Patent- und Markenrecht

26 W (pat) 9/20

Aktenzeichen  26 W (pat) 9/20

Datum:
19.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:191021B26Wpat9.20.0
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2014 066 249
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Oktober 2021 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Dr. von Hartz
beschlossen:
1. Der Erinnerungsbeschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. August 2017 wird aufgehoben.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
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Die Wortmarke
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Grillex
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ist am 6. November 2014 angemeldet und am 16. Januar 2015 unter der Nummer 30 2014 066 249 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der
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Klasse 1: Biologisch abbaubare Reinigungsmittel zur Verwendung in Herstellungsverfahren; Chemische Reinigungsmittel zur Verwendung für industrielle Fertigungsverfahren; Chemische Reinigungsmittel zur Verwendung in industriellen Prozessen; Chemische Substanzen zur Herstellung von parfümierten Reinigungsmitteln; Tenside zur Verwendung in Reinigungsmitteln;
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Klasse 3: Reinigungsmittel; Reinigungsmittel für den Haushalt; Reinigungsmittel für Herde; Ätzende Reinigungsmittel.
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Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 20. Februar 2015 veröffentlicht worden ist, hat der Beschwerdegegner Widerspruch erhoben aus seiner Wortmarke
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Grillex
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die am 13. Januar 2001 angemeldet und am 18. Oktober 2001 unter der Nummer 301 02 116 in das beim DPMA geführte Register eingetragen worden ist für Waren der
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Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke;
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Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel;
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Klasse 5: Desinfektionsmittel.
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Am 18. August 2015 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke “gemäß § 43 MarkenG” bestritten. Der Widersprechende hat als Geschäftsführer des benutzenden Unternehmens eine eidesstattliche Versicherung vom 16. September 2015 vorgelegt, wonach “mit chemischen Erzeugnissen für gewerbliche Zwecke, nämlich Grill- und Bratplattenreinigungsmitteln” unter dem Produktnamen “Grillex” jeweils … Umsätze in den Jahren 2011 bis 2014 in Deutschland erzielt worden seien. Ferner hat er seit 2010 verwendete Prospektblätter, Großverbraucher- und Großhändler-Preislisten für die Jahre 2011 bis 2015 sowie jeweils eine Rechnung aus den Jahren 2011 bis 2015 eingereicht.
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Mit Beschluss vom 8. September 2016 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des DPMA den Widerspruch mangels Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung zurückgewiesen. Der Widersprechende habe zwar eine Benutzung seiner Marke für “Grillreiniger” ausreichend glaubhaft gemacht. Diese Ware mit seiner reinigenden/säubernden Wirkung sei jedoch unter “Putzmittel” der Klasse 3 zu subsumieren, die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke nicht enthalten seien. “Putzmittel” könnten den eingetragenen Warenoberbegriffen nicht zugeordnet werden. “Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke” seien keine Endprodukte, sondern dienten der Produktherstellung. “Wasch- und Bleichmittel” würden nur bei Textilien verwendet. “Desinfektionsmittel” wirkten keimtötend.
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Auf die Erinnerung des Widersprechenden hat die Erinnerungsprüferin der Markenstelle für Klasse 3 des DPMA mit Beschluss vom 14. August 2017 eine Verwechslungsgefahr bejaht, den Erstbeschluss aufgehoben und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die glaubhaft gemachte Benutzung der Widerspruchsmarke für die Ware “Putzmittel” reiche aus, weil diese den eingetragenen Widerspruchswaren “Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Wasch- und Bleichmittel; Desinfektionsmittel” sehr ähnlich seien. Denn “Chemische Erzeugnisse für gewerblich Zwecke” könnten in Putzmitteln enthalten sein. Die als benutzt anerkannte Widerspruchsware “Putzmittel” weise zu den Reinigungsmitteln der jüngeren Marke wegen zahlreicher Berührungspunkte Ähnlichkeit auf. Als Adressatenkreis kämen breite Verkehrskreise in Betracht, die diese niedrigpreisigen Waren des alltäglichen Bedarfs ohne besondere Sorgfalt erwürben. Die ältere Marke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Da sich klanglich identische Marken gegenüberstünden, seien Verwechslungen unvermeidbar.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie ist der Ansicht, das als benutzt nachgewiesene Produkt “Grillreiniger” sei im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke nicht enthalten. Die Erinnerungsprüferin habe entgegen § 26 Abs. 1 MarkenG eine Ähnlichkeitsprüfung vorgenommen, anstatt zu prüfen, ob die benutzte Widerspruchsware einem der im Warenverzeichnis eingetragenen Begriffe zuzuordnen sei (vgl. BGH GRUR 2013, 833 – Culinaria/Villa Culinaria). Bei den vertriebenen Entfettern bzw. Grillreinigern handele es sich um Reinigungsmittel der Klasse 3, die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke nicht aufgeführt seien. Sie könnten auch nicht unter die Widerspruchswaren “Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Wasch- und Bleichmittel; Desinfektionsmittel” subsumiert werden, weil Grillreiniger einem anderen Zweck dienten und andere Eigenschaften hätten. Waschmittel seien Substanzgemische, die zum Reinigen und zur Pflege von Textilien verwendet würden, während Grillreiniger Textilien nachhaltig schädigten. Auch dem Wasch- und Reinigungsmittelgesetz (WRMG) könnten keine Anhaltspunkte für die Einordnung der Grillreiniger entnommen werden. Der Verstoß der Erinnerungsprüferin gegen § 26 Abs. 1 MarkenG rechtfertige die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,
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1. den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des DPMA vom 14. August 2017 aufzuheben;
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2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
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Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
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Der Widersprechende beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verteidigt die angefochtene Entscheidung, legt eidesstattliche Versicherungen vom 10. und 27. August 2018 sowie weitere Benutzungsunterlagen für die Jahre 2015 bis 2017 vor, und vertritt die Auffassung, dass ein Grillreiniger ein Detergentium sei, weshalb es als Wasch- und Reinigungsmittel im Sinne des § 2 WRMG zu bezeichnen sei. Da von den im Titel dieses Gesetzes aufgeführten Oberbegriffen nur “Waschmittel”, nicht aber “Reinigungsmittel” unter den in der amtlichen Klasseneinteilung für Klasse 3 aufgeführten Oberbegriffen explizit genannt sei und es keinen weiteren Warenoberbegriff gebe, der den benutzten Grillreinigern näher komme, seien Grillreiniger unter “Waschmittel” zu subsumieren. Hierfür spreche auch, dass die Begriffe “Wäsche” und “Waschmittel” nicht eng auszulegen seien. “Autowäsche”, Ofenwäsche”, “Autowaschmittel”, “Autowaschstraße” oder “Unterbodenwäsche”, die eine Säuberung metallischer Oberflächen in mehreren Verfahrensschritten bezeichneten, seien mit der Säuberung von Grillgeräten vergleichbar.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 11. November 2019 hat der damals zuständige, mit Ablauf des 31. Dezember 2019 aufgelöste 27. Marken-Beschwerdesenat darauf hingewiesen, dass die Beschwerde voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben werde. Das benutzte Grill- und Bratplattenreinigungsmittel sei als gewerblich eingesetztes, chemisch wirksames Erzeugnis unter den eingetragenen Warenbegriff “chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke” zu subsumieren, der zur Weiterverarbeitung bestimmte Substanzen und (Zusatz-)Stoffe, aber auch chemisch wirksame Erzeugnisse umfasse, die von anderen Unternehmen als Hilfsprodukte gewerblich genutzt würden, wie z. B. Entfettungs-, Polier-, Rostentfernungs- oder Wasserreinigungsmittel. Denn nach den eingereichten Unterlagen enthalte der Grillreiniger “ätzende basisch organisch flüssige Stoffe” und werde als Konzentrat in für den gewerblichen Gebrauch bestimmten Größen, nämlich Kanistern mit fünf oder 10 Litern, vertrieben. Bei jedenfalls durchschnittlicher Warenähnlichkeit, normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Markenidentität bestehe die Gefahr von Verwechslungen.
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Nachdem das Beschwerdeverfahren nach Auflösung des 27. Senats in die Zuständigkeit des erkennenden Senats gefallen ist, hat der Senat mit gerichtlichem Schreiben vom 27. Mai 2021 auf seine vorläufige Rechtsauffassung hingewiesen, die von der des 27. Senats abweicht. Der in den Glaubhaftmachungsunterlagen gezeigte und beschriebene “Grillex Krustenlöser” sei als Mittel zur Reinigung harter Oberflächen nur unter die – nicht eingetragenen – Warenbegriffe “Putzmittel”, “Reinigungsmittel” und/oder “Fettentfernungsmittel” subsumierbar.
25
Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2021 macht der Widersprechende unter Vorlage einer eidestattlichen Versicherung vom 28. Juni 2021 nebst einem Internetausdruck vom 29. Juni 2021 geltend, dass seine Marke seit Juni 2021 in Deutschland von dem von ihm geleiteten Unternehmen auch zur Kennzeichnung eines Hochleistungs-Vollwaschmittels für Gastronomie, Hotellerie und Gewerbe benutzt werde.
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Mit einem bei Gericht am 6. Oktober 2021 eingegangenen Schriftsatz vom 5. Oktober 2021 beantragt der Widersprechende die Aussetzung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens mit der Begründung, die Inhaberin der angegriffenen Marke habe am 30. Juli 2021 beim DPMA die Erklärung des Verfalls und der Löschung seiner Marke beantragt. Sein Aussetzungsantrag sei begründet, weil die Entscheidung über die Rechtsbeständigkeit der Widerspruchsmarke für den weiteren Verlauf dieses Beschwerdeverfahrens von entscheidender Bedeutung sei.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
28
Die zulässige Beschwerde ist begründet, weil der Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung seiner Marke nicht glaubhaft gemacht hat.
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Da die Anmeldung der angegriffenen Marke nach dem 1. Oktober 2009, aber vor dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen die Eintragung erhobenen Widerspruch die Bestimmung des § 42 Absatz 1 und 2 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (§ 158 Abs. 3 MarkenG). Da der Widerspruch vor dem 14. Januar 2019 erhoben worden ist, finden in Bezug auf die erhobene Nichtbenutzungseinrede gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG die Vorschriften der §§ 26, 43 Abs. 1 MarkenG ebenfalls in ihrer bis dahin geltenden Fassung Anwendung.
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1. Am 18. August 2015 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke “gemäß § 43 MarkenG” bestritten. Da die Einrede der Nichtbenutzung undifferenziert erhoben wurde, ist davon auszugehen, dass sie beide Zeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG umfassen soll (BGH GRUR 1998, 938 – DRAGON; lngerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 43 Rdnr. 12; Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 43 Rdnr. 26 – 30; Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpraxis, 3. Aufl., Rdnr. 560).
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a) Die Einrede ist wirksam erhoben worden, weil die am 18. Oktober 2001 eingetragene Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke am 20. Februar 2015 sowie zum Zeitpunkt der Erhebung der Nichtbenutzungseinrede am 18. August 2015 jeweils bereits mehr als fünf Jahre eingetragen war.
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b) Aufgrund der zulässigen Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG oblag es dem Widersprechenden somit, eine rechtserhaltende Benutzung seiner Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke sowie innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch, also sowohl für den Zeitraum von Februar 2010 bis Februar 2015 als auch für den Zeitraum von Oktober 2016 bis Oktober 2021 nach Art, Zeit, Ort und Umfang glaubhaft zu machen.
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c) Aus den eidesstattlichen Versicherungen des Widersprechenden als Geschäftsführer des benutzenden Unternehmens vom 16. September 2015, 10. und 27. August 2018 sowie den beigefügten Benutzungsunterlagen geht hervor, dass mit dem Verkauf eines Grill- und Bratplattenreinigungsmittels in Sprühflaschen und Kanistern unter der etikettierten Bezeichnung “Grillex® Krustenlöser” in Deutschland in den Jahren 2011 bis 2017 … Umsätze erzielt worden sind.
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2. Auch wenn zugunsten des Widersprechenden daher davon ausgegangen wird, dass er die Benutzung seiner Marke für ein Grill- und Bratplattenreinigungsmittel nach Art, Zeit, Ort und Umfang hinreichend glaubhaft gemacht hat, fehlt es an einer Verwendung für ein im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke aufgeführtes Produkt.
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a) Gemäß § 26 Abs. 1 MarkenG muss die Marke für die Waren oder Dienstleistungen benutzt worden sein, “für die sie eingetragen ist”. Es bedarf daher zunächst einer Prüfung, ob die Ware oder Dienstleistung, für die die Widerspruchsmarke benutzt worden ist, im Verzeichnis dieser Marke enthalten ist, was ggf. eine Subsumtion unter die eingetragenen Oberbegriffe erfordert. Sofern die benutzte Ware oder Dienstleistung weder im Verzeichnis aufgeführt noch unter einen der registrierten Oberbegriffe subsumierbar ist, scheidet eine rechtserhaltende Benutzung von vornherein aus. Eine Benutzung für lediglich ähnliche Waren oder Dienstleistungen ist nach allgemeiner Auffassung irrelevant (Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 26 Rdnr. 124, 126; Ingerl/Rhonke, MarkenG, 3. Aufl., § 26 Rdnr. 108; HK-MarkenR-Spuhler, 4. Aufl., § 26 Rdnr. 85; Ströbele, a. a. O., § 26 Rdnr. 285, 287).
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b) Ob eine benutzte Ware oder Dienstleistung einem der Waren-/Dienstleistungsbegriffe des Verzeichnisses unterfällt, kann nur im Wege der Auslegung ermittelt werden. Hierbei sind sowohl der allgemeine Sprachgebrauch, derjenige der amtlichen Klassifikation im Zeitpunkt der Eintragung der betroffenen Marke sowie die einschlägige Fachterminologie zu berücksichtigen (BGH GRUR 2014, 662 Rdnr. 36 – Probiotik; BPatG 30 W (pat) 512/19 – LUVOWAX/LICOWAX; GRUR 2016, 286 – Yosoja/YOSOI; GRUR 1997, 133, Juris-Tz. 33 – ORION; BPatG Mitt 1993, 348, 349 – ISOSIL; BPatGE 31, 245, 246 f. – Dignorapid).
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c) Weder findet sich die benutzte Ware “Grill- und Bratplattenreinigungsmittel” explizit im Verzeichnis, noch unterfällt sie einem der dort eingetragenen Waren- oder Warenoberbegriffe.
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aa) Der als Grill- und Bratplattenreinigungsmittel in den eidesstattlichen Versicherungen bezeichnete “Grillex® Krustenlöser” enthält ausweislich des mit Schriftsatz vom 22. September 2015 als Anlage 1 vorgelegten Prospektblattes einen Schmutz- und Fettlöser mit Tensiden aus Zucker. Weiter heißt es dort:
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“Grillex entfernt schnell und mühelos eingebrannte Fett- und Bratverkrustungen an Grill, Backofen, Brat- und Griddleplatte. …
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Dosierung:
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Gerät auf unter 100°C abkühlen lassen. 70°C ist die optimale Temperatur. Oberfläche satt mit Grillex einsprühen und ca. 5 Minuten einwirken lassen. Danach mit Bürste oder Rauhschwamm den gelösten Schmutz entfernen und mit klarem Wasser nachspülen. …”
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bb) Damit handelt es sich um ein Putz- und/oder Reinigungsmittel.
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aaa) Ein “Putzmittel” wird im Duden als “beim Reinigen verwendbare Substanz; Haushaltsreiniger” definiert (https://www.duden.de/rechtschreibung/Putzmittel). “Putzen” bedeutet “durch Reiben (mit einem Lappen, einer Bürste o. Ä.) säubern und blank machen”; “(auf bestimmte Weise) reinigen, säubern” (https://www.duden.de/rechtschreibung/putzen). Im fachlichen Sprachgebrauch dienen “Putzmittel” der Reinigung oder dem Putzen und Polieren harter Oberflächen aus Metall oder Keramik. Sie werden in verschiedenen Formen vertrieben und enthalten zumeist sehr fein gemahlene Mineralien als Schleif-, Abrasiv- bzw. Polierkomponente, ferner u. a. waschaktive Substanzen und Alkalisalze (Phosphate) zur Emulgierung von Fettschmieren (Römpp Lexikon Chemie, 10. Aufl. 1998, S. 3630, Anlage 1 zum zweiten gerichtlichen Hinweis). Da das vorliegende Grill- und Bratplattenreinigungsmittel laut Prospektblatt zum Entfernen von Schmutz sowie zum Lösen eingebrannter “Fett- und Bratverkrustungen an Grill, Backofen, Brat- und Griddleplatte” eingesetzt wird, kann es als “Putzmittel” angesehen werden.
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bbb) In Betracht kommt aber auch eine Subsumtion unter den Warenbegriff “Reinigungsmittel”, zumal das Produkt auf dem Etikett als “Grill- und Bratplattenreiniger” und in den eidesstattlichen Versicherungen als “Grill- und Bratplattenreinigungsmittel” bezeichnet wird. “Reinigen” bedeutet “Schmutz, Flecken o. Ä. von etwas entfernen; etwas säubern, sauber machen” (https://www.duden.de/rechtschreibung/reinigen). Ein “Reinigungsmittel” wird im Duden als “chemisches Mittel zum Reinigen von etwas” definiert (https://www.duden.de/rechtschreibung/Reinigungsmittel). “Reiniger” bzw. “Reinigungsmittel” werden für harte Oberflächen eingesetzt, haben einen sehr weiten Einsatzbereich und sind daher sehr unterschiedlich zusammengesetzt. Haushaltsreiniger können als Universal- oder Spezialreiniger u. a. für Kochfelder, Backöfen oder Mikrowellenherde formuliert sein (Römpp Lexikon Chemie, a. a. O., S. 3770 ff., Anlage 2 zum zweiten gerichtlichen Hinweis).
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ccc) Obwohl aus der Prospektbeschreibung des Grillex Krustenlösers hervorgeht, dass er dazu dient, “eingebrannte Fett- und Bratverkrustungen an Grill, Backofen, Brat- und Griddleplatte” zu entfernen, dürfte der Warenbegriff “Fettentfernungsmittel” zu eng sein, weil das unter der Widerspruchsmarke angebotene Reinigungsmittel nicht nur Fett lösen, sondern auch anderen Schmutz entfernen können soll.
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cc) Im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke sind aber weder “Putzmittel” noch “Reinigungsmittel” oder “Fettentfernungsmittel” oder ein zum gezeigten Produkt passender Spezialbegriff, wie z. B. “Grillreiniger”, aufgeführt.
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dd) In der zur Zeit der Eintragung der Widerspruchsmarke geltenden “Internationalen Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken (Klassifikation von Nizza)” in der 7. Auflage 1997 (www.dpma.de/marken/klassifikation/waren_dienstleistungen/nizza/index.html) sind in der Klassenüberschrift zu Klasse 3 die Waren(ober)begriffe “Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel” genannt. Zudem finden sich in der “Alphabetischen Liste der Waren und Dienstleistungen nach Klassen” unter Klasse 3 die Begriffe “Putzmittel” (P 0479, S. 62), “Reinigungsmittel” (R 0177, S. 62) und “Fettentfernungsmittel, außer zur Verwendung in Herstellungsverfahren” (F 0292, S. 60) aufgeführt. Eine Eintragung der älteren Marke für Putz- und/oder Reinigungsmittel wäre daher ohne weiteres möglich und zulässig gewesen.
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ee) Das unter der Bezeichnung “Grillex® Krustenlöser” vertriebene Grill- und Bratplattenreinigungsmittel lässt sich entgegen der Ansicht des Widersprechenden auch nicht unter einen der für die Widerspruchsmarke eingetragenen Warenbegriffe subsumieren.
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aaa) Entgegen der Behauptung des Widersprechenden unterfällt der zu berücksichtigende Grill- und Bratplattenreiniger nicht dem in Klasse 1 eingetragenen Warenoberbegriff “chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke”.
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(1) Dieser Warenbegriff ist eng auszulegen (DPA GRUR 1954, 359; Mitt. 1957, 45; Mitt. 1959, 90). Er umfasst die chemisch wirksamen Erzeugnisse der chemisch-technischen Industrie, die als Zwischenprodukte oder Hilfsmittel für andere Industrien bestimmt sind (DPA Mitt. 1957, 45). Es handelt sich somit um zur Weiterverarbeitung bestimmte Substanzen, (Zusatz-)Stoffe und Hilfsprodukte. Das wird auch aus der Liste der Waren zu Klasse 1 der maßgeblichen Klassifikation von Nizza aus dem Jahre 1997 deutlich, in der beispielsweise “Detergentien zur Verwendung in Herstellungsverfahren” (D 0106, S. 39) oder “Fettentfernungsmittel zur Verwendung bei Herstellungsverfahren” (F 0291, S. 40) aufgeführt sind. Es handelt sich daher um chemische Ausgangs- oder Zwischenprodukte sowie Hilfsmittel für industrielle Herstellungsprozesse, also z. B. zur Herstellung von Putz- und/oder Reinigungsmitteln. Demgegenüber stellt das als “Grillex® Krustenlöser” bezeichnete Grill- und Bratplattenreinigungsmittel ein gebrauchsfertiges Putz- bzw. Reinigungsmittel als Endprodukt dar.
51
(2) Soweit der 27. Senat aus der Angabe “UN 3266 ÄTZENDER FLÜSSIGER STOFF, N.A.G., Kaliumhydroxid), 8, II” unterhalb der Warenbezeichnung “Grillex Krustenlöser 10 ltr. Kanister” in den vorgelegten fünf Rechnungen aus den Jahren 2011 bis 2015 geschlossen hat, dass der Grill- und Bratplattenreiniger unter den Warenbegriff “chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke” zu subsumieren sei, vermag der erkennende Senat dieser Sichtweise nicht zu folgen. UN-Nummern, auch Stoffnummern genannt, sind von einem Expertenkomitee der Vereinten Nationen (UN) festgelegte, vierstellige Nummern, die für alle gefährlichen Stoffe und Güter (Gefahrgut) festgelegt wurden (vgl. Wikipedia – “Liste der UN-Nummern”, Anlage 3 zum zweiten gerichtlichen Hinweis). Die UN-Nummer 3266 steht für “Ätzender, basischer, anorganischer, flüssiger Stoff, N.A.G.”, wobei die Abkürzung “N.A.G.” “Nicht Anderweitig Genannt” bedeutet (vgl. Wikipedia, a. a. O.). Bei der Rechnungsangabe handelt es sich daher um einen bloßen Gefahrenhinweis, der angesichts der Endprodukteigenschaft des Grillreinigers keine Zuordnung zum Warenoberbegriff “chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke” bewirken kann.
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bbb) Entgegen der Auffassung des Widersprechenden ist auch keine Subsumtion unter den in Klasse 3 eingetragenen Warenoberbegriff “Waschmittel” möglich.
53
(1.) Als “Waschmittel” wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein “meist aus synthetischen Substanzen bestehendes, pulverförmiges oder flüssiges Mittel, das, in Wasser gelöst, eine reinigende Wirkung entwickelt und besonders zum Wäschewaschen gebraucht wird” bezeichnet (https://www.duden.de/rechtschreibung/Waschmittel).
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(2) In der Fachsprache ist “Waschmittel” die Bezeichnung “für die beim Waschen von Textilerzeugnissen benötigten, in Form von Pulvern, Granulaten, Perlen, Tabletten, Pasten, Gelen oder Flüssigkeiten handelsüblichen Formulierungen aus verschiedenen funktionellen Inhaltsstoffen, die im Allgemeinen in wässriger Lösung (Waschflotte) meist in Waschmaschinen eingesetzt werden” (Römpp, a. a. O., S. 4924, Anlage 4 zum zweiten gerichtlichen Hinweis). “Voraussetzungen für jedwede Reinigung sind das Benetzen des zu reinigenden Gutes mit der Waschflotte und die sog. Umnetzung, d. h. der Austausch einer Grenzfläche fest/flüssig (Faser/Öl oder Fett) bzw. fest/fest (Faser/Partikelschmutz) durch eine neue Grenzfläche fest/flüssig (Faser/Waschflotte)” (Römpp, a. a. O., 2. Absatz, Anlage 4 zum zweiten gerichtlichen Hinweis).
55
(3) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und der Fachsprache stellt die Warenangabe “Waschmittel” somit keinen allgemeinen Oberbegriff für das Reinigen von Gegenständen aller Art dar, sondern bezeichnet nur “Wäschewaschmittel”, also die für Wäsche bzw. Textilien geeigneten Mittel. Alle Bezeichnungen für Mittel zum Waschen von sonstigen Gegenständen verfügen über eine weitere Bestimmungsangabe, wie z. B. “Handwaschmittel”, “Haarwaschmittel”, “Autowaschmittel bzw. Waschmittel/Reinigungsmittel für Kraftfahrzeuge (Kfz)” (vgl. BPatG 24 W (pat) 117/00 – Triplex/Triplex). Hinzu kommt, dass bei der Durchführung beispielsweise einer Auto- oder Unterbodenwäsche in der Autowaschstraße Wasser verwendet wird, das ggf. mit schmutzlösenden Substanzen versetzt ist. Der Reinigungsvorgang entspricht insoweit einer Wäsche unter Verwendung einer wässrigen Lösung (Waschflotte). Eine entsprechende “Grill-, Herd- oder Ofenwäsche” konnte vom Senat nicht ermittelt werden. Der Grillex® Krustenreiniger wird nach der Prospektbeschreibung auf die Oberfläche gesprüht, wirkt dort ca. fünf Minuten ein, woraufhin der so gelöste Schmutz mit Bürste oder Rauhschwamm entfernt und erst dann mit “klarem” (!) Wasser nachgespült wird. Dies entspricht keiner Wäsche mit einem Waschmittel.
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(4) Dieser Bedeutungsgehalt des Begriffs “Waschmittel” stimmt auch mit dem markenrechtlichen Sprachverständnis bzw. der Terminologie der maßgeblichen Internationalen Klassifikation von Nizza aus dem Jahre 1997 überein. Auch hier werden unter der Warenangabe “Waschmittel” in Klasse 3 nur Mittel zum Waschen von Wäsche verstanden. So wird in der “Alphabetischen Liste der Waren” der Begriff “Waschmittel” durch “[Wäsche]” (W 0116, S. 262) ergänzt, wobei diese in eckige Klammern gesetzte Erläuterung nach den Benutzerhinweisen der Präzisierung des Warenbegriffs dient. Damit ist der für die Widerspruchsmarke eingetragene Begriff “Waschmittel” im Sinne eines Textilwaschmittels zu verstehen.
57
(5) Das Gesetz über die Umweltverträglichkeit von Wasch- und Reinigungsmitteln (Wasch- und Reinigungsmittelgesetz – WRMG in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 2013 (BGBl. I S. 2538), das nach seinem § 1 ergänzend zu der Verordnung (EG) Nr. 648/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über Detergenzien (ABl. L 104 vom 8.4.2004, S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 259/2012, ABl. L 94 vom 30.3.2012, S. 16) für das Inverkehrbringen und die sonstige Bereitstellung auf dem Markt von Wasch- und Reinigungsmitteln gilt, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
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Zwar dürfte es sich bei einem Grill- und Bratplattenreiniger um ein Reinigungsmittel im Sinne des § 2 Abs. 1 WRMG handeln. Denn nach Art. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 648/2004 ist ein “Detergens” ein Stoff oder eine Zubereitung, die Seifen und/oder andere Tenside enthält und für Wasch- und Reinigungsprozesse bestimmt ist. Dazu gehören nach dieser Bestimmung ausdrücklich auch “Putzmittel” wie Haushaltsallzweckreiniger und/oder andere Mittel zur Reinigung von Oberflächen (z. B. Werkstoffe, Produkte, Maschinen, Geräte, … Apparate usw.). Dieses Gesetz regelt aber nur die umweltverträgliche Zusammensetzung von Wasch- und Reinigungsmitteln auf dem deutschen Markt sowie eine Herstellerverpflichtung zur Veröffentlichung der verwendeten Inhaltsstoffe und zur Angabe des Wasserhärtebereichs. Abgesehen davon, dass diesen auf den Umwelt- und Verbraucherschutz abzielenden Regelungen keine Anhaltspunkte für die markenrechtliche Einordnung eines Grillreinigers unter die Warenbegriffe der Internationalen Klassifikation von Nizza entnommen werden können, lässt sich daraus nur der bereits festgestellte Charakter eines Putz- bzw. Reinigungsmittels, nicht aber der eines Waschmittels ableiten.
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ccc) Der als benutzt anerkannte Grillreiniger fällt auch nicht unter den in Klasse 3 für die Widerspruchsmarke registrierten Warenbegriff “Bleichmittel”.
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(1) Als “Bleichmittel” wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein “zum Bleichen besonders von Textilien verwendetes chemisches Mittel” bezeichnet (https://www.duden.de/rechtschreibung/Bleichmittel).
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(2) In der Fachsprache versteht man unter “Bleichmittel” Substanzen, die die Farbigkeit von Rohstoffen der Papier- und Textilindustrie oder beim Waschen von Textilien abschwächen. Beim Bleichvorgang werden Stoffe, die in den Fasern enthalten sind und diese verfärben, chemisch zerstört. Meist geschieht dies durch Oxidation dieser Substanzen. Früher gebräuchliche Verfahren auf Chlorbasis werden mit Rücksicht auf die Umwelt zunehmend durch (aufwändigere) Sauerstoff-basierte Verfahren ersetzt (https://www.chemie.de/lexikon/Bleichmittel.html).
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(3) Im hier vorliegenden Kontext mit “Waschmitteln” dienen “Bleichmittel” nur dem Aufhellen von Wäsche bzw. Textilien. Sie sind daher als “Wäschebleichmittel” zu verstehen (vgl. BPatG 24 W (pat) 117/00 – Triplex/Triplex).
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(4) Dieser Bedeutungsgehalt des Begriffs “Bleichmittel” stimmt auch mit dem markenrechtlichen Sprachverständnis bzw. der Terminologie der maßgeblichen Internationalen Klassifikation von Nizza aus dem Jahre 1997 überein. In der “Alphabetischen Liste der Waren” wird der Begriff “Bleichmittel” in Klasse 3 durch die Ergänzung “[Wäscherei]” (B 0432, S. 58) präzisiert.
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(5) Hinzu kommt, dass der fragliche Grillreiniger auch vom Verwendungs- und Einsatzzweck her kein “Bleichmittel” darstellt. Denn er soll Fett und Schmutz lösen, aber keine Aufhellung der behandelten Oberflächen herbeiführen.
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ddd) Der in Klasse 5 eingetragenen Widerspruchsware “Desinfektionsmittel” unterfällt der vorliegende Grillreiniger ebenfalls nicht.
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(1) Als “Desinfektionsmittel” wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein “keimtötendes Mittel” bezeichnet (https://www.duden.de/rechtschreibung/Desinfektionsmittel). Es dient schon nach der Definition der Bekämpfung, also dem Entfernen von Keimen (BPatG 30 W (pat) 173/99 – Free).
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(2) In der Fachsprache versteht man unter Desinfektionsmitteln, chemische Stoffe, die Infektionserreger abtöten oder schädigen sollen. Im Allgemeinen wird von einem Desinfektionsmittel ein breites Wirkungsspektrum gegen unterschiedliche Infektionserreger (Bakterien, Pilze, Viren) bei möglichst niedriger Dosierung, ein rascher Wirkungseintritt, eine geringe Toxität und Umweltbelastung, eine gute Verträglichkeit und ein möglichst geringer Preis erwartet, wobei kein Desinfektionsmittel alle Forderungen in gleicher Weise erfüllt. Sie lassen sich nach dem Desinfektionsgut in Grob- und Feindesinfektionsmittel einteilen. Grobdesinfektionsmittel werden für Räume und Gebrauchsgegenstände, wie z. B. medizinische Instrumente, eingesetzt. Feindesinfektionsmittel dienen der hygienischen und chirurgischen Händedesinfektion sowie der Desinfektion von Körperoberflächen wie Haut, Schleimhaut oder Wunden (https://www.spektrum.de/lexikon/chemie/desinfektionsmittel/2298).
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(3) Nach der Überschrift der Klasse 5 in der Klassifikation von Nizza aus dem Jahr 1997 “Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide” sowie nach den aufgeführten Einzelbegriffen “Desinfektionsmittel für Chemietoiletten” (D0085, S. 71) und “Desinfektionsmittel für hygienische Zwecke” (D0086, S. 71) wird offensichtlich nicht zwischen Grob- und Feindesinfektionsmittel unterschieden, so dass auch ein Desinfektionsmittel für Flächen bzw. den Haushalt unter den Oberbegriff subsumiert werden kann.
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(4) Der Grill- und Bratplattenreiniger wird nach der Prospektbeschreibung jedoch ausschließlich als Fett- und Schmutzlöser und nicht als Mittel zur Bekämpfung von Infektionserregern beworben. Insbesondere wird nicht angegeben, dass die mit dem Grillreiniger behandelten Oberflächen anschließend keimfrei sind. Er kann daher schon von seinen Eigenschaften und seinem Einsatzzweck her nicht als “Desinfektionsmittel” klassifiziert werden.
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d) Soweit der Widersprechende mit Schriftsatz vom 30. Juni 2021 unter Vorlage einer eidestattlichen Versicherung vom 28. Juni 2021 nebst einem Internetausdruck vom 29. Juni 2021 erstmalig die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke durch das von ihm geleitete Unternehmen für ein “Vollwaschmittel für Gastronomie, Hotellerie und Gewerbe” geltend macht, fehlt es schon an einer ernsthaften Dauer der Benutzung. Die Benutzung muss sich zwar nicht über den gesamten Benutzungszeitraum erstrecken, sie darf aber auch nicht nur symbolisch allein zum Zweck der Wahrung des Rechtsbestands erfolgen. Es besteht vorliegend die Obliegenheit, die rechtserhaltende Benutzung sowohl für den Zeitraum von fünf Jahren vor der Veröffentlichung der angegriffenen Marke, also von Februar 2010 bis Februar 2015 als auch für den Zeitraum von fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch, also von Oktober 2016 bis Oktober 2021 glaubhaft zu machen. Nach dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung wird das Vollwaschmittel unter dem Produktnamen “Grillex” erst seit “06/2021” beworben und angeboten. Diese erst kürzlich aufgenommene Benutzung liegt damit außerhalb des ersten Zeitraums gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, so dass die rechtserhaltende Benutzung schon allein deshalb nicht glaubhaft gemacht worden ist. Im Übrigen kann eine erstmalig aufgenommene Verwendung für die Dauer von nur fünf Monaten auch nicht als ernsthafte Benutzung für den zweiten Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG angesehen werden, was vorliegend jedoch dahingestellt bleiben kann.
71
e) Mangels Glaubhaftmachung der Benutzung können gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG keine Waren bei der Prüfung Berücksichtigung finden, so dass eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 MarkenG schon aus diesem Grund ausgeschlossen ist.
III.
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Der Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke auf Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG hat keinen Erfolg.
73
1. Die Rückzahlung ist anzuordnen, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen der Beschwerdeführerin einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. Dabei ist der Erfolg der Beschwerde kein Rückzahlungsgrund. Es müssen auch hier besondere Umstände hinzukommen. Billigkeitsgründe für die Rückzahlung können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern des DPMA, wie z. B. der Verletzung rechtlichen Gehörs, ergeben. Die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts rechtfertigt die Rückzahlung nur dann, wenn die Rechtsanwendung als völlig unvertretbar erscheint, z. B. weil eindeutige gesetzliche Vorschriften, eine gefestigte Amtspraxis oder Rechtsprechung unbeachtet geblieben sind (BPatG 26 W (pat) 20/15 – Goldkehlchen; 30 W (pat) 20/08 – Signalblau und Silber; BPatGE 50, 54, 60 – Markenumschreibung). Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor.
74
2. Zwar erscheint die Beurteilung der rechtserhaltenden Benutzung durch die Erinnerungsprüferin problematisch, weil sie statt einer Subsumtion unter die für die Widerspruchsmarke eingetragenen Warenbegriffe eine Prüfung der Warenähnlichkeit vorgenommen hat. Allerdings hat auch die von dem vormals zuständigen 27. Senat vorgenommene Subsumtion zu einer Bejahung der rechtserhaltenden Benutzung geführt, weil er den Grillreiniger entgegen der Ansicht des erkennenden Senats aufgrund des in den Rechnungen ausgewiesenen Gefahrenhinweises als chemisches Erzeugnis für gewerbliche Zwecke eingestuft und dessen Endproduktcharakter außer Acht gelassen hat. Da sowohl die falsche als auch die korrekte Prüfungsmethode zu demselben – unzutreffenden – Ergebnis führen kann, hätte die Beschwerde auch bei sachgerechter Verfahrensweise nicht vermieden werden können.
IV.
75
Zur Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG bestand kein Anlass.
V.
76
Die Voraussetzungen für die vom Widersprechenden beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des von der Inhaberin der angegriffenen Marke gegen die Widerspruchsmarke seit dem 30. Juli 2021 betriebenen Verfallsverfahren liegen nicht vor.
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1. Nach § 148 ZPO, der gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG auch im Markenbeschwerdeverfahren vor dem BPatG Anwendung findet, kann die Aussetzung des Verfahrens angeordnet werden, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Die notwendige Vorgreiflichkeit setzt allerdings voraus, dass der anderen Entscheidung eine zumindest teilweise rechtlich präjudizielle Bedeutung zukommt. Daran fehlt es hier.
78
2. Da der vorliegende Widerspruch mangels rechtserhaltender Benutzung keinen Erfolg hat, ist das Ergebnis des Verfallsverfahrens nicht vorgreiflich. Denn die Löschung der Widerspruchsmarke wegen Verfalls hätte keinen Einfluss auf die vorliegende Entscheidung.


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