Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zweckentfremdung von Wohnraum wegen Fremdenbeherbergung – Medizintouristen

Aktenzeichen  M 9 K 16.5976

Datum:
18.10.2017
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZwEWG Art. 1, Art. 2
ZeS § 3

 

Leitsatz

1. Die wiederholte und regelmäßige kurzzeitige Untervermietung von Wohnungen an Personen, die sich lediglich vorübergehend zur medizinischen Behandlung in einer Stadt aufhalten, stellt eine Überlassung zu anderen als zu Wohnzwecken dar; es handelt sich hierbei um eine gewerbliche Nutzung für Zwecke der Fremdenbeherbergung, die eine Zweckentfremdung darstellt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Fremdenbeherbergung liegt vor, wenn ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes festzustellen ist; maßgeblich ist insoweit das zugrundeliegende Nutzungskonzept desjenigen, der die Wohnung zur Verfügung stellt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Das Gericht kann entscheiden, obwohl der Kläger nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Beteiligten wurden unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG a.F.) bzw. Art. 1 ZwEWG n.F. jeweils i.V.m. der Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt M. (ZeS).
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid der Beklagten vom 30. November 2016 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist noch folgendes auszuführen:
1. Die streitgegenständliche Wohnung ist unbestritten zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt. Sie unterliegt daher als geschützter Wohnraum i.S.v. Art. 2 Satz 1 ZwEWG a.F. bzw. Art. 1 Satz 1 ZwEWG n.F. und § 3 Abs. 1, 2 ZeS den Beschränkungen dieser Vorschriften. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass die Wohnung zu anderen als Wohnzwecken überlassen wird. Die wiederholte und regelmäßige kurzzeitige Untervermietung von Wohnungen an Personen, die sich lediglich vorübergehend zur medizinischen Behandlung in der Landeshauptstadt aufhalten, stellt eine Überlassung zu anderen als Wohnzwecken dar (vgl. nur BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 CB 15.2287 – juris Rn. 3). Es handelt sich hierbei um eine gewerbliche Nutzung für Zwecke der Fremdenbeherbergung, die eine Zweckentfremdung i.S.v. Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG a.F. bzw. Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG n.F. und § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS darstellt. Eine Fremdenbeherbergung i.S. des Zweckentfremdungsrechts liegt immer dann vor, wenn ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes festzustellen ist. Ein solches wiederum ist immer dann anzunehmen, wenn eine Wohnung für die Dauer eines zum Zwecke der medizinischen Behandlung erfolgenden Aufenthalts zur Verfügung gestellt wird. Maßgeblich ist insoweit das zugrundeliegende Nutzungskonzept desjenigen, der die Wohnung zur Verfügung stellt (BayVGH, B.v. 7.12.2015 a.a.O. juris Rn. 5).
Die Feststellungen der Beklagten im Rahmen ihrer Ermittlungen belegen ausreichend, dass der Kläger für die streitgegenständliche Wohnung ein derartiges Nutzungskonzept verfolgt. Das ergibt sich, neben den in den Behördenakten dokumentierten Beobachtungen der Miteigentümer des Anwesens, aus den eigenen Feststellungen durch die Mitarbeiter der Beklagten. Insbesondere ist dabei auf die im Tatbestand dieses Urteils dargestellten Ortsermittlungen zu verweisen, darüber hinaus auf die weiteren Ermittlungsbemühungen, die in den Behördenakten ausführlich dokumentiert sind und auf die ebenfalls Bezug genommen wird. Im Rahmen dieser Ortsermittlungen ist, belegt durch die darüber angefertigten Protokolle, gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten durch die damaligen Nutzer der streitgegenständlichen Wohnung ausdrücklich angegeben worden, dass sie sich jeweils nur vorübergehend für die Durchführung einer medizinischen Behandlung bzw. die Begleitung eines Patienten in der Wohnung aufhalten.
Der Kläger ist diesen Feststellungen im gesamten Verfahren nicht entgegengetreten. Soweit er, was aus seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren gefolgert werden kann, die vorstehend beschriebene Form der Nutzung als Wohnen ansieht und dabei meint, dass diese Nutzung nicht unter den Begriff der Zweckentfremdung zu subsumieren sei, legt er dabei eine vor dem Hintergrund des Zweckentfremdungsrechts unzutreffende Rechtsauffassung zu Grunde.
2. Die Anordnungen in Nrn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids richten sich gegen den richtigen Adressaten. Dem Kläger wurde zwar von der Vermieterin gekündigt, diese Kündigung ist jedoch bis zum Entscheidungszeitpunkt weder vom Kläger anerkannt noch von der Vermieterin durchgesetzt worden; vielmehr hat der Kläger, wie in den Ortsermittlungen der Beklagten festgestellt, auch nach erfolgter Kündigung weiterhin bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids und auch noch danach die Untervermietungen an wechselnde Nutzer und damit die Zweckentfremdung fortgesetzt. Damit ist er nach wie vor (unmittelbarer) Störer, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG und damit richtiger Bescheidadressat.
3. Auch die Zwangsgeldandrohungen in den Nrn. 3 und 4 des Bescheids, die auf Art. 36, 29 und 31 VwZVG beruhen, begegnen keinerlei Bedenken.
4. Im Hinblick auf die zwischenzeitlich angeordnete vorläufige Insolvenzverwaltung gegen den Kläger mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 30. August 2017 ändert sich an der Rechtmäßigkeit des Bescheids nichts (vgl. im Einzelnen VG München, U.v. 18.10.2017 – M 9 K 17.2674; dieses Urteil ist zwischen denselben Beteiligten wie hier ergangen). Das gilt sowohl für die Verpflichtung unter Nr. 1 wie auch unter Nr. 2 im streitgegenständlichen Bescheid. Hinsichtlich der Nr. 2 hat die Beklagte unabhängig hiervon auf Hinweis des Gerichts (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 10.10.2017 – 12 C 17.1553, Entscheidungsabdruck Tz. 15) mit einer Erklärung zu Protokoll (vgl. die Sitzungsniederschrift, Seite 6 zweiter Absatz von unten) des Gerichts die Pflicht, die Wohneinheit unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen, ausgesetzt, weshalb der Kläger dadurch gegenwärtig nicht mehr beschwert ist.
Nach alledem wird die Klage abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 24.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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