Patent- und Markenrecht

28 W (pat) 67/19

Aktenzeichen  28 W (pat) 67/19

Datum:
8.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:080321B28Wpat67.19.0
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2018 018 949.7
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. März 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Kruppa und des Richters Hermann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I
1
Das Wort-/Bildzeichen
2
wurde am 3. August 2018 als Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet. Das Warenverzeichnis wurde danach geändert und lautet nunmehr wie folgt:
3
Klasse 9:
4
Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Behandlung des menschlichen Körpers mit Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Daten, Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger; CDs; DVDs; digitale Aufzeichnungsträger; Magnete, Magnetisierungs- und Entmagnetisierungsvorrichtungen; Bilddateien zum Herunterladen, elektronische Publikationen, nämlich elektronische Kataloge, elektronische Berichte und Aufzeichnungen aus OP-Räumen; Computersoftware; Computer; Computerhardware; Computerprogramme; Datenverarbeitungsgeräte; Laptops; Laptops [Computer]; Laptoptaschen; Hardware für die Datenverarbeitung; Videokameras; integrierte Kamerasysteme; Videobildschirme; Mikroskope; alle vorgenannten Waren der Klasse 9 für medizinische, chirurgische, veterinäre und endoskopische Bereiche, nämlich für das Fachpublikum dieser Bereiche; Endoskope und endoskopische Geräte, ausgenommen für medizinische Zwecke; industrielle Endoskope, nicht für medizinische Zwecke; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten;
5
Klasse 10:
6
Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate; Endoskope und endoskopische Geräte für medizinische und chirurgische Zwecke; Endoskopiekameras für medizinische Zwecke; flexible Endoskope; Zystoskope; chirurgisches Nahtmaterial; orthopädische Artikel; orthopädische Hilfen; Mobilitätshilfen; Prothesen und künstliche Implantate; diagnostische Bildgebungsgeräte für medizinische Zwecke; medizinische bildgebende Apparate;
7
Klasse 16:
8
Papier und Pappe, nämlich Aktenhüllen, Aktenordner, Alben, Anzeigekarten [Papeteriewaren], Almanache; Druckereierzeugnisse; Broschüren; Prospekte; Buchbindeartikel; Fotografien; Schreibwaren; Lehr- und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate]; Verpackungsmaterial aus Kunststoff; Taschen, Beutel und Waren für Verpackungs-, Einpack- und Ablagezwecke aus Papier, Pappe oder Kunststoff; Verpackungsmaterial aus Karton; alle vorgenannten Waren der Klasse 16 für medizinische, chirurgische, veterinäre und endoskopische Bereiche, nämlich für das Fachpublikum dieser Bereiche.
9
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 10, hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom 19. Dezember 2018 und 4. Juni 2019, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, für folgende Waren teilweise zurückgewiesen:
10
Klasse 9:
11
Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Daten, Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger; CDs; DVDs; digitale Aufzeichnungsträger; Magnete, Magnetisierungs- und Entmagnetisierungsvorrichtungen; Bilddateien zum Herunterladen, Elektronische Publikationen, nämlich elektronische Kataloge, elektronische Berichte und Aufzeichnungen aus OP-Räumen; Computersoftware; Computer; Computerhardware; Computerprogramme; Datenverarbeitungsgeräte; Laptops; Laptops [Computer]; Hardware für die Datenverarbeitung; Videokameras; integrierte Kamerasysteme; Videobildschirme; Mikroskope; Endoskope und endoskopische Geräte, ausgenommen für medizinische Zwecke; industrielle Endoskope, nicht für medizinische Zwecke;
12
Klasse 10:
13
Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate; Endoskope und endoskopische Geräte für medizinische und chirurgische Zwecke; Endoskopiekameras für medizinische Zwecke; flexible Endoskope; Zystoskope; diagnostische Bildgebungsgeräte für medizinische Zwecke; medizinische bildgebende Apparate.
14
Zur Begründung hat das Amt ausgeführt, dass es dem Anmeldezeichen insoweit an der für eine Eintragung erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle. Es eigne sich im genannten Umfang nicht zur Unterscheidung, da es insoweit allein eine sachbezogene, beschreibende Angabe enthalte und daher nicht einem bestimmten Unternehmen zugeordnet werde.
15
Das Wort-/Bildzeichen “HD-VIEW” werde der hier maßgebliche Verkehr dahingehend verstehen, dass es sich bei den in Frage stehenden Waren um solche handele, die dazu dienten, etwas mit hoher Bildschärfe zu betrachten. Die hier vorliegende Wortkombination stamme zwar aus der englischen Sprache, sei jedoch sprachüblich aus der Kurzform “high definition” im Sinne von “hohe Bildschärfe” sowie “VIEW” im Sinne von “ansehen, betrachten” zusammengesetzt und den medizinischen Fachleuten sowie den hier ebenfalls angesprochenen breiten Verkehrskreisen ohne Weiteres verständlich. Die Bedeutung des Markenbegriffs, dass die beanspruchten Waren dem Ansehen mit hoher Bildschärfe dienten, werde daher unmittelbar erfasst werden. Dies könne auf alle hier in Frage stehenden Waren zutreffen, da etwa bei der medizinischen Diagnose ein genaues Sehen mit hoher Bildschärfe erforderlich sein könne. Wie das Sehen mit hoher Bildschärfe erreicht werde, müsse nicht genau definiert werden, da dies naturgemäß sehr umfassend sein könne. Der Begriff könne bewusst weit gefasst sein, um ein möglichst breites Feld abzudecken. Eine gewisse Unschärfe des angemeldeten Markenbegriffs führe noch nicht zu seiner Schutzfähigkeit. Da Marken stets im Zusammenhang mit den in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen gesehen werden müssten, ergebe sich aus diesem Zusammenhang, worum es sich thematisch handele. Folglich gebe der Markenbegriff keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, sondern beschreibe Art, Beschaffenheit und Zweckbestimmung der in Frage stehenden Waren, nämlich dass sie dem Sehen mit hoher Bildschärfe dienten. Eine Analyse dieses Begriffs, zu der der Verkehr erfahrungsgemäß nicht neige, sei dazu nicht notwendig.
16
Das Wort-/Bildzeichen “HD-VIEW” sei ohne Weiteres verständlich und für die in Frage stehenden Waren glatt beschreibend. Es komme allein auf die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise und darauf an, was vom Warenverzeichnis umfasst sei. Da der Begriff eine sinnvolle Aussage treffe, sei er eindeutig und bedürfe keiner Interpretation. Eine Mehrdeutigkeit sei nicht ersichtlich, da der Verkehr stets von der für ihn naheliegenden Bedeutung ausgehe und es ausreiche, wenn eine der denkbaren Bedeutungen beschreibend sei. Fernliegende Bedeutungen könnten ohnehin außer Betracht bleiben. Auf die Frage, ob der Begriff bereits häufig benutzt werde oder lexikalisch nachweisbar sei, komme es nicht an, wenn er dennoch unmittelbar verständlich sei, was hier, wie ausgeführt, der Fall sei. Die Abkürzung “HD” sei auch allgemeinen Verkehrskreisen aus der Fernsehtechnik u. ä. bekannt. Dass zunächst die Bedeutung der einzelnen Bestandteile geklärt werde, stelle noch keine unzulässige zergliedernde Betrachtungsweise dar. Die Gesamtheit des angemeldeten Markenbegriffs enthalte keine über die Bedeutung der Einzelbestandteile hinausgehende schutzfähige Aussage. Das Wort-/Bildzeichen “HD-VIEW” stelle folglich einen beschreibenden Hinweis auf Art, Beschaffenheit und Zweckbestimmung der in Frage stehenden Waren dar. Es beschreibe diese unmittelbar, zumal es eine sinnvolle Sachaussage enthalte.
17
Auch die grafische Gestaltung vermöge es nicht, dem hier zu beurteilenden Zeichen Schutzfähigkeit zu verleihen. Es handele sich lediglich um die Verwendung einer relativ üblichen Schriftart in einem schwarzen Kasten. Die hier vorliegende Gestaltung sei in der Werbung gebräuchlich.
18
Die Erinnerungsprüferin verweist hierzu auf folgende entsprechend gestaltete Wort-/Bildmarken:
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
19
Diese seien trotz ihrer Gestaltung mit verschiedenen Schriftarten und Farben, Einrahmungen, Unterstreichungen oder Untereinanderschreibungen nicht für eintragungsfähig erachtet worden.
20
Dass der Begriff “HD-VIEW” in verschiedenen Schreibweisen, aber immer im Zusammenhang mit einem Sehen in besonders hoher Bildschärfe nicht nur von der Anmelderin bereits verwendet werde, sei aus den dem Beschluss beigefügten Internetauszügen ersichtlich. Die Bezeichnung weise daher nicht zwingend auf die Anmelderin hin. Die angesprochenen Verkehrskreise würden auch nicht davon ausgehen, dass nur eine Institution Waren, die mit einer Betrachtung in hoher Bildschärfe zu tun haben, anbiete. Dieser beschreibende Hinweis reiche schon aus, um der Marke die Eignung zu nehmen, vom Verkehr als Mittel zur Unterscheidung der Waren eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen angesehen zu werden.
21
Ob der Eintragung des Anmeldezeichens darüber hinaus ein Freihaltungsbedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe, könne aufgrund des Fehlens der Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.
22
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde vom 4. Juli 2019, mit der sie sinngemäß beantragt,
23
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 10, vom 19. Dezember 2018 und 4. Juni 2019 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
24
Zur Begründung führt sie aus, die angemeldete Marke sei unterscheidungskräftig. Im vorliegenden Fall seien die angesprochenen Verkehrskreise keine Durchschnittsverbraucher, sondern ausschließlich medizinische Fachkreise, die einen besonders hohen Professionalitätsgrad aufwiesen und beim Erwerb von Waren in ihrem spezifischen Bedarfsbereich naturgemäß höchste Aufmerksamkeit walten ließen. Demgemäß sei die Unterscheidungskraft des zur Eintragung als Marke in das Register angemeldeten Wort-/Bildzeichens “HD-VIEW” aus Sicht dieser Fachkreise zu beurteilen. Die Bezeichnung “HD-VIEW” sei eine lexikalische Erfindung, wenngleich zwar nicht zwingend die jeweiligen Einzelbestandteile, so doch jedenfalls die hier maßgebliche Kombination für die relevanten medizinischen Fachkreise neu sei.
25
Das Amt unterstelle, dass das angemeldete Wort-/Bildzeichen “HD-VIEW” von den angesprochenen Verkehrskreisen im Sinne von “Ansehen mit hoher Bildschärfe” verstanden werde. Seine vermeintliche “Bedeutung” ermittle das Amt anhand einer Internet-Recherche, die allerdings keinerlei Treffer zu medizinischen Apparaten und/oder Instrumenten aufweise. Hier sei das Auswahlermessen bei der Wahl der Recherche unzutreffend angewendet worden, da es sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen eben nicht um Durchschnittsverbraucher, sondern um medizinische Fachkreise handele. Die Bezeichnung “HD-VIEW” bedeute in der Fachsprache gar nichts. Zudem beziehe sich keine der entsprechenden Fundstellen auf ärztliche Apparate und Instrumente o. Ä., so dass die vom Amt vorgelegten “Fundstellen” für das Verständnis des Wort-/Bildzeichens “HD-VIEW” innerhalb der relevanten medizinischen Fachkreise keine Signifikanz hätten.
26
Nachdem das Wort-/Bildzeichen “HD-VIEW” in der relevanten Fachsprache nicht nachweisbar sei, liege wegen der besonderen Aufmerksamkeit der relevanten Verkehrskreise eine erkennbare Abweichung vom normalen Sprachgebrauch vor. Hiernach könne dem Anmeldezeichen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
27
Die Anmelderin verweist auf zahlreiche Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil “HD” für Waren der Klasse 10. In diesem Zusammenhang führt sie aus, das Amt habe offensichtlich zwei unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Die Erinnerungsprüferin verweise auf diverse Anmeldungen (für von der hier vorliegenden Anmeldung abweichende Waren) und darauf, dass diese “ebenfalls” zurückgewiesen worden seien (was nur teilweise zutreffe). Gleichzeitig seien die Hinweise der Anmelderin auf eine offensichtlich relevante Anzahl von Voreintragungen von Zeichen mit dem Bestandteil “HD” in der hier besonders relevanten internationalen Klasse 10 anscheinend “ohne Belang”, da die Entwicklung der Medizintechnologie “rasant” sei und daher damals andere Beurteilungsmaßstäbe geherrscht haben könnten.
28
Des Weiteren macht die Beschwerdeführerin geltend, dass es für die Bejahung der Unterscheidungskraft genüge, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gebe, das Zeichen in Verbindung mit den Waren, für die es eingetragen werden soll, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne Weiteres als Marke verstanden wird. Hierbei seien die in einer bestimmten Branche bestehenden Kennzeichnungsgewohnheiten zu berücksichtigen. Auf den Waren “ärztliche Apparate und Instrumente; flexible Endoskope; Zystoskope” sei nicht ausreichend Platz vorhanden, um aufwändige Wort-/Bildzeichen anzubringen. Allerdings befänden sich auf ihnen flächige, monochrome geometrische Figuren.
29
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
30
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
31
1. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Anmelderin keinen diesbezüglichen Antrag gestellt hat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit geboten ist (§ 69 Nr. 1 und Nr. 3 MarkenG).
32
2. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Deutsche Patent- und Markenamt dem Anmeldezeichen die Eintragung für die verfahrensgegenständlichen Waren versagt, da ihr in diesem Umfang das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht.
33
Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610 – Freixenet; GRUR 2008, 608 – EUROHYPO; BGH GRUR 2014, 569 – HOT; GRUR 2013, 731 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 – Starsat; GRUR 2012, 1044 – Neuschwanstein; GRUR 2010, 825 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 – Die Vision; GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233 – Standbeutel; GRUR 2006, 229 – BioID; GRUR 2008, 608 – EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 – VISAGE; GRUR 2009, 949 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; GRUR 2012, 1044 – Neuschwanstein; GRUR 2012, 270 – Link economy).
34
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943 – SAT.2; BGH GRUR 2010, 935 – Die Vision; GRUR 2010, 825 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006).
35
Hiervon ausgehend besitzen Zeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143 – Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 – Link economy; GRUR 2009, 952 – DeutschlandCard; GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417 – BerlinCard; GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050 – Cityservice; GRUR 2001, 1143 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 – TOOOR!; GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006).
36
Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze kommt dem Anmeldezeichen die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft nicht zu.
37
a) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden englischsprachigen Bestandteilen “HD” und “VIEW” zusammen. Erstgenannter ist die Abkürzung der Wortfolge “high definition”, die im Deutschen die Bedeutung “hohe Bildschärfe, hohe Auflösung” hat (vgl. “https://www.linguee.de/englisch-deutsch/uebersetzung/high+definition.html”). Das zweite Element “VIEW” wird als Substantiv u. a. mit “Bild”, “Sicht” oder “Blick” und als Verb u. a. mit “sehen”, “betrachten” oder “besichtigen” übersetzt (vgl. “https://www.linguee.de/deutsch-englisch/search?source=auto&query=view”). In seiner Gesamtheit werden die angesprochenen Fachkreise aus dem medizinischen, chirurgischen, veterinären oder endoskopischen Bereich (vgl. auch die ausdrückliche Benennung in Klasse 9) unschwer und ohne analysierende Betrachtungsweise dem angemeldeten Zeichen die Bedeutung “Bild mit hoher Schärfe” oder “mit hoher Bildschärfe betrachten” beimessen. Angesichts der weiten Verbreitung der englischen Sprache auch und gerade im täglichen Leben ist es naheliegend, dass beschreibende englischsprachige Begriffe – wie vorliegend der Fall – regelmäßig als solche verstanden werden (vgl. hierzu BeckOK, Markenrecht, 22. Edition, Stand: 1. Juli 2020, § 8, Rdnr. 276). Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der Verbreitung der englischen Sprache in der Werbung und im Internet (vgl. hierzu BPatG 26 W (pat) 501/15 – Fucking awesome, abrufbar unter “www.juris.de”). Nicht zuletzt hat das Deutsche Patent- und Markenamt in seinem angegriffenen Erinnerungsbeschluss unter Verweis auf mehrere Recherchebelege darauf hingewiesen, dass der Begriff “HD-VIEW” in verschiedenen Schreibweisen, aber immer im Zusammenhang mit dem Sehen in besonders hoher Bildschärfe im Inland bereits vielfach Verwendung findet. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass gerade im medizinischen Bereich Englisch als Fachsprache anerkannt ist, um sich international austauschen zu können.
38
b) Ausgehend von den vorstehend genannten Bedeutungen kommt dem Anmeldezeichen in Verbindung mit allen verfahrensgegenständlichen Waren ein beschreibender Sinngehalt zu.
39
Mit Hilfe der Waren
40
“Klasse 9:
41
Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Daten, Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger; CDs; DVDs; digitale Aufzeichnungsträger; Magnete, Magnetisierungs- und Entmagnetisierungsvorrichtungen; Computersoftware; Computer; Computerhardware; Computerprogramme; Datenverarbeitungsgeräte; Laptops; Laptops [Computer]; Hardware für die Datenverarbeitung; Videokameras; integrierte Kamerasysteme; Videobildschirme; Mikroskope; Endoskope und endoskopische Geräte, ausgenommen für medizinische Zwecke; industrielle Endoskope, nicht für medizinische Zwecke;
42
Klasse 10:
43
Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate; Endoskope und endoskopische Geräte für medizinische und chirurgische Zwecke; Endoskopiekameras für medizinische Zwecke; flexible Endoskope; Zystoskope; diagnostische Bildgebungsgeräte für medizinische Zwecke; medizinische bildgebende Apparate”
44
können Bilder mit hoher Schärfe wiedergegeben, aufgenommen, übertragen, gespeichert oder verarbeitet werden. Dies ist vor allem im medizinischen Bereich sehr bedeutsam, da der behandelnde Arzt auf eine gute Bildqualität zwecks korrekter Diagnose und entsprechender Therapie angewiesen ist. Aber auch außerhalb medizinischer Anwendungen (“Endoskope und endoskopische Geräte, ausgenommen für medizinische Zwecke; industrielle Endoskope, nicht für medizinische Zwecke”) kommt es auf eine hohe Auflösung an, um beispielsweise technische Bauteile zuverlässig begutachten zu können.
45
Selbst wenn die “Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Daten, Ton und Bild” auch der Bearbeitung von Tönen dienen, so besteht dennoch ein sehr enger technischer Zusammenhang zu hochaufgelösten Bilddaten, da Ton und Bild regelmäßig gemeinsam aufgezeichnet, übertragen und wiedergegeben werden. Dies wird beispielsweise beim High Definition Television (HDTV, engl. für hochauflösendes Fernsehen) deutlich, mit dem gegenüber dem Standard Definition Television (SDTV) eine erhöhte vertikale, horizontale oder temporale Auflösung erreicht wird (vgl. “https://de.wikipedia.org/wiki/High_Definition_Television”).
46
In Verbindung mit den Waren
47
“Bilddateien zum Herunterladen, elektronische Publikationen, nämlich elektronische Kataloge, elektronische Berichte und Aufzeichnungen aus OP-Räumen”
48
bringt das Anmeldezeichen lediglich zum Ausdruck, dass die Dateien und die elektronischen Veröffentlichungen eine hochauflösende Bildqualität aufweisen und damit besonderen Anforderungen sowie Ansprüchen genügen. Durch die abgebildeten Einzelheiten werden zusätzliche Informationen dem Abnehmer vermittelt und damit der Nutzen für ihn deutlich erhöht.
49
c) Zu Recht hat die Markenstelle auch die vorliegende grafische Gestaltung als nicht geeignet angesehen, dem Zeichen das notwendige Maß an Unterscheidungskraft zu vermitteln. Hat – wie vorliegend – das ausgestaltete Wort selbst wegen beschreibenden Charakters keine Unterscheidungskraft, kann diese für das Gesamtzeichen aufgrund der grafischen Gestaltung entstehen, wenn das angesprochene Publikum diese als ungewöhnlich empfindet. Bei der angemeldeten Wort-/Bildmarke handelt es sich jedoch lediglich um die Kombination der Bezeichnung “HD-VIEW” mit Großbuchstaben in einer üblichen Schriftart, wobei sich jene in inverser Schrift in einem länglichen schwarzen Rechteck befindet. Die hier vorliegende Gestaltung ist in der Werbung gebräuchlich, wie die im Erinnerungsbeschluss angeführten Beispiele belegen. Da der Verkehr hieran gewöhnt ist, kann die einfache grafische Ausgestaltung nicht von der aufgezeigten Sachaussage durch den Wortbestandteil wegführen.
50
d) Die von der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 31. März 2010, I ZB 62/09 – Marlene-Dietrich-Bildnis II) geltend gemachten Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem einschlägigen Warengebiet führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar sind diese – wie die Beschwerdeführerin zu Recht ausführt – und die tatsächliche Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrsteilnehmer bei der Prüfung des Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu berücksichtigen. Demzufolge sind mangels anderer Anhaltspunkte alle Verwendungsarten der angemeldeten Marke zu prüfen, die angesichts dessen, was in der betreffenden Branche üblich ist, praktisch bedeutsam sein können (EuGH GRUR 2019, 1194 – #darferdas?). Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang mit Hilfe einer Warenabbildung dargelegt, dass zumindest auf den Waren “ärztliche Apparate und Instrumente; flexible Endoskope; Zystoskope” Marken in Form von flächigen, monochromen geometrischen Figuren angebracht seien. Auf dem eingereichten Bild befindet sich das angemeldete Zeichen links auf einem Gehäuse von einem mangels näherer Angaben nicht identifizierbaren Gerät, während in der Mitte der Name der Anmelderin mit weiteren technischen Angaben und rechts zwei Symbole aufgedruckt sind. Diese Art der Verwendung lässt nicht darauf schließen, dass die angesprochenen Verkehrsteilnehmer das Anmeldezeichen regelmäßig als Marke wahrnehmen. Ebenso kann es als Hinweis auf technische Eigenschaften des Produkts aufgefasst werden. Gerade bei optischen Geräten kommt es auf die Qualität der Darstellung an, so dass eine Angabe zur Auflösung des wiedergegebenen Bildes für den Anwender sehr wichtig ist. Weitere praktisch bedeutsame Verwendungsarten als die Positionierung an einer (beliebigen) Stelle auf dem Gehäuse wurden von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht und sind auch ersichtlich.
51
e) Auch die von der Beschwerdeführerin angeführten Voreintragungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Etwaige Entscheidungen über (unterstelltermaßen) ähnliche Anmeldungen sind zwar, soweit sie bekannt sind, im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob im gleichen Sinn zu entscheiden ist oder nicht. Sie sind aber keinesfalls bindend (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online.de u. ZVS [Schwabenpost]). Da das Deutsche Patent- und Markenamt die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zutreffend bejaht hat, kommt es auf die weiteren Voreintragungen nicht an. Zum einen können aus nicht begründeten Eintragungen anderer Marken keine weitergehenden Informationen im Hinblick auf die Beurteilung der konkreten Anmeldung entnommen werden. Zum anderen darf auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online.de u. ZVS [Schwabenpost]; BGH GRUR 2011, 230 – SUPERgirl; WRP 2011, 349 – FREIZEIT Rätsel Woche; GRUR 2012, 276 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.).
52
3. Ob der Eintragung des Anmeldezeichens darüber hinaus ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann aufgrund obiger Ausführungen im Ergebnis dahinstehen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben