Patent- und Markenrecht

26 W (pat) 559/18

Aktenzeichen  26 W (pat) 559/18

Datum:
6.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:061021B26Wpat559.18.0
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2021 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Dr. von Hartz
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das Wort-/Bildzeichen (rot, gelb, weiß)
2
ist am 14. Februar 2018 unter der Nummer 30 2018 101 717.7 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der
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Klasse 4: Technische Öle und Fette; Schmiermittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel; feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe; Leuchtstoffe; Kerzen, Dochte; Gas als Brennstoff; Alkohol (Brennstoff), Benzin (Brennstoff), Brennöle, Brennspiritus, Briketts, elektrische Energie, Heizöl, Holzbriketts, Holzkohle (Brennstoff), mineralische Brennstoffe, Motorenöl, Öle für technische Zwecke, Schmierfette, Schmieröle, Treibstoff;
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Klasse 35: Werbung, Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Merchandising (Verkaufsförderung), Unternehmensberatung bei der Organisation von Kundenbindungssystemen, auch auf dem Gebiet von Bonus-, Rabatt- und Prämien-Programmen; organisatorische Beratung hinsichtlich der Entwicklung von Kunden- und Identifikationskarten sowie Zahlungskarten für die bargeldlose Bezahlung von Eintritts- und Fahrkarten; Ausgabe von Datenträgern on Form von Kunden- und Identifikationskarten ohne Zahlungs- oder Rabattfunktion; Erstellung von Abrechnungen (Büroarbeiten); Vermittlung von Verträgen über die Erbringung von Sonder-, Rabatt- sowie Servicedienstleistungen im Rahmen eines Bonussystems, insbesondere über Kreditkartenbenutzungen; organisatorische Beratung hinsichtlich Konzeption, Koordination und Betreuung von Kundenbindungssystemen, insbesondere von Bonus- und Prämienprogrammen; Sammeln, Aktualisieren, Systematisieren und Pflegen von Individualkundendaten in Datenbanken; Beratung bei der Organisation, der Geschäftsführung und der Führung von Unternehmen; Systematisieren von Daten in Computerdatenbanken, auch unter Verwendung von Point of Sale Systemen;
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Klasse 39: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen; Ausgabe von Fahrkarten, nämlich Fahrkartenvorverkauf; Verteilung von Energie, Wasserverteilung, Verteilung von Elektrizität, Transport mit Kraftfahrzeugen/Eisenbahnen; Wasserversorgung (Transport); Durchleitung und Transport von elektrischem Strom, Heizwärme, Gas und/oder Wasser; Versorgung von Verbrauchern durch Anlieferung von elektrischem Strom Heizwärme, Gas und/oder Wasser; Verteilung von Gas;
6
Klasse 40: Materialbearbeitung; Erzeugung von Energie; Erdölverarbeitung; Erzeugung von Heizwärme; Erzeugung von Strom; Verbrennung von Müll und Abfall.
7
Mit Beschluss vom 31. Juli 2018 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 39 des DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Wortfolge „BILLIG? WILL ICH!“ werde von den allgemeinen Verbraucher- und Fachkreisen als allgemeine Werbeaussage erkannt, die in Form einer Suggestivfrage und einer sofort anschließenden personalisierten Antwort die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als billig anpreise, die der Verbraucher deshalb unbedingt erwerben wolle. Damit weise sie nur auf die Art und Beschaffenheit der angemeldeten Produkte und Dienste hin. Die Wortfolge „Billig will ich“ sei zudem nach der Recherche der Markenstelle in der Medien- und Werbesprache verbreitet. Auch die grafische Ausgestaltung gehe nicht über das Werbeübliche hinaus, da sie lediglich aus einer dreizeiligen weißen und gelben Schriftdarstellung in Großbuchstaben auf rotem Hintergrund sowie einem senkrecht zackenförmigen Ausrufezeichen als Abschluss bestehe. Die Gestaltung des Ausrufezeichens in Blitzform entspreche dem piktogrammartigen Hinweis auf Energie, Strom, Elektrizität und bewege sich im werbeüblichen Gestaltungsrahmen. Die angeführten Voreintragungen seien nicht vergleichbar, zum Teil älter und könnten keine Bindungswirkung entfalten.
8
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Ansicht, bereits der reine Wortbestandteil sei unterscheidungskräftig, weil er prägnant, einfach gehalten und interpretationsbedürftig sei. Er eröffne aufgrund der Interpunktion einen Dialog, in dem die Frage „Billig?“ möglicherweise vom Anbieter gestellt und vom Kunden mit „Will ich!“ beantwortet werde. Er könne aber auch als Denkvorgang des Kunden verstanden werden, der sich frage, ob er besonders billige Waren wünsche und dies mit dem Ruf „Will ich!“ bejahe. Da nicht klar sei, mit wem der Dialog geführt werde, zwischen Anbieter und Kunden oder als gedanklicher Prozess im Kunden selbst, werde beim Verkehr ein Denkprozess ausgelöst. Zudem werde diese Zwiesprache des Werbenden mit dem Empfänger des Angebots infolge der Alliteration bis hin zum Reim gesteigert, da „BILLIG“ und „WILL ICH“ in Länge und Vokalfolge vollständig übereinstimmten. Die Entscheidungen des BPatG 33 W (pat) 135/00 – Energie mit Esprit, 28 W (pat) 28/15 – Energie mit Sympathie, 32 W (pat) 191/04 – Malle für Alle, 26 W (pat) 19/07 – PARKEN mit Marken und 29 W (pat) 47/95 – Radio von hier, Radio wie wir zeigten, dass eine einfache Wortfolge durch Reimform Unterscheidungskraft erlangen könne. Denn es sei unüblich, in der Werbung mit solchen Dialogen, noch dazu in Reimform zu arbeiten. Die Internetrecherche des Amtes belege nicht, dass das Wortelement dazu benutzt werde, ein bestimmtes Produkt zu beschreiben oder zu bewerben. Hinzu komme, dass die Wortfolge dort ohne Fragezeichen und ohne Ausrufezeichen oder als Imperativ („Billig will ich!“) verwendet werde, so dass dort gerade kein gedanklicher Prozess ausgelöst werde. Das Wortelement beschreibe auch keine Eigenschaft der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen. Auch deren Preis, der zudem keine Produkt- oder Dienstleistungseigenschaft sei, werde nicht angegeben. Denn er würde sich in dem Wort „billig“ erschöpfen. Der Bildbestandteil verfüge ebenfalls über Unterscheidungskraft. Es würden drei Farben und zwei verschiedene Schriftgrößen verwendet. Die Frage „BILLIG?“ sei in kleinerer weißer Schrift und die plakative Antwort „WILL ICH!“ in deutlich größerer und auffallender gelber Schrift gehalten. Die Frage stehe in einer Zeile, während die Antwort zwei Zeilen benötige. Das Ausrufezeichen in Blitzform sei nicht werbeüblich. Elektrizität werde nicht generell mit einem Ausrufezeichen in Gestalt eines gelben Blitzes auf rotem Grund dargestellt. Eine Bildersuche im Internet ergebe eine Vielzahl blitzförmiger Ausrufezeichen, die nur zum Teil mit Elektrizität oder Strom zu tun hätten. Außerdem sei das Zeichen für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen ohne Bezug zur Elektrizität angemeldet. Die rechteckige Unterlegung möge zwar ein einfaches und grundlegendes Stilmittel sein, dies gelte jedoch nicht für die Farbwahl rot-weiß-gelb, die unterschiedliche Größe der Buchstaben, die Anordnung der drei Wörter in drei Zeilen und das blitzförmige Ausrufezeichen. So wären bereits eine Farbmarke „rot-weiß-gelb“ oder der Blitz in Alleinstellung eintragbar, was erst recht für die angemeldete Kombination dieser Elemente gelte. Es sei auch nicht erkennbar, aus welchen Gründen Wettbewerber gerade diese Farb-, Schrift- und Größenkombination der Einzelwörter sowie die blitzförmige Struktur des Ausrufezeichens benutzen müssten, weshalb auch ein Freihaltebedürfnis zu verneinen sei. Eine Vielzahl von Marken mit ähnlichen Bildelementen und dem Wortbestandteil „billig/BILLIG“ seien bereits eingetragen worden.
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Die Voreintragung (30 2017 224 987) sei ersichtlich nur wegen ihres Bildbestandteils eingetragen worden, dessen Qualität mit dem vorliegenden Bildelement vergleichbar sei. Ein lächelndes Bett sei nur eine Einladung, dort günstig zu übernachten. Ebenso hätten die beiden für Reifen eingetragenen Marken (30 2013 015 686) und (30 2013 015 685) mit den glatt beschreibenden Wörtern „REIFEN-RICHTIG-BILLIG.DE“ ausschließlich durch die deutlich erkennbare Reifenspur ihre Unterscheidungskraft erlangt. Selbst wenn diese aber nicht als solche erkennbar wäre und nur einen grafischen Hintergrund bildete, wäre dieser deutlich weniger originell als im vorliegenden Fall. Die Voreintragung (30 2012 051 651) sei der Abdruck eines Siegels mit einer Siegelschnur und einem darauf abgebildeten Portrait, so dass die Marke praktisch nur durch den Wortbestandteil „Der „Billig“ Beweis“ geprägt werde. Die Wort-/Bildmarken (30 2012 025 072) und (30 2009 036 407) seien deutlich beschreibender als das Anmeldezeichen, wobei in der letztgenannten Voreintragung aufgrund der Doppelbedeutung „Isst“ oder „Bist“ eine ähnliche gedankliche Interpretation notwendig sei wie bei der vorliegenden Anmeldung. Ferner sei der auf dem Anmeldezeichen basierenden international registrierten Marke 1 416 918 am 17. April 2019 der Schutz für Österreich bewilligt worden. Im Hinblick auf eine Harmonisierung des Markenrechts in der Europäischen Union sei diese Entscheidung zumindest indiziell zu beachten.
10
Die Anmelderin ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Sie beantragt mit Schriftsatz vom 20. August 2018,
11
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des DPMA vom 31. Juli 2018 aufzuheben.
12
Mit gerichtlichem Schreiben vom 25. Januar 2019 und Ladungszusatz vom 20. September 2021 ist die Beschwerdeführerin unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlage 1, Bl. 28 GA und Anlagenkonvolute 1 bis 10, Bl. 70 – 137 GA) auf die Schutzunfähigkeit des Anmeldezeichens hingewiesen worden.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
14
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
15
Der Eintragung des Wort-/Bildzeichens als Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 35, 39 und 40 steht das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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1. a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2018, 932 Rdnr. 7 – #darferdas? I; GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas? I; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
18
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH a. a. O. Rdnr. 8 – #darferdas? I; GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. – #darferdas? I; a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (BGH a. a. O. – #darferdas? I; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress).
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An die Beurteilung der Unterscheidungskraft (sloganartiger) Wortfolgen und Slogans sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012, 914 Rdnr. 25 – Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; a. a. O. Rdnr. 36 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027, Rdnr. 33 und 34 – Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; BGH GRUR 2015, 173 Rdnr. 17 – for you; GRUR 2014, 872 Rdnr. 14 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 565 Rdnr. 14 – smartbook). Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt (BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 – My World; GRUR 2009, 778 Rdnr. 11 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 935 Rdnr. 8 – Die Vision). Selbst wenn aber Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der in Bezug genommenen Waren und Dienstleistungen verwendet werden, eine Sachaussage in mehr oder weniger großem Umfang enthalten, ohne unmittelbar beschreibend zu sein, können sie dennoch geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der in Bezug genommenen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen (EuGH a. a. O. Rdnr. 56 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen (EuGH a. a. O. Rdnr. 57 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. Rdnr. 17 – for you; GRUR 2013, 552 Rdnr. 9 – Deutschlands schönste Seiten; a. a. O. – My World). Der anpreisende Sinn einer angemeldeten Wortfolge schließt deren Eignung als Herkunftshinweis nur dann aus, wenn der Verkehr sie ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht (BGH a. a. O. Rdnr. 23 – OUI).
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b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist das angemeldete Wort-/Bildzeichen schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 14. Februar 2018, nicht gerecht geworden. Die angesprochenen breiten inländischen Verkehrskreise haben es ohne besonderen gedanklichen Aufwand nur und ausschließlich als allgemeine Werbeaussage und nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen aufgefasst.
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aa) Von den angemeldeten Produkten der Klasse 4 werden sowohl der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Windsurfing Chiemsee [Chiemsee]) als auch der Fachhandel für Brenn- und Treibstoffe sowie Schmiermittel angesprochen. An den Endverbraucher und gewerbliche Kunden richten sich die Dienstleistungen „Transportwesen; Veranstaltung von Reisen; Ausgabe von Fahrkarten, nämlich Fahrkartenvorverkauf; Transport mit Kraftfahrzeugen/Eisenbahnen; Versorgung von Verbrauchern durch Anlieferung von elektrischem Strom Heizwärme, Gas und/oder Wasser; Verteilung von Gas“ der Klasse 39. Von den übrigen Dienstleistungen der Klasse 39 sowie den Diensten der Klassen 35 und 40 werden in erster Linie Unternehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene angesprochen.
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bb) Die Wortelemente des Anmeldezeichens bestehen aus dem Begriff „BILLIG“ mit nachfolgendem Fragezeichen und dem Kurzsatz „WILL ICH“, gefolgt von einem Ausrufezeichen.
23
aaa) Das Adjektiv „billig“ wird als „niedrig im Preis; nicht teuer; für verhältnismäßig wenig Geld [zu haben]“, abwertend auch als „von minderer Qualität; vordergründig, einfallslos, geistlos o. ä. und daher ohne die erhoffte Wirkung“ und in der Rechtssprache als „angemessen, berechtigt“ definiert (https://www.duden.de/rechtschreibung/billig, Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis sowie Anlagenkonvolut 1 zum Ladungszusatz). Als Teil einer Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen kommt vorliegend nur die Bedeutungsvariante „niedrig im Preis; nicht teuer; preiswert; (preis-)günstig“ in Betracht, während die abwertenden Varianten und der in der Rechtssprache verwendete Begriff erkennbar ausscheiden.
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bbb) Das angeschlossene Fragezeichen ist ein Satzzeichen, das am Ende einer wörtlich wiedergegebenen Frage geschrieben wird (https://www.duden.de/rechtschreibung/Fragezeichen).
25
ccc) Der Satz „WILL ICH“ besteht aus der ersten Person Singular des Verbs „wollen“ als Prädikat und dem Personalpronomen der ersten Person Singular als Subjekt. Durch die Umstellung der üblichen Reihenfolge von Subjekt und Prädikat, eine sog. Inversion (https://wortwuchs.net/stilmittel/inversion/), wird das vorangestellte Prädikat „will“ besonders hervorgehoben.
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ddd) Auch das Ausrufezeichen, ein Satzzeichen in Form eines senkrechten Strichs mit einem Punkt darunter, das nach Ausrufe-, Wunsch- und Aufforderungssätzen sowie nach Ausrufewörtern steht, dient lediglich der Betonung oder Verstärkung (https://www.duden.de/rechtschreibung/Ausrufezeichen; BPatG 26 W (pat) 11/18 – Für Dich!; 27 W (pat) 572/13 – ICH DENK AN MICH!; 29 W (pat) 76/11 – SACHSEN!).
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eee) Das Eigenschaftswort „BILLIG“ mit anschließendem Fragezeichen ist zwar als Kurzfrage formuliert, aber es stellt keine echte Frage dar, weil die „Antwort“ oder Schlussfolgerung mit dem Folgesatz „WILL ICH!“ schon gegeben wird. Es fehlt daher an einem entsprechend ausgedrückten Informationswunsch. „BILLIG?“ entspricht eher Ausrufen wie „Wirklich?“, „Schon fertig?“, bei dem der Sprechende die betreffende Erkenntnis bereits – überraschend – gewonnen hat und sie mit einer eher rhetorischen Frage noch einmal kurz in den Raum stellt. Er erwartet aber eigentlich keine aufklärende Antwort mehr, allenfalls noch eine „Ja“- Bekräftigung durch den fiktiven Informationsgeber, der auf das billige Angebot aufmerksam gemacht hat.
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cc) In der Gesamtheit hat der angesprochene Verkehr die Wortelemente „BILLIG? WILL ICH! daher schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 14. Februar 2018, als ausschließlich werbliche Anpreisung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen als besonders preiswert verstanden, weshalb er diese erwerben oder in Anspruch nehmen will. Etwa in dem Sinne: „Ach, das ist billig? Dann will ich es!“ wie bei den Satzkombinationen „Schon fertig? Dann ab in die Pause!“, „Alles erledigt? Feierabend!“ oder „Ach wirklich? Na dann …“.
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Entgegen der Ansicht der Anmelderin liegt die Verständnismöglichkeit eines Dialogs zwischen dem Anbieter, der den Kunden fragt: „Billig?“ und dem Kunden, der mit „Will ich!“ antwortet, fern, weil Anbieter nicht fragen, ob ihr Produkt billig ist oder als billig empfunden wird, sondern dies ohne Fragezeichen propagieren. Vielmehr liegt ein Monolog vor, nämlich die überraschte bzw. impulsive Feststellung einer Person, dass etwas als billig präsentiert wird, weshalb sie es will.
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dd) Die Wortfolge „Billig will ich“ ohne Satzzeichen ist, wie sowohl die Markenstelle als auch der Senat festgestellt haben, ein sehr häufig verwendeter Werbespruch, der in werbeüblicher Weise einen konkreten Anreiz zum Kauf der beanspruchten Waren bzw. zur Inanspruchnahme der angemeldeten Dienstleistungen vermittelt (Anlagenkonvolut 2 zum Ladungszusatz; alle nachfolgend genannten Anlagen sind solche zum Ladungszusatz).
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Dieser Werbespruch wird aber auch mit Satzzeichen benutzt, wie z. B. „Billig – will ich!“ oder „Billig, will ich“ (Anlagenkonvolut 3), oder in der hier angemeldeten Variante mit Fragezeichen hinter dem Wort „Billig“ und Ausrufezeichen nach dem Kurzsatz „Will ich“ (Anlagenkonvolut 4).
32
Die Werbeaussage „Billig will ich“ mit seinen Variationen ist derart abgegriffen, dass sie häufig sogar ironisch oder satirisch eingesetzt wird. Beispielsweise wird „Billig, will ich!“ ein sexuell anzügliches „Billig, willig“ gegenübergestellt. In journalistischen Artikeln mit Kritik an bestimmten Billig-Produkten, wie z. B. Billigfliegern, oder der Billig-Kultur bzw. Geiz-ist-Geil-Mentalität wird auch häufig die verneinende Form „Billig will ich nicht“ verwendet, diese wiederum in allen oben genannten Satzzeichen-Variationen, einschließlich „Billig? Will ich nicht!“ (Anlagenkonvolut 5).
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Aufgrund der belegten Gebräuchlichkeit bleiben der Frage- und der Aussagesatz trotz einer gewissen syntaktischen Verkürzung für den Verkehr in dem dargestellten Sinngehalt unmittelbar verständlich und vermitteln in werbeüblicher Weise einen konkreten Anreiz zum Kauf der beanspruchten Waren oder zur Inanspruchnahme der angemeldeten Dienstleistungen. Vor diesem Hintergrund kann den fraglichen Wortelementen keine schutzbegründende Originalität oder Interpretationsbedürftigkeit zugemessen werden. An derartige Slogans ist der Verkehr in hohem Maß gewöhnt. Ihm ist bewusst, dass mit ihnen die Aufmerksamkeit auf die betreffenden Waren oder Dienstleistungen gelenkt werden soll, weshalb er sie nur und ausschließlich als Werbemittel, nicht aber als Kennzeichnung im markenrechtlichen Sinne auffasst (vgl. auch BPatG 28 W (pat) 87/05 – billiger-ist-nicht).
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ee) Da die angemeldete Wortfolge als Ausdruck des Begehrens preisgünstiger Produkte nahezu universell verwendbar ist, eignet sie sich für alle gegen Entgelt erwerbbaren Waren und Dienstleistungen als ausschließlich werbliche Anpreisung. Denn ein günstiger Preis ist bei jeder Ware oder Dienstleistung aus Sicht des Kunden ein wesentlicher Faktor für deren Erwerb oder Inanspruchnahme. Auch bei der Energieversorgung werden Billigtarife angeboten, so dass der Aspekt der Billigwerbung auch dort eine nicht unwesentliche Rolle spielt (Anlagenkonvolut 6), und die Werbedienstleistungen der Klasse 35 können mit diesem Werbespruch ebenfalls unter dem Aspekt ihres günstigen Preises beworben werden.
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ff) Da die Wortelemente des Anmeldezeichens sprachüblich aus einer Kurzfrage und einem Kurzsatz zusammengesetzt sind, fehlt es an Besonderheiten in syntaktischer oder semantischer Hinsicht, die die gewählte Kombination als ungewöhnlich erscheinen lassen und eine Unterscheidungskraft begründen könnten (EuGH a. a. O. Rdnr. 98 – 100 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 Rdnr. 39 – 41 – Campina Melkunie [BIOMILD]; BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 13 – My World).
36
c) Die grafische Ausgestaltung kann dem um Schutz nachsuchenden Wort-/Bildzeichen ebenfalls nicht die notwendige Unterscheidungskraft verleihen.
37
aa) Grundsätzlich kann einem Wort-/Bildzeichen, unbeschadet der fehlenden Unterscheidungskraft seiner Wortbestandteile, als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die grafischen Elemente charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (EuGH GRUR 2006, 229 Rdnr. 73 f. – BioID/HABM [BioID]; BGH GRUR 2010, 640 f. – hey!; GRUR 2001, 1153, 1154 – anti Kalk). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbilds, an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wortbestandteile nicht aufzuwiegen (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 32 – HOT; GRUR 2014, 376 Rdnr. 18 – grill meister). Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente bzw. eine den schutzunfähigen Charakter der übrigen Zeichenteile aufhebende, kennzeichnungskräftige Verfremdung im Gesamteindruck des Zeichens, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. – anti Kalk). Daran fehlt es, wenn sich das Bildelement in rein dekorativen Hervorhebungsmitteln erschöpft oder ausschließlich die – sachbezogenen – Aussagen der anderen Zeichenteile illustriert (BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 20 – VISAGE; a. a. O. – antiKALK).
38
bb) Der angemeldete Werbespruch wird mit grafischer Hinterlegung in mehrzeiliger Schreibweise, verschiedenen Schriftgrößen und -farben, wenn auch nicht in exakt identischer Form, häufig verwendet (Anlagenkonvolut 7). Dies gilt auch für den rechteckigen roten Hintergrund und die Verwendung weißer und gelber Schriftfarbe (Anlagenkonvolut 8).
39
aaa) Die rote (Hintergrund-)Farbe ist eine der beliebtesten Grundfarben mit starker Signalwirkung, einer hohen Symbolik in den verschiedensten Bereichen, z. B. als Warnfarbe im Verkehr, als Farbe für Feuer und damit als Symbol für Wärme und Energie, als Farbe des Blutes und damit als Symbol für das Leben und als Symbol für Leidenschaft, Liebe und Erotik etc., die verwendet wird, um einen hohen Aufmerksamkeitswert zu erreichen (BPatG 25 W (pat) 13/14 – Sparkassen-Rot).
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bbb) Die weiße Farbe des Wortbestandteils „BILLIG?“ bildet einen klaren Kontrast vor dem roten Hintergrund und dient daher der Hervorhebung dieses Zeichenteils trotz der kleineren Schriftgröße.
41
ccc) Die gelbe Farbe der größeren Wortelemente „WILL ICH!“ erzeugt eine noch plakativere Wirkung. Mit ihr werden positive Assoziationen geweckt, sie strahlt positive Energie aus und erregt ebenfalls hohe Aufmerksamkeit (https://imbstudent.donau-uni.ac.at/mmd_eeducation12_2/2018/12/29/farben-in-der-werbung/; http://www.farbenundleben.de/werbung/werbung_einzelfarben.htm).
42
ddd) Rot und Gelb sind die Farben mit der größten Signalwirkung. Als sog. Primärfarben neben der Farbe Blau werden sie ubiquitär verwendet (vgl. BPatG 29 W (pat) 540/19 – ). Bei ihrer Kombination erwartet der Verbraucher regelmäßig günstige Preise (https://www.allbranded.de/Blog/Werbewirkung-von-farben/). Die Farbgebung des Anmeldezeichens dient somit ausschließlich der grafischen Hervorhebung und Illustration des werblich anpreisenden Charakters der Wortelemente.
43
eee) Abgesehen davon, dass die Blitzform schon größenmäßig und wegen das Aufgreifens der eckig-klotzigen Schriftart im Gesamtzeichen kaum auffällt, hat die Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung selbst vorgetragen, dass eine Bildersuche im Internet eine Vielzahl blitzförmiger Ausrufezeichen ergeben habe (Beispiel: Anlage 9). Außerdem unterstreicht die werbeübliche Blitzdarstellung (Anlagenkonvolut 10) genauso wie die Verkürzung des Aussagesatzes „WILL ICH“ durch Weglassen des Objekts nur, dass der Erwerb oder die Inanspruchnahme der billigen Produkte oder Dienste so schnell wie möglich, geradezu blitzartig erfolgen soll.
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d) Damit erschöpft sich das Anmeldezeichen in einer üblichen Variation eines allgegenwärtigen, für jede Art von Waren oder Dienstleistungen verwendbaren und auch tatsächlich benutzten Werbespruchs mit werbeüblicher Grafik.
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2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann es dahinstehen, ob an dem angemeldeten Wort-/Bildzeichen für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen darüber hinaus gemäß § 8 Ab. 2 Nr. 2 MarkenG ein Freihaltebedürfnis besteht.
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3. Schließlich führen auch die von der Anmelderin genannten Entscheidungen zu keiner anderen Einschätzung.
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a) Die Wortfolge „Energie mit Esprit“ (BPatG 33 W (pat) 135/00) ist als schutzfähig angesehen worden, weil sie eine ersichtlich unrealistisch euphorische, widersprüchliche Aussage enthalte und keine eindeutige sinngebende Ergänzung nahelege, so dass sie weder als unmittelbar beschreibende Angabe noch als ohne weiteres verständliche Anpreisung oder Werbeaussage allgemeiner Art geeignet sei. Das vorliegende Anmeldezeichen stellt demgegenüber einen allgemeinen, ohne weiteres verständlichen Werbespruch dar.
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b) Der Werbeslogan „Energie mit Sympathie“ (BPatG 28 W (pat) 28/15) lässt in seiner Gesamtheit ebenfalls keinen eindeutigen Sinngehalt erkennen. Physikalische Energie sei nicht in der Lage, eine positive gefühlsmäßige Einstellung gegenüber jemandem bzw. zu einer Sache zu haben. Im Ergebnis schlössen sich die beiden Begriffe „Energie“ im Sinne physikalischer Nutzenergie und „Sympathie“ offenkundig aus. Demgegenüber enthält der Ausspruch „Billig? Will ich!“ eine eindeutig erkennbare werbliche Anpreisung.
49
c) Der reimartigen Wortfolge „Malle für Alle“ (BPatG 32 W (pat) 191/04) ist die Schutzfähigkeit nicht wegen der Reimform, sondern vor allem deshalb zuerkannt worden, weil damals im allgemeinen Sprachgebrauch die Bezeichnung „Malle“ für die Baleareninsel Mallorca weder üblich noch einem wesentlichen Teil des Verkehrs bekannt gewesen sei, weshalb sie als Phantasiebezeichnung gewertet wurde. Einen vergleichbaren Fantasiebegriff enthält das Anmeldezeichen nicht.
50
d) Nicht die Reimform, sondern die Interpretationsbedürftigkeit des Slogans „PARKEN mit Marken“ (BPatG 26 W (pat) 19/07) hat zur Markeneintragung geführt. Der Bestandteil „Marken“ lasse neben der Interpretation als Synonym für „Münzen, Chips, Jetons“ auch die Annahme eines Hinweises auf das Produktkennzeichen „Marke“ zu. Eine Gleichsetzung von „Marken“ mit „Münzen“ im Zusammenhang mit Dienstleistungen der Klassen 35, 36 und 39 könne nicht ohne weiteres angenommen werden. In Bezug auf „Parken“ möge zwar neben Wortzusammensetzungen wie „Parkchip“ oder „Parkmünze“ auch der Begriff „Parkmarke“ mitunter Verwendung finden. Die Wortfolge „PARKEN mit Marken“ führe jedoch aufgrund der Präposition „mit“ von einem entsprechenden Begriffsverständnis eher weg, da nicht der Parkvorgang als solcher, sondern der Bezahlungsvorgang mit Marken erfolge. Bei der naheliegenderen Interpretationsmöglichkeit, nämlich der Gleichsetzung des Begriffs „Marke“ mit „Kennzeichen“, erschließe sich der beschreibende Aussagegehalt des vom Anmelder geschilderten Konzepts, einen geparkten Wagen mit Hilfe von Markennamen schneller auffinden zu können, ebenfalls nicht unmittelbar. Dazu bedürfe es einiger gedanklicher Zwischenschritte und analysierender Denkvorgänge. Eine vergleichbare Analysebedürftigkeit fehlt hier.
51
e) Sowohl die Entscheidung „Radio von hier, Radio wie wir“ (BPatG 29 W (pat) 47/95) als auch die nachfolgende Entscheidung des BGH zu dieser Wortmarke (GRUR 2000, 321 – Radio von hier) sind überholt. In seinem Beschluss vom 8. Dezember 1999 hat der BGH die sloganartige Wortfolge „Radio von hier, Radio wie wir“ vor allem wegen ihrer Mehrdeutigkeit als unterscheidungskräftig eingestuft. Neben unmittelbar produktbeschreibenden Aussagen dieses Werbeslogans hat er diesem auch einen Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistung von einem örtlichen Rundfunksender oder eine Aufforderung zur Identifikation des Zuhörers mit der Dienstleistung des Anbieters entnommen, weshalb er einen ausschließlich beschreibenden Inhalt verneint hat. Diese BGH-Entscheidung ist aber vor der grundlegenden Rechtsprechungsänderung durch den EuGH in seinen Urteilen vom 23. Oktober 2003 zu „Doublemint” (GRUR 2004, 146 Rdnr. 32) und vom 12. Februar 2004 zu „BIOMILD” (GRUR 2004, 680 Rdnrn. 38 – 24) ergangen. Seitdem kann ein Wortzeichen schon dann von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreibt. Ein ausschließlich beschreibender Inhalt für die Annahme der Schutzunfähigkeit wird seitdem auch vom BGH unter Bezugnahme auf die vorgenannte EuGH-Rechtsprechung nicht mehr verlangt. In seinen Entscheidungen zu SPA II (GRUR 2008, 900, juris-Tz. 15) und POST II (GRUR 2009, 669 juris Tz. 11) stellt er klar, dass von einem die Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Begriff auch auszugehen sein kann, wenn das Markenwort verschiedene Bedeutungen hat und nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (vgl. BPatG 26 W (pat) 522/18 – Von hier. Für uns.). In dieser Entscheidung hat der BGH zudem ausgeführt, dass von mangelnder Unterscheidungskraft auch bei Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen sei. Um eine solche handelt es sich aber bei dem hier angemeldeten Wort-/Bildzeichen.
52
4. Schließlich führen auch die von der Anmelderin genannten Voreintragungen zu keiner anderen Einschätzung. Wegen der Einzelheiten wird auf den ausführlichen Ladungszusatz vom 20. September 2021 Bezug genommen.


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