Patent- und Markenrecht

12 W (pat) 40/19

Aktenzeichen  12 W (pat) 40/19

Datum:
25.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:250221B12Wpat40.19.0
Normen:
§ 21 Abs 1 Nr 2 PatG
Spruchkörper:
12. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2006 019 641
hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Rothe, der Richterin Bayer, des Richters Dr.- Ing. Krüger und der Richterin Dipl.-Ing. Univ. Schenk
beschlossen:
Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des Patents 10 2006 019 641, das am 25. April 2006 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität der Anmeldung 10 2005 020 245.4 vom 28. April 2005 angemeldet wurde, und dessen Erteilung am 1. August 2013 veröffentlicht wurde.
2
Gegen das Patent hatte die Einsprechende am 21. Oktober 2013 Einspruch eingelegt und geltend gemacht, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht ausführbar offenbart und nicht patentfähig.
3
Die Patentinhaberin hatte geltend gemacht, der Einspruch sei mangels Substantiierung unzulässig und auch unbegründet. Sie hatte das Patent in der erteilten Fassung und mit einem Hilfsantrag mit einem geänderten Anspruch 1 vom 13. Januar 2016 verteidigt.
4
Mit in der Anhörung vom 30. Oktober 2018 verkündetem Beschluss hat die Patentabteilung das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten. Sie hat dabei zur Begründung angegeben, der Einspruch sei zwar hinsichtlich der geltend gemachten mangelnden Ausführbarkeit ausreichend substantiiert und somit zulässig, jedoch seien die geltend gemachten Widerrufsgründe nicht gegeben.
5
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom 19. Dezember 2018, die weiterhin mangelnde Ausführbarkeit sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend macht.
6
Die Patentinhaberin hält weiterhin den Einspruch für unzulässig, außerdem den Gegenstand des Patents für ausführbar offenbart und patentfähig.
7
Im Verfahren sind die folgenden Entgegenhaltungen:
8
E1 DE 42 19 465 C1
9
E2 DE 197 12 365 C2
10
E3 WO 97/45 277 A1
11
E4 DE 25 24 283 A1
12
E5 AT 407 567 B
13
E6 DE 101 36 498 A1
14
E7 Grundlagen der Radartechnik; URL: http://www.radartutorial.eu/03.linetheory/Hohlleiter.de.html
15
E8 DE 197 19 398 A1
16
E9 Pehl, Erich: Mikrowellentechnik Bd. 1. Hüthig Verlag 1988, S 58-65, ISBN 3-7785-1611-6
17
E10 US 4 297 557
18
E11 US 4 377 733
19
E12 Vollmer, Michael: Physics of the microwave oven. Physics Education 39 (1), IOP Publishing Ltd 2004.
20
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin beantragt,
21
den Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Oktober 2018 aufzuheben und das Patent 10 2006 019 641 zu widerrufen.
22
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt,
23
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.
24
Das Patent umfasst 7 Ansprüche. Die Ansprüche 2 bis 7 sind unmittelbar oder mittelbar auf den Anspruch 1 rückbezogen. Der Anspruch 1 lautet (mit hinzugefügten Gliederungszeichen a bis n):
25
A Vorrichtung zur Behandlung von Stoffgemischen durch Gefriertrocknung bestehend zumindest aus einem, eine Trocknungs-(1) und eine Kundensatorkammer (2) umfassenden,
26
b über eine Öffnung (4) miteinander in Verbindung stehenden Gehäuse (3),
27
c wobei die Trocknungskammer (1) zumindest zur Aufnahme des Trocknungsgutes sowie zur Gefrierung und Trocknung des Trocknungsgutes eingerichtet
28
d und mit einer Anordnung von Stellplatten (5) versehen ist, die nach Maßgabe des Ablaufs des Gefriertrocknungsverfahrens zur Aufnahme, zur Gefrierung und zur Beheizung des Trocknungsgutes eingerichtet sind,
29
e wobei das Trocknungsgut in an sich bekannter Weise in Trocknungsgefäßen (11) aufgenommen ist
30
f und wobei eine, u. a. zur Auswertung von Prozessparametern bestimmte, außerhalb des Gehäuses (3) angeordnete Steuerungseinrichtung (14) vorgesehen ist,
31
dadurch gekennzeichnet, dass
32
g der Innenraum (3′) des Gehäuses (3) gegenüber dem Außenraum (3”) elektromagnetisch weitestgehend abgeschirmt ausgebildet ist,
33
h dass die Steuerungseinrichtung (14) mit zur Erfassung von Prozessparametern bestimmten, innerhalb der Trocknungskammer (1) und/oder der Kondensatorkammer (2) angeordneten, keine eigene Energiequelle aufweisenden Sensoren (16) in einem nicht leitungsgebundenen Datenaustausch steht,
34
i dass die Sensoren (16) eine Ummantelung aus inerten Materialien, bestehend beispielsweise aus Edelstahl, Glas, Kunststoff oder Keramik tragen,
35
j dass zumindest ein Sensor (16) zur Erfassung eines Temperaturwertes eingerichtet ist,
36
k dass wenigstens ein Teil der Trocknungsgefäße (11) mit zumindest einem Sensor (16) zur Erfassung der Temperatur innerhalb des Trocknungsgutes eingerichtet ist,
37
l dass jeder Sensor (16) mit einer Antenne (23) versehen ist,
38
m so dass mittels der Antennen (23) sämtlicher Sensoren (16) Funkstrecken zu einer innerhalb des Gehäuses (3) angeordneten, über eine Wandungsdurchführung (15) leitungsgebunden mit der Steuerungseinrichtung (14) in Verbindung stehenden Antenne (15′) eingerichtet sind
39
n und dass der Abstand der Stellplatten (5) während des Gefriertrocknungsprozesses nach Maßgabe der Wellenlänge des für die drahtlose Übertragung eingesetzten Frequenzbereichs bemessen ist.
40
Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche und weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
41
Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat keinen Erfolg, da sich zwar der Einspruch als zulässig, die geltend gemachten Widerrufsgründe, der Gegenstand des Patents sei nicht ausführbar offenbart und nicht patentfähig (§ 21 Satz 1 Nr. 2, Nr. 1 PatG), jedoch als nicht zutreffend erweisen.
42
1) Der Einspruch ist wegen des mit dem fristgerecht eingelegten Einspruch eingereichten Vortrags der Einsprechenden zum behaupteten Widerrufsgrund der mangelnden ausführbaren Offenbarung zulässig. Denn die Angaben der Einsprechenden dazu, warum der Fachmann die im Merkmal n des Anspruchs 1 geforderte Bemessung des Stellplattenabstands aufgrund der Offenbarung der Patentschrift nicht ausführen könne, waren ausreichend, um die Patentinhaberin und das Deutsche Patent- und Markenamt in die Lage zu versetzen, daraus ohne eigene Ermittlungen abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieses Widerrufsgrunds zu ziehen (vergl. Busse/Keukenschrijver PatG 9. Aufl. § 59 Rn 58).
43
Dem steht nicht entgegen, dass die Einsprechende die mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung damit begründet, dass lediglich das Merkmal n des Anspruchs 1 nicht ausführbar sei, denn bereits die mangelnde Ausführbarkeit eines Anspruchsmerkmals führt dazu, dass die anspruchsgemäße Erfindung insgesamt nicht ausführbar ist. Auch dass der von der Einsprechenden ausreichend erkennbar geltend gemachte Widerrufsgrund der mangelnden ausführbaren Offenbarung im Ergebnis nicht besteht, berührt die Zulässigkeit des Einspruchs nicht, dies ist allein eine Frage der Begründetheit des Einspruchs (vergl. Busse/Keukenschrijver PatG 9. Aufl. § 59 Rn 66).
44
Mit der ausreichenden Substantiierung des Einspruchsgrunds der mangelnden ausführbaren Offenbarung ist der Einspruch insgesamt zulässig. Damit tritt das Deutsche Patent- und Markenamt in die sachliche Prüfung der durch § 21 PatG festgelegten Widerrufsgründe ein. Vorliegend bedeutet dies, dass aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes auch die Patentfähigkeit zu prüfen ist, unabhängig davon, ob der Vortrag der Einsprechenden zu diesem Widerrufsgrund ausreichend substantiiert war, um einen zulässigen Einspruch begründen zu können. (vergl. auch Busse/Keukenschrijver PatG 9. Aufl. § 59 Rn 113).
45
2) Gegenstand des Patents ist gemäß Absatz 0001 und 0002 der Patentschrift (PS) eine Anlage zum Gefriertrocknen von pharmazeutischen und biochemischen Produkten, Lebensmitteln usw., wobei das Trocknungsgut zunächst gefroren wird, auskristallisiertes Eis unter Vakuum aus dem Gut sublimiert und anschließend an Kondensatoren als Eis abgeschieden wird.
46
Gemäß der Beschreibungseinleitung soll dabei an einer Vielzahl von Stellen innerhalb der Trocknungskammer aber auch innerhalb der Trocknungsgefäße für das Trocknungsgut der Temperaturverlauf mit Temperatursensoren gemessen werden, siehe Absatz 0003 PS.
47
Die mit den Temperatursensoren in Verbindung stehenden Messleitungen und die dazugehörenden Steckverbinder werden als nachteilig bezeichnet, da sie einem automatisierten Beschicken der Anlage im Wege stünden und zu einem Umfallen der Gefäße führen könnten. Darüber hinaus beeinträchtigten sie durch ihren Wärmeeintrag die Genauigkeit des Messergebnisses. Die innerhalb der Trocknungskammer anzuordnenden Steckerleisten und die vakuumdichten Leitungsdurchführungen seien auch hygienisch bedenklich, siehe insbesondere Absätze 0004 bis 0007 PS.
48
In Absatz 0016 PS ist als Aufgabe der Erfindung angegeben, eine Gefriertrocknungsanlage unter Vermeidung der genannten Nachteile mit Hinblick auf ein reproduzierbares Arbeitsergebnis, eine vollständige Erfassung aller prozessrelevanten Parameter des jeweiligen Verfahrens und einen sicheren Betrieb hin auszugestalten.
49
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die Erfindung bei einer Gefriertrocknungsanlage gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 die im kennzeichnenden Teil angegebenen Merkmale vor, Absatz 0017 PS.
50
3) Als Fachmann für den Gegenstand der Erfindung zuständig ist ein Dip.-Ing. oder Master (FH) der Fachrichtung Verfahrenstechnik oder Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Gefriertrocknungsanlagen.
51
4) Einige Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen hinsichtlich ihres Verständnisses durch den Fachmann der Erläuterung.
52
Gemäß den Merkmalen a und b ist der Gegenstand des Anspruchs 1 eine
53
a Vorrichtung zur Behandlung von Stoffgemischen durch Gefriertrocknung bestehend zumindest aus einem, eine Trocknungs-(1) und eine Kundensatorkammer (2) umfassenden,
54
b über eine Öffnung (4) miteinander in Verbindung stehenden Gehäuse (3).
55
“Kundensatorkammer (2)” ist dabei ein offensichtlicher Schreibfehler, es ist ohne Weiteres klar, dass es sich dabei, wie auch im Merkmal h angegeben, um eine Kondensatorkammer handelt.
56
Weiterhin ist trotz verunglückter Formulierung für den unvoreingenommenen Leser aufgrund des Adverbs “miteinander”, das ein Zusammenwirken zweier Subjekte verlangt, unmittelbar klar, dass es nicht das – eine – Gehäuse ist, das “miteinander” in Verbindung stehen soll, sondern es die zwei genannten Kammern sind, die Trocknungskammer (1) und die Kondensatorkammer (2), die über eine Öffnung (4) miteinander in Verbindung stehen. Dies ist darüber hinaus auch im Absatz 0043 PS beschrieben und in der Figur 1 dargestellt.
57
Im Merkmal n ist angegeben, dass
58
n der Abstand der Stellplatten (5) während des Gefriertrocknungsprozesses nach Maßgabe der Wellenlänge des für die drahtlose Übertragung eingesetzten Frequenzbereichs bemessen ist.
59
Im Absatz 0028 der Beschreibung ist derselben Angabe eine Zweckangabe vorangestellt: “Um einen störungsfreien Datenaustausch zwischen den Antennen der Sensoren einerseits und derjenigen der Steuerungseinrichtung andererseits zu sichern”. Bei der Beschreibung des Ausführungsbeispiels ist im Abs. 0055 weiter angegeben: “Um … eine einwandfreie Funkverbindung … sicherzustellen, sollte der Abstand der Stellplatten 5 voneinander einen Mindestwert nicht unterschreiten, der quantitativ von der Wellenlänge des für die drahtlose Übertragung eingesetzten Frequenzbereichs abhängt.”
60
Im Ergebnis entnimmt der Fachmann dem Merkmal n die Lehre, dass der Abstand der Stellplatten mindestens so groß zu wählen ist, dass die Funkverbindung zwischen den Sensoren und der Steuerungseinrichtung funktioniert, und zusätzlich den Hinweis, dass der erforderliche Abstand von der Wellenlänge des Übertragungssignals abhängt. Da der Abstand der Stellplatten üblicherweise veränderbar ist, dies ist auch im Absatz 0044 beschrieben, ist im Merkmal h außerdem angegeben, dass es auf den während des Gefriertrocknungsprozesses, d.h. im Betrieb der Gefriertrocknungsanlage eingestellten Abstand ankommt.
61
5) Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
62
5.1) Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, die Erfindung sei nicht ausführbar, weil die Formulierung in den Merkmalen a und b, die beanspruchte Vorrichtung bestehe zumindest aus
63
“einem, eine Trocknungs- und eine Kundensatorkammer umfassenden, über eine Öffnung miteinander in Verbindung stehenden Gehäuse”
64
grammatikalisch so fehlerhaft formuliert und deshalb so unverständlich sei, dass sie dem Fachmann keine Lehre zum technischen Handeln zu geben vermöge.
65
Dies trifft nicht zu, weil sich nicht nur wie bereits ausgeführt schon aus dem Anspruchswortlaut selbst und auch aus der Beschreibung und den Figuren ergibt, dass die Trocknungs- und die Kondensatorkammer miteinander in Verbindung stehen sollen, sondern diese Angabe des Oberbegriffs darüber hinaus ein übliches und dem Fachmann geläufiges Merkmal von Gefriertrocknungsanlagen angibt.
66
5.2) Die Beschwerdeführerin hat weiter geltend gemacht, das Merkmal n sei nicht ausführbar offenbart. Dies ergebe sich daraus, dass das Patent keine Berechnungsregel für die Bemessung des Stellplattenabstands offenbare, vielmehr sei noch nicht einmal angegeben, ob bei einer Erhöhung der Frequenz der Abstand zu vergrößern oder zu verkleinern sei.
67
Das Fehlen einer Berechnungsregel kann jedoch der Ausführbarkeit des Merkmals n nicht entgegenstehen, weil das Merkmal n gar nicht verlangt, einen bestimmten Stellplattenabstand zu berechnen, sondern lediglich, diesen ausreichend groß zu wählen, so dass im Betrieb die Funkverbindung zwischen Sensoren und Steuerungseinrichtung funktioniert. Aus der weiteren Angabe in Abs. 0055 der Beschreibung, dass der Stellplattenabstand “einen Mindestwert nicht unterschreiten” sollte, ergibt sich auch unmittelbar, dass im Zweifelsfall, falls nämlich die Funkverbindung nicht funktioniert, der Abstand nicht etwa zu verkleinern, sondern zu vergrößern ist.
68
Die Beschwerdeführerin hat dazu ausgeführt, der erforderliche Stellplattenabstand hänge nicht nur von der Funkfrequenz allein, sondern außerdem von einer Vielzahl weiterer Parameter ab, wie z.B. der Breite und Tiefe der Stellplatten, der Größe und Belegungsdichte der Trocknungsgefäße, der Anordnung der Antennen, usw. Sie hat daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass deshalb unübersehbar aufwändige Versuchsreihen erforderlich seien, und selbst dann aufgrund der Vielzahl der Einflussgrößen eine Bemessung des Stellplattenabstandes nach Maßgabe der Wellenlänge – anspruchsgemäß also nach Maßgabe der Wellenlänge allein – gar nicht möglich sei. Die Schlussfolgerung trifft nicht zu, da Merkmal n des Anspruchs 1 nicht fordert, eine Universalformel zu finden, die für jeden von unendlich vielen denkbaren Fällen die Berechnung eines Stellplattenabstandes ermöglicht, sondern sich jeweils auf einen einzigen Fall bezieht, nämlich einen Gefriertrocknungsprozess in einer Gefriertrocknungsvorrichtung, bei dem somit sämtliche Parameter bis auf den Stellplattenabstand bereits vorgegeben sind, und dem Fachmann somit nichts zu tun bleibt, als auszuprobieren, ob der Stellplattenabstand eine funktionierende Funkverbindung erlaubt oder gegebenenfalls vergrößert werden muss.
69
6) Der Gegenstand des Anspruchs 1 erweist sich gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik als neu und nicht nahegelegt.
70
6.1) Von den im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen betreffen nur die E6 und die E8 Vorrichtungen zur Gefriertrocknung. Keine von beiden offenbart jedoch entsprechend den Merkmalen h, i, k, l, m und n die Verwendung von inert ummantelten Temperatursensoren zur Erfassung der Temperatur innerhalb des Trocknungsguts, die ohne eine eigene Energieversorgung mittels eigener Antennen und einer innerhalb des Gehäuses der Vorrichtung angeordneten Antenne in einem nicht leitungsgebundenen Datenaustausch mit einer Steuerungseinrichtung stehen.
71
E8 erläutert in Spalte 1 und Spalte 2 bis Zeile 13 den insoweit dem Fachmann bekannten Ablauf der Gefriertrocknung in zwei Trocknungsphasen und die dazugehörige Erfassung der Temperatur des im zu trocknenden Produkt eingeschlossenen Eises. Die Gefriertrocknung findet demnach üblicherweise in einer Trocknungskammer statt, in der sich temperierbare Stellflächen befinden, und an die eine Evakuierungseinrichtung, z. B. ein mit einer Vakuumpumpe kombinierter, in einer Kondensatorkammer angeordneter Eiskondensator, angeschlossen ist.
72
Für die erste Trocknungsphase, die sogenannte Haupt- oder Sublimationstrocknung, wird die Trocknungskammer mit dem gefrorenen Trockenprodukt bis auf einen Druck unterhalb der Sublimationskurve des Wassers evakuiert, E8 nennt einen Wert von z.B. 0,05 mbar bei einer Temperatur von -20 °C (Sp. 1, Z. 17-24)°C. Zum Ausgleichen des durch Sublimation aus dem gefrorenen Trockenprodukt austretenden Wasserdampfs muss währenddessen die Evakuierungseinrichtung betrieben werden. Während der Haupttrocknung, solange noch festes Eis im Produkt vorhanden ist, darf die Temperatur des Produktes bestimmte, meist weit unter 0°C gelegene Werte nicht überschreiten. Um die Produkttemperatur mittels der temperierbaren Stellflächen steuern zu können, muss die Eistemperatur gemessen werden.
73
Nach Abschluss der Haupttrocknung wird in der sogenannten Nach- oder Desorptionstrocknung bei höherer Temperatur weiteres, am Trockenprodukt absorbiertes oder gebundenes Wasser entfernt. Um den richtigen Zeitpunkt für den Übergang zur Nachtrocknung bestimmen zu können, muss wiederholt überprüft werden, ob noch Eis im Produkt vorhanden ist (Sp. 1, Z. 67-Sp. 2, Z. 10).
74
Beide Messungen erfolgen wie in E8 beschrieben mittels der sogenannten barometrischen Temperaturmessung (Sp. 2, Z. 64-Sp.3, Z. 1).
75
Für die Messung der Eistemperatur wird jeweils die Verbindung zwischen der Trockenkammer und der Kondensationskammer, und somit auch der Evakuierungseinrichtung, kurzzeitig geschlossen. Durch die zunächst weiter ablaufende Sublimation steigt der Druck in der Trockenkammer innerhalb von Sekunden auf den Gleichgewichtsdruck an. Da die Lage der Sublimationskurve des Wassers bekannt ist, ist damit auch die Temperatur des Eises im Trockenprodukt bekannt.
76
Für die Bestimmung, ob noch Eis im Produkt vorhanden ist, sind längere Absperrzeiten erforderlich. Dass das feste Eis aus dem Trocknungsgut vollständig entfernt wurde, kann dabei daran erkannt werden, dass der Druck nicht auf den zu erwartenden Sättigungsdampfdruck steigt.( Sp.2, Z. 3-10)
77
Gemäß der in E8 gelehrten Erfindung können die nachteiligen längeren Absperrungen zur Ermittlung des Übergangs zwischen Haupttrocknung und Nachtrocknung entfallen, da dieser Übergang daran erkannt werden kann, dass die bei den wiederholten Eistemperaturmessungen gemessenen Temperaturwerte während dieses Übergangs kleiner werden, siehe Spalte 2 Zeilen 14 bis 63.
78
Darüber hinaus kann gemäß der Lehre der E8 auch die Dauer der ohnehin kurzen Absperrungen für die barometrischen Eistemperaturmessungen selbst noch wesentlich verkürzt werden, indem während der Absperrung die gemessenen Druckwerte differenziert werden und an dem Maximum der Ableitung ein Wendepunkt im Druckverlauf erkannt wird, von dem aus der weitere Druckanstieg abschätzbar ist, so dass die Messung hier bereits abgebrochen werden kann, siehe Spalte 3 Zeilen 1 bis 21.
79
Die so ermöglichte laufende, kurzzeitige und genaue Feststellung der Eistemperatur erlaubt laut E8 weiterhin, anhand von Schwankungen der gemessenen Eistemperatur auf inhomogene Eisstrukturen infolge von Fehlern beim Einfrieren des Produkts oder kollabierte Produkte, die Wasser statt Eis enthalten, zu schließen, siehe Spalte 3 Zeilen 22 bis 35.
80
E6 bezieht sich ebenfalls auf eine Vorrichtung zur Gefriertrocknung, die wie auch die der E8 dem Oberbegriff des Anspruch 1 entspricht, siehe insb. Absätze 0001 bis 0003. E6 befasst sich mit dem Problem, Temperaturunterschiede innerhalb der Trocknungskammer zu eliminieren, die von der Wärmestrahlung der Kammerwände herrühren und aufgrund einer Temperaturerhöhung in der Nähe der Kammerwände zu ungleichförmiger Eistemperatur und zu entsprechenden Einbußen der Produktqualität führen können, siehe Abs. 0004. Zur Lösung dieses Problems lehrt E6, eine aus temperierbaren Bauteilen bestehende optische Abschirmung zwischen den Kammerwänden und den Stellflächen anzuordnen, siehe Abs. 0008.
81
Hinsichtlich des Ablaufs und der Steuerung des Trocknungsvorgangs lehrt die E6 wie auch die E8 einen zweistufigen Ablauf des Trocknungsprozesses mit Haupt- oder Sublimationstrocknung und Nach- oder Desorptionstrocknung. Wesentlicher Parameter für die Steuerung dieses Ablaufs ist wie auch in E8 die Eistemperatur, die ebenfalls barometrisch, d.h. mittels Druckanstiegsmessungen, bestimmt wird, siehe Absatz 0014 Zeilen 11 bis 14.
82
6.2) Ausgehend von E8 wie auch von E6 ergibt sich für den Fachmann weder ein Anlass zu einer Temperaturmessung mit Temperatursensoren entsprechend den Merkmalen h, i, k, l, m und n, noch überhaupt ein Anlass, nach Möglichkeiten einer anderen als der barometrischen Temperaturmessung zu suchen.
83
Dieser Anlass ergibt sich nicht daraus, dass, wie von der Einsprechenden ausgeführt, der Patentschrift selbst die Aufgabe entnehmbar sei, eine Temperaturmessung mit Temperatursensoren vorzunehmen und dabei störende Messleitungen und Steckerleisten zu vermeiden. Denn als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit darf weder einfach auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende Aufgabe abgestellt werden, noch ohne weiteres unterstellt werden, dass dem Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung nahelegt war. Auch dürfen, wenn die dem Patent zugrundeliegende technische Problemstellung aus dem entwickelt wird, was die im Anspruch angegebene Erfindung gegenüber dem Stand der Technik leistet, Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, nicht berücksichtigt werden (vergl. BGH XA ZR 36/08 – Gelenkanordnung; BGH X ZR 41/13 – Quetiapin). Die als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu definierende Aufgabe kann deshalb nicht darin bestehen, geeignete Temperatursensoren für zusätzliche Temperaturmessungen zu finden. Vielmehr kann eine von Lösungselementen freie Aufgabe lediglich darin bestehen, Verbesserungsmöglichkeiten bei der Erfassung der prozessrelevanten Parameter zu finden. Die Wertung der erfindungsgemäßen Lehre als naheliegend setzt voraus, dass davon ausgehend das aus dem Stand der Technik Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen (vergl. BGH X ZR 65/05 – einteilige Öse).
84
Eine solche Anregung ergibt sich nicht aus E6. Denn diese befasst sich nicht mit der Erfassung der prozessrelevanten Parameter, diesbezüglich wird lediglich auf die bekannte barometrische Temperaturmessung verwiesen, siehe Abs. 0003 Zeilen 35, 36 und Absatz 0014, Zeilen 11 bis 14, sondern mit dem Problem einer ungleichen Temperaturverteilung in der Trocknungskammer aufgrund der Wärmestrahlung der Kammerwände. Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Einsprechenden keine Anregung zu zusätzlichen Temperaturmessungen mit zusätzlichen Temperatursensoren, denn das Problem der ungleichen Temperaturverteilung aufgrund der Wärmestrahlung der Kammerwände lässt sich, wie auch in E6 gelehrt, durch eine Abschirmung der Kammerwände lösen, nicht jedoch durch die Art und Weise der Temperaturmessung.
85
Die Einsprechende hat weiter ausgeführt, bei der in E6 wie auch in E8 gelehrten Messung der Eistemperatur handele es sich um eine indirekte Messung der Temperatur, der Fachmann sei jedoch stets bestrebt, gesuchte Größen möglichst direkt zu messen. Auch dies kann jedoch ein Suchen des Fachmanns nach einer Temperaturmessmethode nicht begründen. Denn das in E6 wie auch in E8 beschriebene Verfahren, bei kurzzeitig abgeschlossener Trocknungskammer den Druck und den Druckanstieg bis zum Erreichen eines Gleichgewichtszustandes an der Sublimationskurve des Wassers zu messen, führt nicht nur über die bekannte Lage der Sublimationskurve zu einer Kenntnis von sowohl Kammerdruck als auch Eistemperatur, sondern liefert darüber hinaus weitere Informationen über den Trocknungsverlauf, es erlaubt insbesondere zu erkennen, wann das feste Eis aus dem Trocknungsgut vollständig entfernt wurde. Diese Informationen über Druck, Temperatur und Verfahrensablauf sind mit einer Temperaturmessung mit Temperatursensoren nicht zu gewinnen, deshalb ergibt sich aus E6 kein Anlass, nach einer solchen zu recherchieren.
86
Ein solcher Anlass ergibt sich auch nicht aus E8, in der eine wesentliche Verbesserung der barometrischen Temperaturmessung gelehrt wird, die die bisher erforderlichen längeren Schließungen der Trocknungskammer entbehrlich macht. Darüber hinaus beschreibt E8 in Spalte 3 Zeilen 22 bis 35, wie aus der barometrischen Temperaturmessung zusätzlich weitere Informationen gewonnen werden können. Dies legt gerade nicht nahe, nach einer grundsätzlich anderen Temperaturmessmethode zu suchen.
87
6.3) Deshalb spielt es auch keine Rolle, dass es in einem anderen technischen Zusammenhang, nämlich dem des Erhitzens von Lebensmitteln in Mikrowellenöfen, bekannt war, Temperatursensoren mit Antenne ohne eigene Energieversorgung zur Messung der Produkttemperatur zu verwenden, wie in E10 Fig. 1 den Temperatursensor 36 und in E11 Fig. 1, 2 den Temperatursensor 26. Denn der Fachmann für Gefriertrocknungsvorrichtungen hatte keinen Anlass, sich mit dem Fachgebiet der Mikrowellenöfen zu beschäftigen. Dieser ergibt sich auch nicht daraus, dass gemäß E12 Seite 81 Mikrowellenöfen auch zur Erhitzung pharmazeutischer Produkte Anwendung finden. Denn auch aus der von der Einsprechenden festgestellten Gemeinsamkeit, dass somit sowohl Mikrowellenöfen als auch Gefriertrocknungsvorrichtungen, vergl. auch E6 Abs. 0002, im Bereich der pharmazeutischen Industrie verwendet würden und beides, sowohl das Erhitzen als auch die Gefriertrocknung, als “thermische Behandlung” bezeichnet werden könne, ergibt sich weder, dass das Gebiet der Mikrowellenöfen tatsächlich Aufschlüsse über die Gestaltung von Gefriertrocknungsvorrichtungen, die Steuerung des Gefriertrocknungsverfahrens oder die Erfassung der prozessrelevanten Parameter Druck und Temperatur in der Nähe der Sublimationskurve des Wassers liefern kann, noch dass der mit der Entwicklung von Gefriertrocknungsvorrichtungen befasste Fachmann dies erwarten konnte.
88
Soweit die in E10 und E11 offenbarte Verwendung von Temperatursensoren mit Antenne ohne eigene Energieversorgung in Mikrowellenöfen überhaupt einen Beitrag zur Bewertung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 liefern kann, liegt dieser vielmehr darin, dass E10 und E11 mehr als 20 Jahre vor dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht wurden, was nicht für sondern gegen ein Naheliegen der Verwendung solcher Temperatursensoren in einem anderen technischen Gebiet wie hier dem der Gefriertrocknungsvorrichtungen spricht.
89
Die weiteren Entgegenhaltungen liegen noch weiter ab. E3 betrifft ein Messverfahren mit Sensoren, die entgegen Merkmalen j und k nicht zur Temperaturmessung innerhalb eines Trocknungsguts, sondern zur Reifendruckmessung eingerichtet sind. E1, E2, E4 und E5 betreffen Sensoren für Holztrocknungsvorrichtungen bzw. Öfen, die entgegen Merkmal h des Anspruchs 1 eine eigene Energiequelle aufweisen. E7 und E9 waren lediglich zur Ausbreitung von Funkwellen in Hohlleitern genannt worden.
90
7) Die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 werden vom Anspruch 1 getragen.


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