Aktenzeichen 16 C 127/16
BGB BGB § 535 Abs. 1, § 536 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, § 812 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Fällt durch einen Totalausfall der Gasversorgung die Heizung, Warmwasserversorgung und die Kochmöglichkeit in einer Wohnung aus, so rechtfertigt dies in den Monaten Oktober bis April eine Minderungsquote von 85% und in den übrigen Monaten von 60%. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Minderungsquote ist vom Bruttomietzins zu berechnen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Mietvertragsklausel, wonach der Mieter verpflichtet ist, die Heizungsanlage zu warten, ist gemäß § 536 Abs. 4 BGB unwirksam, da die Instandhaltung der Mietsache gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB Hauptpflicht des Vermieters ist. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ansprüche auf Rückzahlung der Miete gehen gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II auf das Jobcenter über, sofern dieses die Kosten der Unterkunft getragen hat. (Rn. 32 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an das Jobcenter N., N2.-straße …, 1.683,77 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.10.2015 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben 43 % die Klägerin, 57 % der Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Für die Klägerin gegen den Beklagten nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages.
Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 3.483,00 € bis zum 23.03.2016, ab 24.03.2016 bis 12.06.2016 auf 2.178,00 € und ab 13.06.2016 auf 2.672,23 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die zulässige Klage war nur hinsichtlich des Hilfsantrages und dort auch nur in Höhe von 1.683,77 € begründet.
A.
Im vorliegenden Fall war die monatliche Mietzahlung für den streitgegenständlichen Zeitraum aus Sicht des Gerichts tatsächlich, wie klägerseits berechnet, um insgesamt 3.483,00 € gemindert.
1. Das Gericht schließt sich insoweit den Berechnungen der Klagepartei an. Namentlich eine Minderungsquote von 85 % für die Zeiträume Oktober–April 2015 erscheinen dem Gericht vorliegend nicht überzogen, nachdem ohne Beheizung, Warmwasser und die Möglichkeit des Kochens ein sinnvolles Nutzen der Wohnung allenfalls noch zum Unterstellen der Möbel erkennbar ist, ein tatsächliches Bewohnen demgegenüber nur schwerlich möglich ist. Auch in den Sommermonaten war jedenfalls zu berücksichtigen, dass keinerlei Warmwasserversorgung bestand und auch die Nutzung des Gaskochherdes nicht möglich war, weswegen auch insoweit die Quote von 30 % angemessen erschien. Soweit für Mai in 2014 60 %, in 2015 lediglich 30 % angesetzt wurden, wären aus Sicht des Gerichts in beiden Fällen durchaus auch 60 % Minderung angemessen gewesen. Dieser Betrag wurde aber schlicht nicht eingeklagt, über den Klageantrag durfte das Gericht allerdings nicht hinausgehen.
2. Die aufgrund des Mangels der Nichtversorgung mit Gas bestehende Minderung der Miete war auch von der Bruttomiete, und nicht wie beklagtenseits gemeint, von der Nettomiete zu berechnen (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2011, Az: VIII ZR 223/10, NJW 2011, 1806).
3. Im Zusammenhang mit der Minderung ist vorliegend auch kein Mitverschulden der Klägerin zu erkennen.
Soweit sich der Beklagte auf den Standpunkt stellte, ausweislich § 22 des Mietvertrages (vgl. Bl. 11 der Akte) habe eine Verpflichtung der Klägerin bestanden, selbst für eine Wartung der Heizgeräte Sorge zu tragen, ergibt sich dies so bereits nicht aus der Klausel, diese ist viel mehr indifferent hinsichtlich der Frage, ob seitens des Mieters selbst die Wartung zu veranlassen ist oder von diesem lediglich die Kosten zu übernehmen sind.
Überdies verstieße die Klausel, wonach der Mieter selbst die Wartung der Heizung zu veranlassen hat, jedenfalls gegen § 536 Abs. 4 BGB. Die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht ist als wesentlicher Inhalt der Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter den ungestörten Gebrauch der Mietsache zu ermöglichen, jedenfalls im Hinblick auf eine etwaige Minderungsberechtigung nicht abdingbar. Insbesondere ist der Vermieter nicht berechtigt, über die Hintertür der Wartungsverpflichtung eine Minderungsberechtigung des Mieters aufgrund Sachmängeln auszuschließen.
Auf ein behauptetes Mitverschulden kann sich der Beklagte in diesem Zusammenhang daher nicht berufen. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, dass beklagtenseits auch keinerlei Beweismittel für die behauptete Kausalität angeboten wurden. Soweit lediglich pauschal auf die Beiakte Bezug genommen wurde, ergab sich aus dieser jedenfalls kein Mitverschulden der Klägerin hinsichtlich der unstreitig erfolgten Verpuffung.
B.
Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der überzahlten Miete ist allerdings gemäß § 33 SGB II auf das Jobcenter übergegangen, sodass ein eigener Zahlungsanspruch der Klägerin nicht mehr bestand.
Gemäß § 33 SGB II gehen Ansprüche von Leistungsempfängern gegen Dritte bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den Leistungsträger über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Dritten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht erbracht worden wären.
Die Ansprüche der Mieter auf Erstattung des überzahlten Mietzinses entstehen vorliegend direkt mit Zahlung der Miete. Wären gleichzeitig die Überzahlungen an die Klägerin zurückgezahlt worden, wären Leistungen des Jobcenters auf die Kosten der Unterkunft in entsprechend geringerem Umfang erbracht worden. § 33 SGB II umfasst in diesem Zusammenhang entgegen der Ansicht des Klägervertreters auch gewährte Leistungen für Bedarfe hinsichtlich Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II: Von den gemäß § 33 SGB II bezeichneten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind sämtliche in Kapitel 3 Abschnitt 2 des SGB II genannten Leistungen umfasst, mithin namentlich die Leistungen für den Regelbedarf (§ 20), für Mehrbedarfe (§ 21) und Bedarfe hinsichtlich Unterkunft und Heizung (§ 22), für einmalige Bedarfe (§ 24) und das Sozialgeld (§ 23) (vgl. Stotz in Gagel, SGB II/SGB III, 64. Ergänzungslieferung Dezember 2016, § 33 SGB II Rn. 19)
Nachdem von dem Anspruchsübergang namentlich auch Bereicherungsansprüche umfasst sind (vgl. hierzu z.B. LG Hamburg, Urteil vom 31.05.2016, Az: 316 S 81/15, WuM 2016, 434), war auch die hier streitgegenständliche Forderung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB vom Anspruchsübergang auf das Jobcenter erfasst.
Soweit der Klägervertreter in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des LG Berlin vom 13.03.2015 (vgl. Beschluss vom 13.03.2015, Az: 65 S 477/14, IMRRS 2015, 0821) verwies, setzt sich die fragliche Entscheidung mit der Frage des Anspruchsübergangs gemäß § 33 SGB II nicht auseinander. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr auf die Frage, ob (wie zu Recht verneint) im Fall der Direktüberweisung der Miete nach § 22 Abs. 4 SGB II (a.F.) der Vermieter in die Stellung des Leistungsberechtigten eintritt mit der Folge, dass zwischen ihm und dem Leistungsträger eine eigenständige Leistungsbeziehung entstehen würde.
Der grundsätzlich bestehende Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der überzahlten Miete ist damit gemäß § SGB II wirksam auf den Leistungsträger übergegangen. Eine Rückabtretung wurde in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht substantiiert behauptet.
C.
Der Anspruch ist allerdings in Höhe von 494,23 € durch die beklagtenseits erklärte Hilfsaufrechnung mit dem Betriebskostennachzahlungsbetrag für 2013 erloschen.
1. Gemäß §§ 412, 406 BGB ist eine Aufrechnung des Beklagten mit bereits bestehenden Forderungen gegen die Klägerin auch weiterhin trotz Anspruchsübergangs möglich.
2. Die Abrechnung für das Abrechnungsjahr 2013 ist formell ordnungsgemäß. Substantiierte Einwände wurden inhaltlich binnen der Einwendungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5, 6 BGB nicht erhoben. Jedenfalls das Schreiben des die Klägerin vertretenden Mietervereins vom 23.01.2015 (vgl. Bl. 67 der Akte) war nicht geeignet, wirksam ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Vorlage weiterer Unterlagen zu begründen. Insbesondere ist es nicht ausreichend, lediglich den Vermieter aufzufordern, etwaige Unterlagen oder gar weitere Aufstellungen zu übersenden bzw. seinerseits Termine für eine Belegeinsicht mitzuteilen.
Dass wiederum die Klägerin binnen Einwendungsfrist selbständig aktiv Versuche zur Belegeinsicht unternahm, namentlich aktiv versuchte, durch Nennung von geeigneten Terminen Einsichtnahme in die Belege ermöglicht zu bekommen, wurde nicht einmal klägerseits behauptet. Soweit dies nunmehr nachträglich aus Anlass dieses Verfahrens erfolgte, war dies zumindest hinsichtlich der Abrechnung 2013 weit nach Ablauf der Einwendungsfrist.
Nach alledem war die Klage in der Hauptsache, soweit die Klägerin Zahlung an sich selbst begehrte, unbegründet. Der hilfsweise Klageantrag auf Zahlung an das Jobcenter war in Höhe von 1.681,77 € begründet.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und entspricht dem Anteil des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens, wobei sowohl beim Streitwert als auch im Rahmen der Kostenquote die aufrechterhaltene Hilfsaufrechnung berücksichtigt wurden.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.