Patent- und Markenrecht

28 W (pat) 40/19

Aktenzeichen  28 W (pat) 40/19

Datum:
8.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:080321B28Wpat40.19.0
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

gegen

betreffend die Markeneintragung 30 2015 219 031
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. März 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Kruppa und des Richters Hermann
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die am 9. September 2015 angemeldete Wortmarke 30 2015 219 031
2
Lido
3
ist am 2. Dezember 2015 für nachfolgende Waren und Dienstleistungen in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden:
4
Klasse 32: Bier; Biere;
5
Klasse 41: Betrieb einer Konzerthalle; Betrieb eines Clubs [Diskothek]; Betrieb eines Clubs [Unterhaltung]; Betrieb eines Clubs zu Unterhaltungszwecken; Darbietung von Konzerten; Konzertdienstleistungen; Kulturelle Aktivitäten; Kulturelle Dienstleistungen; Organisation und Veranstaltung von Konzerten; Organisation von Vorstellungen für kulturelle Zwecke; Reservierung von Tickets für Konzertveranstaltungen; Sportliche und kulturelle Aktivitäten; Unterhaltung durch Konzerte; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle Zwecke; Veranstaltung von Vorführungen für kulturelle Zwecke;
6
Klasse 43: Verpflegung von Gästen in Clubs.
7
Gegen die Eintragung der angegriffenen Marke, die am 31. Dezember 2015 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin aus ihrer am 10. Juni 2009 eingetragenen farbigen Unionswort-/Bildmarke EM 003 884 061
8
Widerspruch erhoben. Sie ist für folgende Waren und Dienstleistungen eingetragen:
9
Klasse 9: Ton- und Videoaufzeichnungen in Verbindung mit der Informatik; Compactdiscs; bespielte Videodiscs; CD-ROMs; DVD-ROMs; gespeicherte Software; gespeicherte Computer-Programme; Computerprogramme (herunterladbare Computersoftware); Computerspeicher; Peripheriegeräte für Computer; Computer; Softwarepakete; Magnetaufzeichnungsträger; interaktive Magnetaufzeichnungsträger; audiovisuelle Spiele und Apparate für Unterhaltung und Unterricht zur ausschließlichen Verwendung mit einem Fernsehapparat; Apparate für Filmvorführungen; Schallplatten; Tonbänder, Videokassetten, Laserdiscs, optische Platten; interaktive Multimedia-Softwareprogramme; Hologramme; Diapositive; Videokameras; Filmapparate; optische Brillen; Optikerwaren; Mobiltelefone; Fernsehapparate; Videobänder;
10
Klasse 14: Brillenetuis aus Edelmetallen; Brillenetuis (aus Edelmetallen); Kästen aus Edelmetall; (Uhren-)Gehäuse; Armbänder (Schmuckwaren); Uhrenarmbänder; Armbanduhren; Uhrketten; Schmuckkästen aus Edelmetall; Uhrenschmucketuis; Armband-/Taschenuhren; Wecker; Sonnenuhren; Tafelgeschirr aus Edelmetall; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente;
11
Klasse 16: Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind (Papier, Pappe): Papierhandtücher, Papiertaschentücher; Abschminktücher aus Papier, Taschen, Beutel, Umschläge, Hüllen aus Papier für Verpackungszwecke; Bücher; Magazine; Zeitungen; Comics; Zeitschriften; Plaketten; Manuskripte; Handbücher; Gebrauchsanweisungen; Berichte; Informationsblätter; Druckschriften; Bulletins, Mitteilungsblätter; Druckschriften, Veröffentlichungen; Druckereierzeugnisse, Sachregister, Buchbindeartikel, Papier- und Schreibwaren, Lehr- oder Unterrichtsmittel, ausgenommen Apparate; Bedienungsanleitungen; Presseübersichten; Flugzettel; Poster und Plakate; Prospekte; Kalender; Stickers (Papierwaren); Büroartikel (ausgenommen Möbel); Füllfederhalter, Kugelschreiber; Schreibgeräte; Ordner (Büroartikel); Blöcke (Papier- und Schreibwaren); Almanache; Atlanten; Poster und Plakate; Notizbücher; Schülerbedarf; Einbände (Papier- und Schreibwaren); Buchstützen; Verpackungsbeutel und -taschen aus Papier oder Kunststoff; Fotografien;
12
Klasse 18: Leder und Lederimitationen, Häute und Felle; Waren aus diesen Materialien, nämlich: Rucksäcke, Einkaufstaschen, Rucksäcke für Bergsteiger, Badetaschen, Reisetaschen, Kleiderbeutel (für die Reise), Campingtaschen, Schachteln aus Leder oder aus Lederpappe; Schultaschen; Reisekoffer; Handkoffer; Lederriemen; Kettenmaschengeldbörsen, nicht aus Edelmetall; Schlüsseletuis (Lederwaren), Reisekoffer, Brieftaschen; Aktentaschen; Kartentaschen; Geldbörsen, nicht aus Edelmetall; Handtaschen; Einkaufsbeutel; Taschen mit Rollen; Strandtaschen; Reisetaschen; Schultaschen, Reisenecessaires (Lederwaren); Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Hutschachteln aus Leder; Schachteln aus Leder oder Lederpappe; Peitschen und Sattlerwaren, Sättel, Zügel aus Leder; Regenschirme; Sonnenschirme und Spazierstöcke;
13
Klasse 25: Bekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Bandanatücher (Halstücher); Stirnbänder (Bekleidung); Strümpfe; Strumpfwaren und gewirkte und gewebte Unterwäsche; Mützen; Kragenschützer; Kapuzen; Gürtel (Bekleidung); Morgenmäntel; Hüte; Socken; Slipper; Unterkleider (Wäsche); Anzüge; Lederbekleidung; Bekleidungsstücke aus Lederimitationen; Oberbekleidung; Unterwäsche; Hals-, Kopf-, Schultertücher; Pelze (Bekleidung); Hüftgürtel; Westen; Bekleidungsstücke; Regenmäntel; Röcke; Petticoats; Bodysuits (Teddies, Bodies); Mäntel; Fäustlinge; Hosen; Parkas; Morgenröcke; Pullover; Kleider; Saris; Cocktailkleider; Schürzen; Trikotkleidung; Uniformen; Jacken; Schleier (Bekleidung); Drahtgeflecht (Bekleidungsstücke); Henleyshirts; Hemden; Shorts; Bermudashorts; kurze Hosen; Blousons; Gabardinebekleidung; Überzieher; Trenchcoats; Pelerinen; Crop-Tops (kurzärmelige Oberteile); Strickjacken; Sweater; Gürtel; (dicke) Schals; Handschuhe (Bekleidungsstücke); Strumpfhosen; Unterhosen, einschließlich Badehosen; Schlafanzüge; Nachthemden; Morgenröcke; Bade- und Strandanzüge, Sportbekleidung (ausgenommen Taucherkleidung); Bekleidungsstücke aus Pelzen; Schuhwaren (ausgenommen orthopädische Schuhwaren), einschließlich Strandschuhe; Sportschuhe; Stiefel; Halbstiefel (Stiefeletten); Stoffschuhe (Espadrillos); Sandalen; Hausschuhe; Mützen; Baskenmützen; Mützen, einschließlich Badekappen; Turbane;
14
Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); alkoholhaltige Fruchtextrakte; alkoholische Fruchtgetränke; Cocktails; Digestifs (Schnäpse und Liköre); Schnaps; Spirituosen; Weine; Wodka; Whisky;
15
Klasse 34: Raucherartikel; Streichhölzer; Streichholzschachteln, nicht aus Edelmetall; Streichholzständer, nicht aus Edelmetall; Zigarrenkästen (nicht aus Edelmetallen); Zigarettendosen (nicht aus Edelmetallen); Feuerzeuge für Raucher; Aschenbecher (nicht aus Edelmetall); Zigarrenetuis (nicht aus Edelmetallen); Zigarettenetuis (nicht aus Edelmetallen); Tabakpfeifen;
16
Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Veröffentlichung von Büchern; Verleih von Büchern; Erziehung auf Akademien; Verleih und Bearbeitung von Videobändern; Videofilmproduktion; Organisation und Durchführung von Kolloquien, Konferenzen, Kongressen; Fernkurse; Fernunterricht; Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsinformationen; Vermietung von Tonaufnahmen; Aufzeichnung (von Filmen) auf Videobändern; digitale Bildgebung; Information über Erziehung und Ausbildung; Vermietung von Spielfilmen und Kinofilmen; Mikroverfilmung; Zusammenstellung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Organisation und Veranstaltung von Workshops, Kolloquien, Konferenzen, Kongressen, Seminaren, Symposien; Fotografien; Fotoreportagen; Videofilmproduktion; Veröffentlichung von Texten (ausgenommen Werbetexte); Veröffentlichung von Büchern; Erstellung von Drehbüchern; Untertitelung; Theatervorstellungen; Übersetzen; Betrieb einer Modellagentur für Künstler; Dienste von Unterhaltungskünstlern; Vergnügungsparks; Aufzeichnung von Videobändern; Verleih von Videobändern; Montage (Bearbeitung) von Videobändern; Betrieb von Nachtclubs; Betrieb eines Spielkasinos; Betrieb von Kinos; Filmstudios; Zirkusdarbietungen; Betrieb eines Clubs (Unterhaltung oder Unterricht); Informationen auf dem Gebiet der Unterhaltung; Rundfunkunterhaltung; Fernsehunterhaltung; Kinofilmverleih; Filmproduktion; Glücksspiele; Betrieb von Spielhallen; Vermietung von Bühnendekorationen; Vermietung von Tonaufnahmen; Freizeitdienste; Betrieb von Museen (Darbietungen, Ausstellungen); Betrieb eines Musikvarietés; Musikdarbietungen eines Orchesters; Organisation von Bällen; Veranstaltung von Shows (Dienstleistungen eines Künstleragenten); Verfassen von Drehbüchern; Zwischenauflage; Produktion von Shows; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Reservierung von Karten für Veranstaltungen; Theatervorstellungen;
17
Klasse 43: Verpflegung von Gästen (Lebensmittel); Betrieb einer Bar; Cafés-Restaurants; Cafeterias; Kantinen; Selbstbedienungsrestaurants; Verpflegung; Partyservice.
18
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 26. Juli 2016 die Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben. Die Widersprechende hat daraufhin im Amtsverfahren diverse Unterlagen zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke eingereicht.
19
Mit Beschluss vom 27. März 2019 hat das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 41, den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Widersprechende habe eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht.
20
Die Einrede der Nichtbenutzung sei zulässig, da die Widerspruchsmarke im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 31. Dezember 2015 bereits fünf Jahre im Register eingetragen war. Somit wäre es Aufgabe der Widersprechenden gewesen, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke sowohl für die Zeit von fünf Jahren vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke als auch für die Zeit von fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch glaubhaft zu machen.
21
Der Glaubhaftmachung stehe indes entgegen, dass die Widerspruchsmarke ausweislich der eingereichten Unterlagen nicht in der eingetragenen Form im Sinne des § 26 Abs. 3 MarkenG benutzt worden sei. Die Unterlagen, die sich inhaltlich auf die Dienstleistungen der Klassen 41 „Theatervorstellungen; Betrieb eines Musikvarietés; Produktion von Shows; Durchführung von Live-Veranstaltungen“ und 43 „Verpflegung von Gästen“ sowie auf die Waren der Klasse 33 „alkoholische Getränke (nämlich Champagner)“ bezögen, belegten lediglich eine Benutzung des in der Widerspruchsmarke enthaltenen Wortbestandteils „LIDO“. Dies genüge jedoch nicht den Anforderungen an eine rechtserhaltende Benutzung der Marke in abweichender Form gemäß § 26 Abs. 3 MarkenG.
22
Die rechtserhaltende Benutzung einer Marke im Sinne des § 26 Abs. 1 MarkenG erfordere, dass die Marke in üblicher und sinnvoller Weise für die Waren und Dienstleistungen verwendet werde, für die sie eingetragen sei. Werde die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt, liege eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 MarkenG nur vor, wenn die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter nicht veränderten. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob der Verkehr die Unterschiede zwischen den Zeichen wahrnehme, da es nicht auf eine Markenidentität ankomme. Entscheidend sei vielmehr, dass der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetze, also in der tatsächlich verwendeten Form noch dieselbe Marke erkenne. Ob dies der Fall sei, hänge von der Kennzeichnungsfunktion der jeweiligen Markenbestandteile sowie deren Verhältnis zueinander im Rahmen der eingetragenen Gesamtkombination ab. Danach seien zwar Abweichungen in Markenbestandteilen unbeachtlich, die keine eigene kennzeichnende Wirkung innerhalb des Gesamtzeichens aufwiesen und deshalb vom Verkehr nur als Sachhinweis, Verzierung oder Hervorhebungsmittel angesehen würden. Insofern könnten zwar die Wortfolge „CHAMPS-ELYSEES-PARIS“ als sachbeschreibender Hinweis weggelassen und die Schriftart des Wortbestandteils „LIDO“ umgestaltet werden.
23
Beträfen die Abweichungen hingegen Bestandteile, die den Gesamteindruck der Marke mitprägten, berührten diese in der Regel auch ihren kennzeichnenden Charakter. Werde ein solcher Bestandteil vollständig weggelassen (so z. B. ein einprägsamer oder gar dominierender Bildbestandteil einer Wort-/Bildmarke), verändere dies den Gesamteindruck der Marke regelmäßig so stark, dass der Verkehr in dem benutzten Zeichen nicht mehr dieselbe Marke erkenne.
24
Um einen solchen einprägsamen und dominierenden Bestandteil handele es sich vorliegend auch bei dem gestreiften, fächerartig gestalteten Bildelement oberhalb des Wortes „LIDO“. Bereits aufgrund seiner Größe, die in etwa zwei Drittel der Markendarstellung ausmache, falle der Bestandteil optisch ins Gewicht. Durch seine von den übrigen (Wort-) Bestandteilen losgelöste, zentrierte Stellung sowie seine außergewöhnliche Gestaltung wirke er nicht nur als bloße Verzierung bzw. als schlichtes Hervorhebungsmittel der darunter liegenden Wortbestandteile, sondern nehme eine eigenständige, die Widerspruchsmarke (mit)prägende Stellung ein.
25
Da sich der Bildbestandteil trotz seiner kennzeichnenden Bedeutung in der abweichend benutzten Form nicht wiederfinde, werde der Verkehr wegen dieser deutlichen Abwandlung die eingetragene Marke und die benutzten Formen nicht als ein und dasselbe Zeichen werten.
26
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
27
Entgegen der Auffassung der Markenstelle sei von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke auszugehen. Die Abweichung in der grafischen Gestaltung der benutzten Form durch die Weglassung des Bildbestandteils sei unerheblich und stehe der Annahme der rechtserhaltenden Benutzung nicht entgegen, weil sie angesichts ihrer Geringfügigkeit aufgrund der fehlenden eigenständigen kennzeichnenden Stellung des grafischen Elements für das Verkehrsverständnis letztlich ohne Bedeutung sei, mithin auch den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke nicht verändere.
28
Das Bildelement bestehe aus mehreren, sich nach unten hin verjüngenden Längsstreifen, die in ihrer Gesamtheit ein auf der Spitze stehendes ungleichseitiges Dreieck mit einer geschwungenen Seite darstellen würden. Weder die Einzelelemente noch das Gesamtelement seien in ihrer Form komplex gestaltet oder würden aufgrund markanter Merkmale besonders ins Auge stechen. Es handele sich vielmehr um ein abstraktes, aus geometrischen Grundformen bestehendes grafisches Gebilde. Eine eindeutige oder auch nur naheliegende gegenständliche Assoziation bestehe dagegen nicht.
29
Abstrakte Formen, zumal gerade solche, die aus simplen geometrischen Elementen bestünden, vermöge der Verkehr schlechter zuzuordnen als solche, die etwas Gegenständliches darstellten oder gar das Wortelement symbolisierten. In letzterem Fall erzeugten beide Zeichen gedanklich dasselbe Erinnerungsbild und erfüllten so die Kennzeichnungskraft des jeweils anderen.
30
Einfache abstrakte Darstellungen wiesen dementsprechend eine allenfalls äußerst geringe Kennzeichnungskraft auf. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr beim Betrachten dieses gestalterischen Elements– anders als bei dem Wortbestandteil – etwaige hiermit gekennzeichnete Waren oder Dienstleistungen mit der Markeninhaberin in Verbindung bringe. In dem Wort-/Bildzeichen trete die grafische Darstellung vielmehr gegenüber dem Wortbestandteil in den Hintergrund und verliere damit seine Eignung, die Erinnerung an das Zeichen selbständig wachzurufen.
31
Die Widersprechende hält die Marken für verwechselbar. Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen seien teilweise identisch und im Übrigen hochgradig ähnlich. Die Widerspruchsmarke sei überdurchschnittlich kennzeichnungskräftig. Die ursprüngliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durch eine jahrzehntelange Benutzung und Bewerbung der Marke und die Aufmerksamkeit, die sie in der Öffentlichkeit gefunden habe, erheblich gesteigert.
32
Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen bestehe eine hochgradige Ähnlichkeit. Die jüngere Marke „Lido“ sei mit dem Wortbestandteil „LIDO“ der älteren Marke identisch. Dieser präge und bestimme den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke allein, die übrigen Wort- und Bildelemente seien für den Gesamteindruck der Marke ohne jegliche Bedeutung.
33
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
34
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. März 2019 aufzuheben und die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke 30 2015 219 031 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke EM 003 884 061 anzuordnen.
35
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
36
die Beschwerde zurückzuweisen.
37
Sie verteidigt den Beschluss der Markenstelle. Durch die im Amtsverfahren überreichten Benutzungsnachweise sei eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht worden.
38
Zwischen den Marken bestehe im Übrigen auch keine Verwechslungsgefahr. Die Widerspruchsmarke habe nur eine schwache Kennzeichnungskraft. Gegen die von der Widersprechenden geltend gemachte gesteigerte Kennzeichnungskraft des Wortbestandteils „LIDO“ würden bereits diverse Drittmarken mit diesem Bestandteil sprechen. In Deutschland und weltweit existierten hunderte Hotels, Restaurants, Bars, Eventlocations und Clubs, die unter dem Zeichen „Lido“ aktiv betrieben und beworben würden. Gegen eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke spreche insbesondere auch, dass eine intensive Benutzung der Wort-/Bildmarke „LIDO CHAMPS-ELYSEES-PARIS“ von der Widersprechenden nicht dargelegt worden sei.
39
Eine Warenähnlichkeit zwischen Bier und Champagner sei nicht zu erkennen.
40
Die Anmelderin habe die von ihr beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 41 und 43 auf Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einem Club bzw. einer Konzertstätte stehen, beschränkt. Eine Überschneidung der Dienstleistungen der angegriffenen Marke mit Theater-, Cabaret- und Varieté-Veranstaltungsdienstleistungen gebe es nicht.
41
Umgekehrt entsprächen die mit Blick auf den Betrieb eines Clubs angemeldeten Dienstleistungen nicht den Dienstleistungen der Widersprechenden, insbesondere in Klasse 41. Konzert- und Tanzveranstaltungen würden von der Widerspruchsmarke nicht umfasst.
42
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei wegen mehr als 40 ähnlicher eingetragener und benutzter Drittmarken mit dem Wortbestandteil „Lido“ geschwächt.
43
Die zu vergleichenden Zeichen seien weder identisch noch mit Blick auf die Verwechslungsgefahr hinreichend ähnlich.
44
Entgegen der Darstellung der Widersprechenden treffe es nicht zu, dass der Wortbestandteil „LIDO“ den Gesamteindruck auch der Widerspruchsmarke prägen und bestimmen würde. Die grafische Gestaltung habe in der Widerspruchsmarke nicht lediglich einen dekorativen Charakter, der sich im Rahmen des Werbeüblichen halte.
45
In der Widerspruchsmarke beanspruche der Wortbestandteil nur das untere Viertel. Die Wörter „LIDO CHAMPS-ELYSEES-PARIS“ träten hinter dem dominierenden, dreimal so hohen Bildbestandteil zurück. Dieser sei aus 16 unterschiedlich langen Linien zusammengesetzt, die eine signifikante Form ergäben, die eine stilisierte Fackel oder ein Lichtkegel von Scheinwerfern sein könne. Aufgrund seiner komplexen Wirkung und der damit verbundenen Assoziationen beim Publikum wirke das Bildelement in der Widerspruchsmarke dominierend und prägend.
46
Die Widersprechende hat im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens zwei eidesstattliche Versicherungen von Frau Julie Gregoire, Directrice Générale der Widersprechenden, vom 1. September 2020 und 2. Oktober 2020 eingereicht, in denen versichert wurde, dass die Widerspruchsmarke in der Europäischen Union von 2011 bis heute ununterbrochen benutzt werde, insbesondere zur Kennzeichnung in Verbindung mit Champagner, Theatervorstellungen, dem Betrieb eines Musikvarietés, der Produktion von Shows und der Durchführung von Live-Veranstaltungen sowie der Verpflegung von Gästen. Soweit es die Form der Benutzung betrifft, beziehen sich beide eidesstattlichen Versicherungen auf die zuvor mit der eidesstattlichen Versicherung vom 12. April 2017 vorgelegten Unterlagen. Es wurden sodann die in den Jahren 2017 bis 2019 mit Champagner (jeweils über 4,5 Millionen Euro jährlich), mit Theatervorstellungen etc. (jeweils über 17 Millionen Euro jährlich) und mit der Verpflegung von Gästen (jeweils über 5 Millionen Euro jährlich) erzielten Umsätze genannt.
47
Den zuvor gestellten Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung hat die Widersprechende mit Schriftsatz vom 28. September 2020 zurückgenommen.
48
Die Markeninhaberin hat hierauf mit Schriftsatz vom 2. November 2020 reagiert und die eidesstattliche Versicherung vom 1. September 2020 als verspätet gerügt. Die nunmehr vorgelegte eidesstattliche Versicherung sei auch nicht geeignet, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zu begründen. Die Widerspruchsmarke werde durch die im Widerspruchsverfahren überreichten Unterlagen kein einziges Mal wiedergegeben.
49
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
50
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Deutsche Patent- und Markenamt den gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG a. F. i. V. m. § 158 Abs. 3 und § 125b Nr. 1 MarkenG zulässigen Widerspruch zurückgewiesen (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG), da die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht hat.
51
1. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zulässigerweise die unbeschränkte Einrede der fehlenden rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben. Da der verfahrensgegenständliche Widerspruch bereits vor dem 14. Januar 2019 eingelegt worden ist, findet gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG für die Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung § 43 Abs. 1 MarkenG a. F. weiterhin Anwendung.
52
a) Demnach obliegt es der Widersprechenden, glaubhaft zu machen, dass ihre Marke innerhalb von fünf Jahren vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke (31. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2015) sowie innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch (März 2016 bis März 2021) gemäß Art. 18 UMV i. V. m. § 125b Nr. 4 MarkenG benutzt worden ist. Da die fünfjährige Benutzungsschonfrist bei Unionsmarken mit ihrer Eintragung – hier am 10. Juni 2009 – beginnt, war sie vorliegend zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke (31. Dezember 2015) bereits abgelaufen.
53
b) Die Widersprechende hat die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke nicht mit Hilfe der im Amtsverfahren eingereichten Unterlagen glaubhaft gemacht, da die darin wiedergegebene Benutzungsform nicht der eingetragenen Unionsmarke entspricht und die Abweichungen deren Unterscheidungskraft gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe a) UMV beeinflussen. Hierbei gelten im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie bei § 26 Abs. 3 MarkenG a. F. i. V. m. § 158 Abs. 5 MarkenG (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 125b, Rdnr. 51).
54
Von einer solchen die Unterscheidungskraft beeinflussenden bzw. den kennzeichnenden Charakter verändernden Abweichung ist auszugehen, wenn die Verbraucher das abweichend benutzte Zeichen bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach nicht mehr mit der registrierten Marke gleichsetzen, d. h. in der benutzten Form eine andere Marke sehen (vgl. BGH GRUR 2001, 54, 56 – SUBWAY/SUBWEAR; GRUR 2003, 1047, 1048 – KELLOG‘S/KELLY‘S; GRUR 2005, 515 – FERROSIL). Maßgeblich ist, ob die Verbraucher den Veränderungen gegenüber der registrierten Form eine eigene maßgebende kennzeichnende Wirkung beimessen (vgl. BGH GRUR 1999, 54, 55 – HOLTKAMP; GRUR 2002, 67, 168 – BIT/BUD; GRUR 2005, 515 – FERROSIL). Dies ist hier der Fall, denn die benutzte Form der Widerspruchsmarke weicht in markanten Merkmalen von der registrierten Form ab.
55
Die von der Widersprechenden dem Deutschen Patent- und Markenamt vorgelegten Benutzungsunterlagen enthalten nicht den Bildbestandteil der Widerspruchsmarke. Bei ihm handelt es sich um ein einprägsames und die Wort-/Bildmarke dominierendes Element, das ihren Gesamteindruck mitprägt. Das gestreifte, fächerartig gestaltete Bildelement oberhalb des Wortes „LIDO“ fällt optisch bereits aufgrund seiner Größe ins Gewicht, die in etwa zwei Drittel der Markendarstellung ausmacht. Zudem befindet es sich im oberen Bereich der Widerspruchsmarke, wodurch es besonders auffällt und die Aufmerksamkeit des Verkehrs auf sich zieht. Durch seine von den übrigen (Wort-) Bestandteilen losgelöste, zentrale Stellung sowie seine außergewöhnliche Gestaltung wirkt der Bildbestandteil nicht nur als bloße Verzierung bzw. als schlichtes Mittel zur Hervorhebung der darunter liegenden Wortkomponenten, sondern übt eine eigenständige, den Charakter der Widerspruchsmarke beeinflussende Funktion aus.
56
Da sich der Bildbestandteil trotz seiner kennzeichnenden Bedeutung in der abweichend benutzten Form nicht wiederfindet, handelt es sich um eine deutliche Abwandlung. Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr die eingetragene Marke und die benutzten Formen als ein und dasselbe Zeichen ansehen wird.
57
c) Eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke hat die Widersprechende auch nicht durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen vom 1. September 2020 und 2. Oktober 2020 glaubhaft gemacht. Dort heißt es jeweils:
58
„Soweit es sich um die Form der Benutzung handelt, beziehe ich mich auf die beispielhaft mit meiner eidesstattlichen Versicherung vom 12.04.2017 vorgelegten Unterlagen, die auch die weitere Benutzung seit 2016 repräsentieren.“
59
Da – wie oben ausgeführt – die im Amtsverfahren vorgelegten Unterlagen lediglich eine deutlich von der registrierten farbigen Unionswort-/Bildmarke abweichende Form der Benutzung ausweisen und die eidesstattlichen Versicherungen vom 1. September 2020 und 2. Oktober 2020 keine sonstigen Aussagen zur Art der Benutzung enthalten, vermitteln sie hierzu keine weitergehenden Erkenntnisse.
60
2. Nachdem die Beschwerde bereits aufgrund der nicht glaubhaft gemachten rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke zurückzuweisen ist, kann die Frage der Verwechslungsgefahr dahingestellt bleiben.
61
3. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Widersprechende mit Schriftsatz vom 28. September 2020 ihren hierauf gerichteten Hilfsantrag zurückgenommen hat und die Durchführung einer Verhandlung auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit geboten war (§ 69 Nr. 1 und Nr. 3 MarkenG).
62
4. Zur Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Grund.


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