Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Happyness” – fehlende Unterscheidungskraft –

Aktenzeichen  28 W (pat) 555/11

Datum:
8.3.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 37 Abs 1 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 035 702.9
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 8. März 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, der Richterin Dorn und des Richters Paetzold
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das Wortzeichen 30 2010 035 702.9
2
Happyness
3
ist am 11. Juni 2010 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren angemeldet worden:
4
Klasse 03:  Parfümeriewaren, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege;
5
Klasse14: Juwelierwaren und Schmuckwaren, Uhren und Zeitmessinstrumente;
6
Klasse 25:  Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.
7
Mit Beschluss vom 21. April 2011 hat die Markenstelle für Klasse 14 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen „Happyness“ werde ohne weiteres in seiner Bedeutung von „Glück, Freude“ erkannt; die geringfügige Abwandlung von der korrekten englischen Schreibweise „Happiness“ bleibe vom Verkehr unbemerkt oder werde für einen Druckfehler gehalten. Zwar stehe in Bezug auf die beanspruchten Waren ein beschreibender Begriffsinhalt im Sinne eines objektiven Qualitätsmerkmals nicht im Vordergrund, es handle sich bei „Happyness“ aber um eine reine Werbeaussage allgemeiner Art, die lediglich zum Kauf entsprechend bezeichneter Produkte anregen solle. Bei den beanspruchten Juwelier- und Schmuckwaren, Uhren und Parfümeriewaren stünden häufig rein subjektive Empfindungen und Wertvorstellungen im Vordergrund des Kaufentschlusses, weshalb es besonders nahe liege, diese persönlichen Empfindungen werbemäßig anzusprechen.
8
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ausführt, dass das Wort „Happyness“ den Verbraucher nicht direkt anspreche und daher keine unmittelbare Kaufaufforderung darstelle. Im Übrigen stehe ein anpreisender Charakter des Zeichens einer gleichzeitigen Herkunftsfunktion nicht entgegen. Man könne auch nicht pauschal behaupten, dass ein Verbraucher beispielsweise beim Kauf eines mit dem Anmeldezeichen gekennzeichneten Parfümerieproduktes Freude oder Glück empfinde. Vielmehr weise das Anmeldzeichen hinsichtlich der beanspruchten Waren eine interpretationsbedürftige Mehrdeutigkeit auf. Auch die bisherige Eintragungspraxis des DPMA spreche für eine Schutzfähigkeit des Zeichens. Die Beschwerdeführerin verweist in diesem Zusammenhang auf verschiedene Voreintragungen der Marke „Happiness“.
9
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
10
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 14, vom 21. April 2011 aufzuheben.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
12
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
13
Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „Happyness“ als Marke steht hinsichtlich der beanspruchten Waren das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher zu Recht die Eintragung versagt.
14
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 – SAT 2; BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 –  marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – DeutschlandCard; a. a. O. Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855, Rdnr. 19, 28 f. – FUSSBALL WM 2006).
15
Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft wird das Anmeldezeichen nicht gerecht. Es erschöpft sich in einer reinen Werbeaussage allgemeiner Art.
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a) Es ist davon auszugehen, dass das angesprochene Publikum das angemeldete Wortzeichen „Happyness“ mit dem aus dem englischen Grundwortschatz stammenden und im Inland geläufigen Begriff „Happiness“ mit der Bedeutung „Glück, Heiterkeit, Zufriedenheit“ (Duden-Oxford – Großwörterbuch Englisch. 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]) gleichsetzen und als solches auch unmittelbar wiedererkennen wird. Denn es wird die geringfügige Abweichung des Anmeldezeichens (Buchstabe „y“ statt „i“ in der Wortmitte), die sich klanglich nicht auswirkt, entweder nicht bemerken oder für einen Druckfehler halten oder aber es erkennt in der bewusst wahrgenommenen Abwandlung die ihm geläufige Angabe „Happiness“ ohne weiteres wieder (vgl. auch BGH GRUR 2008, 1002, 1005 Rdnr. 35 – Schuhpark [„jello“ mögliche Abwandlung von „yellow“]; GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein [„Liechtenstein“]; BPatG 28 W (pat) 546/10 – Catz [„cats“]; 29 W (pat) 107/10 – Produktwal [„Produktwahl“]; 30 W (pat) 25/09 – SCHLÜSEL [„Schlüssel“]; 27 W (pat) 173/09 mobiLotto [„mobil Lotto“]). Der Begriff „Happyness” stellt nämlich keine derart ungewöhnliche oder originell gebildete Wortverfremdung dar, dass sie den Verkehr den ihm bekannten Begriff “Happiness” vergessen ließe. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Begriffe wie “happy”, “Happy End” oder „Happy Hour“ mittlerweile zum deutschen Sprachschatz gehören (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM]).
17
b) Zwar kommt der Bezeichnung „Happyness“ hinsichtlich der beanspruchten Waren der Klassen 03, 14 und 25 kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zu, da sie keine möglichen Eigenschaften oder Merkmale dieser Waren unmittelbar beschreibt. Allerdings handelt es sich bei dem angemeldeten Wortzeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Parfümerie- und Kosmetikprodukten, Schmuckwaren und Uhren sowie Bekleidungsstücken, bei denen entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Markenstelle häufig rein subjektive Empfindungen und Wertvorstellungen im Vordergrund stehen, ausschließlich um eine schlagwortartige, werbewirksame Anpreisung, die beim Verbraucher positive Emotionen von „Glück, Zufriedenheit, Freude“ ansprechen und damit den Kaufentschluss fördern soll. Hierzu bedarf es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin keiner direkten Ansprache der Verbraucher durch die fragliche Anpreisung. Der rein werbemäßige Charakter dieses Begriffes wird hier auch nicht erst aufgrund einer über das reine Wortverständnis hinausgehenden Deutung verstanden, sondern ergibt sich unmittelbar aus dem originären Wortverständnis. Ausdrücke wie “Glück, glücklich” werden in der Werbung für einschlägige Artikel aus den o. g. Produktbereichen gerichtsbekannt vielfach verwendet (vgl. auch BPatG 24 W (pat) 57/00 – HAPPINESS). Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei Begriffen wie „Freude“ oder „Glück” um die allgemeinste und deshalb nächstliegende Benennung aller positiven Befindlichkeiten potentieller Warenkonsumenten. Dies entspricht auch den sonstigen Werbegepflogenheiten, wonach der Ausdruck „Glück“ häufig als zentrales Werteversprechen eingesetzt wird (vgl. auch Rothfuss, Wörterbuch der Werbesprache, 1. Aufl. 1991, S. 87, 135, 136; BPatG a. a. O. – HAPPINESS). Für den entsprechenden englischen Ausdruck „Happiness“ – bzw. die hier leicht abgewandelte Form „Happyness“ – greift keine abweichende markenrechtliche Bewertung durch, zumal auf den hier in Rede stehenden Warengebieten das inländische Publikum seit langem an einen intensiven Einsatz englischer Begriffe gewöhnt ist (vgl. auch BPatG a. a. O. – HAPPINESS; BPatGE 13, 245, 247 ff. – Dreamwell/Dreamwave).
18
Diese Beurteilung steht nicht im Widerspruch zu der von der Beschwerdeführerin angeführten Entscheidung des EuGH – Vorsprung durch Technik. Denn aus der Sicht des angesprochenen Publikums steht die Werbefunktion bei der angemeldeten Bezeichnung in Bezug auf sämtliche beanspruchten Waren so stark im Vordergrund, dass der Gedanke fern liegt, es könnte sich überhaupt um einen betrieblichen Herkunftshinweis handeln. Die Bezeichnung „Happyness“ wird ausschließlich als allgemein verständliche positiv besetzte Aussage verstanden, ohne dass sie hierfür einen Denkprozess auslöst oder ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordert (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 57 – Vorsprung durch Technik). Auch kann dem angemeldeten Zeichen keine Originalität oder Prägnanz zugesprochen werden, aus der sich die Unterscheidungskraft ableiten ließe.
19
Das Anmeldezeichen eignet sich daher nicht als betrieblicher Herkunftshinweis.
20
2. Die Beschwerdeführerin kann sich zur Ausräumung des Schutzhindernisses auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis berufen. Zum einen sind die von ihr angeführten Voreintragungen schon nicht vergleichbar, da sie zu lange zurückliegen bzw. für andere Waren geschützt sind oder bereits gelöscht wurden. Zum anderen sind zwar etwaige Entscheidungen über ähnliche Anmeldungen, soweit sie bekannt sind, im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, sie sind aber keinesfalls bindend (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Rdnr. 17 und 19 – Bild digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart). Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken haben hinsichtlich der Schutzfähigkeit weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung, weil zum einen aus nicht begründeten Eintragungen anderer Marken keine weitergehenden Informationen im Hinblick auf die Beurteilung der konkreten Anmeldung entnommen werden können und zum anderen auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden darf (vgl. EuGH a. a. O. Rdnr. 18 – Bild digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH GRUR 2012, 276, 277 Rdnr. 18 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e. V.; GRUR 2011, 230 Rdnr. 12 – SUPERgirl; WRP 2011, 349 Rdnr. 12 – FREIZEIT Rätsel Woche). Denn für die Entscheidung, ob der Markenanmeldung ein Eintragungshindernis entgegensteht, kommt es allein darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines der gesetzlich geregelten Schutzhindernisse gegeben sind. Der Umstand, dass identische oder ähnliche Zeichen als Marken eingetragen worden sind, ist demgegenüber nicht maßgebend (EuGH a. a. O. Rdnr. 15, 18 f. – Bild digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH a. a. O. – SUPERgirl).


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