Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “ARAPODO/mirapodo (Wort-Bild-Marke)” – zur Kennzeichnungskraft – teilweise Dienstleistungsidentität und -ähnlichkeit – teilweise klangliche Verwechslungsgefahr

Aktenzeichen  27 W (pat) 2/16

Datum:
11.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2011 049 292
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2016 durch die Vorsitzende Richterin Klante, den Richter Hermann und die Richterin kraft Auftrags Seyfarth
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des DPMA, Markenstelle für Klasse 35, vom 8. Mai 2013 und 27. November 2013 aufgehoben und auf den Widerspruch die Löschung der angegriffene Marke 30 2011 049 292 ARAPODO für die Dienstleistungen in Klasse 35: „Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen sowie Versandhandelsdienstleistungen auch über das Internet, in den Bereichen: Drogerie- Kosmetik- und Haushaltswaren, Uhren- und Schmuckwaren, Täschner- und Sattlerwaren, Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilwaren, Sportwaren; Geschäftsführung, Marketing“ angeordnet.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Wortmarke 30 2011 049 292
2
ARAPODO
3
ist am 5. September 2011 angemeldet und am 15. Dezember 2011 unter der Nummer 30 2011 049 292 für die Dienstleistungen
4
Klasse 35:
5
Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen sowie Versandhandelsdienstleistungen, auch über das Internet, in den Bereichen: chemische Erzeugnisse, Anstrichmittel, Drogerie-, Kosmetik- und Haushaltswaren, Brenn- und Treibstoffe, Waren des Gesundheitssektors, Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren, Bau-, Heimwerker und Gartenartikel, Hobby- und Bastelbedarf, Elektro- und Elektronikwaren, Ton- und Datenträger, sanitäre Anlagen, Fahrzeuge und Fahrzeugzubehör, Feuerwerkskörper, Uhren und Schmuckwaren, Musikinstrumente, Druckereierzeugnisse, Papier- und Schreibwaren, Büroartikel, Täschner- und Sattlerwaren, Einrichtungs- und Dekorationswaren, Zelte, Planen, Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilwaren, Spielwaren, Sportwaren, Lebensmittel und Getränke, land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, Tabakwaren und sonstige Genussmittel; Betrieb einer Im- und Exportagentur, Geschäftsführung, Marketing
6
Klasse 36:
7
Grundstücksverwaltung; Vermittlung und Vermietung von Immobilien; Schätzung von Immobilien
8
Klasse 37:
9
Wartung und Reparatur von Maschinen und Sportausrüstungen, insbesondere von Skiausrüstungen
10
als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 20. Januar 2012.
11
Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Widersprechende und Beschwerdeführerin aus der für die Waren und Dienstleistungen der
12
Klasse 3:
13
Pflegeprodukte für Schuhe, nämlich Schuhcreme und Schuhwichse
14
Klasse 18:
15
Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Reise- und Handkoffer, Taschen (soweit in Klasse 18 enthalten), Schlüsseletuis (soweit in Klasse 18 enthalten), Rucksäcke, Brieftaschen, Geldbörsen (nicht aus Edelmetall, soweit in Klasse 18 enthalten)
16
Klasse 21:
17
Schuhspanner, Schuhbürsten
18
Klasse 25:
19
Bekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen
20
Klasse 35:
21
Einzelhandelsdienstleistungen mit den Waren Bekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Leder und Lederimitationen sowie Gürtel daraus, Reise- und Handkoffer, Taschen, Schlüsseletuis, Rucksäcke, Brieftaschen, Geldbörsen, Pflegeprodukte (Schuhcreme und Schuhwichse) für Schuhe, Schuhspanner und Schuhbürsten
22
am 18. Februar 2010 eingetragenen Wort-/Bildmarke Nr. 30 2009 067 870
23
am 7. April 2012 Widerspruch erhoben. Der Widerspruch richtet sich gegen alle in der Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen der jüngeren Marke.
24
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 35, hat den Widerspruch mit Beschlüssen vom 8. Mai 2013 und vom 27. November 2013, wovon letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, da zwischen den Zeichen keine Verwechslungsgefahr bestehe (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).
25
Zur Begründung wird ausgeführt, zwischen den von der angegriffenen Marke beanspruchten Diensteistungen „Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Täschner- und Sattlerwaren, Drogeriewaren, Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilwaren“ und den von der Widerspruchsmarke in Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen bestehe hochgradige bis zur Identität reichende Ähnlichkeit. Im Verhältnis zu den übrigen in Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen der angegriffenen Marke bestehe allenfalls entfernte bis mittlere Ähnlichkeit. Denn die Waren, auf die sich diese Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen bezögen, würden auf anderem Wege vertrieben als die Waren, auf die sich die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke bezögen.
26
Die Widerspruchsmarke sei originär normal kennzeichnungskräftig.
27
Zwischen den Vergleichszeichen gebe es nur eine entfernte klangliche und schriftbildlichen Ähnlichkeit. Die in der Regel stärker beachteten Unterschiede am Wortanfang führten zu einem Unterschied in der Vokalfolge und im Sprachrhythmus. Auch schriftbildlich sei die Ähnlichkeit wegen der deutlichen Unterschiede am Wortanfang, insbesondere durch den Buchstaben „i“ nur entfernt. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr könne daher ausgeschlossen werden. Hinweise auf eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen bestünden nicht.
28
Hiergegen richtet sich die am 12. Dezember 2013 erhobene Beschwerde der Widersprechenden.
29
Zur Begründung trägt sie vor, Identität bzw. höchste Ähnlichkeit zwischen den jeweils beanspruchten Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen bestünden auch in Bezug auf die Waren „Haushaltswaren“, da hierunter die Waren „Schuhcreme und Schuhwichse für Schuhe, Schuhspanner und Schuhbürsten“ fallen würden, sowie in Bezug auf „Uhren und Schmuckwaren, Sportwaren“. Im Übrigen bestehe mittlere Ähnlichkeit. Die originär normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durch die Benutzung für einen Internetversandhandel leicht erhöht. Bei dieser Sachlage reichten die unterschiedlichen Wortanfänge „A“ und „mi“ keinesfalls aus, um einen ausreichenden Abstand zwischen den Zeichen herzustellen. Die Markenstelle habe zu sehr auf den Wortanfang abgestellt und außerdem die Verkaufssituation, in der ein unmittelbarer Vergleich üblicherweise nicht möglich sei, sondern sich der Verkehr auf sein Erinnerungsbild verlassen müsse, nicht berücksichtigt. Bei Warenidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft genüge bereits eine geringe Zeichenähnlichkeit zur Bejahung der Verwechslungsgefahr. Wegen der frappierenden Ähnlichkeiten im Aufbau der Marken sowie in den letzten drei Silben müsse der Verkehr von einem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Unternehmen ausgehen, so dass auch eine begriffliche Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung vorliege.
30
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
31
die Beschlüsse des DPMA, Markenstelle für Klasse 35, vom 8. Mai 2013 und vom 27. November 2013 aufzuheben und die Löschung der Marke Nr. 30 2011 049 292 für alle beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 anzuordnen.
32
Der Beschwerdegegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und ist nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen.
33
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Amtsakte des DPMA Bezug genommen.
II.
34
Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.
35
Zwischen den Vergleichsmarken besteht für das angesprochene Publikum insoweit eine Verwechslungsgefahr, §§ 43 Abs. 2 Satz 1, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, so dass die teilweise Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war. Im Übrigen ist eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen und daher die Beschwerde zurückzuweisen.
36
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2013, 923 (Nr. 34) – Specsavers-Gruppe/Asda; GRUR 2010, 1098 (Nr. 44) – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, (Nr. 32) – BARBARA BECKER; BGH GRUR 2015, 176, (Nr. 9) – ZOOM/ZOOM; GRUR 2014, 488(Nr. 9) – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2013, 833 (Nr. 3) – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 64 (Nr. 9) – Maalox/Melox-GRY). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren und/oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und – davon abhängig – der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2015, 176 (Nr. 9) – ZOOM/ZOOM; GRUR 2014, 488 (Nr. 9) – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2014, 382 (Nr. 14) – REAL-Chips).
37
Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. BGH GRUR 2014, 382 (Nr. 14) – REAL-Chips; GRUR 2013, 833(Nr. 30) – Culinaria/Villa Culinaria). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, (Nr. 19) – ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, (Nr. 28) – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2015, 1009, (Nr. 24) – BMW-Emblem; GRUR 2010, 235 (Nr. 15) – AIDA/AIDU). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Wahrnehmungsrichtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2015, 1009, (Nr. 24) – BMW-Emblem; GRUR 2014, 382, (Nr. 25) – REAL-Chips; GRUR 2010, 235, (Nr. 18) – AIDA/AIDU; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rdnr. 254 m. w. N.).
38
Der Widerspruch stützt sich auf die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 und richtet sich gegen die Eintragungen der angegriffenen Marke für die Dienstleistungen der Klasse 35.
39
Ausgehend von der hier maßgeblichen Registerlage besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Dienstleistungen teilweise Identität bzw. hochgradige Ähnlichkeit, ein Teil der angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 35 liegt dagegen außerhalb des Ähnlichkeitsbereichs zu den Dienstleistungen der älteren Marke.
40
Bei der Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere die Art der Waren oder Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen (vgl BGH GRUR 2016, 382-386 (Nr.21) – BioGourmet m. w. N.). Angesichts der fehlenden Körperlichkeit von Dienstleistungen ist für die Beurteilung ihrer Ähnlichkeit in erster Linie Art und Zweck, also der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen sowie die Vorstellung des Verkehrs maßgeblich, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortlichkeit erbracht werden (BGH a. a. O. – BioGourmet; GRUR 2002, 544, 546 – BANK 24; GRUR 2001, 164, 165 – Wintergarten). Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Zeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstandes der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2014, 378 (Nr. 38) – OTTO CAP GRUR 2008, 719 (Nr. 29) – idw Informationsdienst Wissenschaft).
41
Einzelhandelsdienstleistungen sind nach dem Praktiker-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (GRUR 2005, 764, 767 Rdnr. 39 – Praktiker) Dienstleistungen, die im Rahmen des Einzelhandels mit Waren erbracht werden, d. h. solche, die bei Gelegenheit des Abschlusses des Kaufvertrages vorgenommen werden und die den Verbraucher veranlassen sollen, die Markenware bei einem bestimmten Händler zu kaufen. Dies sind im Wesentlichen Sortiments- und Beratungsdienstleistungen, bei denen eine Kompetenz des Händlers zum Ausdruck kommt, die stets warenbezogen ist. Zwar stimmen Einzelhandelsdienstleistungen und die davon betroffenen Waren in ihrer Art nach notwendigerweise nicht überein, aber es bestehen enge wirtschaftliche Beziehungen, weil der Einzelhandel allein dem Absatz der Waren dient und der Verbraucher das Einzelhandelsgeschäft nur zum Zwecke des Erwerbs der Waren aufsucht (HABM R 1152/2009-4, Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 15. Aufl., S. 346).
42
Nach diesen Kriterien stellt sich die Dienstleistungsähnlichkeit wie folgt dar:
43
Es besteht Identität zwischen den Dienstleistungen der Klasse 35 „Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen sowie Versandhandelsdienstleistungen auch über das Internet in den Bereichen: Bekleidungsartikel, Schuhe“ der angegriffenen Marke und den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen „Einzelhandelsdienstleistungen mit den Waren Bekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“. Ebenso identisch stehen sich gegenüber die entsprechenden Dienstleistungen in den Bereichen: „Täschner- und Sattlerwaren“ auf Seiten der jüngeren Marke sowie in den Bereichen „Leder und Lederimitationen sowie Gürtel daraus, Reise- und Handkoffer, Taschen, Schlüsseletuis, Rucksäcke, Brieftaschen, Geldbörsen“ auf Seiten der Widerspruchsmarke. Des Weiteren sind die jeweiligen Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen bzw. Versandhandelsdienstleistungen in den Bereichen „Drogerie- und Haushaltswaren“ identisch mit denen in den Bereichen „Pflegeprodukte für Schuhe, Schuhspanner, Haushaltswaren“.
44
Ähnlichkeit besteht zwischen dem Bereich „Sportwaren“ auf Seiten der jüngeren Marke und „Bekleidung, Schuhwaren“ bei der Widerspruchsmarke. Denn die Waren, „Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen“ umfassen auch solche, die u. a. für die Ausübung eines Sports bestimmt oder geeignet sind. Daher findet man sie häufig zusammen in einem Sortiment desselben Groß- oder Einzelhändlers. Gleiches gilt für die in Rede stehenden Dienstleistungen in den Bereichen „Uhren- und Schmuckwaren“ einerseits sowie „Bekleidung“ andererseits. Es handelt sich hier um sich im Modersektor ergänzende Waren, die im Einzel- oder Großhandel häufig gemeinsam angeboten werden (Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 16. Auflage, S. 290, HABM 07 BK R 120/06).
45
Auch die entsprechenden Dienstleistungen im Bereich „Kosmetikwaren“ der angegriffenen Marke befinden sich im Ähnlichkeitsbereich mit den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke im Bereich Bekleidung. Der Verkehr ist daran gewöhnt, dass Einzel- und Großhandelsunternehmen in der Regel ein umfassendes Sortiment anbieten. In der Modebranche gibt es Händler, die Mode und Kosmetika unter derselben Marke in einem Geschäft zusammen anbieten (z. B. ZARA, H&M). Auch wenn diese Waren nicht unbedingt vom selben Hersteller stammen und möglicherweise nur in Lizenz vertrieben werden, so werden sie in einem aufeinander abgestimmten Konzept aus einer Hand präsentiert. Für den Verkehr liegt es somit nahe, dass die zum Einzelhandel gehörenden Sortiments- und Beratungsdienstleistungen unter der gleichen Verantwortung erbracht werden. Gleiches gilt für die Dienstleistungen Geschäftsführung und Marketing, die in einer engen wirtschaftlichen Beziehung zu den Groß- und Einzelhandelsdienstleistern stehen und diese um den betriebswirtschaftlichen Aspekt ergänzen und letztlich der Verkaufsförderung dienen.
46
Zwischen den Dienstleistungen „Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen sowie Versandhandelsdienstleistungen, auch über das Internet, in den Bereichen: chemische Erzeugnisse, Anstrichmittel, Brenn- und Treibstoffe, Waren des Gesundheitssektors, Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren, Bau-, Heimwerker und Gartenartikel, Hobby- und Bastelbedarf, Elektro- und Elektronikwaren, Ton- und Datenträger, sanitäre Anlagen, Fahrzeuge und Fahrzeugzubehör, Feuerwerkskörper, Musikinstrumente, Druckereierzeugnisse, Papier- und Schreibwaren, Büroartikel, Einrichtungs- und Dekorationswaren, Zelte, Planen, Spielwaren, Lebensmittel und Getränke, land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, Tabakwaren und sonstige Genussmittel; Betrieb einer Im- und Exportagentur“ der angegriffenen Marke und den in Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen der Widerspruchsmarke besteht dagegen allenfalls entfernte Ähnlichkeit. Es konnten keine Feststellungen getroffen werden, dass diese auf den gleichen Vertriebswegen angeboten werden und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Dienstleistungen nach der Vorstellung des Verkehrs unter der gleichen Verantwortlichkeit erbracht werden.
47
Die Widerspruchsmarke verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die Kennzeichnungskraft einer Marke ist grundsätzlich als durchschnittlich einzustufen, wenn sie uneingeschränkt geeignet ist, zur Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen ihres Inhabers von solchen anderer Unternehmen zu dienen (vgl. BGH GRUR 2012, 1040, 1043 – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler oder – was dem entspricht – durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen (BGH GRUR 2012, 930, 932 – Bogner B/ Barbie B). Es kann dahingestellt bleiben, ob der Verkehr die Bedeutung des Wortelementes „podo“ erkennt. Denn durch die Verbindung mit „mira“ entsteht jedenfalls ein hinreichend fantasievoller unterscheidungskräftiger Gesamtbegriff. Für die von ihr behauptete leichte Erhöhung der Kennzeichnungskraft durch die Benutzung für einen Internetversandhandel hat die Beschwerdeführerin weder Unterlagen vorgelegt noch gibt es darüber hinaus irgendwelche Anhaltspunkte dafür.
48
Mit den in Rede stehenden Dienstleistungen der Klasse 35 werden sowohl Fachhändler als auch das breite Publikum angesprochen. Es ist von einem normalen Aufmerksamkeitsgrad auszugehen.
49
Bei dieser Ausgangslage – durchschnittliche Kennzeichnungskraft sowie eine normale Aufmerksamkeit – hält die angegriffene Marke im Bereich hoher Dienstleistungsähnlichkeit bzw. Identität den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG erforderlichen Abstand nicht ein.
50
Nach Auffassung des Senats sind die Vergleichsmarken „ARAPODO“ und „mirapodo“ insofern im klanglichen Gesamteindruck so deutlich angenähert, dass eine hinreichend sichere Unterscheidung nicht mehr gewährleistet ist. Die Marken sind jeweils viersilbig und stimmen in den letzten drei Silben „ra-po-do“ überein. D. h. sie unterscheiden sich nur in einer von vier Silben. Bezüglich der Aussprache sind alle im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegenden und dem Sprachgefühl entsprechenden  Möglichkeiten zu berücksichtigen, wobei auch bei Wortneubildungen die allgemeinen Ausspracheregelungen zu berücksichtigen sind (vgl. OLG Stuttgart GRUR-RR 2005, 307, 308 – e-motion/iMOTION). Es ist davon auszugehen, dass beide Worte so ausgesprochen werden, wie sie geschrieben werden, d. h „a-ra-po-do“ auf der einen und „mi-ra-po-do“ auf der anderen Seite. Für eine davon abweichende, z. B. englische Aussprache bestehen auf dem hierfür maßgeblichen Dienstleistungsbereich (vgl. BGH GRUR 2004, 2014 – MIDAS/medAS) keine Anhaltspunkte. Die Betonung liegt nach den deutschen Ausspracheregeln auf der Stammsilbe, die, da es sich um ein Fantasiewort handelt, nicht klar definierbar ist. Nach der lateinischen Regel würde man beide Worte auf der vorletzten Silbe betonen, also „arapòdo“ und „mirapòdo“. Jedenfalls liegen aufgrund der ähnlichen Wortbildung, Länge und Silbenzahl jeweils die gleiche Betonung und derselbe Sprechrhythmus nahe. Diese Gemeinsamkeiten erzeugen ein sehr ähnliches Gesamtklangbild. Die bestehenden Abweichungen sind demgegenüber gering.
51
Auch wenn Wortanfänge im Allgemeinen stärker beachtet werden, als die übrigen Markenteile, reicht bei weitgehenden Übereinstimmungen im Übrigen die alleinige Abweichung am Wortanfang in der Regel nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, da die übereinstimmenden Merkmale stärker ins Gewicht fallen als die Unterschiede (vgl. BGH GRUR 2005, 235, 237 – Davidoff II). Zu beachten ist dabei auch, dass der Verkehr Marken erfahrungsgemäß so aufnimmt, wie sie ihm insgesamt entgegentreten, und nicht zu einer Analyse möglicher Bestandteile und Begriffsbedeutungen neigt (vgl. BGH GRUR 2002, 342, 343 – ASTRA/ESTRA-PUREN). Darüber hinaus ist auch der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die beiden Marken regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt und sie deshalb nicht miteinander vergleichen kann, so dass er sich auf ein undeutliches Erinnerungsbild verlassen muss (vgl. EuGH GRUR Int. 2007, 718,721 (Nr. 60) – TRAVATAN II). Davon ausgehend kann nicht gewährleistet werden, dass der Verkehr den Unterschied im Wortanfang so wahrnimmt, dass er ihn in Erinnerung behält und deswegen nicht der Gefahr unterliegt, beide Zeichen zu verwechseln.
52
Was die übrigen nicht im Tenor genannten Dienstleistungen anbelangt, ist wegen der mangelnden Ähnlichkeit zwischen den sich noch gegenüberstehenden Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr nicht zu befürchten. Die Beschwerde ist daher insoweit zurückzuweisen.


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