Patent- und Markenrecht

26 W (pat) 505/19

Aktenzeichen  26 W (pat) 505/19

Datum:
17.8.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:170821B26Wpat505.19.0
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 17. August 2021 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie des Richters Dr. von Hartz und der Richterin kraft Auftrags Dr. Rupp-Swienty
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Wortfolge
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Die Nuss mit dem Schwips
3
ist am 23. April 2018 unter der Nummer 30 2018 010 522.6 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren der
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Klasse 29: konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Haselnuss-, Erdnuss-, Cashew-, Pistazienkerne und Mandeln [getrocknet, geröstet, gesalzen, gewürzt und/oder aromatisiert]; Gallerten [Gelees]; Konfitüren; Brotaufstriche; Kompotte; Milch und Milchprodukte; Dessertsoßen aus Milch und/oder Milchprodukten;
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Klasse 30: Kaffee; Tee; Kakao; Zucker; Reis; Tapioka; Sago; Kaffee-Ersatzmittel; Mehle; Getreidepräparate; Brot; feine Backwaren; Konditorwaren; Pralinen mit und ohne Füllung; Schokoladewaren, soweit in Klasse 30 enthalten; Bonbons; Fruchtgummi; Kaugummi [nicht für medizinische Zwecke]; Zuckerwaren; Speiseeis; Dessertsoßen;
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Klasse 33: Alkoholische Getränke [ausgenommen Biere].
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Mit Beschluss vom 30. Oktober 2018 hat die Markenstelle für Klasse 33 des DPMA durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, „Schwips“ sei ein „durch Genuss von Alkohol hervorgerufener leichter Rausch“. Da die angesprochenen Verkehrskreise in den verschiedensten Lebensmittelbereichen an die Formulierung „mit (dem) Schwips“, wie z. B. „Pralinen mit Schwips“, „Marmelade mit Schwips“ oder „Kuchen mit Schwips“ gewöhnt seien, würden sie die sloganartige Wortfolge nur als Sachhinweis verstehen, dass es sich bei den damit beworbenen Waren um alkoholisierte Produkte auf der Basis von oder unter Zugabe von Nüssen oder Nussgeschmacksvariationen bzw. in Form eines Nusslikörs, Nussbrands oder einer Nussspirituose handele. Das Anmeldezeichen stelle daher einen schlagwortartigen, beschreibenden Ausdruck über Art und Beschaffenheit oder Zweckbestimmung der damit gekennzeichneten Waren dar. Auch wenn es sich um keine lexikalisch nachweisbare Wortfolge handele, sei das Anmeldezeichen sprachüblich gebildet und weise einen unmittelbar beschreibenden Warenbezug auf.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, eine Nuss könne keinen Alkohol enthalten und mithin keinen Schwips verursachen. Die angemeldete Wortfolge habe keinen vernünftigen Sinn und weise daher im Zusammenhang mit den beanspruchten Lebensmitteln und Getränken keinen im Vordergrund stehenden eindeutigen Aussagegehalt auf, so dass ihr ein Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden könne. Der BGH habe auch für die Wortfolge „for you“ (GRUR 2015, 173) festgestellt, dass diese für Waren aus dem Gesundheits- und Ernährungsbereich keine produktbeschreibende Sachaussage enthalte. Die Markenstelle habe einen denkbaren beschreibenden Gehalt in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt. Eine derart analysierende Betrachtungsweise sei unzulässig. Auch die Wortmarken „KLEINER SCHWIPS SCHORLE“ (30 2020 221 150) und „Schwippsel“ (30 2019 025 526) seien für Produkte der Klassen 32 und 33 eingetragen worden.
9
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA vom 30. Oktober 2018 aufzuheben.
11
Sie ist mit gerichtlichen Schreiben vom 9. Oktober 2020 und 4. Mai 2021, jeweils unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 40, Bl. 15 – 119 GA sowie Anlagen 1 bis 12, Bl. 129 – 162 GA) auf die Schutzunfähigkeit des Anmeldezeichens hingewiesen worden.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „Die Nuss mit dem Schwips“ als Marke stehen in Bezug auf die meisten der beanspruchten Waren das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und im Übrigen das Schutzhindernis der ersichtlichen Täuschungsgefahr nach §§ 8 Abs. 2 Nr. 4, 37 Abs. 3 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher im Ergebnis zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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1. a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2018, 932 Rdnr. 7 – #darferdas? I; GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas? I; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rdnr. 8 – #darferdas? I; GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – #darferdas? I; a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (BGH a. a. O. – #darferdas? I; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress).
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An die Beurteilung der Unterscheidungskraft (sloganartiger) Wortfolgen und Slogans sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012, 914 Rdnr. 25 – Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; a. a. O. Rdnr. 36 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027, Rdnr. 33 und 34 – Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; BGH GRUR 2015, 173 Rdnr. 17 – for you; GRUR 2014, 872 Rdnr. 14 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 565 Rdnr. 14 – smartbook). Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt (BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 – My World; GRUR 2009, 778 Rdnr. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 935 Rdnr. 8 – Die Vision). Selbst wenn aber Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der in Bezug genommenen Waren und Dienstleistungen verwendet werden, eine Sachaussage in mehr oder weniger großem Umfang enthalten, ohne unmittelbar beschreibend zu sein, können sie dennoch geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der in Bezug genommenen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen (EuGH a. a. O. Rdnr. 56 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen (EuGH a. a. O. Rdnr. 57 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. Rdnr. 17 – for you; GRUR 2013, 552 Rdnr. 9 – Deutschlands schönste Seiten; a. a. O. – My World). Der anpreisende Sinn einer angemeldeten Wortfolge schließt deren Eignung als Herkunftshinweis nur dann aus, wenn der Verkehr sie ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht (BGH a. a. O. Rdnr. 23 – OUI).
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b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt die sloganartige Wortfolge „Die Nuss mit dem Schwips“ für die meisten der beanspruchten Waren nicht.
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Sie ist zwar kurz und prägnant, aber weder interpretationsbedürftig, noch löst sie einen Denkprozess aus. Die angesprochenen inländischen Verkehrskreise haben sie vielmehr schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 23. April 2018, ohne besonderen gedanklichen Aufwand eindeutig und ausschließlich als schlagwortartige, werbliche Anpreisung der Beschaffenheit und/oder Wirkung oder des Bestimmungszwecks der meisten der in Rede stehenden Produkte, nicht aber als unternehmerischen Herkunftshinweis aufgefasst.
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aa) Von den beanspruchten Waren werden breite Verkehrskreise angesprochen, nämlich sowohl der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher als auch der Lebensmittel-, Süßwaren-, Back-, Konditorwaren- und Getränkefachhandel sowie der Gastronomiefach-verkehr.
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bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus verständlichen Wörtern der deutschen Alltagssprache zusammen.
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aaa) „Die Nuss“ ist eine „rundliche Frucht mit harter, holziger Schale, die einen ölhaltigen, meist essbaren Kern umschließt“, die „Kurzform für Walnuss“ oder der „essbare Kern einer Nuss“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/Nuss).
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bbb) Das Substantiv „Schwips“ ist in der Umgangssprache ein „durch Genuss von Alkohol hervorgerufener leichter Rausch“ (https://www.duden.de/-rechtschreibung/Schwips; PONS – Wörterbuch der deutschen Umgangssprache, 1997, S. 757, Anlage 7 zum ersten gerichtlichen Hinweis). Mit einem Schwips wird die beschwingende, nur leicht berauschende und enthemmende und nicht eine die Sinne einschränkende Wirkung des Alkohols verbunden. Der Schwips, der als Übergangszustand von „nüchtern“ zu „betrunken“ anzusehen ist, gilt gemeinhin als gesellschaftlich akzeptiert (https://de.wikipedia.org/wiki/Schwips, Anlage 8 zum ersten gerichtlichen Hinweis).
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ccc) Als „mit Schwips“ oder „beschwipst“ werden Speisen bezeichnet, die selbst oder deren Zutaten mit alkoholischen Getränken zubereitet oder in alkoholische Getränke getaucht wurden. Beispielsweise handelt es sich bei „Pfirsich mit Schwips“ um Pfirsiche, die zuvor in einem Weinbrandgemisch eingelegt wurden (https://de.wikipedia.org/wiki/Schwips, Anlage 8 zum ersten gerichtlichen Hinweis). Schon die Markenstelle hat im Lebensmittelbereich Formulierungen wie „Pralinen mit Schwips“, „Marmelade mit Schwips“ oder „Kuchen mit Schwips“ ermittelt. Auch die Internetrecherche des Senats hat ergeben, dass es bei Nahrungsmitteln schon lange vor dem Anmeldezeitpunkt üblich gewesen ist, auf deren leichten Alkoholgehalt mit dem Ausdruck „mit Schwips“ oder „beschwipst“ hinzuweisen (Anlagen zum ersten gerichtlichen Hinweis):
26
– „Obstsalat mit (kleinem) Schwips“ (2011, Anlage 9 und 2009, Anlage 11);
27
– „Beschwipster Eierlikör-Tanz (2017, Anlage 10);
28
– „Pfefferminzeis mit Schwips“ (2009, Anlage 11);
29
– „Apfelkuchen mit Schwips“ (2009, Anlage 11);
30
– „Erdbeerschaum mit Schwips“ (2017, Anlage 12);
31
– „Smoothie mit Schwips“ (2015, Anlage 12);
32
– „Backen mit Schwips: Baileys Cupcakes“ (2015, Anlage 12);
33
– „Himbeerherzen mit Schwips – Pralinenwahnsinn“ (2013, Anlage 12).
34
ddd) Auch die Kombination „Nuss“ mit dem Ausdruck „Schwips“ oder Synonymen dafür ist lange vor dem 23. April 2018 im Zusammenhang mit Lebensmitteln und Getränken verwendet worden, wie eine Recherche des Senats gezeigt hat (Anlagen zum ersten gerichtlichen Hinweis):
35
– „Nuss-Sahne Torte … wenn gewünscht mit „Schwips“ (2015, Anlage 13);
36
– „Nuss Mit Schuss“ Rezepte“ (2011, Anlage 18);
37
– „Frangelico Haselnusslikör … Haselnuss mit Schuss“ (2012, Anlage 21);
38
– „SissiS Haselnussrausch 34% Vol, 500ml | edles Haselnussdestillat | besonders mild & aromatisch | bester Haselnuss-Schnaps | intensive Nuss-Nougat-Note in Duft und Geschmack“ (2017, Anlage 22).
39
cc) In seiner Gesamtheit bringt die sprachregelgerecht gebildete Wortfolge „Die Nuss mit dem Schwips“ zum Ausdruck, dass eine rundliche Frucht mit harter, holziger Schale, die einen ölhaltigen, meist essbaren Kern umschließt, einen durch Genuss von Alkohol hervorgerufenen leichten Rausch hat. Diese Gesamtbedeutung enthält zwar für sich allein keine vernünftige Aussage, wie die Anmelderin zutreffend festgestellt hat, da eine Nuss keinen Alkohol konsumiert, aber im Zusammenhang mit den beanspruchten Lebensmitteln und alkoholischen Getränken haben die angesprochenen Verkehrskreise dieser Wortfolge schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 23. April 2018, lediglich den schlagwortartigen, werblich anpreisenden Sachhinweis entnommen, dass die damit gekennzeichneten Produkte sowohl Nüsse oder Nussaromen als auch Alkohol oder einen entsprechenden Geschmacksstoff enthalten und daher einen leichten Rausch bewirken können. Vor dem Hintergrund der Gewöhnung des Verkehrs an die häufige Benutzung des Ausdrucks „mit Schwips“ sowie seiner Synonyme in Verbindung mit unterschiedlichsten Lebensmitteln bedarf es für dieses Verständnis keiner gedanklichen Analyse.
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dd) Damit erschöpft sich das angemeldete Werbeschlagwort für die meisten der beanspruchten Lebens- und Genussmittel der Klassen 29 und 30 sowie für die alkoholischen Getränke der Klasse 33 in einer ausschließlich beschreibenden Beschaffenheits-, Wirkungs- und Zweckangabe und wird nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst.
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aaa) Bei den in Klasse 29 angemeldeten Produkten „Haselnuss-, Erdnuss-, Cashew-, Pistazienkerne und Mandeln [getrocknet, geröstet, gesalzen, gewürzt und/oder aromatisiert]“ kann die beanspruchte Wortfolge darauf hinweisen, dass diese Nüsse mit alkoholartigen Geschmacksstoffen aromatisiert sind. Dabei kann es sich beispielsweise um Rum- oder Arrakaromen handeln, die zwar keinen Alkohol enthalten, aber einen „alkoholischen“, an braunen Rum bzw. an Arrak erinnernden Geruch und Geschmack haben (https://de.wikipedia.org/wiki/Backaroma). Sie kann aber auch angeben, dass sich diese Nüsse für die Herstellung alkoholischer Getränke wie Nussgeist, Nusslikör und Nussschnaps besonders eignen.
42
bbb) In den Waren „Gallerten [Gelees]; Konfitüren; Brotaufstriche“ der Klasse 29 können Nüsse oder Nussaromen sowie Alkohol oder ein entsprechender Geschmacksstoff enthalten sein, so dass das Anmeldezeichen nur deren Inhaltsstoffe angibt. Sowohl die Markenstelle als auch der Senat haben ermittelt, dass „Marmelade mit Schwips“, also unter Zugabe von Alkohol hergestellt wird. Beispielsweise enthält eine „Pfirsichmarmelade mit Schwips“ 150 ml Prosecco (Anlage 23 zum ersten gerichtlichen Hinweis). Aber auch die Verwendung von Nüssen im Brotaufstrich ist beliebt und üblich. Beispielsweise gibt es auf dem Markt eine Vielzahl von Nougatcremes, die aus Zucker, Pflanzenfett, gemahlenen Haselnüssen oder Mandeln und Bestandteilen der Kakaobohne hergestellt werden. Die im Inland bekannteste Nuss-Nougat-Creme wird unter der Marke Nutella von Ferrero hergestellt (https://de.wikipedia.org/wiki/Nougatcreme). Daher ist auch eine Kombination von Nüssen und Alkohol in Gelees, Konfitüren und Brotaufstrichen möglich.
43
ccc) Bei den Waren „Kompotte“ gibt das Anmeldezeichen nur an, dass für die Zubereitung Nüsse und Alkohol oder entsprechende Aromen als Zutaten verwendet worden sind. Kompotte sind Süßspeisen aus gekochtem oder eingemachtem Obst, das in einer Flüssigkeit, zum Beispiel Wasser, Sirup, Fruchtsaft oder Wein, sanft gegart und häufig mit Zimt und Gewürznelken gewürzt wird. Kompotte können kalt oder warm serviert werden, oder sie werden in Weckgläsern eingekocht (https://de.wikipedia.org/wiki/Kompott).
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ddd) Als Zutatenangabe fungiert das Anmeldezeichen auch bei den Waren „Milchprodukte; Dessertsoßen aus Milch und/oder Milchprodukten“.
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(1) Das Milchprodukt „Frischkäse“ wird mit Haselnüssen und Rum zum Kauf angeboten (Anlage 1 zum zweiten gerichtlichen Hinweis). Als weitere Milchprodukte kommen beispielsweise Desserts in Betracht, wie der „Himbeertraum mit Schwips“, der u. a. aus Joghurt, Sahne und Rum zubereitet wird (Anlage 2 zum zweiten gerichtlichen Hinweis). Dieses Rezept kann um jede Art von Nüssen ergänzt oder Rum durch Haselnusslikör ersetzt werden, der aus Haselnüssen, Milch, Schlagsahne und Korn hergestellt werden kann (Anlage 3 zum zweiten gerichtlichen Hinweis). Das Milchprodukt „Walnuss-Whisky-Eis“ besteht u. a. aus Sahne, Milch, Walnüssen und Whisky (Anlage 4 zum zweiten gerichtlichen Hinweis). Das Milchprodukt „Rum Traube Nuss Geschmack Frozen Joghurt Pulver“ ist ebenfalls erhältlich (Anlage 5 zum zweiten gerichtlichen Hinweis). Der Nachtisch „Nuss-Joghurt-Tiramisu“ wird u. a. aus Nussjoghurt, Schlagsahne, Nougatcreme und Amaretto oder Rum hergestellt (Anlage 6 zum zweiten gerichtlichen Hinweis).
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(2) Auch „Dessertsoßen aus Milch und/oder Milchprodukten“ mit Nüssen und Alkohol gibt es bereits, wie z. B. die „Nuss-Nougatsauce mit Amaretto“, die Nougat, Schlagsahne und Amaretto enthält (Anlage 7 zum zweiten gerichtlichen Hinweis), oder die Dessertsoße „Rum – Nuss- Sauce“, die u. a. aus Mandeln, Haselnüssen, Butter, Crème fraîche und Rum hergestellt wird (Anlage 8 zum zweiten gerichtlichen Hinweis).
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eee) Für die in Klasse 30 angemeldeten Produkte „Kaffee; Tee; Getreidepräparate; Brot; feine Backwaren; Konditorwaren; Pralinen mit und ohne Füllung; Schokoladewaren, soweit in Klasse 30 enthalten; Bonbons; Fruchtgummi; Kaugummi (nicht für medizinische Zwecke); Zuckerwaren; Speiseeis; Dessertsoßen“ stellt das Anmeldezeichen ebenfalls nur einen werblich anpreisenden Sachhinweis auf entsprechende Inhalts- und/oder Geschmacksstoffe dar.
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(1) Kaffeebohnen sind schon 2016 „mit Schwips“ angeboten worden. Dazu werden sie entweder längere Zeit in einem Holzweinfass gelagert (Anlage 31 zum ersten gerichtlichen Hinweis) oder in Wein eingelegt (https://www.desired.de/rezepte/winoffee-solltest-du-die-kreation-probieren/), damit sie Weingeschmack annehmen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, ihnen darüber hinaus Nussaromen zuzusetzen, so dass das Anmeldezeichen bei der Ware „Kaffee“ nur schlagwortartig auf eine entsprechende Aromatisierung hinweist.
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(2) Die Aromatisierung von „Tee“ entspringt sogar einer langen Tradition. Neben den klassischen aromatisierten Tees aus China, bei denen Grüntee oder eine Mischung aus Grün- und Schwarztee durch Zugabe frischer Blüten aromatisiert wird, erfreuen sich in Europa mit unterschiedlichen natürlichen Aromen angereicherte Schwarz- oder Grüntees großer Beliebtheit (https://de.wikipedia.org/wiki/Tee). Im Dezember 2014 gab es bereits Tee in der Geschmacksrichtung „Nuss“, nämlich „Walnussblätter-Tee für die innerliche Anwendung“ (Anlage 32 zum ersten gerichtlichen Hinweis). 2016 wurde „Nusskreuzchen-Tee aus Walnusskernen als Heilmittel angepriesen (Anlage 33 zum ersten gerichtlichen Hinweis). „Aromatisierter Grüntee – Walnuss“, der u. a. auch Haselnüsse und Mandelflakes enthielt, gewann den 1. Platz bei der North American Tea Championship 2011 (Anlage 34 zum ersten gerichtlichen Hinweis). Tee ist auch schon lange vor dem Anmeldezeitpunkt mit alkoholischen Geschmacksstoffen aromatisiert worden. So gab und gibt es aromatisierten Schwarztee mit Rumgeschmack (https://teehaus-augsburg.de/schwarztee/; https://www.teemann-tee.de/unsere-tees/aromatisierter-schwarztee/41/schwarztee-rum; https://sylter-trading.de/produkt/jamaica-rum-tea/; https://www.teewikipedia.com/category/teesorten-o-p/). Das Anmeldezeichen gibt daher nur an, dass die Ware „Tee“ gleichzeitig mit einem Nuss- und einem Alkoholaroma wie beispielsweise Rum angereichert ist.
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(3) Zu den Waren „Getreidepräparate“ der Klasse 30 gehören auch Müsliriegel. Abgesehen davon, dass diese auch häufig Nüsse enthalten, können sie auch mit Rumfrüchten oder Rum-Aroma hergestellt werden (Anlagenkonvolut 12 zum zweiten gerichtlichen Hinweis).
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(4) Dies gilt auch für das Produkt „Brot“. „Nussbrot mit Rum“ enthält neben Rum gemahlene Haselnüsse und gehackte Walnüsse (Anlage 9 zum zweiten gerichtlichen Hinweis). Das „Saftige Früchtebrot nach altem Rezept“ wird u. a. aus Nüssen und Rum gebacken (Anlage 10 zum zweiten gerichtlichen Hinweis).
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(5) Die Waren „feine Backwaren; Konditorwaren“ können ebenfalls sowohl Nüsse oder Nussaromen als auch Alkohol oder entsprechende Geschmacksstoffe enthalten. Diese Zutaten sind bei der Zubereitung von Gebäck und Torten sehr beliebt und werden häufig eingesetzt. Der bereits erwähnte „Beschwipste Eierlikör-Tanz“ ist eine Torte mit einer gehörigen Portion Eierlikör und Rum. Die oben angeführte Nuss-Sahne Torte … wenn gewünscht mit „Schwips“ wird u. a. aus Haselnüssen, Rumaroma und Rum zubereitet. Bei dem bereits angeführten Rezept „Backen mit Schwips: Baileys Cupcakes“ werden 100 ml irischer Sahnelikör dem Teig hinzugefügt. Bei dem Rezept für einen „Gugelhupf mit beschwipsten Gin-Cranberries“ werden Cranberries in Gin eingeweicht und in abgetropftem Zustand unter den Teig gehoben, der auch gemahlene Mandeln enthält (Anlage 25 zum ersten gerichtlichen Hinweis). Das Rezept für Schwarzwälder Kirschtorte mit Kirschwasser wird wie folgt eingeleitet: „Wer kennt sie nicht, die Kirschtorte aus dem Schwarzwald. Weltberühmt, die mit dem Schwips“ (Anlage 26 zum ersten gerichtlichen Hinweis).
53
(6) Die Produkte „Pralinen mit und ohne Füllung; Schokoladewaren, soweit in Klasse 30 enthalten“ enthalten ebenfalls sowohl Nüsse als auch Alkohol oder entsprechende Aromen. Auch Pralinen können aus Schokolade mit Nüssen und einem Alkoholaroma hergestellt sein, wie z. B. die Praline „Nuss Kaffee Schwips“ (Anlage 15 zum ersten gerichtlichen Hinweis). Die seit über 50 Jahren von Trumpf verkauften Pralinen „Edle Tropfen in Nuss“ enthalten sowohl Obstbrände als auch Obstliköre und zeitweise auch Cocktails und andere alkoholische Getränke in flüssiger Form in einer fein-kristallisierten Zuckerkruste, bestreut mit Haselnuss-Splittern und umhüllt von Schokolade (Anlage 28 zum ersten gerichtlichen Hinweis). Die Firma RITTER SPORT brachte 1919 die erste eigene Rum-Schokolade auf den Markt. Die Sorte „Rum Trauben Nuss“ mit Haselnüssen und echtem Jamaika-Rum, von dessen 75 Vol. % Alkoholgehalt noch 2 Vol. % in der Schokolade stecken, gehört schon seit 1964 zum festen Sortiment (https://www.ritter-sport.de/blog/2016/07/19/wie-kommt-der-rum-eigentlich-in-unsere-schokolade/).
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(7) Auch die Waren „Bonbons; Zuckerwaren“ können Nüsse oder Nussaromen sowie Alkohol oder Alkoholgeschmacksstoffe enthalten. Bonbons sind Zuckerwaren, die durch Einkochen von Zuckerlösung mit Stärkesirup oder Invertzucker in Verbindung mit geruchs- und geschmacksgebenden Zusätzen und Aromen hergestellt werden. Es gibt sie in fast allen erdenklichen Farben, Formen und Geschmacksrichtungen. Sie haben eine besonders süße, saure oder flüssige Füllung (https://de.wikipedia.org/wiki/Bonbon). Als Likörbonbon können sie beispielsweise mit Haselnusslikör gefüllt sein, als Nussbonbon mit einer Füllung aus einer Nusspaste mit Rumaroma versehen sein.
55
(8) „Besoffene Fruchtgummi“, also alkoholhaltige Gummidrops mit ca. 11 % Alkoholgehalt werden ebenfalls bereits in den verschiedensten Geschmacksrichtungen angeboten und können auch ein Nussaroma enthalten (Anlagenkonvolut 11 zum zweiten gerichtlichen Hinweis).
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(9) Dies gilt auch für das Produkt „Speiseeis“, wie z. B. das bereits erwähnte „Pfefferminzeis mit Schwips“ sowie „Poptails: Die Erfrischungen mit dem gewissen Schwips“ oder „Rum Traube Nuss Geschmack Eispulver“ (Anlagen 29 und 30 zum ersten gerichtlichen Hinweis).
57
(10) Dass auch „Dessertsoßen“ solche Inhaltsstoffe aufweisen können, ist bereits bei den „Dessertsoßen aus Milch und/oder Milchprodukten“ der Klasse 29 ausgeführt worden.
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(11) Auch wenn für die Ware „Kaugummi (nicht für medizinische Zwecke)“ der Klasse 30 aktuell weder Nusszutaten oder entsprechende Geschmacksstoffe noch der Zusatz von Alkohol(-aromen) festgestellt werden konnten, sind solche Inhaltsstoffe zumindest bei Kaugummi für Erwachsene möglich und vorstellbar.
59
fff) Bei den beanspruchten Waren „alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]“ der Klasse 33 hat der angesprochene Verkehr das Anmeldezeichen lediglich als eine werbliche Anpreisung aufgefasst, dass das einen leichten Rausch bewirkende alkoholische Getränk aus Nüssen hergestellt ist und/oder einen Nussgeschmack aufweist. Beispielsweise werden Haselnussgeist, Haselnusslikör und Haselnussschnaps oder Nuss-Nougat-Spirituosen angeboten. Aber auch Walnüsse sind schon vor dem Anmeldezeitpunkt zur Produktion von Spirituosen eingesetzt worden, wie die Recherche des Senats gezeigt hat:
60
– „Soplica Orzech Włoski | Soplica Walnuss ist einer der neuesten und besten Geschmackswodkas der Marke Soplica. Dieser Wodka riecht intensiv nach reifen, vollmundigen Walnüssen… und der Geruch hält, was er verspricht. Bereits beim ersten Schluck trifft einen der volle Geschmack dieser Walnüsse, die gleich darauf in sahnig-süße Eiscreme eintauchen. …“ (2015, Anlage 39 zum ersten gerichtlichen Hinweis).
61
– „Walnuss Schnaps aus dem Allgäu … Unser beliebter Walnuss Schnaps ist ein sehr feiner und leckerer Schnaps. Er wird in Handarbeit auf dem Puntzelhof im Herzen des Allgäus und aus besten Zutaten hergestellt. Beste handverlesene Walnüsse verleihen diesem exklusiven Schnaps seine charakteristische Farbe und außergewöhnlichen Geschmack.“ (2017, Anlage 40 zum ersten gerichtlichen Hinweis).
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ggg) Ob sich eine Verwendung der angemeldeten Wortfolge „Die Nuss mit dem Schwips“ in ihrer konkreten Form als Werbeaussage zum Zeitpunkt der Anmeldung für alle beanspruchten Waren bereits nachweisen lässt oder nicht, ist für die Beurteilung der Unterscheidungskraft unerheblich (vgl. hierzu EuGH GRUR 2004, 1027 Rdnr. 46 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH a. a. O. – for you; GRUR 2010, 640 Rdnr. 13 – hey!).
63
2. Für die übrigen Waren „konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Milch“ der Klasse 29 und die Produkte „Kakao; Zucker; Reis; Tapioka; Sago; Kaffee-Ersatzmittel; Mehle“ der Klasse 30 handelt es sich um eine ersichtlich täuschende Angabe im Sinne von §§ 8 Abs. 2 Nr. 4, 37 Abs. 3 MarkenG.
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a) Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die geeignet sind, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu täuschen. Die Täuschungseignung muss dabei ersichtlich sein (§ 37 Abs. 3 MarkenG). Bei der Beurteilung, ob ein solches Schutzhindernis besteht, geht es um die Irreführung durch den Zeicheninhalt und nicht um die Prüfung, ob das Zeichen bei einer besonderen Art der Verwendung im Geschäftsverkehr geeignet sein kann, irreführende Vorstellungen zu erwecken. Dabei wird der Zeicheninhalt im Wesentlichen geprägt durch die Waren oder Dienstleistungen, für die der markenrechtliche Schutz beansprucht wird (BGH GRUR 2002, 540, Juris-Tz. 24 – OMEPRAZOK). Ist für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen eine Markenbenutzung möglich, bei der keine Irreführung des Verkehrs erfolgt, liegt das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG insoweit nicht vor (vgl. BGH GRUR 2017, 186 Rdnr. 21 – Stadtwerke Bremen; a. a. O., Juris-Tz. 25 – OMEPRAZOK). Die Täuschungseignung ist hier aber zu bejahen.
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b) Denn der Verbraucher erwartet bei einem unter der Bezeichnung „Die Nuss mit dem Schwips“ vertriebenen Lebensmittel, das es Nüsse oder Nussgeschmacksstoffe sowie Alkohol oder Alkoholaroma enthält. Er wird deshalb bei einer Verwendung der angemeldeten Bezeichnung für die unvermischten Nahrungsmittel „konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse;
Milch;
Kakao; Zucker; Reis; Tapioka; Sago; Kaffee-Ersatzmittel; Mehle“ stets in seiner berechtigten Erwartung getäuscht, ein um Nüsse bzw. Nussgeschmacksstoffe und Alkohol bzw. Alkoholaromen bereichertes Produkt zu erhalten, weshalb die Eignung zur Täuschung ersichtlich im Sinne des § 37 Abs. 3 MarkenG ist. Es besteht auch keine Möglichkeit einer nicht täuschenden Verwendung der fraglichen Wortfolge im Zusammenhang mit diesen Waren. Auf die Modalitäten der Markenbenutzung kommt es dabei nicht an. Ein in der angemeldeten Form täuschendes Zeichen wird nicht dadurch als Marke eintragbar, dass möglicherweise mittels erläuternder Zusätze bei der Benutzung die Irreführungsgefahr ausgeschlossen werden könnte (BPatG 28 W (pat) 578/12 – kyrillische Schriftzeichen: Omas Gurken; BPatGE 45, 1, 3 – Kombucha; BPatG 26 W (pat) 57/10 – Schlehdorn; 28 W (pat) 546/10 – Catz).
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3. Da schon die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 4 MarkenG vorliegen, kann es dahinstehen, ob der angemeldeten Wortfolge darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ein Freihaltebedürfnis für die vorgenannten Waren fehlt.
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4. Schließlich führen auch die von der Anmelderin genannten Voreintragungen nicht zu einer anderen Einschätzung. Wegen der Einzelheiten wird auf den ausführlichen gerichtlichen Hinweis vom 4. Mai 2021 Bezug genommen.


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