Patent- und Markenrecht

25 W (pat) 13/20

Aktenzeichen  25 W (pat) 13/20

Datum:
7.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:071021B25Wpat13.20.0
Spruchkörper:
25. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung am 7. Oktober 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Wortfolge
2
LESS IS MORE
3
ist am 21. Juni 2017 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren angemeldet worden:
4
Klasse 5:
5
Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Kohlenhydraten, Ballaststoffen, unter der Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 5 enthalten;
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Klasse 30:
7
Aromastoffe [pflanzliche], für Getränke, ausgenommen ätherische Öle; Backpulver; Backwaren [fein]; Biskuits; Bonbons; Brauselutscher; Brioches [Gebäck]; Brot; Brötchen; Butterkekse; Cornflakes; diätetische Nahrungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Kohlenhydraten, Ballaststoffen, unter der Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 30 enthalten; Eiscreme; Eistee; Erdnusskonfekt; Fondants [Konfekt]; Fruchtgummi; Fruchtsaucen; Gebäck; Geleefrüchte [Süßwaren]; Getränke auf der Basis von Tee; Grütze für Nahrungszwecke; Gewürze; Honig; Joghurteis [Speiseeis]; Kaffee; Kakao; Kakaoerzeugnisse; Kakaogetränke; Kandiszucker für Speisezwecke; Karamellen; Kaugummi (nicht für medizinische Zwecke); Kekse; Kleingebäck; Konditorwaren; Konfekt; Kräcker [Gebäck]; Kuchen; Kuchenmischungen [pulverförmig]; Lakritz [Süßwaren]; Lakritzenstangen [Süßwaren]; Lebkuchen; Lutscher; Makronen [Gebäck]; Maltose; Mandelkonfekt; Marzipan; Milchschokolade [Getränk]; Pastillen [Süßwaren]; Petits Fours [Gebäck]; Pfefferminz für Konfekt; Pudding; Puffmais; Schleckbrause [Süßwaren]; Schokolade; Schokoladegetränke; Sorbets [Speiseeis]; Speiseeis; Süßwaren; Schaumgummi [Süßwaren]; Traubenzucker (für Nahrungszwecke) sowohl lose als auch als Komprimat; Waffeln; Weingummi; Zuckermandeln; Zuckerwaren; Zuckerwaren als Christbaumschmuck, Zwieback;
8
Klasse 32:
9
Brausegranulat (für Getränke); Brausekomprimat (für Getränke); Brausepulver (für Getränke).
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Auf den Beanstandungsbescheid vom 25. Oktober 2017 hin wurde die Formulierung in Klasse 30
11
„Diätetische Nahrungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Kohlenhydraten, Ballaststoffen, unter der Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 30 enthalten“
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ersetzt durch die Formulierung
13
„Diätetische Nahrungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Kohlenhydraten unter der Beigabe von Vitaminen, Ballaststoffen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 30 enthalten“.
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Die Markenstelle für Klasse 30 des DPMA hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 20. November 2018 und vom 26. November 2019, von denen Letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Anmeldezeichen erschöpfe sich in einem bekannten Sinnspruch, der aus drei Wörtern der englischen Alltagssprache zusammengesetzt sei und von beachtlichen Teilen der allgemeinen Verkehrskreise im Sinne von „Weniger ist Mehr“ verstanden werde. Damit handele es sich um einen Ausdruck, der bereits im frühen 20. Jahrhundert vor allem in den Bereichen der Architektur, des Designs und der Kunst populär gewesen sei und mit dem eine Reduktion auf das Wesentliche unter Verzicht auf schmückende Verzierungen verbunden gewesen sei. Damit weise das Anmeldezeichen einen Sachbezug zu den beanspruchten Waren auf, bei denen es darum ginge, etwas wegzulassen, um dadurch ein Mehr zu erreichen. Im Kontext mit den beanspruchten diätetischen Nahrungsmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln etwa werde seit längerem über deren schädliche Wirkungen bei einer dauerhaften Einnahme diskutiert. Insoweit könne das angemeldete Zeichen dahingehend verstanden werden, dass die gekennzeichneten Produkte den aktuellen Studien Rechnung tragen würden und ausbilanziert seien, folglich durch das Weniger an Ungewolltem eine besondere Qualität hätten. Des Weiteren könne die Wortfolge „LESS IS MORE“ in sprachüblicher Weise darauf hinweisen, dass die in den Klassen 30 und 32 beanspruchten Lebens- und Genussmittel weniger ungesunde Bestandteile wie Zucker oder Fett enthielten und dadurch verträglicher oder gesünder seien, also einen Mehrwert böten. Die nicht verzehrfertigen Waren „Backpulver; Gewürze; Maltose“ stellten eine mögliche Zutat für solche Lebensmittel dar, so dass das Anmeldezeichen zu jenen einen engen beschreibenden Bezug aufweise. Soweit es keine besonderen konkreten Eigenschaften eines Teils der Waren benenne, sei es dennoch nicht geeignet, als Herkunftshinweis verstanden zu werden. Denn der Wortkombination „LESS IS MORE“ komme dann nur die Funktion einer allgemeinen Werbeaussage zu, die beispielsweise die Exklusivität des Produkts herausstelle, wonach ein Weniger bei exquisiter Qualität ein Mehr darstelle. Damit sei das in Rede stehende Zeichen geeignet, ein Kaufmotiv zu schaffen und der Verkaufsförderung zu dienen. Die Aussage „Weniger ist mehr“ spreche die aktuelle, auch als neue Bescheidenheit zu bezeichnende Lebenseinstellung einer Minimalisierung an, nach der man mit wenig glücklich sein könne oder die kleinen Dinge im Leben entscheidend seien. In der Werbung werde häufig mit dem positiv besetzten Gefühl der exklusiven Bescheidenheit für besonderen Luxus gearbeitet. Dabei komme es nicht darauf an, warum das Produkt besonders hochwertig sei. Die Botschaft „less is more“ könne sich beispielsweise auf das besonders schlichte Design, die sonstige Aufmachung in der Produktpräsentation oder eine besondere Umweltfreundlichkeit durch Verwendung von weniger Verpackungsmaterial oder Plastik beziehen. Zwar bleibe das angemeldete Zeichen damit inhaltlich offen, das entspreche aber gerade dem Charakter einer allgemeinen Werbeaussage und begründe nicht die Unterscheidungskraft der gegenständlichen Wortfolge.
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Gegen die Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er macht geltend, dass das Anmeldezeichen nur über einen äußerst vagen Aussagegehalt verfüge, dem die angesprochenen Durchschnittsverbraucher keinen unmittelbar beschreibenden Inhalt entnehmen würden. So umschreibe das angemeldete Zeichen im englischsprachigen Raum das Prinzip, wonach weniger komplizierte Sachverhalte oft leichter verstanden würden als komplexe. Zudem bezeichne die „A less-is-more“-Attitüde eine neue Bescheidenheit und einen Lebensstil, bei dem Minimalismus als neuer Luxus gelte. Weiter handele es sich um einen in der Architektur, im Design und in der Kunst vielfach verwendeten Begriff, der deutlich mache, dass schlichte Formen und Darstellungen gegenüber schmückenden Verzierungen bevorzugt würden. Schließlich würde im Rahmen des aktuellen Themas der Umweltverschmutzung „less is more“ als Redewendung im Zusammenhang mit dem Überfluss an Plastik verwendet werden. Zwar sei sie allgemein verständlich, doch fehle es an einem unmittelbar erkennbaren Sachbezug zu den angemeldeten Waren der Klassen 5, 30 und 32. Vielmehr erfordere es wesentlicher gedanklicher Zwischenschritte und eines nicht unerheblichen interpretatorischen Aufwands seitens der Verbraucher, um eine Verbindung zu den beanspruchten Waren herstellen und der Wortkombination „weniger ist mehr“ einen konkreten Aussagegehalt entnehmen zu können. Bei der angemeldeten Bezeichnung handele es sich zudem um eine interpretationsbedürftige Wortfolge, die deswegen nicht ausschließlich werbemäßig aufgefasst werde. Insoweit könne ihr die Herkunftsfunktion nicht vollständig abgesprochen werden. Auch weise das angemeldete Zeichen eine gewisse Prägnanz auf. Es bestehe aus drei kurzen, einsilbigen Wörtern, von denen „LESS“ und „MORE“ das zwei Buchstaben umfassende Verb „IS“ gewissermaßen einrahmten, was dem gegenständlichen Zeichen eine besondere Eigenart verleihe, die zu seiner Schutzfähigkeit führe.
16
Der Beschwerdeführer beantragt,
17
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 30, vom 20. November 2018 und 26. November 2019 aufzuheben.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, den rechtlichen Hinweis des Senats vom 29. Januar 2021 nebst Anlagen, die Schriftsätze des Anmelders sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
19
Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Anmelders hat in der Sache keinen Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „LESS IS MORE“ als Marke steht in Verbindung mit den beanspruchten Waren der Klassen 5, 30 und 32 das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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1. Unterscheidungskraft im Sinne des§8Abs.2Nr.1MarkenGist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH GRUR 2014,569Rn.10- HOT; GRUR 2013,731Rn.11- Kaleido; GRUR 2012,1143Rn.7- Starsat; GRUR 2012,270Rn.8- Link economy; GRUR 2010,1100Rn.10- TOOOR!; GRUR 2010,825Rn.13- Marlene-Dietrich Bildnis II; GRUR 2006,850,854Rn.18- FUSSBALL WM 2006;GRUR 2018,301Rn.11- Pippi Langstrumpf-Marke; GRUR 2018, 932 Rn. 7 – #darferdas). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrunde liegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003,604Rn.60- Libertel; BGH GRUR 2014,565Rn.17- Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2006,411Rn.24- Matratzen Concord/Hukla;GRUR 2004,943,944Rn.24- SAT 2;GRUR 2004,428Rn.30f. – Henkel; BGH GRUR 2006,850- FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH GRUR 2013,1143,1144Rn.15- Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014,872Rn.10- Gute Laune Drops; GRUR 2014,482Rn.22- test; EuGH MarkenR 2010, 439 Rn. 41 bis 57 – Flugbörse). Hiervon ausgehend besitzen Bezeichnungen keine Unterscheidungskraft, denen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2006,850Rn.19- FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004,674Rn.86- Postkantoor). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist ferner dann auszugehen, wenn die Wortfolge für sich genommen oder im Zusammenhang mit produktbeschreibenden Angaben lediglich Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art enthält (vgl. BGH GRUR 2013,522Rn.9- Deutschlands schönste Seiten). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2010, 1100 Rn. 23 – TOOOR!).
21
An die Beurteilung der Unterscheidungskraft sloganartiger Wortfolgen wie der vorliegenden sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (vgl. EuGH GRUR Int. 2012, 914 Rn. 25 – Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 36 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027 Rn. 33 und 34 – Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; BGH GRUR 2015, 173 Rn. 17 – for you; GRUR 2014, 872 Rn. 14 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 565 Rn. 14 – smartbook). Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinausgehend eine – wenn auch noch so geringe – Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt (vgl. BGH GRUR 2009, 949 Rn. 10 – My World; GRUR 2009, 778 Rn. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 935 Rn. 8 – Die Vision). Selbst Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der in Bezug genommenen Waren und Dienstleistungen verwendet werden, eine Sachaussage in mehr oder weniger großem Umfang enthalten, ohne unmittelbar beschreibend zu sein, können geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der in Bezug genommenen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 56 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Zeichen nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 57 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH, a. a. O. Rn. 17 – for you; GRUR 2013, 552 Rn. 9 – Deutschlands schönste Seiten; a. a. O. – My World). Der anpreisende Sinn einer angemeldeten Wortfolge schließt deren Eignung als Herkunftshinweis nur dann aus, wenn der Verkehr sie ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht (vgl. BGH GRUR 2016, 934 Rn. 23 – OUI).
22
Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Bezeichnung „LESS IS MORE“ für die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft.
23
2. Wie der Anmelder selbst mit den zur Beschwerde eingereichten Unterlagen belegt hat (vgl. Anlagen HRM 1 bis 3 zu seinem Schriftsatz vom 5. Juni 2020), handelt es sich bei „less is more“ um die englische Entsprechung des geflügelten deutschen Ausspruchs „Weniger ist mehr“. Er ist vor allem im frühen 20. Jahrhundert unter Architekten, Künstlern und Designern populär geworden, die damit ihre Vorstellung ausdrückten, dass schlichte und einfache Formen (Minimalismus) gegenüber den opulenten, schmückenden und überladenen Designs zu bevorzugen seien. Mit der Redewendung „Weniger ist mehr“ wird deutlich gemacht, dass „ein Weniger besser ist als ein Mehr“. Sie ist in der englischen und deutschen Fassung auch in leicht veränderten Versionen als Werbeslogan in unterschiedlichen Branchen und für verschiedene Produkte beliebt (vgl. „https://www.slogans.de“ als Anlage 1 zum Hinweis des Senats vom 29. Januar 2021). So wird die englische Version im Zusammenhang mit Bekleidung, Verkehrsmitteln, Musikinstrumenten oder Kosmetik und die deutsche Version im Zusammenhang mit Tabak oder Marketing verwendet. Daneben findet sich im Bereich der Ernährung zum einen der Slogan „Weniger ist das neue Mehr“. Zum anderen werden mit dem Ausspruch „Weniger ist mehr“ direkt einzelne Nahrungsmittel angepriesen, indem beispielsweise positiv herausgestellt wird, dass sie weniger Zusatzstoffe oder Verpackungsmaterial enthalten. Demzufolge lassen sich im Internet folgende Aussagen ermitteln (vgl. die dem Senatshinweis vom 29. Januar 2021 beigefügten Recherchebelege):
24
– „Weniger ist mehr: Burger King ohne Konservierungsstoffe“
25
(vgl. „https://www.presseportal.de/pm/69466/4806425“),
26
– „Weniger ist mehr – Zucker in der Ernährung“
27
(vgl. „https://www.in-form.de/wissen/weniger-zucker-in- der-ernaehrung“)
28
oder
29
– „Schokokarte – Weniger ist mehr. Außer bei Schokolade“
30
(vgl. „https://www.scm-shop.de/schokokarte-weniger-ist-mehr.html“).
31
Ebenso ist „Weniger ist mehr“ ein übergreifendes Motto, mit dem hervorgehoben wird, dass weniger Konsum und Einkauf nicht nur der Umwelt, sondern auch dem eigenen Geldbeutel guttun. Zudem bringt es im Lebensmittelbereich schlagwortartig zum Ausdruck, dass eine reduzierte Einkaufsmenge das Abfallvolumen vermindert (vgl. die dem Senatshinweis vom 29. Januar 2021 beigefügten Recherchebelege):
32
– „Weniger ist mehr: Lebensmittelverluste und Abfälle reduzieren“
33
(vgl. „https://www.thuenen.de/de/thema/weltshyernaehrung-und-globale-res…en/weniger-ist-mehr-lebensmittelverluste-und-abfaelle-reduzieren/“)
34
oder
35
– „Weniger ist mehr – Lebensmittel wertschätzen“
36
(vgl. „https://kommunalwirtschaft.eu/tagesanzeiger/detail/i34988/c134“).
37
3. Vor diesem Hintergrund werden die in erster Linie angesprochenen Endverbraucherkreise die angemeldete Wortfolge als positives Lebensmotiv und geflügelte Redewendung mit einem zumindest engen Sachbezug verstehen. Sie ist nahezu universell einsetzbar und preist die beanspruchten Waren dahingehend an, dass sie im Gegensatz zu Konkurrenzprodukten mit weniger Nachteilen, wie Rohstoffverbrauch, Schadstoffen oder Abfall, verbunden sind.
38
So bringt die Begriffskombination „LESS IS MORE“ in Verbindung mit den Waren der Klasse 5 im Sinne eines Versprechens zum Ausdruck, dass die
39
„Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Kohlenhydraten, Ballaststoffen, unter der Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 5 enthalten“
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beispielsweise geringer zu dosieren sind oder weniger Zusatzstoffe enthalten, jedoch mehr Wirkung oder eine bessere Verträglichkeit aufweisen.
41
In Verbindung mit den Lebensmitteln der Klasse 30, bei denen es sich zum Teil um sehr zucker- und kalorienhaltige Süßwaren handelt, weist „LESS IS MORE“ bzw. „Weniger ist mehr“ in naheliegender werblich ansprechender Weise darauf hin, dass ein „Weniger“ etwa an Zucker, (Aroma)Zusätzen, Farbstoffen oder generell an Konsum und (mengenmäßigem) Verbrauch ein „Mehr“ an Genuss und Lebensfreude sowie Wohlbefinden zur Folge hat. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob in der Klasse 30 auf die ursprüngliche Formulierung „Diätetische Nahrungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Kohlenhydraten, Ballaststoffen, unter der Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 30 enthalten“ oder auf die nach dem Beanstandungsbescheid vom 25. Oktober 2017 gewählte Formulierung „Diätetische Nahrungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Kohlenhydraten unter der Beigabe von Vitaminen, Ballaststoffen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 30 enthalten“ abgestellt wird. Letztgenannte hat zwar eine unzulässige Erweiterung zur Folge, da „Ballaststoffe“ nunmehr nicht mehr die Basis der diätetischen Nahrungsmittel für nichtmedizinische Zwecke, sondern nur noch eine Zutat darstellen. Dennoch gilt obige Aussage in gleicher Weise auch für diese veränderte Fassung des Warenverzeichnisses.
42
Entsprechendes gilt für die beanspruchten Produkte der Klasse 32 „Brausegranulat (für Getränke); Brausekomprimat (für Getränke); Brausepulver (für Getränke)“. Sie stellen wie die Waren der Klasse 30 „Aromastoffe [pflanzliche], für Getränke, ausgenommen ätherische Öle; Backpulver; Gewürze; Maltose“ in der Regel portionierbare Zubereitungs- bzw. Zusatzstoffe dar. Damit weist die Wortfolge „LESS IS MORE“ im Sinne einer Aufwand-/Nutzenanalyse auf die Dosierung und Quantität dergestalt hin, dass ein „Weniger“, also eine geringere Menge ein gleiches bzw. besseres Ergebnis, also ein „Mehr“ erzielt.
43
4. Soweit der Anmelder die Auffassung vertritt, das Anmeldezeichen verfüge über einen sehr unbestimmten Aussagegehalt und es seien mehrere gedankliche Schritte erforderlich, um einen sachbezogenen Zusammenhang zwischen ihm und den beanspruchten Waren herzustellen, ist dies insbesondere vor dem Hintergrund der im einschlägigen Warenkontext nachweisbaren, oben auszugsweise genannten Verwendungen nicht nachvollziehbar.
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Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Unterscheidungskraft selbst dann nicht zu bejahen ist, wenn der besagten Wortfolge nicht entnommen werden kann, was genau das „Weniger“ und das „Mehr“ in Verbindung mit den beanspruchten Produkten ausmacht. Denn auch inhaltlich vage und allgemeine Angaben können ausschließlich verbraucherorientierte Sachinformationen enthalten. Generelle und möglichst unscharfe Formulierungen sind häufig gerade deswegen beliebt, um einen möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften beschreibend zu erfassen. Für die Frage der Schutzfähigkeit ist dabei nicht erforderlich, dass eine Angabe schon feste Konturen erlangt und sich eine einhellige Auffassung des Verkehrs zum Sinngehalt herausgebildet hat (vgl. BGH GRUR 2017, 520 Rn. 32 – MICRO COTTON; GRUR 2014, 569 Rn. 18 – HOT; GRUR 2014, 872 Rn. 25 – Gute Laune Drops).
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5. Inwieweit der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren zudem das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann vor dem Hintergrund der jedenfalls fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.


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