Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Bayerischer Süßer Senf” – Antrag auf Eintragung einer geographischen Angabe – nach Antragsveröffentlichung sind Änderungen der Spezifikation grds. zulässig – Nachholung von Gründen sowie Rücknahme von Änderungen sind im Beschwerdeverfahren zulässig – Aufhebung der Entscheidung der Markenabteilung bei fehlender Sachentscheidung

Aktenzeichen  30 W (pat) 55/07

Datum:
28.7.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
Art 5 EGV 510/2006
§ 70 Abs 3 Nr 1 MarkenG
§ 130 MarkenG
Spruchkörper:
30. Senat

Leitsatz

Bayerischer Süßer Senf
1. Im Lauf der Prüfung des Antrags sind nach seiner Veröffentlichung Änderungen der Spezifikation zulässig, soweit sie nicht willkürlich sind.
2. Die Angaben von Gründen kann im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden. Auch können Änderungen zurückgenommen werden.
3. Bei fehlender Entscheidung des Patents in der Sache kann die angefochtene Entscheidung aufgehoben werden.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend den Antrag auf Eintragung einer geografischen Angabe
304 99 900.8
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) in der Sitzung vom 28. Juli 2010 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende, des Richters Paetzold und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.2 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. Juni 2007 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung der Eintragungsfähigkeit an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin hat am 5. Februar 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt für das Erzeugnis
2
“Senf”
3
für die Bezeichnung
4
“Bayerischer Süßer Senf”
5
Antrag auf Eintragung als geografische Angabe in das Verzeichnis der geschützten geografischen Angaben und der geschützten Ursprungsbezeichnungen eingereicht, das von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß der jetzt geltenden Verordnung (EG) 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. EU Nr. L 93 vom 31. März 2006 S. 12; im Folgenden als “VO 510/2006” zitiert) geführt wird und eine Spezifikation vorgelegt.
6
1. Die Markenabteilung 3.2. hat nach § 130 Abs. 3 MarkenG Stellungnahmen sachkundiger und interessierter Stellen eingeholt.
7
Nach Einreichung von geänderten Spezifikationen hat die Markenabteilung den Antrag vom 5. Dezember 2005 im Markenblatt veröffentlicht. In der dort veröffentlichten Spezifikation heißt es unter Punkt b) – Beschreibung – auszugsweise:
8
“Bayerischer Süßer Senf, auch Bayerischer Senf, Bayerischer Süßer Hausmachersenf, Bayerischer Hausmachersenf, Bayerischer Süßer Weißwurstsenf oder Bayerischer Weißwurstsenf genannt, ist eine verzehrfertige Zubereitung auf der Grundlage von Senfkörnern. Der Bayerische Süße Senf besteht vornehmlich aus grob gemahlenen Senfkörnern bzw. Senfmehl und Zucker. Seine Konsistenz ist körnig und zähflüssig. Optisch weist der Bayerische Süße Senf einen Farbraum von Gelbbraun bis Dunkelbraun auf. Teilweise sind kleine dunkelbraune Schalenteile sichtbar, die dem Bayerischen Süßen Senf das typische Aussehen verleihen. Neben den grob gemahlenen Senfkörnern unterscheidet sich der Bayerische Süße Senf von anderen, fein gemahlenen Senfzubereitungen durch seinen deutlich wahrnehmbaren Süßgeschmack. Durch spezielle Verarbeitungsverfahren entsteht sein typischer Karamellgeschmack. Je nach Art des Reifeprozesses schmeckt der Bayerische Süße Senf etwas schärfer oder süßer. Das milde Aroma erhält der Bayerische Süße Senf durch einen hohen Anteil an gelber Senfsaat, das Herstellungsverfahren und den Zucker. Daher ist braune Senfsaat wegen seiner scharfen Allyl-Senföle nur in geringen Mengen zu verwenden. Insgesamt ist der Geschmack als süß, die Konsistenz als körnig von fest bis zähflüssig zu bezeichnen. ….”
9
Auf die Veröffentlichung hat ein weiterer Senfhersteller, die C… KG (GmbH & Co.) eine Stellungnahme abgegeben und u. a. die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Angabe Bayerischer Süßer Senf um eine Gattungsbezeichnung handle.
10
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2006 eine weitere geänderte Fassung der Spezifikation eingereicht.
11
2. Mit Bescheid vom 26. Januar 2007 hat die Markenabteilung der Antragstellerin mitgeteilt, nach vorläufiger Auffassung der Markenabteilung könne die Schutzfähigkeit der Bezeichnung “Bayerischer Süßer Senf” als geografische Angabe gem. Art. 2 Abs. 1 b) VO 510/2006 auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme der C… KG grundsätzlich bejaht werden. Es fehlten allerdings u. a. noch Darlegungen zur Rechtfertigung der in der Spezifikation festgelegten regionalen Rohstoffbindung, zur Festlegung des Abfüllens, des Verpackens und des Etikettierens im geografischen Gebiet sowie das erforderliche einzige Dokument.
12
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 23. März 2007 eine überarbeitete Spezifikation vom 23. März 2007 sowie ein entsprechendes einziges Dokument vorgelegt. In der Spezifikation heißt es unter Punkt 4.2 Beschreibung:
13
“…Der Bayerische Süße Senf besteht vornehmlich aus grob gemahlenen Senfkörnern bzw. Senfmehl und Zucker. Seine Konsistenz ist körnig und zähflüssig, seine Farbe mittelbraun. Kleine Schalenteile sind sichtbar. Der Bayerische Süße Senf schmeckt karamellisiert. …”.
14
Die Markenabteilung hat die Antragstellerin mit Bescheid vom 12. April 2007 darauf hingewiesen, dass die mit Schriftsatz vom 23. März 2007 eingereichte Spezifikation erhebliche Änderungen insbesondere die Farbe und den Geschmack betreffend enthalte, die ohne Angabe von Gründen vorgenommen seien. Da die Angaben der Spezifikation im Rahmen der schriftlichen Anhörung gemäß § 130 Abs. 3 MarkenG von den beteiligten Institutionen gebilligt worden seien und auch Gegenstand der Veröffentlichung im Markenblatt gewesen seien, sei eine Abänderung nicht mehr ohne weiteres möglich. Änderungen könnten nur bei ausreichender Begründung und Nachweis der Richtigkeit der neuen Angaben akzeptiert werden.
15
Auf diesen Bescheid hat die Antragstellerin mitgeteilt, die Markenabteilung überschreite ihre Prüfungskompetenz, wenn sie der Antragstellerin ohne Kenntnis der Herstellungsbedingungen bestimmte Herstellungsverfahren in der Produktspezifikation vorgebe, die in der Wirklichkeit nicht bestünden und gebeten, an den geforderten Änderungen der Produktspezifikation nicht mehr festzuhalten.
16
3. Die Markenabteilung hat den Antrag mit Beschluss vom 11. Juni 2007 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Antrag auf der Basis der von der Antragstellerin mit Eingabe vom 23. März 2007 geänderten Spezifikation entspreche nicht den Voraussetzungen der VO 510/2006 und VO 1898/2006. Zwar seien Änderungen der Spezifikation im Laufe des Eintragungsverfahrens grundsätzlich zulässig, insbesondere um begründeten Einwendungen oder Einsprüchen Dritter Rechnung zu tragen. Die Spezifikation dürfe aber nicht willkürlich geändert werden, vielmehr müssten die Änderungen im Hinblick auf die ständigen redlichen Gepflogenheiten der örtlichen Hersteller gerechtfertigt sein. Dies gelte für alle Angaben der Spezifikation, was von der VO 510/2006 in Art. 4 vorausgesetzt werde und sich schon aus der Intention der VO ergebe, Erzeuger und Verbraucher vor Missbrauch geografischer Angaben und dadurch bedingten Irreführungen zu schützen. Dies schließe selbstverständlich auch aus, dass einzelne Erzeuger, die einen Schutzantrag betreiben, willkürlich die Bedingungen der Spezifikation festlegen und damit die Benutzung der geografischen Angabe für die anderen ortsansässigen Erzeuger in ungerechtfertigter Weise einschränken könnten. Daher müsse auch jede Änderung der Spezifikation schon im Eintragungsverfahren hinreichend begründet werden, insbesondere nach Billigung im Anhörungsverfahren und nachfolgender Veröffentlichung ohne Beanstandung.
17
Vorliegend sei die Spezifikation in mehreren Punkten maßgeblich geändert worden. So werde nunmehr in der Beschreibung des Erzeugnisses als Farbe des Produkts “mittelbraun” angegeben, während sie früher mit “gelbbraun bis dunkelbraun” beschrieben worden sei, wodurch eine wesentlich größere Skala an Farben umfasst gewesen sei. Für diese Einschränkung, die sich auch auf die Rezeptur, insbesondere die Anteile an gelber und brauner Senfsaat auswirke, habe die Antragstellerin keine sachlichen Gründe genannt. Gegen die Beschränkung der Produktfarbe auf “mittelbraun” spreche auch die Beschreibung des “Bayerischen Süßen Senfs” in “Deutschlands kulinarisches Erbe”, ars vivendi Verlag, 1998, S. 29, wo die Farbe mit “gelbbräunlich” angegeben werde. Die fragliche Änderung würde für andere Senfhersteller in Bayern eine nicht gerechtfertige Einschränkung in der Verwendung der Bezeichnung “Bayerischer Süßer Senf” bedeuten. Auch die weiteren Änderungen der Spezifikation – in Abschnitt b) seien die Betonung des “deutlich wahrnehmbaren Süßgeschmacks” und der Hinweis auf das “milde Aroma” entfallen, ebenso Angaben zu den Anteilen an gelber und brauner Senfsaat – seien ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung erfolgt. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb – gemäß Abschnitt e) bzw. 4.5 Herstellungsverfahren – das Vermahlen der Senfsaat mit Granitsteinen nicht mehr zulässig sein solle.
18
Die Spezifikation entspreche ferner nicht den Anforderungen von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. f) ii) VO 510/2006, weil sie in Absatz 4.6 – Zusammenhang mit dem geografischen Gebiet – nicht den erforderlichen Nachweis führe, auf welche Weise sich die Eigenschaften des abgegrenzten Gebietes auf das Erzeugnis auswirkten. Die Spezifikation sei nicht in der erforderlichen Weise gegliedert; es würden nicht die erforderlichen herkunftsbedingten objektiven Produktmerkmale genannt; es sei nicht klar genug erkennbar, welche besonderen Eigenschaften des Herkunftsgebietes für welche besonderen Eigenschaften des Erzeugnisses kausal sein sollen. Die in Abschnitt 4.8 – Etikettierung – enthaltene Kennzeichnungsverpflichtung widerspreche Art. 8 Abs. 2 VO.
19
4. Gegen den ihr am 14. Juni 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 12. Juli 2007 Beschwerde eingelegt und mit näherer Begründung die Aufhebung des Beschlusses und die Eintragung der geografischen Angabe beantragt.
20
Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2008 hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass der Schutzgemeinschaft Bayerischer Süßer Senf ein weiterer Erzeuger, die B… GmbH, am 7. Mai 2008 beigetreten sei. Sie hat eine aktualisierte Fassung des einzigen Dokuments und der Spezifikation vom 8. Mai 2008 vorgelegt.
21
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 30. Juni 2010 durch ihren neuen anwaltlichen Vertreter eine geänderte Spezifikation und ein geändertes einziges Dokument vorgelegt und wie folgt ergänzend vorgetragen.
22
Es werde an den Änderungen der Spezifikation durch die Antragstellerin nach Veröffentlichung des Antrags, die zur Zurückweisung durch die Markenabteilung geführt hätten, nicht mehr festgehalten. Der Antrag werde im sachlichen Teil – bis auf eine auch vom Amt als sachdienlich angesehene Modifikation – auf den Stand “zurückgesetzt”, den er hatte, als das Amt die Eintragungsfähigkeit bejaht habe. In der nunmehr geltenden Spezifikation und dem einzigen Dokument seien die vom Amt gerügten Änderungen rückgängig gemacht; die Vorgaben des Amtes hätten allerdings eine Umstrukturierung der Spezifikation und die Einfügung von Textpassagen erforderlich gemacht. Korrigiert werde der Jahresumsatz für Bayerischen Süßen Senf auf … Euro. Der Fettgehalt werde mit mindestens 1,6g/100g angegeben. Die Punkte, die die Markenabteilung in der letzten Fassung der Spezifikation und des einzigen Dokuments beanstandet habe und die zur Zurückweisung des Antrags führten, seien nunmehr bereinigt, so dass die Spezifikation und das einzige Dokument in Fassungen vorlägen, die nach der Rechtsauffassung der Markenabteilung ordnungsgemäß seien, so dass der Beschluss der Markenabteilung im nachhinein betrachtet unrichtig gewesen sei. Das Verfahren könne auf der Grundlage der beigefügten Spezifikation und des einzigen Dokumentes fortgesetzt werden.
23
Die Antragstellerin hat in der aktualisierten Fassung der Spezifikation u. a. in der Beschreibung zu e) – Herstellungsverfahren – als Rechtfertigung dafür, dass alle Herstellungsschritte im geografischen Gebiet durchzuführen sind, ergänzend ausgeführt:
24
“…Dies ist erforderlich, da der Reifeprozess einer sensiblen Temperaturführung unterliegt. Die Steuerung der Lagertemperatur und Lagerdauer haben entscheidenden Einfluss auf die sensorische Qualität des Endprodukts. Nur das Fachpersonal der Herstellerbetriebe (Senfmeister vor Ort) hat die nötige Erfahrung, den für die Einhaltung einer gleichbleibenden Produktqualität idealen Abfüllzeitpunkt zu bestimmen. Dieser wesentliche und qualitätsrelevante Herstellungsschritt muss darum unter der Kontrolle der Hersteller im geografischen Gebiet erfolgen.” Unter Punkt f) 1) – Besonderheiten des geografischen Gebietes – hat die Antragstellerin ergänzend ausgeführt: “Das Gebiet ist der Freistaat Bayern. Gerade im Hinblick auf die Herstellung von Senf und insbesondere süßem Senf verfügt das Gebiet über eine lange Tradition.” Unter Punkt f) 2) – Besonderheiten des Erzeugnisses – hat die Antragstellerin ergänzt: “Die Eintragungsfähigkeit des Bayerischen Süßen Senfs beruht auf seinem hohen Ansehen, welches unter anderem auf seiner bis heute praktizierten traditionellen Herstellungsweise beruht.” Unter Punkt f) 3) – Ursächlicher Zusammenhang zwischen 1) und 2) – hat die Antragstellerin hinzugefügt: “Der Bayerische Süße Senf ist wie die Münchner Weißwurst, deren kongenialer Geschmackspartner der neue süße Senf bald wurde uns bis zum heutigen Tage blieb, eine urbayerische Spezialität…Die Zusammengehörigkeit dieser beiden Produkte untereinander ist sehr eng, und auch mit dem Freistaat, dem geografischen Gebiet, sind sie sowohl aus Sicht der einheimischen Bevölkerung als auch und gerade aus Sicht des Nicht-Bayern, ebenso untrennbar verbunden wie die blauweiße Raute.”
25
Die Antragstellerin ist der Auffassung, hiermit seien alle von der Markenabteilung geforderten Änderungen berücksichtigt und das Eintragungsverfahren könne fortgesetzt werden.
26
Die Beschwerdeführerin beantragt,
27
den Beschluss der Markenabteilung vom 11. Juni 2007 aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
29
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
30
Der Beschluss der Markenabteilung ist auf der Grundlage eines geänderten Antrages – hier der aktualisierten Fassung der Spezifikation und des einzigen Dokuments – aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zur Fortführung des Eintragungsverfahrens zurückzuverweisen.
31
1. Der Beschluss der Markenabteilung – gestützt auf die Spezifikation und das einzige Dokument in der Fassung vom 23. März 2007 – hat den Antrag auf Eintragung der geografischen Angabe Bayerischer Süßer Senf zu Recht zurückgewiesen.
32
Wie die Markenabteilung zutreffend festgestellt hat, enthielt die dem Zurückweisungsbeschluss der Markenabteilung zugrunde liegende Spezifikation wesentliche Änderungen gegenüber der veröffentlichten ursprünglichen Spezifikation, so dass sich bei einer möglichen Eintragung abweichende Produkteigenschaften ergeben hätten.
33
Die Spezifikation als zentrales Antragserfordernis gem. Art. 5 Abs. 3 Buchst. b) i. V. m. Art. 4 VO 510/2006 legt einerseits die Benutzungsbedingungen der geografischen Angabe fest, andererseits wird durch sie der Umfang des Schutzes bestimmt, den die einzutragende Bezeichnung künftig in der Gemeinschaft haben wird. Daher ist schon im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zu gewährleisten, dass die Spezifikation, die von der antragstellenden Vereinigung formuliert wird, keine ungerechtfertigten Beschränkungen zu Lasten der Konkurrenten enthält. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat daher im Rahmen der Sachprüfung als Sachwalter des öffentlichen Interesses dafür Sorge zu tragen, dass die Spezifikation nur sachlich berechtigte Benutzungsbedingungen enthält (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG 9. Aufl., § 130 Rdn. 49, 63).
34
Die nachträglich vorgenommenen Änderungen der Spezifikation bezogen sich im vorliegenden Fall auf Farbe und Geschmack und damit auf wesensbestimmende Eigenschaften des Produkts. Derartige Änderungen sind zwar im Laufe des Verfahrens möglicherweise sachdienlich, um eine korrekte Beschreibung des Produkts zu erreichen, auf Stellungnahmen im Anhörungsverfahren zu reagieren oder mögliche Einwendungen von Mitbewerbern auszuräumen. Beliebige Änderungen von wesentlichen Angaben seitens der Antragstellerin ohne erkennbaren Bezug hierzu müssen jedoch ausgeschlossen sein. Dies gilt jedenfalls, wenn wie hier bereits die Beteiligung gem. § 130 Abs. 3 MarkenG und eine Veröffentlichung des Antrags mit Spezifikation gem. § 130 Abs. 4 erfolgt ist, da die Veröffentlichung die Grundlage für das folgende Einspruchsverfahren ist, das der Markenabteilung weitere Erkenntnisse vermitteln soll und da möglicherweise betroffene Dritte sich zur Wahrung ihrer Rechte nur auf die veröffentlichten Informationen beziehen können. Erfolgen nach Veröffentlichung des Antrags wesentliche Änderungen des Erzeugnisses, und könnten die Interessen (anderer) Dritter berührt sein, stellt sich zwar auch die Frage nach einer neuerlichen Veröffentlichung des in wesentlichen Punkten geänderten Antrags. Vorab bedarf es dazu seitens eines Antragstellers aber der Angabe von Gründen.
35
Da die Antragstellerin im vorliegenden Fall keine für die Markenabteilung hilfreichen Angaben zum Hintergrund der Spezifikationsänderungen gemacht hat und die Gefahr bestand, dass sich durch die Änderungen ungerechtfertigte Beschränkungen zu Lasten möglicher Konkurrenten ergeben können, hat die Markenabteilung den Schutzantrag zu Recht zurückgewiesen.
36
2. Der Beschluss war allerdings auf der Grundlage des geänderten Antrags aufzuheben und an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (§ 70 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG).
37
Nachdem die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 30. Juni 2010 die von der Markenabteilung gerügten Änderungen der ursprünglichen Spezifikation rückgängig gemacht hat, hat sie damit die Hindernisse beseitigt, die dem Fortgang des Eintragungsverfahrens entgegen gestanden und zur Zurückweisung des Schutzantrags geführt haben. Damit kann das Eintragungsverfahren auf dem Stand vor der Zurückweisung durch den Beschluss der Markenabteilung fortgesetzt werden. Zum anderen hat die Antragstellerin die von der Markenabteilung darüber hinaus geforderten Korrekturen des Antrags durch weitere Ergänzungen der Spezifikation und die Vorlage des einzigen Dokuments vorgenommen. Die Markenabteilung ist damit wieder in den Stand versetzt, die aktualisierte Spezifikation und den Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich der Besonderheiten des geografischen Gebietes, der Besonderheiten des Erzeugnisses und deren ursächlichen Zusammenhangs sowie hinsichtlich des Herstellungsverfahrens im geografischen Gebiet daraufhin zu prüfen, ob die Voraussetzungen der VO 510/2006 insoweit erfüllt sind.
38
Die Zurückverweisung an die Markenabteilung unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses war auszusprechen, da die Markenabteilung noch keine Sachentscheidung darüber getroffen hat, ob die Voraussetzungen gem. Art. 4 VO 510/2006 auf der Grundlage der aktualisierten Spezifikation nunmehr erfüllt sind (§ 70 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG). Da die Antragstellerin gegenüber der Markenabteilung bislang noch keine Ausführungen dazu gemacht hatte, auf welche Weise sich die Eigenschaften des abgegrenzten Gebietes auf das Erzeugnis auswirken, worin die erforderlichen herkunftsbedingten objektiven Produktmerkmale bestehen und welche besonderen Eigenschaften des Herkunftsgebietes für welche besonderen Eigenschaften des Erzeugnisses kausal sein können (Art. 7 Abs. 3 VO 1898/2006), hat die Markenabteilung insoweit noch keine Sachentscheidung getroffen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Eintragungsverfahren stets die Interessen jeweils betroffener Dritter zu berücksichtigen sind und für eine sachgerechte Abwägungsentscheidung u. U. auch weitere Stellungnahmen erforderlich sind, die von der mit der Sachprüfung betrauten Markenabteilung einzuholen wären. Eine Zurückverweisung war auch vor dem Hintergrund veranlasst, dass die Antragstellerin dies selbst beantragt hat und der Antragstellerin auch angesichts des neuen Sachvortrags keine Sachentscheidungsinstanz genommen werden soll (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 70 Rdn. 5).


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