Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Vertragsschluss bei verspäteter Angebotsannahme

Aktenzeichen  74 O 179/20

Datum:
19.11.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49215
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 631 Abs. 1
BGB § 649 S. 2 (idF bis zum 31.12.2017)

 

Leitsatz

Wird ein auf einen Monat befristetes Bauvertragsangebot erst nach mehr als sieben Monaten vom Besteller angenommen, ist dennoch ein wirksamer Vertragsschluss zu bejahen, wenn beide Parteien noch kurz vor der Vertragsannahme über die Art der Nutzung des Gebäudes korrespondiert haben und nach Vertragsannahme  der Besteller die Fertigung von Lageplänen beauftragt und alsdann Rechnungen für die Planungen bezahlt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 37.497,13 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.401,81 € seit dem 08.03.2019 sowie aus 41.898,94 € ab dem 03.01.2020.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags.
IV. Der Streitwert für das Verfahren wird bis 03.01.2020 auf 4.401,81 € festgesetzt und ab 03.01.2020 auf 37.497,13 €.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die Klägerin kann von der Beklagten aus § 649 Satz 2 BGB a.F. die Bezahlung von 37.497,13 € verlangen.
Das Gericht ist aufgrund der Beweisaufnahme sowie der vorgelegten Unterlagen davon überzeugt, dass zwischen den Parteien ein Werkvertrag zustande gekommen ist. Zwar wurde der Vertrag (Anlage K 1) von der Klägerin unstreitig erst am 03.12.2015 unterzeichnet, während er von der Beklagten bereits am 19.04.2015 unterzeichnet wurde. Aufgrund der Beweisaufnahme und der vorgelegten Unterlagen ist das Gericht jedoch davon überzeugt, dass beide Parteien von einem Vertragsschluss ausgegangen sind. Die schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien (Anlage K 13) vom 26.11.2015 bzw. 03.12.2015 wäre vollkommen sinnlos, wenn beide Parteien nicht von einem Vertragsschluss ausgegangen wären. Die Vereinbarung (Anlage K 13) regelt die Prüfung einer gewerblichen Nutzung und Mehrkosten für eine gewerbliche Nutzung. Wenn zwischen den Parteien noch kein Vertrag gemäß Anlage K 1 zustande gekommen wäre, wäre eine vertragliche Vereinbarung für Prüfung gewerblicher Nutzung und Mehrkosten nicht erforderlich gewesen. Eine Änderung hinsichtlich gewerblicher Nutzung wäre nicht erforderlich gewesen, wenn nicht bereits zuvor ein Vertrag zwischen den Parteien bestanden hätte. Auch die Anlage K 8, Anlage zum Hausvertrag, vom 24.02.2016, von der Beklagten unterschrieben, mit der Beauftragung zum Fertigen von Lageplänen, spricht für eine vertragliche Vereinbarung der Parteien und auch die Tatsache, dass die Beklagtenpartei die Rechnungen für die Planungen anfangs bezahlt hat.
Auch aus den Angaben des Zeugen … ergibt sich aus Sicht des Gerichts ein Vertragsschluss. Der Zeuge gab an, dass der Zeuge … gesagt hätte, sie müssten den Vertrag unterschreiben. Auch hieraus ergibt sich zwar eine andere Motivation, aber dennoch ein Vertragsschluss. Aus den Angaben sämtlicher Zeugen ergibt sich auch, ebenso wie aus den Unterlagen, dass ursprünglich ein Einfamilienhaus geplant war und dann, nachdem die Beklagte ein Grundstück gefunden hatte, auf gewerbliche Nutzung geändert werden sollte. Dies erklärt das lange Zuwarten der Klagepartei mit der Unterschrift auf dem Vertrag.
Der Zeuge … gab an, dass die Beklagte bei dem Gespräch am 19.04.2015 bereits gesagt habe, dass sie eine Praxis eröffnen wolle. Er habe dann so geplant, dass Büroräume in dem Haus vorgesehen seien, eine andere Möglichkeit zur Planung habe er nicht gehabt und das habe er der Beklagten damals auch so erklärt. Die Firma … habe dann die Anlage gewerbliche Nutzung verlangt, um für die gewerbliche Nutzung eine genauere Prüfung der Anforderungen vornehmen zu können. Diese Anlage sei dann am 26.11.2015 unterschrieben worden und dann zum Architekten gegangen.
Somit ist das Gericht aufgrund der Angaben sämtlicher Zeugen und der vorgelegten schriftlichen Unterlagen davon überzeugt, dass zwischen den Parteien ein Werkvertrag zustande gekommen ist.
Auch die Beklagte gab in ihrer informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2020 an, dass sie keinen gewerblichen Vertrag abgeschlossen hätte, da Herr … keinen gewerblichen Vertrag gehabt hätte, sie hätten nur den anderen Vertrag abgeschlossen, aber keinen gewerblichen Vertrag. Daraus ergibt sich eindeutig, dass die Beklagte selbst davon ausgeht, einen Werkvertrag geschlossen zu haben.
Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass zwischen den Parteien keine Vereinbarung dahingehend getroffen wurde, dass die Mehrkosten nur 31.500,- € betragen würden.
Die Beklagtenpartei konnte ihren Vortrag, dass von der Klägerin zugesichert worden wäre, dass die Verlängerung des Baukörpers pro 30 cm 3.500,- € koste und darin sämtliche zusätzlichen Leistungen enthalten seien, nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen. Der Zeuge … gab an, dass der Zeuge … gesagt habe, dass die Verlängerung des Baukörpers pro 30 cm 3.500,- € koste. Aus seiner Sicht sei darin alles enthalten gewesen, er habe angenommen, dass darin auch so etwas wie Fliesen für den Gewerberaum mit z.B. rutschhemmenden Belag, enthalten sei. Der Zeuge gab jedoch nicht an, dass der Zeuge … gesagt habe, dass bei diesen Mehrkosten alles enthalten sei. Der Zeuge gab an, dass der Architekt … gesagt habe, dass für Gewerbe andere Fliesen erforderlich seien und das zu höheren Kosten führe, auch bei Fenstern und Schallschutz.
Der Zeuge … gab an, dass er gegenüber den Bauherren nur dann Auskunft über Kosten mache, wenn dies fixe Kosten seien, ansonsten sei er bei Kosten sehr vorsichtig, weil dies Aufgabe der Klägerin sei. Der Zeuge … gab an, dass die Kosten für die Verlängerung des Baukörpers von 30 cm zu jeweils 3.500,- € grundsätzlich gestimmt haben könnten, jedoch sei dies nur der Fall für die reine Verlängerung von bis zu 3 m und nicht z.B. für Mehrkosten für eine gewerbliche Nutzung. Der Zeuge … gab ebenfalls an, dass er gegenüber Frau … nicht die Höhe der Mehrkosten angegeben habe, Somit konnte die Beklagtenpartei nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass zwischen den Parteien eine Vereinbarung getroffen worden wäre, dass die Mehrkosten für die gewerbliche Nutzung nur 31.500,- € betragen würden.
Die Klägerin kann von der Beklagten die beantragte Summe von 37.497,13 € jedenfalls nach § 649 Satz 2 BGB a.F. verlangen.
Unabhängig davon, ob die Klausel im Werkvertrag K 1 § 8 wirksam ist, kann die Klägerin jedenfalls von der Beklagten nach § 649 Satz 2 BGB a.F. die geltend gemachte Summe von 37.497,13 € verlangen.
Durch die vorgelegten Unterlagen und insbesondere die Angaben des Zeugen … die für das Gericht vollumfänglich widerspruchsfrei und nachvollziehbar und detailreich waren, ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin die dargelegte Kalkulation ordnungsgemäß erstellt hat und die Preise ortsüblich und angemessen sind, sowie die Berechnung richtig. Die erbrachten Planungsleistungen und das Bodengutachten in Höhe von 4.401,81 € wurden von der Klägerin erbracht und gegenüber den Dritten, die sie damit beauftragt hat, so abgerechnet.
Aufgrund der vorgelegten Kalkulationen und der äußerst detailreichen Angaben des Zeugen … in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2020 ist das Gericht davon überzeugt, dass sich nach der Urkalkulation die Herstellerkosten auf 179.467,70 € belaufen. Hieraus addiert die Klägerin einen Gewinn in Höhe von 5% und einen weiteren Provisionsaufschlag in Höhe von 6,4%. Aufgrund der Angaben des Zeugen … ist das Gericht davon überzeugt, dass sich bei dem Haus der Beklagten die Zusatzleistungen, von der Klägerin Pakete genannt, auf 44.350,79 € netto belaufen, sodass die vertragliche Leistung einen Wert in Höhe von 223.818,19 € netto hat.
Aufgrund der Angaben des Zeugen ist das Gericht davon überzeugt, dass sich der Nettowerklohn für Grundhaus und Änderungen im Zeitpunkt der Kündigung unter Berücksichtigung der erbrachten Leistungen auf 278.111,92 € belaufe. Dies ergibt sich aus dem vereinbarten Nettowerklohn in Höhe von 281.810,92 € abzüglich der erbrachten Leistungen in Höhe von 4.401,81 €.
Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass insgesamt 223.148,30 € ersparte Aufwendungen bei der Klägerin vorliegen und zwar Materialkosten in Höhe von insgesamt 64.806,43 €, zusammengesetzt aus 26.476,15 € für die Außenwände, 7.687,45 € für die Fenster incl. Brüstungsgitter, 1.767,80 € für die Haustüre, 6.606,07 € für die Innenwände und 22.268,96 € für die Decke incl. Bodenluke. Weiter ist das Gericht aufgrund der Angaben des Zeugen … davon überzeugt, dass anteilige Fertigungs- und Montagelöhne in Höhe von 14.079,39 € in Abzug zu bringen seien und Kosten für Subunternehmerleistungen als ersparte Aufwendungen in Höhe von 95.780,68 €, wobei auf den Innenausbau 7.624,23 € entfallen, auf Heizung/Sanitär 14.396,63 €, auf Tapeten, Teppiche und Objekte 12.860,70 €, für Estrich und Fliesen 12.357,72 €, für Elektro 3.876,27 €, für Bodenplatte 11.423,29 €, für Treppe 2.405,25 €, für nicht erbrachte Architektenleistungen 2.736,- €. Weiter brachte die Klägerin eine Preiserhöhung in Höhe von 4.201,86 € als ersparten Aufwand an sowie ersparte Fracht in Höhe von 3.016,50 €, Leistungen nach der Energieeinsparverordnung in Höhe von 10.084,02 €, für Kran und Gerüst in Höhe von 3.989,99 €, für Baustellen-WC und Container 835,- € und für den Außenputz 5.973,38 €. Somit ergibt sich aufgrund der Beweisaufnahme eine Summe von 223.148,30 € ersparten Aufwendungen und somit ein Vergütungsanspruch nach § 649 Satz 2 BGB a.F. in Höhe von 54.963,63 € und bei Abzug der gesamten Position für die Pakete bzw. Änderungen ein Anspruch nach § 649 BGB a.F. in Höhe von 49.281,56 €.
Von der Klagepartei wird jedoch nur eine Klageforderung von 37.497,13 € geltend gemacht, die jedenfalls begründet ist.
Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Zeitpunkt für die ersparten Aufwendungen der Zeitpunkt der Kündigung im Jahr 2016 sein muss. Der Vertrag ist aus Dezember 2015 und die Kündigung erfolgte 6 Monate später. Die Klagepartei hat aus Sicht des Gerichts die Preissteigerung ausreichend berücksichtigt, indem sie der Beklagten eine Preiserhöhung von 5.000,- € brutto gutgeschrieben hat. Weiter gab die Klagepartei an, dass Rahmenverträge mit langen Lieferzeiten mit ihren Lieferanten vorliegen, die teilweise für mehrere Jahre die Preise festschreiben. Da zwischen Vertragsschluss und Kündigung nur 6 Monate liegen, hat die Klagepartei aus Sicht des Gerichts ausreichend konkret ihre ersparten Aufwendungen dargestellt.
II.
Der Anspruch auf die Zinsen folgt aus § 291 BGB.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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