Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Vertretung der WEG durch den Verwalter bei Sanierungsauftrag

Aktenzeichen  12 O 5227/19

Datum:
2.9.2020
Fundstelle:
ZMR – 2020, 1044
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 164, § 177, § 631
FamFG § 47

 

Leitsatz

lm Falle eines Hausverwalters ist im Zweifel davon auszugehen, dass dieser bspw. bei der Vergabe von Reparatur arbeiten im Namen des Eigentümers auftritt. Dies gilt auch dann, wenn der Eigentümer überhaupt nicht genannt wird. (redaktioneller Leitsatz)
1. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass Reparaturarbeiten an einem Gebäude, die ein Verwalter in Auftrag gibt, für die WEG beauftragt werden, auch wenn sich dies nicht durch die Unterzeichnung mit einem Vertretungszusatz ergibt. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Selbst wenn die Verwalterbestellung nichtig war, können die Eigentümer das Handeln des Verwalters nach § 177 BGB genehmigen, vollzieht dieser daraufhin weitere Rechtsgeschäfte, bleiben diese auch dann wirksam, wenn später die Beschlüsse für ungültig erklärt werden. (Rn. 30 – 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.915.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.2019 zu zahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 13.751,90 € zu erstatten.
III. Im Übrigen (weitergehende Verzugszinsen, weitergehende vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits und die durch die Nebenintervention verursachten Kosten.
V. Das Urteil ist gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.915.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig und in der Sache ganz überwiegend begründet. Zwischen der Klägerin und der Beklagten kam auf Grundlage des Angebots der Klägerin vom 24.10.2018 ein Vertrag zustande. Die Auftragserteilung durch die Streithelferin erfolgte offenkundig namens der Beklagten und wurde durch diese mit Beschluss vom 29.10.2018 jedenfalls nachträglich genehmigt. Die Streithelferin wurde durch den genannten Beschluss zudem entsprechend ermächtigt. Gegen die Höhe der geltend gemachten Vergütung werden keine Einwendungen erhoben. Die Fragen der Ungültigkeit oder Nichtigkeit der Verwalterbestellung im Oktober 2014 und der Ungültigkeit der Beschlussfassung vom 29.10.2018 sind im vorliegenden Rechtsstreit ohne Belang. Die Klage war lediglich hinsichtlich der geltend gemachten Nebenforderungen abzuweisen, soweit der Antrag der Klägerin über den tenorierten Umfang hinausgeht.
1. Der Klägerin steht aus dem auf Grundlage des als Anlage K3 vorgelegten Angebots vom 24.10.2018 abgeschlossenen Werkvertrags über Fassadenabrissarbeiten nach §§ 631 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte eine offene Restwerklohnforderung in Höhe von 2.915.000,00 € zu.
a) Die Streithelferin hat ihre auf den Abschluss des Werkvertrages gerichteten Erklärungen, insbesondere ihre Gegenzeichnung des Schreibens der Klägerin vom 29.10.2018 (Anlage K5) aus der verständigen Sicht der Klägerin (§§ 133, 157 BGB) im Namen der Beklagten und nicht im eigenen Namen abgegeben.
Unstreitig wurden die Vertragsgespräche mit der Klägerin durch die Streithelferin, nicht aber durch die Beklagte selbst, geführt. Das Angebot vom 24.10.2018 (Anlage K3) und die Bestätigung der Beauftragung vom 29.10.2018 (Anlage K5) wurden an die Streithelferin adressiert und von dieser – ohne Verwendung eines Vertretungszusatzes – gegengezeichnet. Auch die Abschlagsrechnung vom 31.10.2018 (Anlage K6) ist an die Streithelferin gerichtet. Erstmals im Auftragsschreiben der Streithelferin vom 10.12.2018 (K7) wird die Beklagte als Auftraggeberin und Rechnungsempfängerin ausgewiesen. Gleichwohl besteht kein Zweifel daran, dass die Streithelferin im Rahmen der Auftragserteilung offenkundig nicht im eigenen Namen, sondern für die Beklagte auftrat.
Grundsätzlich ist Voraussetzung eines Vertretergeschäfts nach § 164 Abs. 1 BGB, dass der Vertreter eine Erklärung in fremdem Namen abgibt. Bereits aus dem unmittelbaren Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass insoweit keine ausdrückliche Erklärung erforderlich ist. Vielmehr ist ausreichend, dass sich aus den Umständen ergibt, dass die Erklärung im Namen des Vertretenen erfolgen soll (§ 164 Abs. 1, S. 2 BGB). Für ein Vertreterhandeln der Streithelferin war es daher nicht erforderlich, dass sie die Auftragserteilung ausdrücklich im Namen der Beklagten erklärte. Unschädlich ist auch, dass sie bei der Gegenzeichnung der Vertragsunterlagen auf die Verwendung eines Vertretungszusatzes verzichtete. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin auf Grundlage der Umstände der Auftragserteilung von einem Handeln der Streithelferin als Vertreterin der Beklagten ausgehen durfte (Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.01.2004, Az. VII ZR 12/03, zitiert nach juris, Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Auflage, § 164, Rn. 1 ff. m.w.N.,). Im Falle eines Hausverwalters ist im Zweifel davon auszugehen, dass dieser beispielsweise bei der Vergabe von Reparaturarbeiten im Namen des Eigentümers auftritt. Dies gilt auch dann, wenn der Eigentümer überhaupt nicht genannt wird (Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.04.2014, Az. VIII ZR 231/13, zitiert nach juris). Die beklagtenseits zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 31.10.2006, Az. 4 U 612/05, ist auf den hier gegenständlichen Sachverhalt nicht übertragbar. Im dortigen Fall lagen eine Vielzahl von Umständen vor, die das Gericht zu der Überzeugung führten, dass ein Eigengeschäft des Verwalters anzunehmen war. Insbesondere waren im dort entschiedenen Fall Versorgungsverträge über Energielieferungen zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden, zu dem die später begründete Wohnungseigentümergemeinschaft noch gar nicht existierte.
Im vorliegenden Fall betrafen die auszuführenden Arbeiten das Gemeinschaftseigentum der Beklagten. Bei der Streithelferin handelt es sich offenkundig um eine Hausverwaltungsgesellschaft. Ein Handeln der Streithelferin im eigenen Namen ist auf dieser Grundlage völlig fernliegend. Entsprechend hat die Klägerin vorgetragen, auch tatsächlich von einem Handeln der Streithelferin als bevollmächtigte Verwalterin der Beklagten ausgegangen zu sein. Überzeugende Argumente dafür, dass die Klägerin aufgrund übereinstimmenden Willens mit der Streithelferin angenommen hätte, die Streithelferin habe die Arbeiten am fremden Eigentum in eigenem Namen und auf eigene Rechnung beauftragen wollen, trägt die Beklagte nicht vor. Es ist auch auf Seiten der Klägerin kein berechtigtes Interesse an der Begründung eines Vertragsverhältnisses mit der Streithelferin ersichtlich. Damit verbleibt es für den vorliegenden Sachverhalt bei dem Regelfall, dass die Hausverwaltung bei der Beauftragung von Leistungen am Gemeinschaftseigentum im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft handelt.
Dies gilt insbesondere für das durch die Streithelferin durch Gegenzeichnung erklärte Einverständnis mit dem zur Dokumentation des Vertragsschlusses durch die Klägerin erstellten Schreiben vom 29. Oktober 2018 (Anlage K5). Wenngleich ein Vertretungszusatz von der Streithelferin bei ihrer Gegenzeichnung nicht angebracht wurde, ergibt sich schon aus dem vorstehenden Text eindeutig, dass nicht die Streithelferin selbst, sondern die Beklagte Vertragspartnerin werden sollte. Anders lässt sich schon nicht erklären, warum in diesem Schreiben der Klägerin Fragen der Vorfinanzierung und. Mittelbeschaffung durch die Streithelferin thematisiert werden. Zweifel darüber, dass es sich bei dieser Mittelbeschaffung nach dem beiderseitigen Verständnis der Klägerin und der Streithelferin um diejenige handelt, die die Streithelferin als Verwalterin bei der Beklagten zu organisieren hatte, bestehen für das Gericht nicht.
b) Die Beklagte hat die auf eine Auftragserteilung gerichteten Erklärungen der Streithelferin, insbesondere die Gegenzeichnung auf dem Schreiben der Klägerin vom 29.10.2018, bezogen auf das Angebot vom 24.10.2018 (Anlage K3) mit Beschluss vom 29.10.2018 unter TOP 3a (Anlagen K20 und SH3) jedenfalls nachträglich genehmigt (§ 177 Abs. 1 BGB) und ab dieser Beschlussfassung die Streithelferin auch entsprechend bevollmächtigt und beauftragt. Auf die Frage, ob die Streithelferin zum Zeitpunkt der Auftragserteilung wirksam zur Verwalterin der Beklagten bestellt war, kommt es im vorliegenden Verfahren daher nicht an. Entsprechend ist auch die Entscheidung des Amtsgerichts Nürnberg vom 30.10.2019 im Verfahren 244 C 8212/18 WEG und der Ausgang des Berufungsverfahrens 14 S 7436/19 für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens unerheblich. Ausführungen zur Wirksamkeit der Verwalterbestellung durch die Beschlussfassungen im Jahr 2014 sind nicht veranlasst.
aa) Geht man mit dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 30.10.2019 davon aus, dass die Beschlussfassungen über die Bestellung der Streithelferin als Verwalterin im Oktober 2014 nicht lediglich ungültig, sondern ausnahmsweise nichtig war, handelte die Streithelferin als Vertreterin ohne Vertretungsmacht. Sie ist zu behandeln, als sei sie im Zeitraum seit der Beschlussfassung nie Verwalterin gewesen (vgl. Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 2. Auflage, § 26, Rn. 66a). Die Nichtigkeit eines Beschlusses kann zeitlich unbefristet, insbesondere nach Ablauf der Anfechtungsfrist, eingewendet werden. Ein nichtiger Beschluss erwächst nicht in Bestandskraft. Die seitens der Klägerin und der Streithelferin vorgetragene Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Rechtshandlungen, die ein Verwalter vor Anfechtung und Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses vornimmt, betrifft nicht den Fall einer Nichtigkeit der. Beschlussfassung, wenngleich auch für diese Fallkonstellation der Schutz des Rechtsverkehrs, der Wohnungseigentümer und des Verwalters eine entsprechende Argumentation nahelegen. Das Gesetz unterscheidet jedoch in § 23 Abs. 4 WEG klar zwischen Nichtigkeit und Ungültigkeit und ordnet nur im letztgenannten Fall die Gültigkeit bis zur rechtskräftigen Ungültigerklärung an.
bb) Lag der Zeitpunkt der Auftragserteilung zeitlich nach der Beschlussfassung vom 29.10.2018 kann sich die Streithelferin auf eine entsprechende Ermächtigung und Beauftragung hinsichtlich der dort genannten Maßnahmen berufen, auch wenn ihre Bestellung zur Verwalterin nichtig war. Lag der Zeitpunkt der Auftragserteilung bereits vor der Beschlussfassung, ist in § 177 Abs. 1 BGB für das Handeln eines vollmachtlosen Vertreters die Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung vorgesehen. Ein nicht wirksam bestellter Verwalter kann im Einzelfall durch entsprechenden Gemeinschaftsbeschluss zur Vertretung der Gemeinschaft ermächtigt werden (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.05.2009, Az. VII ZR 206/07, zitiert nach juris). Ebenso kann das Handeln eines nicht wirksam bestellten Verwalters in der Vergangenheit durch Beschlussfassung der Gemeinschaft nachträglich genehmigt werden. Die Beschlussfassung 29.10.2018 ist vorliegend als Genehmigung der einzeln aufgezählten, bereits in die Wege geleiteten Maßnahmen der Streithelferin sowie als Ermächtigung und Beauftragung hinsichtlich der genannten kurzfristig anstehenden Maßnahmen auszulegen.
Mit dieser Beschlussfassung wird zudem eine mögliche Kompetenzüberschreitung der Streithelferin durch die Beklagte gebilligt, wenn man von einer Wirksamkeit der Verwalterbestellung ausgeht. Auch die Frage, ob die Streithelferin sich hinsichtlich der beauftragten Leistungen auf Befugnisse nach § 27 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 4 WEG berufen konnte, ist im vorliegenden Verfahren daher nicht zu entscheiden.
(1) Ausweislich der als Anlagen K20 und SH3 vorgelegten Protokollabschrift der Eigentümerversammlung vom 29.10.2018 wurde im Vorfeld der Beschlussfassung zunächst die „aktuelle Situation hinsichtlich der Brandschutzmaßnahmen“ besprochen (TOP 2). Die Architektin Christina Buchner und der Prüfsachverständige für Brandschutz Thomas Herbert waren als Gäste anwesend. Nach den Zeitangaben im Protokoll nahm bereits dieser Tagesordnungspunkt rund drei Stunden in Anspruch (Beginn der Versammlung 18.14 Uhr, Pause nach TOP 2 21.20 – 21.38 Uhr). Unter TOP 3a folgte im Anschluss eine Beschlussfassung der Beklagten über die Vorfinanzierung der durch die Streithelferin bereits eingeleiteten Maßnahmen, die in Form von acht Stichpunkten einzeln aufgelistet sind, und weiterer unmittelbar anstehender Maßnahmen in Gestalt von fünf weiteren Stichpunkten, wobei an erster Stelle die Entfernung der Fassadenplatten, und Dämmstoffe genannt ist.
(2) Soweit die Beklagte einwendet, der Beschluss habe lediglich die Frage der Finanzierung zum Inhalt, hinsichtlich der zu veranlassenden Maßnahmen hätten Vertragspartner, Vertragskonditionen und Preise noch nicht festgestanden und eine Genehmigungswirkung sei mangels Kenntnis des zu genehmigenden Rechtsgeschäfts nicht gegeben, ist bei der Auslegung der Beschlussfassung zu berücksichtigen, dass die Verwalterstellung der Streithelferin zum damaligen Zeitpunkt nicht angezweifelt wurde und seitens der Wohnungseigentümer offenbar davon ausgegangen wurde, dass die erforderlichen Maßnahmen durch die Streithelferin in die Wege geleitet wurden, so dass schlicht nur noch die Frage der Finanzierung zu klären war. Jedenfalls lässt sich bei Betrachtung der weiteren Tagesordnungspunkte nicht erkennen, dass die Wohnungseigentümer die Vorlage von Angebotsunterlagen für die kurzfristig anstehenden Maßnahmen erwartet hätten, über die sie beabsichtigten, gesondert abzustimmen. Unter TOP 3b wird die Reduzierung des Brandschutzkonzepts beschlossen. TOP 4 befasst sich mit weiteren Finanzierungsfragen, Maßnahmen der Fassadenerneuerung, Regressansprüchen und Schäden infolge der Fassadenarbeiten. Unter TOP 5 ist die Anforderung eines Kostenbeitrags von 5.000.000,00 € bei der V. SE erwähnt. Auch der ergänzend aufgenommene Haftungs- und Regressvorbehalt zeigt, dass die Wohnungseigentümer gerade von einem wirksamen Handeln der Streithelferin im Namen der Beklagten und einer Verpflichtung der Beklagten im Außenverhältnis ausgingen, da andernfalls eine Haftung der Streithelferin nicht im Raum gestanden hätte.
(3) Die Beschlussfassung über die Finanzierung der bereits veranlassten und kurzfristig anstehenden Maßnahmen lässt unzweifelhaft auf eine Billigung durch die Wohnungseigentümer schließen. Hätten die Wohnungseigentümer die Nichtdurchführung der anstehenden Fassadenarbeiten gewünscht, hätten sie eine Finanzierung der Maßnahmen verweigert. Die Beschlussfassung über die Finanzierung kann nicht anders verstanden werden, als dass hierdurch die Ausführung der anstehenden Arbeiten gerade ermöglicht werden sollte. Die Wohnungseigentümer wünschten die Durchführung der unter dem TOP 3a einzeln aufgezählten Maßnahmen und haben die durch die Streithelferin diesbezüglich abgeschlossenen und noch abzuschließenden Rechtsgeschäfte damit genehmigt bzw. die Streithelferin entsprechend ermächtigt. Von der Vorlage weiterer Unterlagen haben die Eigentümer ihre Beschlussfassung gerade nicht abhängig gemacht. Die Genehmigung durch die Beklagte betrifft nach dem Wortlaut der Beschlussfassung insbesondere die Leistungen der Klägerin gemäß Angebot vom 24.10.2018 zur Entfernung der Fassadenplatten und Dämmstoffe.
(4) Der Beschlussfassung fehlt auch nicht die erforderliche Bestimmtheit. In Rechtsprechung und Lehre wird hinsichtlich der Bestimmtheit von Beschlüssen der Wohnüngseigentümer verlangt, dass die durch den Beschluss beabsichtigten Wirkungen bereits aus dessen reinem Wortlaut entnommen werden können. Der Beschluss muss ohne Heranziehung äußerer Umstände „aus sich heraus“ für einen an der Beschlussfassung Unbeteiligten ohne weiteres verständlich sein. (Elzer/Fritsch/Meier, Wohnungseigentumsrecht, 3. Auflage, § 2, Rn. 408f, Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 2. Auflage, § 23, Rn. 84 ff. m.w.N.). Vorliegend sind die kurzfristig auszuführenden Maßnahmen einzeln aufgezählt. Die konkrete Bezeichnung dieser Maßnahmen ist erforderlich, aber auch ausreichend. Insbesondere ist anhand der Beschlussfassung unzweifelhaft erkennbar, dass sämtliche Fassadenplatten und Dämmstoffe entfernt werden sollen, so dass auch über den Umfang der Maßnahme keine Unklarheit verbleibt. Die Vorlage konkreter Angebotsunterlagen ist dagegen nicht Voraussetzung einer wirksamen Beschlussfassung. Es bleibt vielmehr den Wohnungseigentümern überlassen, ob sie ihre Beschlussfassung von der Vorlage konkreter Angebotsunterlagen abhängig machen wollen. Vorliegend haben sie dies ausweislich der als Anlage K20 vorgelegten Protokollabschrift zur Eigentümerversammlung am 29.10.2018 nicht getan.
cc) Dass das Amtsgericht Nürnberg im Verfahren 244 C 8212/18 WEG mit Urteil vom 30.10.2019 nachträglich die Ungültigkeit der vorgenannten Beschlussfassung festgestellt hat, weil die Streithelferin zur Einberufung der Eigentümerversammlung nicht berechtigt war, ändert an der Wirksamkeit der zwischenzeitlich auf Grundlage des Beschlusses durch die Streithelferin vorgenommenen Rechtshandlungen nichts. Zwar führt die Feststellung des Gerichts zur Ungültigkeit des Beschlusses von Anfang an. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass angesichts der Verpflichtung des Verwalters zum Vollzug der Gemeinschaftsbeschlüsse und aus Gründen der Rechtssicherheit und des Schutzes des Rechtsverkehrs Verträge und sonstige Rechtshandlungen, die vor der Ungültigerklärung einer Verwalterbestellung vorgenommen wurden, in vollem Umfang wirksam bleiben (Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 05.07.2019, Az. V ZR 278/17, zitiert nach juris, Beck-Online.Großkommentar, Stand 01.12.2019, § 26 WEG, Rn. 118 ff m.w.N..). Für die nachträgliche Ungültigerklärung eines Ermächtigungs- oder Genehmigungsbeschlusses kann nichts anderes gelten. Ob der Verwalter seine Vertretungsmacht aus der allgemeinen Bestellung zum Verwalter oder aus einem gesonderten Ermächtigungsbeschluss herleitet, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
dd) Mit Beschluss vom 29.10.2018 wurden entsprechend die bis dahin getroffenen Maßnahmen der Streithelferin unabhängig von deren wirksamer Bestellung als Verwalterin im Jahr 2014 nachträglich genehmigt und die Streithelferin zur Umsetzung der weiteren im Beschluss konkret genannten Maßnahmen ausdrücklich ermächtigt. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Notgeschäftsführung nach § 27 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 4 WEG kommt es daher vorliegend nicht an. Ebenso sind Ausführungen zu der Frage einer Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht nicht veranlasst.
ee) Schließlich bleibt auch die Beschlussfassung der Beklagten am 23.04.2019 (auszugsweise vorgelegt als Anlage B1) für das durch die Streithelferin auf Grundläge des Beschlusses vom 29.10.2018 namens der Beklagten mit der Klägerin begründete Vertragsverhältnis unerheblich.
Der spätere Widerruf der mit Beschluss vom 29.10.2018 erteilten Ermächtigung der Streithelferin ist für die bereits abgeschlossenen Rechtsgeschäfte ohne Wirkung. Soweit bereits eingeleitete und beauftragte Maßnahmen der Streithelferin mit Beschluss vom 29.10.2018 genehmigt wurden, ist ein Widerruf der Genehmigung als rechtsgestaltende Erklärung nicht möglich (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Auflage, § 184, Rn. 4).
Der Vortrag der Beklagten, mit Beschluss vom 23.04.2019 sei die Genehmigung der Auftragserteilung durch die Streithelferin bestandskräftig abgelehnt worden, findet im Wortlaut der Beschlussfassung im Übrigen keine Stütze. Gegenstand der Abstimmung waren die damals vorliegenden Rechnungen aus dem Fassadenabriss über 3.61.5.000,00 €. Die Beklagte hat eine Bezahlung der Rechnungen mit Beschluss vom 23.04.2019 mehrheitlich abgelehnt. Mit den von der Streithelferin ergriffenen Maßnahmen befasst sich diese Beschlussfassung dagegen nicht mehr.
ff) Die Frage, ob die Entfernung der Fassaden aus Gründen des Brandschutzes aus fachlicher Sicht tatsächlich erforderlich war, bleibt für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ebenfalls ohne Belang. Entscheidend ist allein, dass durch das Auftreten der mit Beschluss vom 29.10.2018 entsprechend legitimierten Streithelferin wirksam ein Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten begründet wurde. Dagegen setzt die Wirksamkeit einer werkvertraglichen Vereinbarung gerade nicht die Erforderlichkeit der angebotenen Leistungen voraus.
2. Die Werklohnforderung der Klägerin ist auch als fällig im Sinne des § 641 BGB zu behandeln.
Soweit die Beklagte die Abnahme der erbrachten Werkleistungen bestreiten lässt, hat die Beklagte im Rahmen des Verfahrens keinerlei Mängel an den Leistungen der Klägerin vorgetragen, so dass ihr die Berufung auf eine fehlende Abnahme verwehrt ist. Auch einer Fristsetzung zur Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB bedurfte vor diesem Hintergrund nicht.
Ohne die Geltendmachung auch nur eines Mangels an der Werkleistung der Klägerin wäre die Verweigerung einer Abnahme durch die Beklagte als unberechtigt zu betrachten, so dass die Abnahmewirkungen gleichwohl eintreten und die Werklohnforderung der Klägerin als fällig anzusehen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Fälligkeit der Werklohnforderung sind die aus den als Anlage K10 vorgelegten Abnahmeprotokollen ersichtlichen Abnahmetermine. Spätestens zum letzten Termin am 05.02.2019 hat die Klägerin zugleich die vollständige Fertigstellung der Werkleistungen mitgeteilt und zu deren Abnahme aufgefordert. Auf die Wirksamkeit dieser Abnahmeerklärungen gegen die Beklagte kommt es daher nicht an.
3. Einwendungen gegen die Höhe der Klageforderung hat die Beklagte nicht erhoben, so dass der diesbezügliche Vortrag als unstreitig zugrundezulegen ist.
4. Der Klage war demnach in der Hauptsache stattzugeben. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegenüber der Beklagten zu.
II.
Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Aus den unter Ziffer I Nr. 2 aufgeführten Gründen ist von einer Fälligkeit ab dem 05.02.2019 auszugehen. Eine Mahnung ist erstmals für den 09.04.2019 vorgetragen. Zu einem früheren Zeitpunkt sind die gesetzlichen Voraussetzungen eines Zahlungsverzugs nicht vorgetragen.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin nur in Höhe einer 1,3 Gebühr verlangen. Im Rahmen des Verzugsschadens kann die Klägerin nach §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB die Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Nachdem ihre Mahnung erfolglos blieb, durfte sie davon ausgehen, ohne anwaltliche Unterstützung keinen Ausgleich ihrer Außenstände erlangen zu können. Für die außergerichtliche Vertretung der Klägerin können die Klägervertreter gemäß Nr. 2300 KV zu § 2 Abs. 2 RVG jedenfalls die Mittelgebühr von 1,3 geltend machen. Das als Anlage K14 vorgelegte Rechtsanwaltsschreiben geht über ein einfaches Mahnschreiben im Sinne der Nr. 2301 KV zu § 2 Abs. 2 RVG hinaus. Es enthält weitergehende Ausführungen in sachlicher und rechtlicher Hinsicht und weist auf die grundsätzliche Einigungsbereitschaft der Klägerin hin, wobei die Klägervertreter sich auch als Ansprechpartner für Vergleichsgespräche zur Verfügung stellen.
Einen besonderen Umfang oder eine besondere Schwierigkeit der Tätigkeit, die den Ansatz einer die Mittelgebühr übersteigenden Gebühr rechtfertigen würde, haben die Klägervertreter dagegen auch auf das Bestreiten der Beklagten hin nicht hinreichend dargelegt. Allein die Höhe der Klageforderung rechtfertigt keinen Ansatz über die Mittelgebühr hinaus, sondern erhöht bereits den Gegenstandswert, als Grundlage der Gebührenberechnung. Die Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer war nicht geböten. Ein solches ist nach § 14 Abs. 2 RVG nur in Honorarstreitigkeiten zwischen Rechtsanwalt und Mandant gesetzlich zwingend vorgeschrieben.
III.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus §§ 91, 101 ZPO. Die teilweise Klageabweisung betrifft allein geringfügige Nebenforderungen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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