Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zweckentfremdungsrechtlicher Bescheid

Aktenzeichen  M 9 K 16.4248

Datum:
22.2.2017
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZwEWG Art. 2 S. 2 Nr. 3
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 5
AufenthG AufenthG § 25 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Eine Fremdenbeherbergung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts liegt bei sog. Medizintouristen vor, die regelmäßig im Beherbergungsort nur vorübergehend unterkommen ohne ihren Lebensmittelpunkt zu verlagern. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 17. August 2016 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 25. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Das Gericht nimmt vollumfänglich auf den im parallelen Eilverfahren – Az. M 9 S. 16.4422 – ergangenen Beschluss vom 25. Oktober 2016 Bezug, § 117 Abs. 5 VwGO. Im Übrigen wird ergänzend auf Folgendes hingewiesen: Auf die teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung hin hat die Beklagte Ziffer 3. des Bescheides abgeändert und betreibt die Vollstreckung der Anordnung in Ziffer 1. nun mittels Zwangsgeldandrohung. Gegen die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgebliche Bescheidfassung bestehen keine Bedenken.
Wie bereits im Eilbeschluss ausgeführt wurde, ist Ziffer 1. des Bescheides rechtmäßig. Auf die umfangreiche Rechtsprechung zur Zweckentfremdung bei Vermietung an sog. Medizintouristen wird hingewiesen (vgl. u.a. VG München, U.v. 29.7.2015 – M 9 K 14.5596 – juris; B.v. 25.10.2016 – M 9 S. 16.4422 – Beschlussabdruck; BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2287 – juris; B.v. 9.5.2016 – 12 CS 16.899 – Beschlussabdruck). Die im zweiten Halbsatz getroffene Anordnung, die momentan in der Einheit wohnenden Personen und deren Habe zu entfernen, dient nur der Konkretisierung der Nutzungsuntersagung; dem Kläger steht es nichtsdestotrotz frei, wie er die Verpflichtung zur Aufgabe des Nutzungskonzeptes umsetzt. Die Grundverpflichtung lautet, das zweckentfremdende Nutzungskonzept aufzugeben (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 20.9.2016 – 12 CS 16.1401 – Beschlussabdruck); dazu gehören laut Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Mai 2016, Az. 12 CS 16.899 als unvertretbare Handlungen Kündigung, Räumungsklage und das Entfernen der Personen aus der Wohnung (Räumung). Der Kläger kann seiner Verpflichtung aber beispielsweise auch dadurch nachkommen, dass er langfristig an bisherige Medizintouristen – die sich noch in der Wohnung befinden – vermietet (BayVGH, a.a.O.), weiter auch dadurch, dass er einen bestehenden befristeten Mietvertrag auslaufen lässt und nicht mehr untervermietet, sondern beispielsweise selbst in die Wohnung zieht.
Dass eine Zweckentfremdung der streitgegenständlichen Wohneinheit gegeben ist, wurde bereits mehrfach – auch in Rechtsstreitigkeiten mit Beteiligung des Klägers – entschieden (M 9 S. 15.5264, M 9 K 15.5262, M 9 S. 16.4422) und steht außer Zweifel. Fremdenbeherbergung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eigenständig definiert. Ein Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung zu Wohnungseigentums- oder zu öffentlichem Baurecht kann dem Kläger deshalb von vorn herein nicht zum Erfolg verhelfen.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bezeichnet „Fremdenbeherbergung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts die Überlassung von Wohnraum an Personen, die am Beherbergungsort nur vorübergehend unterkommen und die ihre (eigentliche) Wohnung typischerweise an einem anderen Ort haben. Für einen derartigen Aufenthalt ist ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes prägend. Es fehlt an einer ‚auf Dauer‘ angelegten Häuslichkeit im Sinne einer ‚Heimstatt im Alltag‘. Der Aufenthalt zeichnet sich vielmehr durch ein übergangsweises, nicht alltägliches Wohnen bzw. ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen aus. Letzteres ist regelmäßig der Fall, wenn eine Wohnung für die Dauer eines zum Zwecke der medizinischen Behandlung erfolgenden Aufenthalts zur Verfügung gestellt wird. Maßgeblich ist insoweit das jeweils zugrunde liegende Nutzungskonzept“ (statt aller bei BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2287 – juris).
Das Handeln des Klägers erfüllt all diese Voraussetzungen. Er trägt selbst vor, dass die sog. Medizintouristen ihre Wohnungen in ihren Herkunftsländern nicht aufgeben. Die Mieter halten sich in der Wohnung während der medizinischen Behandlung von Angehörigen (vgl. zuletzt Bl. 517 und Bl. 636 d. BA) auf, was ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen im Sinne der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs darstellt. Auch die Aufenthaltstitel der Nutzer, auf die sich der Kläger beruft, lassen es nicht plausibel erscheinen, dass die Mieter ihren Lebensmittelpunkt „durch Aufgabe ihres derzeitigen Wohnsitzes“ in das Stadtgebiet der Beklagten verlagert hätten (dazu BayVGH, B.v. 9.5.2016 – 12 CS 16.899 – Beschlussabdruck): § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG vermittelt gerade nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht, ein Daueraufenthalt soll über diese Vorschrift nicht ermöglicht werden (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2014 – 10 CE 14.1527 – juris; Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, Stand: 4. Auflage 2017, Rn. 507f.).
Es wird darauf hingewiesen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20. September 2016, Az. 12 CS 16.1401 – im Anschluss an das Verfahren M 9 S. 16.1261 der Kammer – bereits über das Geschäftsmodell des Klägers entschieden hat: Der Senat stellte klar, dass der Kläger „das Geschäft mit der Vermietung von Wohnraum an sogenannte Medizintouristen professionell betreibt“.
Auch in zeitlicher Hinsicht ist das Vorgehen der Beklagten nicht zu beanstanden: Sofort nachdem der Kläger neben seinem Vermieter, dem Hauptmieter Hr. G. A., als Störer bekannt wurde, wurde er unter dem 15. April 2016 zum Verdacht der Zweckentfremdung angehört (Bl. 355 d. BA). Im Folgenden wurden zügig entsprechende weitere Maßnahmen gegen ihn eingeleitet.
Auch die Störereigenschaft des Untermieters ist nicht problematisch. Er ist der Gefahr am nächsten, da er sie direkt verursacht, mithin unmittelbar die Gefahrenschwelle überschreitet (sog. Theorie der unmittelbaren Verursachung, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 10.12.2013 – 8 ZB 12.2576 – juris). Ein Problem ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger als Handlungsstörer neben dem Hauptmieter – ebenfalls als Handlungsstörer – in Anspruch genommen wird: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass es ohne Weiteres möglich ist, Untersagungsverfügungen neben einem Handlungsstörer an einen weiteren Handlungsstörer zu richten (z.B. ausdrücklich BayVGH, B.v. 24.1.2012 – 10 CS 11.1670 – juris). Auch dass der Kläger gekündigt wurde (Kündigungen vom 30. März 2016, Bl. 376 d. BA, und vom 17. Februar 2017), entlässt ihn nicht aus der Verantwortlichkeit, da er die zweckfremde Nutzung bis dato stets unabhängig davon fortgeführt hat.
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.


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