Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten und (hier: Rechtsmittel-) Streitwert

Aktenzeichen  23 S 162/18

Datum:
30.9.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46396
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 2, § 4, § 511 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten erhöhen den (hier: Rechtsmittel-) Streitwert nur insoweit, als sie nicht auf die im Prozess erhobene Hauptforderung und noch streitgegenständliche Hauptforderung entfallen (vgl. BGH BeckRS 2013, 8690 Rn. 6). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Entfallen die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zum Teil auf die im Prozess erhobene Hauptforderung und zum Teil auf einen vorprozessual erledigten und deshalb nicht streitgegenständlichen Teil der Hauptforderung, so berechnet sich der den Streitwert erhöhende Teil der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten aus der Differenz zwischen den gesamten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, die angefallen wären, wenn von vornherein nur der streitgegenständliche Teil der Hauptforderung geltend gemacht worden wäre (sog. Differenzrechnung, vgl. BGH BeckRS 2017, 128428 Rn. 3).  (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

VI ZB 48/18 2019-04-30 Bes BGH BGH Karlsruhe

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Cham vom 01.08.2018, Az.: 8 C 121/18 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 581,11 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Berufung ist unzulässig, da weder der Rechtsmittelwert nach § 511 Abs. 2 ZPO erreicht wurde, noch die Berufung gem. § 511 Abs. 4 S. 1 ZPO zugelassen wurde.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt richtigerweise 581,11 Euro.
2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes (Rechtsmittelstreitwert) bestimmt sich nach den Anträgen des Rechtsmittelklägers (§ 47 Abs. 1 GKG), wobei die §§ 3 ff. ZPO gem. § 2 ZPO Anwendung finden.
a) Demzufolge ist bei der Wertbemessung gem. § 3 ZPO zunächst der klägerische Antrag in der Hauptsache, nämlich die Beklagte zu einer Zahlung von 526,96 Euro zu verurteilen, maßgeblich.
b) Soweit darüber hinaus die Bezahlung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 201,71 Euro begehrt wird, ist zu unterscheiden:
Soweit die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren auf die (noch geltend gemachte) Hauptforderung in Höhe von 526,96 Euro entfallen, handelt es sich um eine Nebenforderung, welche nicht streitwerterhöhend wirkt (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 32. Auflage, § 4, Rn. 13). Bei einer 1,3 Gebühr aus einem Streitwert von 526,96 Euro entspricht dies inklusive Pauschale und Mehrwertsteuer einem Betrag von 147,56 Euro.
Soweit mit der Klage weitere, zuvor angefallene vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren aus einem Streitwert von 1.053,92 Euro geltend gemacht wurden, handelt es sich um eine Hauptforderung. Dies entspricht einem Betrag von 54,15 Euro. Insgesamt ergibt sich damit ein Beschwerdewert von 581,11 €.
Im Mittelpunkt bei der Bestimmung des Rechtsmittelstreitwerts steht hierbei § 4 ZPO.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten können den Streitwert nur erhöhen, soweit sie nicht bereits auf die im Prozess erhobene Hauptforderung entfallen. Insoweit sind sie nämlich Nebenforderungen gem. § 4 ZPO. Vorliegend wurde in der Hauptsache die Zahlung eines Betrages von 526,96 Euro begehrt. Wenn also in der Klage vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 201,71 Euro (aus einem vorgerichtlichen Streitwert in Höhe von 1.053,91 Euro) verlangt werden, kann nur die Differenz zwischen 201,71 Euro und 147,56 Euro (s.o.) als (weitere) Hauptforderung angesehen werden.
Diese Ansicht entspricht der Rechtsprechung zum Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten bei teilweisem Obsiegen, nach welcher Anwaltskosten nicht im Verhältnis des Obsiegens in der Hauptforderung zuzusprechen sind, sondern die Anwaltskosten maßgeblich sind, die sich aus dem Streitwert in Höhe der begründeten Forderung ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 18.07.2017 in NJW 2017, 3288 sowie Feldmann „Die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten“ R+S 2016, 546 ff.).
Die vorgenommene Differenzrechnung entspricht im Übrigen der Linie der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Bsl. vom 27.09.2017, Az: VIII ZR 100/17).
c) Nicht der Beschwer hinzuzurechnen ist die Kostenlast des Rechtsstreits I. Instanz, wie die Klägerseite unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 09.02.2012, Az. 4 U 70/11, meint. Bei der Bestimmung der Rechtsmittelbeschwer bleiben die im Rechtsstreit entstehenden Verfahrenskosten vielmehr außer Betracht (vgl. BGH, Bsl. vom 21.04.2016, Az. V ZA 3/16). Dies folgt schon aus § 4 ZPO.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.


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