Patent- und Markenrecht

29 W (pat) 51/20

Aktenzeichen  29 W (pat) 51/20

Datum:
8.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:081221B29Wpat51.20.0
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

(Nichtigkeitsverfahren S 43/19 Lösch)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2021 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und den Richter kraft Auftrags Posselt
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Mai 2020 aufgehoben, die Marke 30 2018 025 800 für nichtig erklärt und deren Löschung angeordnet.

Gründe

I.
1
Die angegriffene farbig (orange, schwarz, grün, blau) ausgestaltete Wort-/Bildmarke 30 2018 025 800
2
ist für die Waren und Dienstleistungen
3
Klasse 09: elektronische Publikationen; elektronische Zeitschriften;
4
Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Zeitschriften;
5
Klasse 41: Veröffentlichung von Publikationen; Veröffentlichung von Zeitschriften,
6
am 29. Oktober 2018 angemeldet und am 16. Januar 2019 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden.
7
Mit am 15. März 2019 beim DPMA per Fax eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin und hiesige Beschwerdeführerin unter Zahlung der Gebühr die Nichtigerklärung und Löschung dieser Marke aufgrund absoluter Schutzhindernisse gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG beantragt.
8
Die Antragstellerin macht geltend, dass die angegriffene Marke nicht unterscheidungskräftig sei und verweist im Wesentlichen auf die Begründung eines Beanstandungsbescheides des DPMA vom 18. Februar 2019 für die von der Antragstellerin selbst angemeldete Wort-/Bildmarke 30 2018 238 489.0 . Dort sei die Anmeldung als Titel beanstandet worden, nämlich, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen sich an eine Bewohnerin der Oberpfalz richteten bzw. von einer solchen herausgegeben würden. Der Hashtag sei üblich und könne die Unterscheidungskraft nicht begründen. Es bestehe daher auch ein Freihaltebedürfnis an der beschreibenden Angabe. Diese Markenanmeldung sei mittlerweile auch mit Erstprüferbeschluss zurückgewiesen worden und die Beschwerde unter dem Aktenzeichen 29 W (pat) 578/19 beim Bundespatentgericht anhängig. Die Antragstellerin verweist zudem auf ein gerichtliches Schreiben vom 9. Dezember 2019, in dem der hier erkennende 29. Markenbeschwerdesenat die vorläufige Rechtsauffassung mitteile, dass die von der Antragstellerin angemeldete Marke nicht schutzfähig sei. Vergleichbares müsse auch für die hier in Rede stehende Marke gelten.
9
Der Markeninhaber hat dem ihm gegen Empfangsbekenntnis am 10. April 2019 zugestellten Nichtigkeitsantrag mit am 9. Mai 2019 per Fax beim DPMA eingegangenen Schreiben vom selben Tag widersprochen und beantragt, die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
10
Mit Beschluss vom 11. Mai 2020 hat die Markenabteilung 3.4 den Nichtigkeitsantrag zurückgewiesen, Kosten weder auferlegt noch erstattet und den Gegenstandswert auf 50.000 Euro festgesetzt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der zulässige Antrag in der Sache nicht begründet sei, weil die geltend gemachten Schutzhindernisse nicht vorlägen. Der angegriffenen Marke fehle nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. Zwar sei mit der Antragstellerin festzustellen, dass der Bestandteil „Oberpfälzerin“ als Hinweis auf eine Themen- oder Inhaltsangabe der beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufgefasst werden könne. Insoweit bestehe Einklang mit dem Zurückweisungsbeschluss und der vorläufigen Rechtsauffassung des BPatG zu der von der Antragstellerin selbst angemeldeten Marke. Jedoch unterscheide sich die vorliegende Marke in ihrer grafischen Ausgestaltung deutlich von der angemeldeten Marke der Antragstellerin. Die streitgegenständliche Wort-/Bildmarke bestehe aus einer mehrfarbigen Schriftgestaltung und zwei verschieden farbigen Bögen, die den Schriftzug begleiteten. Zwar könne man interpretieren, dass es sich bei dem oberen Bogen um die Darstellung eines begrünten Berges und bei dem unteren Bogen um die Darstellung eines Flusses handele. Jedoch sei die Darstellung hinreichend verfremdet, mit dem Schriftzug verwoben und weiche vom Werbeüblichen ab. Die Mehrfarbigkeit, die verschiedenen grafischen und schriftbildlichen Gestaltungen sowie die Binnengroßschreibung führten in ihrer Gesamtheit zu einem hinreichend unterscheidungskräftigen Gesamteindruck. Die Marke erhalte dadurch ihren Schutz und werde damit auch auf diesen begrenzt.
11
Es handele sich bei der Streitmarke auch nicht um eine im Eintragungszeitpunkt freizuhaltende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Da die Marke sowohl aus beschreibenden Wortbestandteilen, aber auch verschiedenen nicht beschreibenden, nicht nur als unwesentliches Beiwerk wahrgenommen grafischen Gestaltungen bestehe, die in ihrer Gesamtheit von der beschreibenden Aussage fortführten, bestehe kein Freihaltebedürfnis an der konkreten Ausgestaltung. Der Nichtigkeitsantrag sei daher zurückzuweisen.
12
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
13
Die Beschwerdeführerin beantragt,
14
den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Mai 2020 aufzuheben und die Marke 30 2018 025 800 für nichtig zu erklären und zu löschen.
15
Der Beschwerdegegner beantragt,
16
die Beschwerde zurückzuweisen.
17
Im Amtsverfahren hat er die Auffassung vertreten, dass der Marke Unterscheidungskraft zukomme und sie nicht freihaltebedürftig sei. Die Antragstellerin stütze ihre Auffassung zur Schutzunfähigkeit ausschließlich auf die Beanstandung ihrer eigenen Markenanmeldung und übertrage sie auf die vorliegende Marke. Die hier gegenständliche Marke bestehe jedoch aus einer grafischen Gestaltung und einem mehrdeutigen, schutzfähigen Begriff und sei jedenfalls in der Gesamtheit schutzfähig. Daher bestehe auch kein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Insbesondere sei die von der Antragstellerin angemeldete Marke nur mit einem Hashtag ausgestaltet und nicht mit der hier vorliegenden Grafik zu vergleichen, weswegen auch der Verweis auf den Verfahrenshinweis des Bundespatentgerichts in Sachen 29 W (pat) 578/19 nicht greife.
18
Weder die Beschwerdeführerin noch der Beschwerdegegner haben sich vor der mündlichen Verhandlung zur Sache geäußert oder einen (Hilfs)Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
19
Der Senat hat eine mündlichen Verhandlung wegen Sachdienlichkeit gemäß § 69 Nr. 3 MarkenG anberaumt und Termin am gleichen Tag bestimmt wie in den Verfahren 29 W (pat) 24/19 (betreffend die Wortmarkenanmeldung 30 2018 015 088.4 „Die OberpfälzerIn“; dort ist nach einem gerichtlichen Hinweis auf Antrag des Anmelders und hiesigen Beschwerdegegners nach § 69 Nr. 1 MarkenG geladen worden) und 29 W (pat) 578/19 (betreffend die Wort-/Bildmarkenanmeldung 30 2018 238 489.0 ; dort ist nach einem gerichtlichen Hinweis die Anmelderin und hiesige Beschwerdeführerin ebenfalls wegen Sachdienlichkeit geladen worden).
20
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
21
Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist auch begründet.
22
Denn der Antrag auf Nichtigerklärung und Löschung der Streitmarke 30 2018 025 800, die sich aus der Angabe „Die OberpfälzerIn“ und grafischen Elementen zusammensetzt, ist gemäß §§ 54, 50 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig und in der Sache auch begründet.
23
Der Eintragung der streitgegenständlichen Marke steht und stand im Zeitpunkt der Anmeldung das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenabteilung 3.4 hat daher zu Unrecht den Antrag auf Löschung der Markeneintragung wegen Nichtigkeit zurückgewiesen (§ 50 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG).
24
A. Der Antrag auf Löschung gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG ist nach dem 14. Januar 2019 gestellt worden, nämlich am 15. März 2019. Anzuwenden ist § 50 MarkenG daher in seiner neuen Fassung, vgl. § 158 Abs. 8 MarkenG. Des Weiteren anzuwenden ist die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 54 MarkenG in der bis zum 30. April 2020 geltenden Fassung (vgl. Art. 5 Abs. 3 MarkenrechtsmodernisierungsG).
25
Dem auf die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG gestützten und auch ansonsten zulässigen Löschungsantrag der Beschwerdeführerin hat der Markeninhaber rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG a. F. widersprochen, so dass die Voraussetzungen zur Durchführung des Löschungsverfahrens gemäß § 54 Abs. 2 S. 3 MarkenG a. F. vorliegen.
26
B. Nach § 50 Abs. 1 MarkenG wird die Eintragung einer Marke auf Antrag für nichtig erklärt und gelöscht, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist. Wird geltend gemacht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände der §§ 3, 7 und 8 MarkenG verstoßen, kann eine Nichtigerklärung und Löschung nur erfolgen, wenn das Eintragungshindernis sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens als auch gemäß § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG – mit Ausnahme der Feststellung der Bösgläubigkeit – noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde zweifelsfrei besteht (vgl. BGH GRUR 2021, 1195 Rn. 11 – Black Friday; GRUR 2018, 301 Rn. 9 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 378 Rn. 14 – LIQUIDROM; GRUR 2015, 1012 Rn. 8 – Nivea-Blau; GRUR 2014, 565 Rn. 10 und Rn. 18 – smartbook).
27
C. Die Streitmarke ist und war nicht unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
28
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren/ Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rn. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – #darferdas? II; a. a. O.– OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rn. 15 – Pippi-Lang-strumpf-Marke).
29
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
30
Besteht eine Marke – wie im vorliegenden Fall – aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (BGH GRUR 2014, 1204 Rn. 9 – DüsseldorfCongress). Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt (BGH GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops). Bei solchen aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es schließlich zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 – SAT.2; GRUR 2006, 229 – BioID).
31
Ein Zeichen besitzt dann keine Unterscheidungskraft, wenn der angesprochene Verkehr ihm lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 Nr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn es aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache besteht, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH a. a. O. Rn. 12 – OUI; a. a. O. Rn. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH a. a. O. Rn. 12 – DüsseldorfCongress).
32
Handelt es sich bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen um solche, die neben ihrem Charakter als handelbare Güter – wie im vorliegenden Streitfall – einen bezeichnungsfähigen gedanklichen Inhalt aufweisen können, ist zu berücksichtigen, dass ungeachtet eines etwaigen Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 MarkenG die Bezeichnungen von Druckschriften auch dem Markenschutz zugänglich sind (BGH GRUR 2000, 882 – Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2001, 1042 – REICH UND SCHOEN). Die Zielrichtung von Titel- und Markenschutz ist dabei unterschiedlich. Während der Titel im Allgemeinen inhaltsbezogen ist, ist es die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Frage einer hinreichenden Unterscheidungskraft ist dabei nach den allgemeinen markenrechtlichen Grundsätzen und nicht nach den Maßstäben des Schutzes von Zeitschriften- und Zeitungstiteln zu beantworten, bei denen häufig eine geografische Angabe verbunden mit einer reinen Gattungsbezeichnung als ausreichend angesehen wird (BGH GRUR 1974, 661, 662 – St. Pauli-Nachrichten). Die markenrechtliche Unterscheidungskraft ist dann zu verneinen, wenn die betreffende Bezeichnung geeignet ist, den gedanklichen Inhalt der Waren und Dienstleistungen zu beschreiben (BGH GRUR 2001, 1043 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Davon ist insbesondere bei Bezeichnungen auszugehen, die nach Art eines Sachtitels gebildet sind (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 8 Rn. 297-299; BPatG GRUR 2006, 593 – Der kleine Eisbär).
33
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen weist die Streitmarke in Bezug auf die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen keine markenrechtliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf. Denn die angesprochenen Verkehrskreise werden sie nur als werblich gestaltete Sachaussage, nicht jedoch als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen.
34
a) Von den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen werden neben den Fachkreisen in erster Linie Endverbraucher angesprochen.
35
b) Die angegriffene Marke setzt sich aus den Wortelementen „OberpfälzerIn“ ergänzt durch den vorangestellten bestimmten Artikel „Die“ sowie grafischen Elementen zusammen; die Angabe „Die“ ist – genauso wie die nachfolgende Angabe „Oberpfälzer“ in oranger Farbe gehalten, wobei der Artikel deutlich kleiner geschrieben ist. Zudem befindet sich unmittelbar an die Angabe „Oberpfälzer“ angehängt in schwarzer Schrift die Buchstabenfolge „In“. Über den Buchstaben „Die Ober“ befindet sich ein grüner Bogen und unterhalb der Buchstaben „fälzerIn“ ein blauer Bogen.
36
aa) Der Wortbestandteil des angegriffenen Zeichens hat nur einen in Vordergrund stehenden, die Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt.
37
(1) Die Angabe „Die OberpfälzerIn“ verwendet – deutlich erkennbar angesichts der unterschiedlichen Farbgestaltung – das sog. Binnen-I, also den Großbuchstaben I zur Darstellung von männlicher und weiblicher Form innerhalb desselben Wortes (vgl. hierzu DUDEN Online unter www.duden.de, Stichwort: Binnen-I). Es soll bei Bezeichnungen von Personengruppen kenntlich machen, dass sowohl die weibliche als auch die männliche Form gemeint ist, ohne beide Genera ausschreiben zu müssen oder das generische Maskulinum zu verwenden. Der Wortbestandteil beinhaltet daher sowohl einen Hinweis auf eine Bewohnerin der Oberpfalz als auch auf mehrere Oberpfälzer. Die Oberpfalz ist der nordöstliche Regierungsbezirk des Freistaates Bayern. Die Einwohner – zum Zeitpunkt der Anmeldung der Streitmarke etwa 1,1 Mio. – werden Oberpfälzer bzw. Oberpfälzerinnen genannt. Der Regierungsbezirk Oberpfalz umfasst drei kreisfreie Städte und sieben Landkreise (vgl. hierzu Wikipedia Online-Enzyklopädie, Stichwort: Oberpfalz).
38
(2) In Bezug auf die Waren der Klassen 9 und 16 kann die Wortfolge „Die OberpfälzerIn“ zum einen das Produkt selbst in personalisierter Form als ein solches aus der Oberpfalz bezeichnen und damit einen geografischen Herkunftshinweis geben. Zum anderen hat die Angabe als Zielgruppen- und Inhaltshinweis beschreibende Bedeutung, nämlich dahingehend, dass sich die Druckschriften an Frauen aus der Oberpfalz, aber auch an (männliche) Oberpfälzer wenden und damit inhaltlich und thematisch auf deren Interessen ausgerichtet sind. Derartige geografische Angaben sind im Übrigen in der hier betroffenen Branche als inhalts- und themenbezogene Bezeichnungen zweifellos üblich, worauf der Beschwerdegegner im Verfahren 29 W (pat) 24/19 selbst hingewiesen hatte (vgl. auch nachfolgende Ausführungen unter Ziffer C 4.).
39
(3) Auch in Bezug auf die in Klasse 41 beanspruchten Dienstleistungen ist eine beschreibende Bedeutung zu bejahen. Regelmäßig wird sich der für Druckschriften beschreibende Begriffsinhalt gleichermaßen auf die Dienstleistungen beziehen, die zur Entstehung der Druckschrift führen, nämlich, wenn das in Rede stehende Zeichen geeignet ist, einen weiten Themenbereich abzudecken und den Inhalt einer Vielzahl unterschiedlicher Druckschriften zu umschreiben (vgl. BGH GRUR 2014, 483 Rn. 18 – test; GRUR 2013, 522 Rn. 17 – Deutschlands schönste Seiten).
40
Ein Druckerzeugnisse beschreibendes Zeichen verfügt mithin allenfalls dann für Verlagsdienstleistungen über die erforderliche Unterscheidungskraft, wenn es sich nur zur Beschreibung eines sehr eng begrenzten Themas oder eines einzelnen Druckwerks eignet (vgl. BPatG, Beschluss vom 26. Januar 2010 – 33 W (pat) 100/07 – AIR FORCE ONE). Anders als der Beschwerdegegner meint, liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Weder ist es lebensfremd noch aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich, dass Verlage nur solche Druckschriften herausgeben, die sich mit Themen aus der Oberpfalz beschäftigen. Vielmehr lässt die Angabe „Die OberpfälzerIn“ durchaus eine thematische Breite zu. Denn eine Zeitung oder eine Zeitschrift mit einer derartigen regionalen Beschränkung auf die Oberpfalz kann eine Vielzahl von lokalen und regionalen Themen – z. B. zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Mode, Sport, Geschichte etc. – aufgreifen und zugleich eine nicht unerhebliche Zahl von Lesern in erster Linie aus der Oberpfalz erreichen. Daher ist es auch vorstellbar, dass ein Verlag sich dementsprechend inhaltlich beschränkt. Vor diesem Hintergrund wird der angesprochene Verkehr sehr wohl die titelartige Bezeichnung „Die OberpfälzerIn“ wegen der Nähe der in Rede stehenden Publikationsdienstleistungen zum Werktitel unmittelbar und ohne Weiteres auf die Dienstleistungen der Klasse 41 selbst beziehen (vgl. BGH GRUR 2009, 949 Rn. 20 – My World).
41
(4) Der Umstand, dass den Wortbestandteilen der Streitmarke mehrere Bedeutungen zukommen können, führt nicht zu einer schutzbegründenden Mehrdeutigkeit und/oder Interpretationsbedürftigkeit, denn alle der vorgenannten Bedeutungen sind beschreibend. Hat aber ein Markenwort mehrere Bedeutungen, die sämtlich in Bezug auf die eingetragenen Waren und Dienstleistungen beschreibend sind, reicht der allein durch die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand des Verkehrs für die Bejahung einer Unterscheidungskraft nicht aus (BGH GRUR 2014, 569 Rn. 24 – HOT)
42
(5) Der Wortbestandteil des hier streitgegenständlichen Zeichens wird nach alledem vom Verkehr in Bezug auf die elektronischen Druckereierzeugnisse der Klasse 9 und solchen in Printform der Klasse 16 sowie auf die darauf bezogenen Veröffentlichungsdienstleistungen der Klasse 41 naheliegend als zielgruppen- und themenbeschreibender Hinweis darauf aufgefasst, dass es sich bei diesen Publikationen und Zeitschriften um solche aus der Oberpfalz handelt, die auf die Bedürfnisse der Oberpfälzerinnen und der Oberpfälzer zugeschnittene Informationen enthalten.
43
bb) In Anbetracht der fehlenden Unterscheidungskraft des Wortbestandteils wirkt schließlich auch die konkrete grafische Ausgestaltung der Streitmarke nicht schutzbegründend.
44
Grundsätzlich kann einem Wort-/Bildzeichen, unbeschadet der fehlenden Unter-scheidungskraft seiner Wortbestandteile, als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die grafischen Elemente charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (vgl. EuGH GRUR 2006, 229 Rn. 73, 74 – BioID; BGH GRUR 2010, 640 – hey!; GRUR 2001, 1153 – anti Kalk). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbilds, an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wortbestandteile nicht aufzuwiegen (BGH GRUR 2014, 376 Rn. 18 – grill meister; GRUR a. a. O. – anti-KALK). Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente bzw. eine den schutzunfähigen Charakter der übrigen Zeichenteile aufhebende, kennzeichnungskräftige Verfremdung im Gesamteindruck des Zeichens, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen. Daran fehlt es, wenn sich das Bildelement in rein dekorativen Hervorhebungsmitteln erschöpft oder ausschließlich die – sachbezogenen – Aussagen der anderen Zeichenteile illustriert (BGH GRUR 2008, 710 Rn. 20 – VISAGE; a. a. O. – antiKALK).
45
Die hier eingesetzten Gestaltungsmerkmale, nämlich die unterschiedliche Schriftgestaltung – „OberpfälzerIn“ in Fettdruck und größer als die Angabe „Die“ -, die Kombination unterschiedlicher Farben (vgl. hierzu BPatG 30 W (pat) 547/16 – ) sowie die Verwendung von Bögen (vgl. hierzu BPatG 30 W (pat) 523/18 – ; 30 W (pat) 50/11 –
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
; 25 W (pat) 525/10 –
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
) sind in keiner Weise ungewöhnlich, sondern einfach und gehören zum Standard der Werbegrafik.
46
Das Zeichen weist keine charakteristischen Merkmale auf, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sehen würde. Dass bei der Angabe „Oberpfälzer“ die Endung „In“ schwarz gehalten ist, unterstützt die Bedeutung als Binnen-I im Sinne der Kurzform für eine gendergerechte Schreibweise von Oberpfälzer und Oberpfälzerin und ist dadurch ohne eine besonders hervortretende Gestaltung auf die darin enthaltenen Sachangaben bezogen. Der grüne obere und der blaue untere Bogen sind derart werbeüblich, dass hierdurch keine herkunftshinweisende Wirkung vermittelt wird. Sofern beim Verbraucher mit dem grünen Bogen Bäume bzw. Wälder und mit dem blauen Bogen Gewässer assoziiert werden, verstärkt dies lediglich den geografischen Hinweis auf die Oberpfalz. Eine besondere bildhafte Wirkung oder hinreichende Verfremdung des Gesamteindrucks der Marke vermag der Senat darin nicht zu erkennen.
47
Der Verkehr wird die genannten Gestaltungsmittel als rein dekorative und nicht als kennzeichnende Elemente wahrnehmen, so dass sie – anders als die Markenabteilung und der Markeninhaber meinen – die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht zu begründen vermögen.
48
Das Schutzhindernis bestand nach Überzeugung des Senats bereits bei der Anmeldung der angegriffenen Marke im Oktober 2018.
49
3. Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
50
4. Der Umstand, dass Orts- oder Gebietsbezeichnungen als Titel für periodische Druckschriften üblich sind, führt nicht zu einer anderen Bewertung in markenrechtlicher Hinsicht. Denn entsprechende Bezeichnungen wie z. B. „Mittelbayerische Zeitung“, „Straubinger Tagblatt“, „Mittelbayerische Zeitung“, „Straubinger Tagblatt“, „Nürnberger Nachrichten“, „Das Bayerwald Echo“, „Die Donaupost“ sind gar nicht oder – wie die „Süddeutsche Zeitung“ (Nr. 301 31 631) – nur als verkehrsdurchgesetzte Marke in das Markenregister eingetragen. Die Wortmarke „Die Münchnerin“ (Nr. 30 2014 051 801) ist erst nach einer Teilzurückweisung für „Druckereierzeugnisse“ zur Eintragung gelangt. Im Übrigen haben Anmeldungen mit dem Bestandteil „Oberpfälzer“ wegen des geografischen Hinweises auf den bayerischen Regierungsbezirk schon zu vielfachen Zurückweisungen geführt, wie dem Register ohne weiteres zu entnehmen ist.
51
Schließlich führt auch der Hinweis des Beschwerdegegners auf die zu seinen Gunsten für Fachzeitschriften eingetragene Marke 30 2008 065 906 zu keinem anderen Ergebnis. Anders als der Beschwerdegegner in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, erschöpft sich die grafische Gestaltung dieses Zeichens nicht in einem kleinen Stern am letzten Buchstaben „S“; vielmehr weist es einen Spiegelungseffekt auf. Die Frage, ob die Ausgestaltung bzw. gegebenenfalls welches Bildelement die Unterscheidungskraft dieses Zeichens zu begründen vermochte, kann aber dahinstehen. Denn auf Voreintragungen kommt es nicht an. Zum einen können aus nicht begründeten Eintragungen anderer Marken keine weitergehenden Informationen im Hinblick auf die Beurteilung des konkreten beschwerdegegenständlichen Zeichens entnommen werden und zum anderen darf auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online.de u. ZVS [Schwabenpost]; BGH GRUR 2014, 569 Rn. 30 – HOT; GRUR 2011, 230 – SUPERgirl; WRP 2011, 349 – FREIZEIT Rätsel Woche; GRUR 2012, 276 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.).
52
D. Die Beschwerde der Antragstellerin führt nach alledem zum Erfolg, so dass der angegriffene Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben, die angegriffene Marke für nichtig zu erklären und deren Löschung anzuordnen waren.
53
E. Soweit der Beschwerdegegner einen Verstoß des erkennenden Senats gegen seine Pflicht nach § 139 ZPO gerügt hat, weil kein schriftlicher Hinweis erfolgt ist, liegt darin keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Der Senat war auch nicht gehalten, dem Beschwerdegegner eine Schriftsatznachlassfrist zu gewähren. Die Beteiligten hatten in der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit, sich zu dem der rechtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zu der Rechtslage zu äußern. Dass es im vorliegenden Streitfall vor allem auf die Frage ankommen werde, ob die grafische Ausgestaltung dem angegriffenen Zeichen zur Unterscheidungskraft verhilft, konnte der Beschwerdegegner bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt ohne weiteres erkennen. So wurde insbesondere in dem Beschwerdeverfahren 29 W (pat) 24/19 auf entsprechenden Hilfsantrag des Beschwerdeführers und hiesigen Beschwerdegegners geladen und zuvor mit gerichtlichem Schreiben darauf hingewiesen, dass der Senat seine Wortmarkenanmeldung „Die OberpfälzerIn“ nicht für schutzfähig erachte. Darüber hinaus sind dem von der Antragstellerin in das hiesige Verfahren eingebrachten gerichtlichen Verfahrenshinweis aus dem Beschwerdeverfahren 29 W (pat) 578/19 die Anforderungen an die grafische Ausgestaltung bei beschreibenden Wortbestandteilen einer Wort-/Bildmarke zu entnehmen; nicht zuletzt sind diese auch im Verfahren vor dem DPMA und in dem angegriffenen Beschluss der Markenabteilung – wenn auch mit anderem Ergebnis – eingehend diskutiert worden.
54
Das Gebot rechtlichen Gehörs verlangt nicht, dass das Gericht vor der mündlichen Verhandlung oder vor dem Erlass seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; denn ein Verfahrensbeteiligter muss schon von sich aus alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte in Betracht ziehen (vgl. BGH GRUR 2000, 894 – Micro-PUR). Das Gericht ist schließlich auch nicht gehalten, vorab darauf hinzuweisen, dass es den Streitfall anders beurteilt als das Deutsche Patent- und Markenamt (vgl. BGH GRUR 2006, 152 Rn. 13 – Gallup, unter Hinweis auf BVerfGE 74, 1, 5; BVerfG NJW-RR 1996, 253, 254).
55
F. Zur Auferlegung von Kosten auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.


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