Patent- und Markenrecht

30 W (pat) 44/20

Aktenzeichen  30 W (pat) 44/20

Datum:
16.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:161221B30Wpat44.20.0
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2016 100 100
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Dr. Weitzel und des Richters Dr. Meiser
beschlossen:
I. Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag des Markeninhabers, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Bildmarke
2
ist am 9. Januar 2016 angemeldet und am 13. April 2016 unter der Nummer 30 2016 100 100 für die Waren und Dienstleistungen
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„Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Broschüren; Bücher; Informationsblätter; Aufkleber; Schreibwaren; Büroartikel [ausgenommen Möbel]; Lehr- und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate]; Verpackungsmaterial aus Papier und Kunststoff; Teile und Zubehör für alle vorgenannten Waren, soweit in dieser Klasse enthalten
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Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche Aktivitäten; kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Workshops [Ausbildung] und Seminaren; Verfassen und Herausgabe von Publikationen nicht zu Werbezwecken, auch elektronisch; Verleih, Vermietung und Verpachtung von Gegenständen in Zusammenhang mit der Erbringung der vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten
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Klasse 44: medizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; Dienstleistungen eines Arztes; Betrieb von Kliniken; Dienstleistungen von medizinischen Kliniken; medizinische Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen durch Ärzte und sonstiges medizinisches Fachpersonal; Verleih, Vermietung und Verpachtung von Gegenständen in Zusammenhang mit der Erbringung der vorgenannten Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten“
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in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 13. Mai 2016.
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Hiergegen richtet sich der beim Deutschen Patent- und Markenamt am 19. Juli 2016 eingelegte Widerspruch aus der am 19. November 2009 angemeldeten und seit dem 4. März 2010 eingetragenen Bildmarke 30 2009 068 503
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die u.a. für folgende Waren und Dienstleistungen Schutz genießt:
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„Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Fotografien; Schreibwaren; Büroartikel; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten;
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Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;
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Klasse 44:Medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen, insbesondere Dienstleistungen eines Arztes, eines Krankenhauses, einer Rehabilitationsklinik, eines medizinischen Versorgungszentrums und einer Poliklinik; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; Gesundheitsförderung durch Gesundheitsberatung; medizinische Rehabilitation in Form der Durchführung von Krankengymnastik, von Rehabilitationsmaßnahmen und von Gesundheitssport; Altenpflege; ambulante Pflegedienstleistungen; Patientenversorgung durch IT-gestützte Kommunikation und IT-gestützte Informationsübermittlung, Versorgung von Patienten durch Einbeziehung deren Identifikationen sowie Identifikation, Lokalisierung und Legalisierung medizinischer Geräte und Apparate, insbesondere unter Einsatz der RFID (Radio Frequency Identification)-Technik (soweit in Klasse 44 enthalten)“.
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Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2017, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am gleichen Tag, hat der Inhaber der angegriffenen Marke die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke erhoben. Die Widersprechende hat im Amtsverfahren Unterlagen (Geschäftsberichte, Bildschirmausdrucke) zur Benutzung vorgelegt, die sie im Beschwerdeverfahren u.a. um eine eidesstattliche Versicherung ergänzt hat.
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Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschlüssen vom 18. Februar 2019 und vom 11. August 2020, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Die Erstprüferin hat zur Begründung ausgeführt, auf die zulässigerweise von dem Inhaber der angegriffenen Marke erhobene Einrede der fehlenden Benutzung habe die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Nach den eingereichten Unterlagen werde die Widerspruchsmarke überwiegend in Zusammenhang mit dem in Farbe und Größe entsprechenden Wortbestandteil ASKLEPIOS verwendet, z.B. , wodurch der kennzeichnende Charakter i.S. des § 26 Abs. 3 MarkenG verändert werde. Das Bildzeichen wirke in der benutzten Form lediglich wie eine vorangestellt beschreibende Illustration des eigenständig kennzeichnungskräftigen Wortzeichens „ASKLEPIOS“. Durch dessen Hinzufügung werde die vorliegende Widerspruchsbildmarke in einer Weise überlagert, dass dem Wortbestandteil „ASKLEPIOS“ eigene kennzeichnende Bedeutung nicht abgesprochen werden könne. Der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke sei somit deutlich verändert, so dass nicht von einer rechtserhaltenden Benutzung ausgegangen werden könne. Der Widerspruch sei somit nach § 43 Abs. 1 MarkenG zurückzuweisen.
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Unabhängig davon bestehe aufgrund mangelnder Ähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken auch keine Verwechslungsgefahr i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei leicht eingeschränkt. Letztere bestehe aus der Wiedergabe eines Äskulapstabs, einem geläufigen Symbol der Heilkunde sowie des ärztlichen und pharmazeutischen Standes, sowie der Abbildung zweier einfacher geometrischer Formen, nämlich einem Kreis und einem Dreieck, welche übereinandergelegt den Äskulapstab umschlössen. Zwar weise das Zeichen durch die Umrahmung im Gesamteindruck noch eine schutzbegründende Unterscheidungskraft auf. Gleichwohl handele es sich dabei um ein eher dekoratives Hervorhebungsmittel des im Mittelpunkt stehenden Äskulapstabs, der auf Art, Inhalt und Sachbezug der betreffenden Waren und Dienstleistungen hinweise. Der beschreibende Sachbezug des Zeichens trete somit nicht völlig in den Hintergrund, so dass von einer unter dem Durchschnitt liegenden Kennzeichnungskraft auszugehen sei. Die von der Widersprechenden vorgetragene langjährige Nutzung und hohe Bekanntheit der Widerspruchsmarke und eine hieraus resultierende erhöhte Kennzeichnungskraft seien nicht belegt, da nicht klar sei, ob sich der Vortrag der Widersprechenden auf die gegenständliche Bildmarke oder auf das Wortzeichen „ASKLEPIOS“ oder auf die Wort-/Bildkombination beziehe.
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Die sich gegenüberstehenden Marken seien im entscheidungserheblichen Umfang zur Kennzeichnung teilweise identischer, ansonsten hochgradig ähnlicher und wirtschaftlich nahestehender Waren und Dienstleistungen bestimmt.
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Im Hinblick auf die Markenähnlichkeit wichen die Vergleichszeichen bildlich hinreichend deutlich voneinander ab. Bei der Widerspruchsmarke vermittle die Umrahmung des Äskulapstabs bestehend aus den einfachen, übereinandergelegten geometrischen Formen Kreis und Dreieck in grüner Farbe, einen anderen Gesamteindruck als die angegriffene Marke, deren Umrahmung erheblich offener, abstrakter bzw. künstlerischer gestaltet sei. Das gelte auch, wenn unter Berücksichtigung des von der Widersprechenden vorgetragenen „Filling-in“ gleichfalls eine dreieckige bzw. runde Form angedeutet sei. Die im Wege des „Filling-in“ optisch von der Widersprechenden dargestellte Rahmung sei überdies interpretativ und gezielt unter Berücksichtigung der Gestalt der Widerspruchsmarke gezogen. Das Publikum werde die abstrakte Umrahmung der angegriffenen Marke aber weder aus der Erinnerung noch bei direkter Gegenüberstellung als übereinandergelegte geometrische Formen Kreis und Dreieck deuten.
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Es sei auch zu berücksichtigen, dass der jeweils im Zentrum der beiden Bildmarken dargestellte Äskulapstab ein unmittelbar beschreibendes und daher nicht kennzeichnungskräftiges Symbol aus dem Bereich der Heilberufe darstelle. Derartige beschreibende Motive könnten eine visuelle Ähnlichkeit von Marken nicht begründen, selbst wenn sie ein übereinstimmendes Gesamtbild bewirkten. Dementsprechend scheide auch eine Verwechslungsgefahr im Sinngehalt bzw. in begrifflicher Hinsicht aus.
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Zu einer Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen, bestehe kein Anlass, so dass der Antrag des Markeninhabers, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, zurückzuweisen sei.
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Gegen den Beschluss vom 31. Mai 2017 hat die Widersprechende Erinnerung eingelegt. Der Erinnerungsprüfer hat die Erinnerung zurückgewiesen und seinen Beschluss (allein) darauf gestützt, dass die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht worden sei. Gemäß der anzuwendenden, bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung des § 43 Abs. 1 S. 1 und 2 MarkenG habe die Widersprechende die Benutzung für den Zeitraum von fünf Jahren vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke, also vom 13. Mai 2011 bis 13. Mai 2016 sowie für den Zeitraum von fünf Jahren vor der Erinnerungsentscheidung, also vom August 2015 bis August 2020 glaubhaft zu machen.
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Generell leide die Glaubhaftmachung der Benutzung unter dem Mangel, dass keine eidesstattliche Versicherung vorgelegt worden sei, die Auskunft darüber gebe, in welchem Umfang und Zeitraum die Widerspruchsmarke für die einzelnen Waren und Dienstleistungen des Verzeichnisses benutzt worden sei. Aus Fülle der vorgelegten Unterlagen, einschließlich der Vorlage von Geschäftsberichten, ergebe sich aber letztlich, dass die Widerspruchsmarke im Zeitraum vor August 2015 für „medizinische Dienstleistungen“ ernsthaft benutzt worden sei. Das gelte allerdings nicht für den Benutzungszeitraum ab August 2015, weil die vorgelegten Geschäftsberichte nur fünf Monate des fünfjährigen Benutzungszeitraums beträfen. Es sei nicht auszuschließen, dass nach 2015 Teile des Konzerns an andere Träger veräußert worden seien. Deshalb könne aus den vorgelegten Unterlagen vor 2015 und den einzelnen Belegen ab 2015 nicht auf eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke für den zweiten Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG a.F. geschlossen werden. Die Benutzung sei damit schon aus diesem Grund nicht glaubhaft gemacht. Auf die Frage, ob die Benutzung der Widerspruchsmarke in einer Form erfolgt sei, die den kennzeichnenden Charakter verändert habe und auf die Frage der Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG komme es daher nicht mehr an.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde Widersprechenden.
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Im Beschwerdeverfahren hat die Widersprechende ergänzende Unterlagen zum Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung sowie eine eidesstattliche Versicherung des Herrn R…, Konzerngeschäftsführer bei der A… Gruppe und Chief Financial Officer der Widersprechenden (A… GmbH & Co. KGaA) vom 15. September 2020 vorgelegt. Darin sind die Umsätze „im In- und Ausland“ sowie die Patientenzahlen der „A… Gruppe“ aus den Geschäftsberichten 2013 bis 2019 aufgeführt. Unter Ziff. 3 heißt es „Das Zeichen wurde in den vorgenannten Jahren durchgängig für den klinischen Betrieb genutzt“.
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Ergänzend hat die Widersprechende zum Nachweis der Benutzung für den Zeitraum zwischen August 2015 und August 2020 u.a. folgende Unterlagen vorgelegt:
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– einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 2015, aus dem sich ergebe, dass das Logo an den Klinikeingängen angebracht sei;
25
– für das Jahr 2016 das „Plattdeutsch Wörterbuch“ der Widersprechenden, woraus sich ergebe, dass die Widerspruchsmarke auch für Broschüren und Bücher genutzt werde;
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– für das Jahr 2017 einen Flyer, in dem für die Ausbildung bei der Widersprechenden geworben werde;
27
– für das Jahr 2018 einen Flyer der Hanseatischen Klinikkonferenz, der eine Nutzung der Widerspruchsmarke im Rahmen von Bildungsveranstaltungen belege;
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– Geschäftsberichte der A… Gruppe für die Jahre 2013 und 2016 bis 2019.
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Die Widersprechende führt aus, die Zusammenschau der vorgelegten Unterlagen zeige, dass die Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutzt worden sei. Auch seien bereits im Amtsverfahren Fotos eingereicht worden, auf denen die Widerspruchsmarke isoliert zu sehen sei, z.B. auf dem hinteren seitlichen Bereich eines Krankenwagens. Soweit die Widerspruchsmarke zusammen mit dem Wort „ASKLEPIOS“ benutzt werde, „überlagere“ letzteres die Widerspruchsmarke nicht. Vielmehr finde die Benutzung in einer Weise statt, wie es für Unternehmenslogos in der maßgeblichen Branche üblich sei, wie beispielsweise: (ältere Variante) (neuere Variante) oder .
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Überdies bestehe zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr. Unstreitig seien die gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen identisch bzw. hochgradig ähnlich.
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Überdies komme der Widerspruchsmarke infolge umfassender Benutzung eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zu. Es sei widersprüchlich, dass das Amt aus den Benutzungsunterlagen erkannt haben wolle, dass das Widerspruchszeichen „überwiegend“ in Kombination mit dem Wortzeichen „ASKLEPIOS“ benutzt werde und andererseits die erhöhte Kennzeichnungskraft von „ASKLEPIOS“ nicht auf das – angeblich zusammen verwendete – Logo übertrage.
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Das Amt habe auch zu Unrecht die Zeichenähnlichkeit verneint. Beide Zeichen zeigten die Darstellung eines Äskulapstabs, die Widerspruchsmarke sei von Kreis und Dreieck umrahmt, während bei der angegriffenen Marke Kreis und Dreieck durch die Umrahmung angedeutet seien. Die angegriffene Marke lehne sich (für identische Waren und Dienstleistungen) bewusst an die intensiv benutzte und bekannte Widerspruchsmarke an, bei der es sich um das Logo eines der größten privaten Klinikbetreiber in Deutschland handele. Die Zeichenähnlichkeit ergebe sich durch sog. „Filling-in“, was bedeute, dass das menschliche Gehirn „leere“ Stellen, die nicht leer sein dürften oder es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht seien, komplettiere und ergänze. Insofern ergänze das Gehirn des Betrachters in der jüngeren Marke die Elemente Punkte und Bögen durch die Elemente Kreis und Dreieck. Der so entstehende Gesamteindruck der Vergleichsmarken sei damit nahezu identisch. Hinzu komme, dass sich der Schutzumfang der jüngeren Marke, die in schwarz-weiß eingetragen sei, auch auf farbige Gestaltungen erstrecke. Es sei daher unerheblich, dass in der Widerspruchsmarke die Elemente Kreis und Dreieck in grüner Farbe ausgestaltet seien.
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Die Beschwerdeführerin stellt sinngemäß den Antrag,
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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Februar 2019 und vom 11. August 2020 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2016 100 100 anzuordnen.
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Der Beschwerdegegner beantragt,
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1. die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen,
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2. der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Zur Begründung führt er aus, das Deutsche Patent- und Markenamt habe den Widerspruch der Beschwerdeführerin gegen die angegriffene Marke mit zutreffender Begründung zurückgewiesen, er schließe sich den Ausführungen an.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
40
 Die gemäß § 66 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für „medizinische Dienstleistungen“ unterstellt, besteht zwischen den Vergleichsmarken keine Gefahr von Verwechslungen (§§ 43 Abs. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG a. F.), so dass die Markenstelle den Widerspruch aus der Marke 30 2009 068 503 zu Recht zurückgewiesen hat (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).A. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung weiterhin die Vorschrift des § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden (im Folgenden „MarkenG“).B. Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 41-43 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 25 – Injekt/Injex; GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – OXFORD/Oxford Club; WRP 2017, 1104 ff. – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2016, 283 Rn. 7 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, a. a. O. Rn. 48 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; BGH a.a.O. Rn. 25 – INJEKT/INJEX).
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Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen nicht zu besorgen.1. Der Inhaber der angegriffenen Marke hat im Amtsverfahren in seinem Schriftsatz vom 31. Mai 2017 in zulässiger Weise die Einrede der Nichtbenutzung erhoben, so dass auf Seiten der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG nur die Waren und Dienstleistungen zu berücksichtigen sind, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht worden ist. Gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG sind diesbezüglich die Vorschriften des § 43 Abs. 1 MarkenG und des § 26 MarkenG in ihrer bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden.a) Die seitens des Inhabers der angegriffenen Marke undifferenziert erhobene und sich daher auf beide nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG relevanten Benutzungszeiträume beziehende Einrede ist auch hinsichtlich beider Benutzungszeiträume zulässig. Denn zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 13. Mai 2016 und damit auch zum Zeitpunkt der Erhebung der Einrede am 31. Mai 2017 war die Widerspruchsmarke bereits über fünf Jahre im Register eingetragen. Damit oblag es der Widersprechenden, die wesentlichen Umstände der Benutzung der Marke nach § 26 MarkenG, insbesondere nach Art, Zeit, Ort und Umfang für den nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG relevanten Zeitraum vom 13. Mai 2011 bis 12. Mai 2016 und für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraum der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch – hier der 16. Dezember 2021 – darzutun und glaubhaft zu machen.b) Die Benutzung einer Marke wirkt nur dann rechtserhaltend, wenn sie deren Hauptfunktion entspricht, dem Verkehr die Ursprungsidentität der maßgeblichen Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese von solchen anderer Herkunft zu unterscheiden. Hierzu ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Marke in üblicher und wirtschaftlich sinnvoller Weise für die Ware oder Dienstleistung verwendet wird, für die sie eingetragen ist (vgl. EuGH GRUR 2003, 425 Rn. 382 – Ansul/Ajax; BGH GRUR 2013, 68 Rn. 14 – Castell/VIN CASTEL; GRUR 2011, 623 Rn. 23 – Peek & Cloppenburg II). Die Ernsthaftigkeit der Benutzung einer Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann; dazu gehören insbesondere eine Nutzung, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (vgl. EuGH GRUR 2013, 182 Rn. 29 – Leno Merken/Hagelkruis Beheer; GRUR 2006, 582 Rn. 70 – VITAFRUIT; BGH GRUR 2006, 152 Rn. 21 – GALLUP).
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c) Zur Glaubhaftmachung muss von der Widersprechenden daher konkret angegeben werden, wer die Marke auf welche Weise für welche Waren und Dienstleistungen in welchen Jahren an welchem Ort benutzt hat und wie viel Umsatz damit erwirtschaftet worden ist.
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d) Unter Anwendung dieser Grundsätze bestehen Zweifel, ob die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat.
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aa) Allerdings folgt aus der Tatsache, dass die Widerspruchsmarke nach den eingereichten Benutzungsunterlagen überwiegend zusammen mit der Wortmarke „ASKLEPIOS“, z.B. in der Form  verwendet wird, entgegen der Ansicht der Erstprüferin nicht, dass dadurch der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke verändert wird (§ 26 Abs. 3 MarkenG). Ob die Verbindung mehrerer Marken als einheitlicher Herkunftshinweis oder als Mehrfachkennzeichnung zu bewerten ist, hängt nämlich davon ab, ob die einzelnen Marken innerhalb der Kombination weiterhin als eigenständige Zeichen verstanden werden (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 26 Rn. 205). Vorliegend wird der Verkehr die Benutzung der Widerspruchsmarke mit dem Wort „ASKLEPIOS“, entsprechend den Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem Kliniksektor, als eigenständiges Zeichen im Rahmen einer Mehrfachkennzeichnung verstehen. Wie auch bei anderen Krankenhauskennzeichnungen, z.B.   oder  , wird vorliegend ein Logo mit Wortelementen kombiniert, um die Kennzeichnung benennbar zu machen. Von dem Verständnis der Widerspruchsmarke als Zweitmarke z.B. in der Bezeichnung   führt auch nicht die übereinstimmende grüne Farbe in den Wort- und Bildzeichen weg. Die farbliche Übereinstimmung schafft keine dahingeartete Verbindung zwischen den Elementen, dass der Verkehr die Widerspruchsmarke nur als Bestandteil einer Gesamtkennzeichnung wahrnähme (vgl. BGH GRUR 2017, 1043 Rn. 25 – Dorzo). So hebt sich das Bildzeichen durch seine Größe und durch die mittels Umrandung in sich geschlossene Formgebung von dem Wortzeichen ab, was vorliegend für eine Mehrfachkennzeichnung spricht (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, aaO., § 26 Rn. 206).
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bb) Soweit die erstmalig im Beschwerdeverfahren für den zweiten Benutzungszeitraum eingereichten Unterlagen nach Aussage der Widersprechenden „Bücher und Broschüren“, „Ausbildung“ und „Bildungsveranstaltungen“ betreffen, ist dies ohnehin nur ein kleiner Teil der von der Widerspruchsmarke umfassten Waren und Dienstleistungen. Überdies reichen die dazu eingereichten Unterlagen wie Flyer, das Plattdeutsch Wörterbuch und Zeitungsartikel nicht aus, eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke für die vorgenannten Waren und Dienstleistungen nachzuweisen. Aus ihnen ergibt sich nicht, in welchem Umfang, an welchem Ort und über welchen Zeitraum die Widerspruchsmarke benutzt worden ist.
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cc) Soweit „Medizinische Dienstleistungen“ betroffen sind, hat die Widersprechende zum Nachweis der Benutzung zusätzlich Geschäftsberichte aus den Jahren 2013, 2014 bis 2019 mit Umsatzzahlen und die eidesstattliche Versicherung vom 15. September 2020 vorgelegt. Aber auch diesbezüglich bestehen Zweifel, ob die Widersprechende eine ernsthafte Benutzung nachgewiesen hat.(1) So beziehen sich die Umsätze laut der eidesstattlichen Versicherung auf das In- und Ausland (Ziff. 2). Erforderlich wäre nach § 26 Abs. 1 MarkenG aber ein Umsatznachweis für das Inland.
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(2) Darüber hinaus ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht, ob die Umsätze von der Widersprechenden, der A… GmbH & Co. KGaA, erzielt wurden. Laut der eidesstattlichen Versicherung beziehen sich die in den Geschäftsberichten genannten Umsätze auf die „A… Gruppe“ und nicht auf die Widersprechende, deren Stellung in der Konzernstruktur nicht erläutert wird.
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(3) Auf der anderen Seite heißt es unter Ziff. 3 der eidesstattlichen Versicherung: „Das Zeichen   wurde in den vorgenannten Jahren durchgängig für den klinischen Betrieb genutzt“. Bei den „vorgenannten Jahren“ handelt es sich um die Jahre 2013 bis 2019, für die Geschäftsberichte vorgelegt wurden.2. Geht man aufgrund der vorgenannten Aussage zugunsten der Widersprechenden von dem Nachweis einer rechtserhaltende Benutzung im Hinblick auf die beanspruchten „medizinische Dienstleistungen“ für die Jahre 2013 bis 2019 und damit für beide relevanten Benutzungszeiträume (13. Mai 2011 bis 12. Mai 2016 und 16. Dezember 2015 bis 15. Dezember 2021) aus, können sich die Vergleichsmarken bei identischen Dienstleistungen begegnen, da auch die angegriffene Marke „medizinische Dienstleistungen“ beansprucht.
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3. Die Widerspruchsmarke   verfügt in ihrer Gesamtheit nur über eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Von Haus aus ist die Kennzeichnungskraft sogar als weit unterdurchschnittlich einzustufen. So ist die Widerspruchsmarke wegen des in der Zeichenmitte dargestellten Äskulapstabs an einen beschreibenden Begriff angelehnt (vgl. BGH MarkenR 2017, 412 Rn. 19 – Medicon-Apotheke/Medico-Apotheke; GRUR 2014, Rn. 26 – REAL-Chips). “Äskulap” ist ein Hinweis auf den griechischen Gott der Heilkunst und der Äskulapstab ein gängiges Symbol für eine medizinische Ausrichtung (BPatG 25 W (pat) 162/05 – Aesculan/ AESCULAO/AESCULAP/AESCULAP). Auch das Element der Umrandung ist kennzeichnungsschwach, da es sich dabei um zwei übereinandergelegte einfache geometrische Formen, nämlich einen Kreis und ein Dreieck, handelt. Dies wirkt wie ein dekoratives Hervorhebungsmittel des im Mittelpunkt stehenden Äskulapstabes, der u.a. auf „medizinische Dienstleistungen“ hinweist.
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Soweit die Widersprechende vorträgt, die Kennzeichnungskraft sei überdurchschnittlich, kann dem nicht gefolgt werden. Dem steht nicht entgegen, dass es sich, wie bereits festgestellt, bei der Widerspruchsmarke in Zusammenhang mit der Benutzung des Wortzeichens „ASKLEPIOS“ um eine Zweitkennzeichnung handelt. Auch als Zweitkennzeichnung kann eine Marke erhöhte Bekanntheit erlangen. Da in diesem Fall der Verkehr zwei gesonderte Kennzeichnungen erkennt, bestehen auch grundsätzlich keine Bedenken, Daten zum Marktanteil etc. allen für das Produkt verwendeten Marken zuzurechnen (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 9 Rn. 168, ähnlich BPatG 30 W (pat) 33/17 view one/VIEW).Zu den Umständen, die zu einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke führen könnten, fehlt es allerdings an einem entsprechenden Vortrag der Widersprechenden. Wie bereits bei der Frage der rechterhaltenden Benutzung erörtert, beziehen sich die dargelegten Umsätze laut eidesstattlicher Versicherung auf das In- und Ausland, so dass die genannten Umsätze kein Beleg für eine erhöhte Bekanntheit der Widerspruchsmarke im Inland sind. Ein darüberhinausgehender, konkreter Vortrag der Widersprechenden und Belege für die behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke liegen nicht vor.
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Dem Vorbringen der Widersprechenden, die erhöhte Kennzeichnungskraft des Wortes „ASKLEPIOS“ sei auf die Widerspruchsmarke zu übertragen, kann nicht gefolgt werden. Vorliegend erscheint das Wort „ASKLEPIOS“ – wie ausgeführt – als gesonderte Kennzeichnung, so dass eine „Übertragung“ auf die Widerspruchsmarke nicht in Betracht kommt (vgl. auch BPatG 30 W (pat) 33/17 view one/VIEW Rn. 66, wonach das als Herkunftshinweis für das Magazin „STERN“ sehr bekannte Bildelement keine erhöhte Kennzeichnungskraft der Zweitmarke „VIEW“ bewirkt).Der Umstand, dass die Widersprechende eidesstattlich versichert hat, das Zeichen   sei in den Jahren 2013 bis 2019 durchgängig für den klinischen Betrieb genutzt worden, führt nach alldem allenfalls dazu, dass die von Haus aus weit unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftige Widerspruchsmarke als unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftig anzusehen ist.
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4. Die Zeichenähnlichkeit ist sehr gering.
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a) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. BGH GRUR 2013, 833, Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930, Rn. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Rn. 15 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Rn. 23 – MIXI). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Rn. 19 – ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Rn. 28 – THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Rn. 29 – MATRATZEN; BGH GRUR 2015, 1009 Rn. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2010, 235, Rn. 15 – AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Rn. 32 – METROBUS; GRUR 2006, 60, Rn. 17 – coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z.B. BGH GRUR 2015, 1009, Rn. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2015, 1114, Nr. 23 – Springender Pudel; GRUR 2010, 235, Rn. 18 – AIDA/AIDU m. w. N.; vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 9 Rn. 270 m. w. N.).b) Ausgehend davon weisen die Vergleichsmarken allenfalls eine weit entfernte Ähnlichkeit auf. Da sich vorliegend zwei Bildmarken gegenüberstehen, können hinreichende Gemeinsamkeiten in der konkreten bildlichen Ausgestaltung zu unmittelbaren Verwechslungen führen. Zum anderen kann ein den Vergleichsmarken innewohnender identischer Sinngehalt dazu führen, dass die Marken im Verkehr gleich benannt werden (Hacker in Hacker in Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 9 Rn. 318).
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aa) Eine Ähnlichkeit der Vergleichsmarken im Sinngehalt bzw. in begrifflicher Hinsicht scheidet vorliegend aus.
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Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, wird sich der Verkehr bei der Benennung der Vergleichsmarken jeweils an dem Äskulapstab orientieren. Der Verkehr fasst die Umrahmungen als Verzierung oder Hervorhebung des klar benennbaren zentralen Bestandteils „Äskulapstab“ auf und wird diese deshalb nicht wörtlich wiedergegeben. Ausgehend von dem Grundsatz, dass aus schutzunfähigen Elementen keine Rechte hergeleitet werden dürfen, reicht die Gemeinsamkeit des auf dem medizinischen Gebiet üblichen und damit als abgegriffen und verbraucht anzusehenden Äskulapstabs für die Annahme einer begrifflichen Ähnlichkeit nicht aus.
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bb) In bildlicher Hinsicht ist die Zeichenähnlichkeit sehr gering, weil sich die beiden Bildmarken erheblich unterscheiden.Vorliegend stehen sich die angegriffene Marke
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und die Widerspruchsmarke
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gegenüber.
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Zwar zeigen beide Bildmarken in ihrem Zentrum einen Äskulapstab. Dieser stellt aber für die hier maßgeblichen „medizinischen Dienstleistungen“ ein beschreibendes Symbol dar. Ausgehend von dem Grundsatz, dass aus schutzunfähigen Elementen keine Rechte hergeleitet werden dürfen, reicht die Gemeinsamkeit des beschreibenden Motivs für die Annahme einer Ähnlichkeit nicht aus. Der Schutz ist insoweit auf die besondere Bildwirkung der Vergleichsmarken beschränkt (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 9 Rn. 321).Vorliegend winden sich die Schlangen an dem im Mittelpunkt beider Marken abgebildeten Äskulapstab in unterschiedlichen Richtungen, was – falls der Betrachter es bemerkt – zu einem unterschiedlichen bildlichen Gesamteindruck beiträgt. Überdies ist der Äskulapstab bei angegriffenen Marke unterbrochen dargestellt, während der Stab in der Widerspruchsmarke einen durchgängigen Eindruck vermittelt.Zu der Bildwirkung der Vergleichsmarken tragen in besonderem Maße die jeweiligen Umrahmungen bei, die sich vorliegend allerdings deutlich voneinander unterscheiden. So besteht der Rahmen in der Widerspruchsmarke aus den übereinandergelegten geometrischen Formen „Kreis“ und „Dreieck“ in grüner Farbe, während die angegriffene Marke offener und künstlerischer gestaltet ist. Auch wenn man mit der Widersprechenden davon ausgeht, dass mit der Rahmung der angegriffenen Marke eine dreieckige bzw. runde Form angedeutet wird, vermittelt sie dem Gesamtzeichen einen anderen Charakter als die geschlossene geometrische Umrandung bei der Widerspruchsmarke. Die drei im gleichen Abstand zueinander angebrachten grauen Halbmonde mit einem ebenfalls grauen Punkt über dem äußeren Rand erinnern eher an die stilisierte Darstellung von Oberkörpern dreier Menschen, die den Äskulapstab umringen bzw. umarmen. Der Gesamteindruck unterscheidet sich insofern deutlich von dem der Widerspruchsmarke, die mit ihrer klaren geometrisch geformten Umrandung eher statisch wirkt.
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Zu der unterschiedlichen Bildwirkung der Vergleichsmarken tragen auch die verschiedenen Farben bei. Anders als die Widersprechende meint, umfasst der Schutzgegenstand der schwarz-weiß eingetragenen jüngeren Marke nicht auch die grüne Gestaltung der Widerspruchsmarke.Vielmehr ist ein schwarz-weiß eingetragenes jüngeres Zeichen, das von einer farbigen älteren Marke nur in der Farbgebung abweicht, nicht mit der älteren Marke identisch, sofern der Farbunterschied nicht völlig unbedeutend ist bzw. vom Verkehr nur bei einem direkten Vergleich der Zeichen nebeneinander bemerkt wird (vgl. BGH GRUR 2015, 1009 Rn. 15 f – BMW-Emblem). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall, weil sich das Grün deutlich von dem Schwarz-weiß der angegriffenen Marke unterscheidet.
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Auch dem Vorbringen der Widersprechenden, die Zeichenähnlichkeit ergebe sich durch die vom menschliche Gehirn vorgenommene Ergänzung der Punkte und Bögen der angegriffenen Marke   (sog. „Filling-in“) kann nicht beigetreten werden. Neuronale Erkenntnisse, die auf einer assoziativen Ergänzung von „leeren Stellen, die nicht leer sein dürften“ beruhen, können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht herangezogen werden (vgl. BGH, I ZB 72/11 Rn. 24 – Kaleido). Darüber hinaus müssen Dritte und insbesondere Mitbewerber nach dem Grundsatz der Registerklarheit aus Gründen der Rechtssicherheit aus der Darstellung im Register unmittelbar und eindeutig ersehen können, wofür Schutz beansprucht ist. Diesem Gebot ist nicht genügt, wenn für den Zeichenvergleich ein von der registrierten Marke abweichendes Zeichen herangezogen werden könnte, dessen Schutzgegenstand im Wege des sog. „Filling-in“ ermittelt wird (vgl. zum Designrecht BGH, I ZB 25/18 Rn. 19 – Sporthelm).
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c) Insgesamt kann daher allenfalls von einer sehr geringen Zeichenähnlichkeit ausgegangen werden, so dass im Rahmen der Gesamtabwägung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren unter Zugrundelegung einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr auch insoweit ausscheidet, als sich die Vergleichszeichen bei identischen Waren oder Dienstleistungen begegnen können.
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5. Nach alldem ist die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
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C. Der Antrag des Inhabers der angegriffenen Marke, der Beschwerdeführerin die „Kosten des Verfahrens“ aufzuerlegen, ist auslegungsbedürftig, weil diese sowohl die Kosten des Verfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt als auch die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahren umfassen.
65
a) Hinsichtlich der Kosten des Amtsverfahrens ist die Zurückweisung des Kostenantrags durch den Erstprüferbeschluss vom 18. Februar 2019 rechtskräftig geworden, weil der Inhaber der angegriffenen Marke gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Kostenauferlegung keine Erinnerung eingelegt hat. Insofern wäre auch eine unselbständige Anschlussbeschwerde unzulässig. Wenngleich für die unselbständige Anschlussbeschwerde eine Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung nicht verlangt wird (BGH, NJW 1980, 702 bei einer Familienstreitsache), so muss sie sich doch auf den Gegenstand der vorangegangenen Entscheidung, d. h. auf den seitens der Widersprechenden mit ihrer Beschwerde angefochtenen Beschluss der Markenstelle im Erinnerungsverfahren vom 11. August 2020 beziehen (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 66 Rn. 62). Das bedeutet, dass auf Grund eines Anschlusses an ein Rechtsmittel gegen eine im Erinnerungsverfahren ergangene Entscheidung nicht auch gegen den bereits rechts- bzw. bestandskräftigen Erstprüferbeschluss vorgegangen werden kann. Andernfalls könnte eine Partei mittels Anschluss an ein Rechtsmittel einen Verfahrensgegenstand in die Rechtsmittelinstanz einführen, der gar nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung war. Die seitens des Inhabers der angegriffenen Marke unterlassene Erinnerung nach § 64 Abs. 1 MarkenG bzw. Beschwerde nach § 66 Abs. 1 i.V.m § 64 Abs. 6 MarkenG MarkenG gegen die Entscheidung der Markenstelle vom 18. Februar 2019 kann daher nicht im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht, das die Zurückweisung einer Erinnerung der Widersprechenden zum Gegenstand hat, nachgeholt werden (vgl. dazu PAVIS PROMA BPatG 28 W (pat) 363/03 – OL’ROY/ROY).
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b) Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Der Kostenantrag des Inhabers der jüngeren Marke war daher zurückzuweisen.


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