Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Kultur- und Weinbotschafter” – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  27 W (pat) 5/11

Datum:
8.3.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 029 439.9
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die am 18. Mai 2009 für die Dienstleistungen
2
„Erziehung, Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten“
3
angemeldete Wortmarke
4
Kultur- und Weinbotschafter
5
hat die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Erstbeschluss vom 6. Juli 2010 unter Bezugnahme auf den vorangegangenen Beanstandungsbescheid vom 5. Oktober 2009 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. In Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen stelle das angemeldete Zeichen eine Inhalts- oder Bestimmungsangabe dar bzw. werde als Hinweis auf eine bestimmte Thematik verstanden. Der Verbraucher werde unter „Kultur- und Weinbotschafter“ eine Person verstehen, welche alles rund um Kultur und Wein vermitteln solle. Die Bedeutung von „Kultur- und Weinbotschafter“ erschöpfe sich für das angesprochene Publikum lediglich als verständlicher Sachhinweis auf die Art, Personifikation und Bestimmung der damit gekennzeichneten Dienstleistungen, nämlich dass diese von einem Kultur- und Weinbotschafter, also von einem Boten/Kurier/Überbringer vermittelt würden bzw. ein solcher Kultur- und Weinbotschafter ähnlich einer Weinkönigin Tätigkeiten wahrnehmen und repräsentieren solle, die jeweilige Gegend näher bringen solle und dabei Wein und Kultur im Mittelpunkt seines Handelns stehe. Auch könne Gegenstand der Dienstleistungen die Wahl eines solchen Kultur- und Weinbotschafters sein.
6
Auf die Eintragung von seiner Ansicht nach vergleichbaren Drittmarken mit dem Bestandteil „Botschafter“ könne sich der Anmelder nicht erfolgreich berufen. Die vom Anmelder genannten Voreintragungen seien mit der hier zu beurteilenden Anmeldung weitgehend nicht vergleichbar, da es sich hierbei um ältere Marken handle und die Schutzfähigkeit einer aus mehreren Bestandteilen bestehenden Marke nicht nur anhand eines ihrer Wortelemente beurteilt werden könne.
7
Die nicht begründete Erinnerung des Anmelders wurde mit Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Dezember 2010 unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Erstbeschluss zurückgewiesen.
8
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er beantragt,
9
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Juli 2010 und 3. Dezember 2010 aufzuheben und die Eintragung der angemeldeten Marke anzuordnen.
10
Die vom Senat auf den Hilfsantrag des Anmelders anberaumte mündliche Verhandlung wurde aufgehoben, nachdem der Anmelder mit Schriftsatz vom 23. Januar 2012 mitgeteilt hat, es könne ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Bei der Entscheidung werde es insbesondere darauf ankommen, dass die Markenstelle die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen früheren Entscheidungen hätte berücksichtigen müssen. Dabei komme es auf den Zeitpunkt der Anmeldung und nicht den der Eintragung an. Die vom Senat unter www.nierstein.de/weinschöffen/weinbotschafter.htm ermittelte Veröffentlichung sei der Sphäre des Anmelders zuzurechnen.
II.
11
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil dem angemeldeten Zeichen in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Die Markenstelle hat dies zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, angenommen.
12
a) Unterscheidungskraft im Sinn dieser Vorschrift ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr. EuGH GRUR Int. 2005, 1012 Nrn. 27 ff. – BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854 – FUSSBALL WM 2006).
13
Ist – wie hier – die Unterscheidungskraft einer Wortfolge zu beurteilen, so bestehen grundsätzlich keine gegenüber anderen Wortmarken abweichenden Anforderungen. Bei einer aus mehreren Wörtern bestehenden Marke ist auf die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit abzustellen (vgl. BGH GRUR 2001, 162 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Auch Wortfolgen sind nicht unterscheidungskräftig, wenn es sich um beschreibende Angaben oder um Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art handelt (vgl. z. B. BGH BlPMZ 2000, 161 – Radio von hier).
14
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Schutzfähigkeit einer Marke gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist entgegen der Auffassung des Anmelders nicht nur der Zeitpunkt der Anmeldung, sondern auch der Zeitpunkt der Entscheidung (zur Darstellung der herrschenden Meinung vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 17). Auf die in neuerer Zeit (u. a. von Bölling, GRUR 2011, 472, unter Hinweis auf EuGH MarkenR 2010, 439 – Flugbörse) aufgeworfene Frage, ob allein der Anmeldezeitpunkt maßgeblich sein soll, damit die Verfahrensdauer für den Anmelder keine negativen Folgen haben kann, kommt es vorliegend nicht an.
15
Die von der Markenstelle dargestellte Bedeutung von „Kultur- und Weinbotschaften“ war bereits am 18. Mai 1999 gegeben. Dass sie keinen Herkunftshinweis vermittelt, hat sich nicht erst in der Zeit danach ergeben. Fundstellen aus der Zeit nach dem 19. Mai 1999 sind daher für die Versagung des Markenschutzes nicht entscheidend.
16
b) Ausgehend von den o. g. Grundsätzen fehlt dem angemeldeten Zeichen in seiner Gesamtheit für sämtliche beanspruchten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft, da es bezüglich dieser Dienstleistungen einen ohne weiteres erkennbaren Begriffsinhalt aufweist, der dazu führt, dass das angemeldete Zeichen nicht als Marke verstanden wird, sondern als Hinweis auf den thematischen Inhalt der Dienstleistungen, deren Zielgruppe sowie deren Erbringer. Als „Botschafter“ wird nämlich nicht nur ein Diplomat des Außenministeriums bezeichnet, sondern auch eine Person, die auf einem bestimmten Gebiet als Repräsentant oder Vertreter für eine bestimmte Sache eintritt (z. B. UNICEF-Botschafter).
17
Auch auf den hier relevanten Gebieten der Kultur und des Weins lässt sich eine entsprechende Verwendung der Begriffe „Kulturbotschafter“ bzw. „Weinbotschafter“ bereits vielfach feststellen, wie den vom Senat ermittelten und dem Anmelder mit der Ladung übersendeten Internetausdrucken zu entnehmen ist. Sie zeigen jedenfalls indiziell, dass dies auch 2009 so gesehen werden konnte, zumal seither nur drei Jahre vergangen sind. Dass einer dieser Internetausdrucke „der Sphäre des Anmelders zuzurechnen ist“, wie der Anmelder ohne jeglichen Nachweis behauptet hat, könnte daran selbst dann nichts ändern, wenn es auf diesen Nachweis allein ankäme. Abgesehen davon, dass der Internetausdruck www.nierstein.de/weinschöffen/weinbotschafter.htm keinen Hinweis auf den Anmelder enthält, zeigt er wie auch die übrigen vom Senat ermittelten Belege, dass die Begriffe „Kulturbotschafter“ und „Weinbotschafter“ umfangreich von Dritten als Sachangaben verwendet werden.
18
Sämtliche beanspruchten Dienstleistungen können jeweils von einem „Kultur- und Weinbotschafter“ erbracht bzw. angeboten werden oder für diesen bestimmt sein, etwa um ihn auf seine Aufgaben vorzubereiten.
19
Im Übrigen wird bezüglich der Schutzunfähigkeit der angemeldeten Wortfolge zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der Markenstelle in ihrem Beanstandungsbescheid vom 5. Oktober 2009 verwiesen, auf die auch die beiden Beschlüsse der Markenstelle Bezug nehmen.
20
Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung des Anmelders auch nicht aus der Eintragung von seiner Ansicht nach vergleichbaren Marken, mit denen sich der Erstbeschluss ausreichend auseinandergesetzt hat. Zwar kann eine uneinheitliche Entscheidungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts, die dazu führt, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wesentlich gleiche Sachverhalte ohne nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt worden sind, grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach § 3 GG sein. Das setzt aber voraus, dass sich die bisherige Amtspraxis als willkürlich herausstellt und nicht erkennen lässt, welche der vorangegangenen Entscheidungen rechtmäßig und welche rechtswidrig waren (BPatG 29 W (pat) 43/04; BeckRS 2007, 12252 – print24). Allein aus – wie hier – einer oder wenigen vorangegangenen Entscheidungen lässt sich noch nicht der Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung ableiten, zumal es sich um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen oder Eintragungen vor Eintritt einer Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln kann. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668, Rn. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und Schwabenpost).
21
Die Amtspraxis ist daher nicht willkürlich. Zudem verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise, da jeder Fall unter Einbeziehung seiner Besonderheiten, insbesondere der Marke selbst, der Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, und des beteiligten Publikums zu beurteilen ist. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage, und selbst Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken führen nach ständiger Rechtsprechung somit nicht zu einem Anspruch auf Eintragung.
22
Ob der Eintragung zusätzlich das Schutzhindernis der Merkmalsbezeichnung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.


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