Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zweckentfremdung, Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine erneute Zwangsgeldandrohung, Geeignetheit einer wiederholten Zwangsgeldandrohung (verneint)

Aktenzeichen  M 8 S 21.2764

Datum:
28.2.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6486
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwZVG Art. 31, 36, 38

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer II des Bescheids vom 11. Dezember 2020 (Az.: …) wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2020, in dem ihr ein erneutes, viertes Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 42.000 EUR zur Vollstreckung der Wiederbelegungsanordnung vom 11. Juli 2013 hinsichtlich des Anwesens … straße 3 (hier Wohnung 1.OG links und 1.OG Mitte) angedroht wird. Sie begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 21. Mai 2021 (M 8 K 21.2763).
Die am … Oktober 1927 geborene Antragstellerin hat den Nießbrauch am Anwesen … straße 3 in … inne, welches im Eigentum ihrer beiden Kinder steht. Die Antragstellerin übte den Nießbrauch ab dem Jahr 2009 zunächst mit ihrem am 20. September 2019 verstorbenen Ehemann in Gütergemeinschaft aus. Der Nießbrauch ist im Grundbuch bedingt für den Überlebenden allein eingetragen (Amtsgericht …, Grundbuch von … Bd. … Bl. …).
Bei dem Anwesen … straße 3 handelt es sich um ein in die Denkmalliste eingetragenes Mehrfamilienhaus mit einer Gewerbeeinheit, welches im Jahr 1901 errichtet wurde. Die Zweizimmerwohnung im 1.OG links verfügt über ca. 56 m², die Dreizimmerwohnung im 1.OG Mitte über ca. 87,00 m².
Am 10. April 2008 leitete die Antragsgegnerin ein Verfahren zum Vollzug der Wohnraumzweckentfremdungssatzung ein. In den Folgejahren wurden regelmäßig Leerstände mitunter auch wechselnder Wohneinheiten festgestellt. Aufgrund eines Gutachtens vom 12. Januar 2009 wurde der Antragstellerin und ihrem Ehemann angedient, die Wohnungen zu einem ermäßigten Quadratmeterpreis von 13 EUR zu inserieren. Am 14. Dezember 2011 wurde ein Leerstand des 1.OG Mitte ab 1. Mai 2011 festgestellt (Bl. 233 d. B.A.). Laut einem Gutachten der Antragsgegnerin vom 17. Juli 2012 lag in der Wohnung im 1.OG Mitte ein Wasserschaden vor. Die Kosten für die baulichen Maßnahmen wurden auf etwa 1.500 EUR beziffert, der benötigte Zeitaufwand wurde bis Ende September 2012 angesetzt (Bl. 287 d. B.A.). Am 10. Januar 2013 holte die Antragsgegnerin einen Auszug des Einwohnermeldeamts ein, wonach sich der Mieter der Wohnung 1.OG links zum 1. September 2012 abgemeldet hatte (Bl. 317 d. B.A.). Am 15. Januar 2013 erfolgte eine örtliche Überprüfung des Anwesens. Einsicht in die Wohnungen wurde nicht genommen (Bl. 321 d. B.A.). Im Rahmen einer Anhörung vom 7. Februar 2013 äußerte sich der Ehemann der Antragstellerin (in nicht durchweg sachdienlicher Art und Weise) u.a. dahingehend, dass die Antragsgegnerin falsch informiert sei.
Mit zwei gleichlautenden Bescheiden vom 11. Juli 2013 (Gegenstand des Verfahrens M 9 K 13.3651) wurden der Antragstellerin und ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann jeweils aufgegeben, die Wohnungen im EG rechts, 1.OG links, 1.OG Mitte, 1.OG rechts, 3.OG links, 3.OG rechts sowie DG links unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen (jeweils Ziffer 1). Für den Fall, dass sie der Anordnung unter Ziffer 1 dieser Bescheide innerhalb einer Frist von 10 Monaten ab Bestandskraft nicht nachkommen würden, wurde der Antragstellerin und ihrem Ehemann u.a. für die Wohnung im 1.OG links jeweils 1.500 EUR und für die Wohnung im 1.OG Mitte jeweils 2.000 EUR Zwangsgeld angedroht (Ziffer 2). Zur Begründung wurde hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Wohnungen im Wesentlichen ausgeführt, dass die Wohnung im 1.OG links seit 1. September 2012 und die Wohnung im 1.OG Mitte seit 1. Mai 2011 leer stehe. Eine Zweckentfremdung liege vor, Vermietungsbemühungen hätten nicht glaubhaft dargelegt werden können. Auf die Bescheide und ihre Begründungen wird verwiesen (Bl. 358 d. B.A.).
Der Ehemann der Antragstellerin äußerte sich gegenüber der Antragsgegnerin wiederholt (u.a. am 17. August 2013) im Wesentlichen dahingehend, dass das Eigentum an dem Objekt zunächst er und sein Bruder innegehabt hätten. Der Bruder habe das Objekt verwaltet. Im Jahr 1997 hätten die Antragstellerin und er durch Zuschlag im Rahmen einer Versteigerung das volle Eigentum an dem Anwesen erlangt. Sie hätten einen 40-jährigen Renovierungsstau festgestellt und sich daher entschlossen, vom Dach her pro Jahr eine Wohnung instand zu setzen. Aufgrund der Anforderungen der Antragsgegnerin habe von diesem Plan abgewichen werden müssen. Im Rahmen einer größer angelegten Renovierung (beauftragt im Jahr 2012) sei durch das ausführende Bauunternehmen ein Wasserschaden u.a. in der Wohnung im 1.OG Mitte verursacht worden. Aufgrund anhängiger Gerichtsverfahren könne aus Beweislastgründen die Sanierung nicht fortgesetzt werden. Weiterhin wurde mitgeteilt, dass vor dem Finanzgericht Nürnberg ein Prozess wegen der Absetzbarkeit der Renovierungskosten geführt werde.
Am 16. April 2014 führte das Verwaltungsgericht München (9. Kammer) einen Augenschein und eine mündliche Verhandlung durch. Die Antragstellerseite erklärte dort, dass die Wohnung im 1.OG links zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses vermietet gewesen sei. Sie legte eine Kündigungsbestätigung vom 16. Februar 2014 vor, in der die Kündigung der Wohnung zum 31. März 2014 bestätigt wurde. Die Antragsgegnerin erklärte hierzu, sie sei davon ausgegangen, dass die Wohnung leer stehe, weil sich der Mieter melderechtlich abgemeldet habe. Die Wohnung war zum Zeitpunkt des Augenscheins leerstehend und frisch gestrichen. Beim gerichtlichen Augenschein wurde festgestellt, dass in der leerstehenden Wohnung im 1.OG Mitte Renovierungsarbeiten stattfinden. Feuchtigkeit war keine erkennbar. Die Antragstellerseite erklärte, die Arbeiten könnten wegen einer Auseinandersetzung mit der Firma nicht fortgeführt werden. Ein Gerichtsverfahren sei nicht anhängig. Die Vertreter der Antragsgegnerin erklärten, sie würden die 10-Monatsfrist u.a. für die Wohnung im 1.OG Mitte und 1.OG links verlängern, wenn unvorhersehbare Umstände auftreten und diese nachgewiesen würden. Daraufhin nahm die Antragstellerseite die Klage zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 16. April 2014 (M 9 K 13.3651) verwiesen (Bl. 473 d. B.A.).
Mit Schreiben vom 25. Juli 2014 teilte der verstorbene Ehemann der Antragstellerin mit, dass Anfang des Monats ein Wasserschaden (Rohrbruch) u.a. große Teile des 1. OG überschwemmt habe (Bl. 493 d. B.A.). Mit Schreiben vom 8. Oktober 2014 bestätigte die Antragsgegnerin, dass das Mietverhältnis im 1. OG links offensichtlich im März 2014 beendet worden sei. Sie teilte weiterhin mit, dass die Frist von drei Monaten, wonach ein Leerstand eine Zweckentfremdung darstelle, bezüglich dieser Wohnung mittlerweile deutlich überschritten sei (Bl. 515 d. B.A.). In der Folgezeit wurden diverse Handwerkerrechnungen wegen der Wasserschäden vorgelegt. Bei einem Ortstermin am 15. Oktober 2015 erklärte der Sohn der Antragstellerin, dass bezüglich des Wasserschadens in der Wohnung im 1.OG Mitte zwischenzeitlich ein Anwalt eingeschaltet worden sei. Da die Versicherung bislang nicht zahlte, führe der beauftragte Handwerker vorerst keine weiteren Arbeiten aus. Die Versicherung habe eine nochmalige Besichtigung angekündigt. Es dürfe deshalb nicht weitergearbeitet werden (Bl. 663 d. B.A.).
Am 20. Dezember 2015 wurde ein weiteres Gutachten durch die Antragsgegnerin erstellt (Bl. 665 d. B.A.). Zur Wohnung im 1.OG links wurde festgestellt, dass diese gerade saniert werde. Die Kosten für die erforderlichen baulichen Maßnahmen beliefen sich etwa auf 10.000 EUR. Hinsichtlich der Wohneinheit im 1.OG Mitte wurde festgestellt, dass Arbeiten in Badezimmer, Gang und Küche stattfänden. Die Kosten für die erforderlichen Maßnahmen beliefen sich auf etwa 8.000 EUR. Es wurde von einem benötigten Zeitaufwand bis ca. Ende Juni 2016 ausgegangen.
Am 18. Januar 2018 erfolgte ein weiterer Besichtigungstermin, an dem die Antragstellerin und ihre Kinder teilnahmen (Bl. 899 ff. d. B.A.). In einem weiteren Gutachten vom 27. April 2018 (Bl. 983 d. B.A.) wurde hinsichtlich der Wohnung im 1.OG links festgestellt, dass der Erhaltungszustand demjenigen vom 15. Februar 2015 entspreche. Die Kosten für die Restarbeiten beliefen sich auf etwa 5.000 EUR. In Bezug auf die Wohneinheit im 1.OG Mitte wurde ein Fortschritt der Renovierungsarbeiten verzeichnet. Die Kosten für den weiterhin erforderlichen baulichen Aufwand beliefen sich auf etwa 3.000 EUR. Es werde von einem Zeitaufwand bis ca. Ende August (1.OG Mitte) bzw. Oktober 2018 (1.OG links) ausgegangen.
Mit weiterem Bescheid vom 25. September 2018, adressiert an den damaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin und ihres Ehemannes, stellte die Antragsgegnerin zunächst ein Zwangsgeld i.H.v. 3.500 EUR für die Wohnungen im 1.OG links und Mitte fällig (Ziffer I.). Weiterhin drohte sie für den Fall, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann der mit Anordnung vom 11. Juli 2013 (Ziffer 1) aufgegebenen Verpflichtung nicht innerhalb von neun (1.OG links) bzw. sieben Monaten (1.OG Mitte) ab Bestandskraft dieses Bescheides nachkämen ein erneutes (zweites) Zwangsgeld von 4.500 EUR (1.OG links) bzw. 6.000 EUR (1.OG Mitte) an (Gegenstand des Verfahrens M 9 K 18.5273). Auf den Bescheid (Bl. 1033 d. B.A.) und seine Begründung wird verwiesen.
Am 20. Februar 2019 führte das Verwaltungsgericht (9. Kammer) eine mündliche Verhandlung u.a. auch im Verfahren M 9 K 18.5273 (zweite Zwangsgeldandrohung) durch. Die Beteiligten einigten sich darauf, dass die Antragstellerseite binnen vier Wochen eine Bestätigung über die Beauftragung eines Maklers zur Vermietung der Wohnungen (u.a. 1.OG links und 1.OG Mitte) vorlegen sollte. Bei fehlender Vermietbarkeit verpflichtete sich die Antragstellerseite, eine Stellungnahme des Maklers darüber vorzulegen. Die Zwangsvollstreckung werde fortgeführt, wenn eine Vermietung aus von der Antragstellerseite zu verantwortenden Gründen nicht zustande komme. Die Antragstellerseite nahm u.a. die Klage gegen den Bescheid vom 25. September 2018 (zweite Zwangsgeldandrohung, M 9 K 18.5273) zurück. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
Am 1. August 2019 wurde eine Maklerbestätigung vorgelegt. Danach seien die Einheiten 1.OG links und 1. OG Mitte in einem indiskutablen Zustand (Rohbau bzw. eklatante Wasserschäden) und würden somit nicht über das Maklerbüro vermietet (Bl. 1176 d. B.A.). Mit Schreiben vom 9. Mai 2019 wurde die Antragstellerin sowie ihr Ehemann zur Fortführung der Zwangsvollstreckung u.a. hinsichtlich der Wohnungen im 1.OG links und 1.OG Mitte angehört (Bl. 1184 d. B.A.). Daraufhin teilte der damalige Bevollmächtigte der Antragstellerin und ihres Ehemannes mit, dass die Antragstellerseite dem geschlossenen Vergleich genüge getan habe. Das vorgelegte Schreiben des Maklerunternehmens belege die Unmöglichkeit der Vermietung. Die Antragstellerseite sei bestrebt, die Wohnungen schnellstmöglich bewohnbar zu machen, allerdings fehle es an den finanziellen Möglichkeiten. Weitere Zwangsgelder würden dies nicht erleichtern (Bl. 1188 d. B.A.).
Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2019 erklärte der damalige Bevollmächtigte der Antragstellerin, dass die Wohnung im 1.OG Mitte gegenwärtig aufgrund eines Rechtsstreits nicht vermietet werden könne. Bislang sei kein Sachverständigengutachten durch das Gericht angeordnet worden (Bl. 1240 d. B.A.). Mit weiterem Schriftsatz vom 22. November 2019 legte er einige Rechnungen und Kostenvoranschläge für Sanierungsmaßnahmen u.a. auch in den Wohnungen im 1.OG links und 1.OG Mitte vor. Aufgrund der Kontenpfändung durch die Antragsgegnerin komme es zu Verzögerungen, da Gelder für die Handwerkerleistungen fehlen würden (Bl. 1273 d. B.A.). Mit Schreiben vom 26. November 2019 entgegnete die Antragsgegnerin, dass die Verfahrensdauer allein der Antragstellerin anzulasten sei. Ein finanzielles Entgegenkommen sei nicht angezeigt (Bl. 1274 d. B.A.).
Mit Bescheid vom 31. Januar 2020 (Bl. 1311 d. B.A.) stellte die Antragsgegnerin Zwangsgelder in Höhe von 4.500 EUR für die Wohnung im 1.OG links und in Höhe von 6.000 EUR für die Wohnung im 1.OG Mitte fällig (Ziffer I). Ferner drohte sie für den Fall, dass die Antragstellerin der mit Anordnung vom 11. Juli 2013 (Ziffer 1) aufgegebenen Verpflichtung, die Wohnungen im 1.OG links und 1.OG Mitte innerhalb von sieben Monaten ab Zustellung des Bescheids wieder Wohnzwecken zuzuführen, nicht Folge leiste, ein erneutes (drittes) Zwangsgeld in Höhe von 9.000 EUR für die Wohnung im 1.OG links und in Höhe von 12.000 EUR für die Wohnung im 1.OG Mitte an (Ziffer II). Auf den Bescheid und seine Begründung wird verwiesen. Über die hiergegen erhobene Klage (M 8 K 20.885) wurde noch nicht entschieden.
Am 7. Mai 2020 wurde laut Angaben der Antragstellerin der aufgrund des Wasserschadens geführte Zivilprozess beendet (Bl. 1439 d. B.A.). Mit Schriftsatz vom 15. September 2020 rügte der damalige Bevollmächtigte der Antragstellerin, dass durch die Antragsgegnerin sowohl Mieteinnahmen als auch das Sterbegeld des Ehemannes der Antragstellerin gepfändet würden. Ohne diese Gelder sei eine Renovierung nicht möglich. Es werde daher angeregt, die Pfändung einstweilen einzustellen (Bl. 1379 d. B.A.). Mit weiterem Schriftsatz vom 26. Oktober 2020 teilte er hinsichtlich der Wohnungen im 1.OG links und 1.OG Mitte mit, dass der Zustand nach wie vor unverändert sei. Aufgrund der Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Mandantin sei eine Renovierung nur schleppend möglich. Ebenso bedürfe es der Abstimmung mit dem Denkmalamt. Es wurde darum gebeten, einen Renovierungsplan mit Denkmalschutz und Sozialreferat abzustimmen (Bl. 1389 d. B.A.). Die Antragsgegnerin entgegnete hierauf, dass keine Nachweise für das Zutreffen der Ausnahmeregelung gemäß § 5 Abs. 2 iVm § 6 Abs. 2 ZeS vorgelegt worden seien. Die Vermögensverhältnisse der Antragstellerin seien weder nachprüfbar noch verfahrensrelevant (Bl. 1390 d. B.A.).
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2020 (Bl. 1428 d. B.A.), der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde zugegangen am 22. April 2021, stellte die Antragsgegnerin Zwangsgelder in Höhe von 9.000 EUR für die Wohnung im 1.OG links und in Höhe von 12.000 EUR für die Wohnung im 1.OG Mitte fällig (Ziffer I). Für den Fall, dass die Antragstellerin die mit Anordnung vom 11. Juli 2013 (Ziffer 1) aufgegebene Verpflichtung, die vorgenannten Wohnungen unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen, nicht innerhalb von neun Monaten ab Zustellung des Bescheides erfüllen würde, drohte die Antragsgegnerin ein erneutes (viertes) Zwangsgeld in Höhe von 18.000 EUR für die Wohnung im 1.OG links und von 24.000 EUR für die Wohnung im 1.OG Mitte an (Ziffer II). Der Bescheid vom 11. Juli 2013 sei bestandskräftig. Die Fälligstellung der bisher festgesetzten Zwangsgelder von insgesamt 15.000 EUR für die Wohnung im 1.OG links und von 20.000 EUR für die Wohnung im 1.OG Mitte sei erfolglos geblieben. Die Erfüllung sei innerhalb der neu festgesetzten Frist möglich und zumutbar. Bei der Frist sei insbesondere die Zeit, die eine Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde erfordere, berücksichtigt worden. In Anbetracht der Erfolglosigkeit der vorhergehenden Zwangsmittelandrohungen sei die Erhöhung geboten. Von Bedeutung sei das auf der angespannten Wohnungsmarktlage beruhende öffentliche Interesse. Darüber hinaus sei die Dauer des Verfahrens zu beachten. Der Leerstand sei aus wohnwirtschaftlichen Gründen nicht mehr vertretbar. Auf den Bescheid und seine weitere Begründung wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 21. Mai 2021, bei Gericht per Telefax eingegangen am selben Tag, erhob die Antragstellerin hiergegen Klage (M 8 K 21.2763). Über diese ist bisher noch nicht entschieden worden. Ferner beantragt sie
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2020 wiederherzustellen, hilfsweise die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids aufzuheben.
Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, sie und ihr Mann seien verpflichtet worden u.a. die streitgegenständlichen Wohnungen bis Ende Dezember 2012 in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen. In den Wohnungen sei ein Wasserschaden aufgetreten. Die Antragsgegnerin sperre ihre Konten. Wegen der Pfändung könne sie kein neues Konto eröffnen. Handwerker seien nicht mehr gewillt, für sie zu arbeiten. Der Makler habe erklärt, dass er verpflichtet sei, nach den Vorgaben des Finanzamts eine Miete von mindestens 17 EUR pro Quadratmeter einzuhalten. Erst mit der Rückzahlung der ungerechtfertigt eingezogenen Gelder und der Möglichkeit, die Wohnungen im 3.OG rechts und 3.OG links [ebenfalls Gegenstand der Wiederbelegungsanordnung vom 11. Juli 2013 und Zwangsvollstreckung] wieder als Zweitwohnsitz für ihre Tochter und sich nutzen zu können, könne sie den Verwaltungstätigkeiten nachkommen, Handwerker und Makler bestellen und bezahlen und die leerstehenden Wohnungen vermieten.
Hierauf erwiderte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 28. Juni 2021, dass die Antragstellerin lediglich nicht entscheidungserheblichen Vortrag zu Geschehnissen vor Bescheidserlass mache. Die vorgetragene Mittellosigkeit stelle keinen Rechtfertigungsgrund für die weiter fortdauernde Zweckentfremdung dar. Sie beantragt,
den Antrag abzulehnen.
In einer Gesprächsnotiz vom 25. Mai 2021 hielt die Antragsgegnerin fest, dass die Antragstellerin kein Pfändungsschutzkonto eingerichtet habe und deshalb aktuell alle eingehenden Zahlungen gepfändet würden (Bl. 1441 d. B.A.).
Mit weiterem Bescheid vom 14. Dezember 2021 (Bl. 1450 d. B.A.) stellte die Antragsgegnerin Zwangsgelder in Höhe von 18.000 EUR für die Wohnung im 1.OG links und in Höhe von 24.000 EUR für die Wohnung im 1.OG Mitte fällig (Ziffer I). Für den Fall, dass die Antragstellerin die mit Anordnung vom 11. Juli 2013 (Ziffer 1) aufgegebene Verpflichtung, die vorgenannten Wohnungen unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen, nicht innerhalb von neun Monaten ab Zustellung des Bescheides erfüllen würde, drohte die Antragsgegnerin ein erneutes (fünftes) Zwangsgeld in Höhe von 36.000 EUR für die Wohnung im 1.OG links und von 48.000 EUR für die Wohnung im 1.OG Mitte an (Ziffer II). Auf den Bescheid und seine Begründung wird verwiesen. Über die hiergegen erhobene Klage (M 8 K 22.205) wurde noch nicht entschieden.
Zur Durchsetzung der Verfügung vom 11. Juli 2013 drohte die Antragsgegnerin der Antragstellerin hinsichtlich anderer Wohnungen (3.OG links, 3.OG rechts) jeweils sechs Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 207.000 EUR an. Auch diese Wohnungen stehen gegenwärtig leer.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich des umfangreichen Schriftverkehrs zwischen den Beteiligten, wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakte, auch im Verfahren der Hauptsache M 8 K 21.2763 sowie in den Verfahren M 9 K 13.3651, M 9 K 17.4063, M 9 K 17.5416, M 9 S 17.5793, M 9 S 17.5852, M 9 K 18.2398, M 9 S 18.3623, M 9 K 18.4724, M 9 S 18.5269, M 9 K 18.5273, M 9 S 18.5814, M 9 X 19.3259, M 8 K 19.3526, M 8 K 20.885, M 8 K 20.887, M 8 K 20.5554, M 8 K 20.6458, M 8 K 22.205, M 8 K 22.206 und M 8 K 22.207 verwiesen.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (M 8 K 21.2763) gegen Ziffer II des Bescheids der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2020 (Az.: …) anzuordnen, ist gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 21a Satz 2 VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die angefochtene Zwangsgeldandrohung führt nach der im Eilverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zu einer eigenständigen Rechtsverletzung der Antragstellerin, Art. 38 Abs. 3 VwZVG. Die Androhung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Art. 34 VwZVG entsprechend. Die gegen Ziffer II des Bescheids vom 11. Dezember 2020 gerichtete Anfechtungsklage vom 21. Mai 2021 wird daher voraussichtlich Erfolg haben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Antrag ist zulässig.
Die Anfechtungsklage hat nicht bereits gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung, denn die Androhung eines (erneuten) Zwangsgeldes ist eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung. Derartige Maßnahmen sind gem. Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). In einem solchen Fall kann die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 21a Satz 2 VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO beim Gericht der Hauptsache beantragt werden.
Der in der Hauptsache angefochtene Verwaltungsakt ist auch noch nicht bestandskräftig (vgl. hierzu: Hoppe in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 67 und 81). Die Anfechtungsklage (M 8 K 21.2763) wurde am 21. Mai 2021 fristwahrend eingelegt, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Der angefochtene Verwaltungsakt vom 11. Dezember 2020 ging der Antragstellerin nach einem erfolglosen ersten Zustellversuch ausweislich einer sich in den Behördenakten befindlichen Postzustellungsurkunde erst am 22. April 2021 zu.
2. Der Antrag ist begründet.
Im Rahmen einer Entscheidung über einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO trifft das Gericht ausschließlich eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen (vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 88). Dabei stehen sich das Suspensivinteresse der Antragstellerin und das Interesse insbesondere der Antragsgegnerin, den Verwaltungsakt sofort vollziehen zu können, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 85 ff.). Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten der Antragstellerin aus, erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt also nach summarischer Prüfung gegenüber der Antragstellerin als rechtswidrig, besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung (vgl. hierzu ausführlich: BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18).
Daran gemessen ist vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer II des Bescheids vom 11. Dezember 2020 gerichteten Anfechtungsklage (M 8 K 21.2763) angezeigt. Aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohungen, die der Durchsetzung der Wiederbelegungsanordnung vom 11. Juli 2013 dienen, erhebliche Bedenken. Sie verstoßen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Daher überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes bestehende und allein deshalb ein nicht unerhebliches Gewicht aufweisende (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2019 – 15 CS 18.2459 – juris Rn. 27) Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffer II des Bescheids vom 11. Dezember 2020.
2.1. Bei einer Zwangsgeldandrohung, Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG, Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 VwZVG handelt es sich um einen Leistungsbescheid, Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG, Art. 23 Abs. 1 VwZVG. Gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG ist die Zwangsgeldandrohung, wenn sie – wie hier – nicht mit dem Grundverwaltungsakt verbunden ist und dieser unanfechtbar geworden ist, nur insoweit anfechtbar, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Ob der Grundverwaltungsakt, also die Pflicht, die durchgesetzt werden soll, rechtmäßig ist, also die Erfüllung der Pflicht zu Recht von dem Pflichtigen gefordert werden darf, spielt dagegen im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich keine Rolle. Entscheidend ist allein, dass der der Vollstreckung zugrundeliegende Verwaltungsakt wirksam (Art. 43 BayVwVfG) und vollstreckbar ist (Art. 19 Abs. 1 VwZVG). Denn nur die Wirksamkeit und nicht die Rechtmäßigkeit vorausgegangener Akte ist Bedingung für die Rechtmäßigkeit nachfolgender Vollstreckungsakte (BVerwG, U.v. 16.12.2004 – 1 C 30/03 – juris Rn. 15).
Zweifelsfrei liegt hinsichtlich der Wohnung 1.OG Mitte ein wirksamer, vollstreckbarer Grundverwaltungsakt (Wiederbelegungsanordnung vom 11. Juli 2013) vor. Dieser wurde mit Klagerücknahme (M 9 K 13.3651) am 16. April 2014 unanfechtbar, da er nicht mehr mit förmlichen Rechtsmitteln angegriffen werden kann (vgl. hierzu: Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, § 43 Rn. 22 ff.).
Das Gericht lässt offen, ob auch hinsichtlich der Wohnung im 1.OG links ein bestandskräftiger, wirksamer Grundverwaltungsakt vorliegt. Zwar war auch diese Wohnung Gegenstand der Verfügung vom 11. Juli 2013. Nach summarischer Prüfung der vorgelegten Behördenakten ist jedoch davon auszugehen, dass die Wohnung zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses bewohnt war. Dies geht unter anderem aus dem Sitzungsprotokoll des Verfahrens M 9 K 13.3651 vom 16. April 2014 hervor. Die Wohnung wird in den Akten der Antragsgegnerin als leerstehend seit Februar 2014 geführt (u.a. Bl. 613, 711, 775 u. 830a d. B.A.). Die Kammer lässt weiter offen, wie sich dies auf den zu vollstreckenden Grundverwaltungsakt auswirkt. Denkbar wäre, dass der Grundverwaltungsakt mangels Erlassvoraussetzungen rechtswidrig ist. Die „bloße“ Rechtswidrigkeit würde die Vollstreckung jedoch nicht hindern (s.o.). Andererseits könnte der Umstand, dass die Wohnung zum Erlasszeitpunkt vermietet war, die (sofortige) Erledigung des Grundverwaltungsakts zur Folge gehabt haben, bzw. dass dessen Anordnung „ins Leere“ geht. Ein solcher Verwaltungsakt wäre der Vollstreckung so nicht zugänglich.
2.2. Zwar kann ein Zwangsmittel gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG so lange und so oft angewendet werden, bis die aufgegebene Verpflichtung erfüllt ist, was hier bislang unstreitig nicht der Fall ist. Allerdings muss das gewählte Zwangsmittel und damit auch die seiner Anwendung vorausgehende Androhung des Zwangsmittels dennoch verhältnismäßig sein (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.1985 – 15 CS 85 A.50 – BayVBl. 1985, 501). Das Verhältnismäßigkeitsgebot ist in Art. 29 Abs. 2 (gesetzliche Reihenfolge für den Einsatz der Zwangsmittel), in Art. 29 Abs. 3 (Angemessenheit des Zwangsmittels als Teil des Verhältnismäßigkeitsgebots) und Art. 34 Satz 1 VwZVG (explizite Regelung der Verhältnismäßigkeit des unmittelbaren Zwangs) aufgenommen und konkretisiert.
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss das gewählte Zwangsmittel unter anderem geeignet sein, den Betroffenen zur Erfüllung der ihm aufgegebenen Verpflichtungen anzuhalten, d.h. einen rechtzeitigen und zweckentsprechenden Erfolg im Hinblick auf die Erfüllung der zu vollstreckenden Pflicht erwarten lassen, Art. 34 VwZVG entsprechend (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.1985 – 15 CS 85 A.50 – BayVBl. 1985, 501; VGH Mannheim, U.v. 4.12.2003 – 5 S 2781/02 – juris Rn. 21).
An dieser Voraussetzung mangelt es einer erneuten Zwangsgeldandrohung dann, wenn mehrere vorangegangene Zwangsgeldandrohungen trotz entsprechender Erhöhungen der nachfolgenden Zwangsgelder erfolglos geblieben sind. Das gewählte Zwangsmittel ist entgegen seinem Zweck dann nicht geeignet, den Verpflichteten zur Erfüllung der durchzusetzenden Pflichten anzuhalten. Zwangsgelder sind nach ihrer Zweckbestimmung kein Mittel der Einnahmenerzielung der Verwaltung, sondern Beugemittel. Ihr Sinn und Zweck besteht nicht in einer steten Wiederholung der Androhung nach Fristablauf und Fälligstellung der angedrohten Zwangsgelder ohne Rücksicht auf die mit ihnen durchzusetzenden Pflichten und deren Erfüllung. Wenn die Anwendung des Zwangsmittels keinen zweckentsprechenden und rechtzeitigen Erfolg erwarten lässt, scheidet die Androhung weiterer Zwangsgelder aus (BayVGH, B.v. 27.8.2020 – 2 CS 20.1199 – BayVBl 2020, 776; VG München, B.v. 27.4.2020 – M 8 E 20.1457, M 8 S 20.1458 – n.V.; U.v. 7.12.2020 – M 8 K 18.3200 – n.V.; B.v. 5.8.2021 – M 8 S 21.3781 – juris Rn. 37, U.v. 15.9.2021 – M 29 K 20.6240 – n.V.; B.v. 16.12.2021 – M 8 S 21.4615, M 8 S 21.6352 – juris Rn. 53 jeweils m.w.N.).
So liegt der Fall hier. Die zu vollstreckende Grundverfügung datiert vom 11. Juli 2013. Die Antragsgegnerin hatte der Antragstellerin vor der streitgegenständlichen vierten Zwangsgeldandrohung vom 11. Dezember 2020 bereits dreimal (11.7.2013, 25.9.2018 und 31.1.2020) erfolglos Zwangsgelder angedroht, um sie zur Erfüllung der ihr auferlegten Verpflichtung anzuhalten. Der Zwangsgeldandrohung waren über die Jahre bereits unzählige Schriftwechsel, Telefonate, Orts- und Gerichtstermine vorausgegangen. Weder die stetige und deutliche Erhöhung der Zwangsgelder noch die Intensivierung der Zeitintervalle, die zwischen den angedrohten Zwangsgeldern lagen, konnten die Antragstellerin jedoch dazu bewegen, die ihr auferlegte Pflicht zu erfüllen.
Mit unbestrittenem Gutachten vom 27. April 2018 stellte die Antragsgegnerin fest, dass die zu erledigenden Restarbeiten für beide Wohnungen innerhalb eines Zeitraums von ca. sechs Monaten umgesetzt werden können. Die Kosten hierfür belaufen sich auf insgesamt nur etwa 8.000 EUR. Gleichwohl nahm die Antragstellerin neben dem auch wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren, jahrelangen Verlust von jeglichen Mieteinnahmen Zwangsgelder in Kauf, die die für die Renovierung veranschlagte Summe bei weitem übersteigen (erstes Zwangsgeld: 3.500 EUR, zweites Zwangsgeld: 10.500 EUR, drittes Zwangsgeld: 21.000 EUR; ohne Berücksichtigung der gegen ihren verstorbenen Ehemann verhängten Zwangsgelder).
Die Antragstellerin hat es über einen langen Zeitraum nicht zuwege gebracht, die Wohnungen in einen vermietbaren Zustand zu bringen bzw. zu erhalten und diese zu vermieten. Dies gelang ihr selbst dann nicht, als schlussendlich der von ihr stets (unsubstantiiert) angeführte „Hinderungsgrund“ entfiel. Der Zivilprozess, welcher aufgrund eines Wasserschadens geführt worden war, war laut ihren eigenen Angaben am 7. Mai 2020 beendet worden. Zwischen Beendigung dieses Prozesses und der Androhung des weiteren vierten Zwangsgelds, das der Antragstellerin am 21. April 2021 zugestellt worden war, sind weitere 10 Monate fruchtlos verstrichen, in denen die notwendige Renovierung und Vermietung ohne Weiteres hätte stattfinden können.
Dafür, dass die Antragstellerin durch eine weitere Zwangsgeldandrohung veranlasst werden könnte, der ihr auferlegten Verpflichtung nachzukommen und ihr Verhalten zu ändern, gab es mithin zum Zeitpunkt des Erlasses der erneuten Zwangsgeldandrohung – weder im Dezember 2020 noch im April 2021 – keinerlei Anhaltspunkte (vgl. zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage BVerwG, U.v. 16.12.2004 – 1 C 30/03 – juris Rn. 23; Lemke in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, § 18 Rn. 16). Die Antragstellerin hat vielmehr keinerlei zielführende Aktivitäten unternommen und ein weiteres Zwangsgeld offensichtlich in Kauf genommen.
Sie verhält sich seit mehreren Jahren in einer insbesondere wirtschaftlich kaum nachvollziehbaren Art und Weise. Es wirkt vielmehr so, als ob die Antragstellerin, die sich offensichtlich aufgrund gesetzlicher, behördlicher und gerichtlicher Zwänge daran gehindert sieht, den von ihr ursprünglich angestrebten Renovierungsplan (eine Wohnung je Jahr) umzusetzen, nunmehr nicht mehr Willens oder imstande ist, in angemessener Art und Weise auf die vorgegebene Situation zu reagieren. Sie hat es unterlassen, die streitgegenständlichen Wohnungen zu vermieten oder in sonstiger Weise zu verwerten und sie hat es ebenso unterlassen, den ihr selbst auch gerade durch die Zwangsvollstreckung entstehenden immensen Schaden zu begrenzen. Bereits im Zeitpunkt der Androhung überstiegen die allein der Antragstellerin nur für die streitgegenständlichen Wohnungen angedrohten Zwangsgelder mit insgesamt 35.000 EUR nicht nur, wie bereits ausgeführt, die veranschlagten Renovierungskosten, sondern auch die laut der Antragsgegnerin erzielbaren Jahresmieten für beide Wohnungen zusammen bei Weitem (bei 13,00 EUR/qm ca. 22.300 EUR). In diesem Zusammenhang darf angemerkt werden, dass zwischenzeitlich die angedrohten Zwangsgelder (auch für die weiteren Wohnungen) in keinerlei Verhältnis mehr zu veranschlagten Renovierungskosten und den erzielbaren Mieteinnahmen stehen.
Aus den vorgelegten Behördenakten und den Gerichtsakten wird hinreichend deutlich, dass die hochbetagte Antragstellerin wohl weitgehend den Überblick über den komplexen Sachverhalt verloren haben dürfte und die streitgegenständliche (und weitere) Zwangsgeldandrohung sowie deren zwangsweise Beitreibung durch Kontenpfändung schlicht „über sich ergehen lässt“, ohne dass dies zu einer Veränderung der Sachlage führen wird. Vor diesem Hintergrund war die Herstellung rechtmäßiger Zustände offensichtlich durch das Androhen eines weiteren Zwangsgeldes nicht möglich.
Das Gericht verkennt nicht, dass die Durchsetzung des gesetzlichen Verbots der Zweckentfremdung von Wohnraum hochrangige Gemeinwohlziele schützt (vgl. BayVGH, B.v. 29.8.2017 – 12 C 17.1544 – BayVBl 2018, 522). Dies entbindet die Verwaltung jedoch nicht von der Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Zwangsmittel.
Die erneute und zulässigerweise angefochtene Androhung von Zwangsgeldern in Ziffer II des Bescheids vom 11. Dezember 2020 war daher nicht mehr geeignet, die Verpflichtungen aus der Verfügung vom 11. Juli 2013 durchzusetzen. Es kommt für deren Rechtmäßigkeit folglich nicht mehr darauf an, ob die zuvor androhten Zwangsgelder bereits fällig geworden waren, die Höhe der (erneut) angedrohten Zwangsgelder angemessen war oder die Erfüllung der Anordnungen innerhalb der dafür (erneut) eingeräumten Fristen möglich war. Daher kann offenbleiben, ob bei der Androhung der Zwangsgelder gegen die Antragstellerin und ihren Ehemann gegen die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Vollstreckung gegen Gesamtschuldner (BayVGH, B.v. 12.5.1997 – 23 CS 96.2922 – juris Rn. 44) verstoßen wurde. Ferner kann offenbleiben, ob es der Antragstellerin im Rahmen der Gütergemeinschaft überhaupt objektiv-rechtlich möglich war, die ihr auferlegte Verpflichtung innerhalb der ihr gesetzten Fristen zu erfüllen (§ 1421 BGB; beachte insbesondere die Übergangsvorschriften für in den 1950ger Jahren und davor geschlossenen Ehen).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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