichgelagerter, künftiger Verstöße ist sachgerecht.
3. Zu Recht rügt die Berufung aber, dass das Amtsgericht ausgehend von einem Gegenstandswert von 10.000,00 € eine 1,3fache Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 785,20 € festgesetzt hat. Bis zu einem Gegenstandswert von 10.000,00 € beträgt eine einfache Gebühr gemäß Anlage 2 RVG nach der im Zeitpunkt der Abmahnung maßgeblichen Fassung richtigerweise 558,00 €. Erst ein 10.000,00 € übersteigender Betrag löst den Gebührensprung zu dem Betrag von 604,00 € aus. Das amtsgerichtliche Urteil war daher insoweit abzuändern und der Beklagte zur Zahlung der in Höhe von 725,40 € geschuldeten Rechtsanwaltskosten nebst Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € zuzüglich des vom Amtsgericht zutreffend festgestellten Schadensersatzanspruchs in Höhe von 200,00 € zu verurteilen.
Auswirkungen auf die Kostenentscheidung des Amtsgerichts ergeben sich hieraus nicht. Angesichts der nur geringfügig zu hoch bemessenen Rechtsanwaltsgebühren ist die durch das Amtsgericht erfolgte Quotelung gemäß § 92 Abs. 1 ZPO zutreffend und sachgerecht.
III. Die Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 Satz 1 ZPO (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 41. Aufl. 2020, § 97 ZPO Rn. 5).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung unter Anwendung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefestigter Rechtsgrundsätze.


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