Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Vertraglicher Anspruch auf Zustimmung der Gemeinde zum Grundstücksverkauf (städtebaulicher Vertrag)

Aktenzeichen  M 1 K 15.4171

Datum:
2.2.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
BGB BGB § 242
GVG GVG § 17a Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

Nimmt ein notarieller Vertrag (städtebaulicher Vertrag) zwischen einem Grundstückseigentümer und der Gemeinde eine gemeindeinterne Regelung in Bezug, die unmittelbar nur für die Vergabe von Bauland an Einheimische gilt, gelten die diesbezüglichen Vergaberichtlinien auch für die gemeindliche Entscheidung über eine Zustimmung zur Veräußerung des betreffenden Grundstücks. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Aktenzeichen: M 1 K 15.4171
Gericht: VG München
Urteil
2. Februar 2016
1. Kammer
Sachgebiets-Nr. 920
Hauptpunkte: Klage auf Zustimmung einer Gemeinde zu Grundstücksverkauf; Städtebaulicher Vertrag; Einheimischenmodell
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache

– Kläger –
bevollmächtigt: … Rechtsanwälte …
gegen
Gemeinde R.
vertreten durch den ersten Bürgermeister, S-Str. …, R.
– Beklagte –
bevollmächtigt: Rechtsanwälte …
wegen Zustimmung zum Grundstücksverkauf, FlNr. 2017/5 Gem. …
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer, durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts …, die Richterin am Verwaltungsgericht …, die Richterin …, die ehrenamtliche Richterin …, die ehrenamtliche Richterin … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 2016 am 2. Februar 2016 folgendes
Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zu einem Grundstücksverkauf.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. …/5 Gemarkung ….
Im Jahr 2008 beabsichtigte die Beklagte, im Ortsteil „…“ einen Bebauungsplan zur Schaffung von Wohnbauflächen zu erlassen, in dessen Geltungsbereich auch das klägerische Grundstück einbezogen werden sollte. Im Hinblick darauf schlossen der Kläger und die Beklagte am …. November 2008 einen notariellen Vertrag. In diesem verpflichtete sich der Kläger, das Grundstück innerhalb von 15 Jahren nach Bekanntgabe des Bebauungsplans nicht zu veräußern, es innerhalb von vier Jahren danach zu bebauen und das errichtete Wohngebäude bis 180 Monate danach selbst als Hauptwohnung zu bewohnen. Für den Fall des Verstoßes gegen eine der vorgenannten Verpflichtungen räumte er der Beklagten ein Ankaufsrecht ein, wobei der Kaufpreis nach einem dem notariellen Vertrag als Anlage beiliegenden Kaufvertragsentwurf 30% unter dem Verkehrswert liegen sollte. Nach Nr. 3.5 des notariellen Vertrags hat die Beklagte „bei ihrer Entscheidung über die Ausübung des ihr vorbehaltenen Ankaufsrechtes die mit der aktuellen Fassung ihrer Vergaberichtlinien verfolgte Zielsetzung einzuhalten und dabei von ihrem Ermessen pflichtgemäß Gebrauch zu machen, wobei die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und von Treu und Glauben, das Übermaßverbot und sowie der Gleichheitsgrundsatz zu beachten sind“. Zur Sicherung des bedingten Anspruchs der Beklagten auf Verschaffung des Eigentums vereinbarten die Parteien die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch.
Die Beklagte hat „Richtlinien zur Vergabe von Bauland für Einheimische“ (Stand 7.10.2008) erarbeitet. Deren Nr. 1 bestimmt den antragsberechtigten Personenkreis und regelt in Abs. 2 Satz 1, dass der Antragsteller selbst oder sein Ehegatte noch nicht Eigentümer eines Wohnobjekts sein dürfen.
Der Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan „Kohlstatt“ wurde am 8. Dezember 2009 ortsüblich bekanntgemacht.
In der Folgezeit verzögerten sich die Kanalbauarbeiten, so dass der Kanalanschluss erst im September 2013 fertig gestellt wurde. Der Kläger ersuchte die Beklagte deshalb mit Schreiben vom …. September 2012, ihm bei einem Kaufpreis i. H. v. 110.000,- Euro einen Käufer für das Grundstück vorzuschlagen. Dieses Ersuchen lehnte der Gemeinderat mit Beschluss vom …. September 2012 ab. Mit Schreiben vom …. Oktober 2012 gestand die Beklagte dem Kläger zu, dass die Baupflicht erst mit Fertigstellung der leitungsgebundenen Erschließung beginne.
Mit Schreiben vom …. August 2013, …. April 2014 und …. März 2015 teilte der Kläger der Beklagten mit, er wolle sein Grundstück an Frau …, die ihren Wohnsitz seit vielen Jahren im Gemeindegebiet habe, veräußern und forderte sie auf, der Veräußerung zuzustimmen. Nach dem vorgelegten Entwurf eines Kaufvertrags (Anlage K 6) würde Frau … das Grundstück zu einem Kaufpreis i. H. v. 142.000,- Euro erwerben und die Verpflichtungen aus dem notariellen Vertrag vom …. November 2008 übernehmen. Die Beklagte lehnte die Erteilung der Zustimmung mit E-Mails vom …. Mai 2014 und …. April 2015 ab.
Der Kläger erhob am …. August 2015 Klage zum Landgericht Traunstein mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, einem Verkauf des Grundstücks an Frau … gemäß Anlage K 6 zuzustimmen.
Er führt aus, die Zustimmung zum Verkauf werde begehrt, um nicht gegen das im Vertrag vom …. November 2008 vereinbarte Veräußerungsverbot zu verstoßen und um das Ankaufsrecht der Beklagten nicht auszulösen. Der Vertrag sei nur dann wirksam, wenn man ihn so auslege, dass die Beklagte korrespondierend zu ihrer Bauleitplanung dafür Sorge trage, dass das zu schaffende Bauland einem notwendigen Baulandbedarf für Einheimische diene. Von dem Veräußerungsverbot ausgenommen sei damit der Verkauf an Einheimische. Frau … erfülle – anders als er selbst – die Voraussetzungen von Nr. 1 der Vergaberichtlinien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, der Ehemann von Frau … sei bereits Eigentümer eines Hausgrundstücks, weshalb sie nicht antragsberechtigt für einen Grunderwerb im Einheimischenmodell sei. Unerheblich sei insoweit, dass der Kläger selbst beim Grunderwerb nicht Einheimischer gemäß den Vergaberichtlinien gewesen sei. Der ursprünglich von ihm bezahlte Grundstückskaufpreis liege bei 23.500,- Euro.
Das Landgericht Traunstein stellte mit Beschluss vom 14. September 2015 die Unzulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten fest und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Verwaltungsgericht München ist aufgrund der nach § 17a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) bindenden Verweisung des Landgerichts Traunstein für die Entscheidung über die vorliegende Klage zuständig.
Die als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zustimmung der Beklagten zum Verkauf des Grundstücks FlNr. …/5 Gemarkung … an Frau … zu den im Entwurf des Notariats … (Anlage K 6) vorgesehenen Konditionen.
Der geltend gemachte Anspruch kann sich dabei allein aus dem notariellen Vertrag vom …. November 2008 ergeben. Eine andere vertragliche oder gesetzliche Anspruchsnorm ist nicht ersichtlich. In dem notariellen Vertrag stimmt der Kläger – im Gegenzug zu einer Bauleitplanung der Beklagten – einem Veräußerungsverbot für das streitgegenständliche Grundstück zu, übernimmt eine Bau- und Nutzungspflicht und räumt der Beklagten für den Fall des Verstoßes gegen eine dieser Verpflichtungen ein Ankaufsrecht ein. Bei diesem Vertrag handelt es sich um einen städtebaulichen Vertrag im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 5 BauGB, der die Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung zum Inhalt hat.
Es ist dem Kläger zuzugestehen, dass sich ein Anspruch auf Zustimmung zu einem Grundstücksverkauf grundsätzlich aus dem Vertrag in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) ergeben kann. Der Vertrag sieht eine solche (Vorab-) Zustimmung der Beklagten zwar nach seinem Wortlaut nicht vor. Nach dem dort geregelten Mechanismus müsste der Kläger im Falle einer Veräußerung des Grundstücks, die gegen die vertraglichen Verpflichtungen verstößt (hier gegen das Veräußerungsverbot), abwarten, ob die Beklagte das ihr dann zustehende Ankaufsrecht geltend macht. Nr. 3.5 des notariellen Vertrags enthält dabei Entscheidungskriterien, nach denen die Beklagte in diesem Fall agieren würde. Es ist dem Kläger aber nicht zumutbar, die aufwändige Grundstücksveräußerung zu betreiben, ohne im Vorfeld Klarheit darüber zu haben, ob die Beklagte von ihrem Ankaufsrecht Gebrauch machen wird. Diese Klarheit kann der Kläger nur durch eine im Vorfeld der Grundstücksveräußerung liegende Zustimmung erlangen.
Die Zustimmung zur Veräußerung des Grundstücks folgt dabei denselben Kriterien wie die Entscheidung über die Ausübung des Ankaufsrechts. In entsprechender Anwendung von Nr. 3.5 des notariellen Vertrags hat die Beklagte daher bei ihrer Entscheidung die mit der aktuellen Fassung ihrer Vergaberichtlinien verfolgte Zielsetzung einzuhalten und dabei von ihrem Ermessen pflichtgemäß Gebrauch zu machen. Der notarielle Vertrag nimmt damit eine gemeindeinterne Regelung in Bezug, die unmittelbar nur für die Vergabe von Bauland an Einheimische gilt, also für den Fall, dass die Beklagte selbst Verkäuferin eines Grundstücks ist. Durch die Inbezugnahme sind die in den Vergaberichtlinien genannten Kriterien aber auch für die Entscheidung über die Zustimmung zur Veräußerung einschlägig. Nach den Vergaberichtlinien (dort Nr. 1 Abs. 2 Satz 1) ist bei der Vergabe von Bauland jedoch eine Person nicht antragsberechtigt, wenn sie selbst oder ihr Ehegatte bereits Eigentümer eines Wohnobjekts ist. Dies ist aber bei Frau …, die das streitgegenständliche Grundstück von dem Kläger erwerben will, der Fall. Ihr Ehemann ist bereits Eigentümer eines von der Familie selbst bewohnten Hausgrundstücks, so dass Frau … nicht zum antragsberechtigten Personenkreis gehört. Dabei ist es unerheblich, dass sie als Ortsansässige die Voraussetzungen der Vergaberichtlinien „noch eher“ erfüllt als der Kläger selbst, der noch nie Einwohner der Beklagten war. Dieses „noch eher“ löst einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundstücksveräußerung nicht aus.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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