Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zustimmung zur Mieterhöhung

Aktenzeichen  1 C 143/19

Datum:
30.7.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 58362
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Günzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 259, § 242

 

Leitsatz

1. Ein Mieter muss sich, soweit Originalbelege vorhanden sind, nach nahezu einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung gerade nicht auf die Übersendung von Kopien (oder Ausdrucken) verweisen lassen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Etwas anderes kann und muss gelten, wenn ein papierloses Büro geführt wird oder Originalbelege eingescannt und dann vernichtet werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klägerin wird verurteilt, den Beklagten hinsichtlich der für die Jahre 2015, 2016, 2017 erteilten Betriebskostenabrechnungen für die von den Beklagten und Widerklägern bewohnte Wohnung im M.-ring … in … G. Einsicht in die den vorbenannten Abrechnungen zu Grunde liegenden Belege im Original zu erteilen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.954,36 € festgesetzt bis zur Klagerücknahme (16.04.2019), hiernach auf 1.000,00 Euro.

Gründe

Die Widerklägerin hat Anspruch auf Einsicht in die Originalbelege gemäß §§ 259, 242 BGB bzw. § 8 Abs. 4 WoBindG und § 29 Abs. 1 NMV.
Problematisch war vorliegend, ob dieser Anspruch erloschen ist, weil die Widerbeklagte für die relevanten Abrechnungszeiträume im Laufe des Rechtsstreits Kopien sämtlicher Belege überlassen hat, § 362 BGB.
Entgegen der Auffassung der Widerbeklagten kann die Beklagte jedoch trotz Übersendung der Belegkopien Einsicht in die Originalbelege, vorliegend am Ort des Mietobjekts, verlangen. Ein Mieter muss sich, soweit Originalbelege vorhanden sind, nach nahezu einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung gerade nicht auf die Übersendung von Kopien (oder Ausdrucken) verweisen lassen (LG Freiburg, Urt. v. 24.3.2011 – 3 S 348/10, NZM 2012, 23, AG Langenfeld WuM 1996, 426, Blank/Börstinghaus/Blank BGB § 556 Rn. 184-192a, MüKoBGB/Schmid/Zehelein BGB § 556 Rn. 83-87; Lützenkirchen: Belegeinsicht im „papierlosen Büro““ NZM 2018, 266; a.A. ohne nähere Begründung: Schach, Mietrecht, Teil 1: Das Mietverhältnis § 3 Situationen im laufenden Mietverhältnis Rn. 213-217, jeweils zitiert nach beck-online), so dass es am Anspruch auf Belegeinsicht nichts ändert, wenn zuvor bereits Fotokopien (oder Ausdrucke eingescannter Dokumente) übersandt worden sind (Schmidt-Futterer/Langenberg BGB § 556 Rn. 479-480, beck-online) oder der Sitz des Vermieters weit vom Mietobjekt entfernt ist (vgl. LG Kempten, 53 S 740/16, beck-online).
Etwas anderes kann und muss gelten, wenn ein papierloses Büro geführt wird oder Originalbelege eingescannt und dann vernichtet werden (vgl. Lützenkirchen, a.a.O.) oder sonstwie fehlen. Dass Originalbelege fehlen oder sich die Widerklägerin aus anderen Gründen auf die Überlassung von Belegkopien verweisen lassen muss, hat die Widerbeklagte aber nicht behauptet. Dabei erkennt das Gericht auch die praktischen Schwierigkeiten großer, gewerblicher, überregionaler Vermieter nicht. Es steht diesen frei, die Modalitäten der zu gewährenden Belegeinsicht mit ihren Mietern individuell auszuhandeln und/oder die Belegeinsicht praktikabel vor Ort zu lösen. Da nicht für sämtliche Mietobjekte bundesweit dieselben Belege vorzulegen sind, kann das Gericht die Darlegungen der Widerbeklagten zum möglichen Verlust von Originalbelegen bei „massenhafter“ Gewährung von Belegeinsicht nicht nachvollziehen.
Richtigerweise ist vorliegend Einsicht am Ort des Mietobjekts zu gewähren (vgl. Schmitt-Futterer, a.a.O., § 556 Rn. 488 – beck-online).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und § 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Klägerin hat die Klage zurückgenommen und insoweit die Kosten zu tragen. Dies gilt auch, soweit sie in Bezug auf die Widerklage unterliegt.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708, 711 ZPO.


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