Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – “has Antep” – Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  28 W (pat) 138/10

Datum:
14.11.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 73 083
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. November 2011 durch die Vorsitzende Richterin Klante und die Richter Schwarz und Schell
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 29. September 2010 aufgehoben.
Die Marke 305 73 083 wird auf Antrag der Antragstellerin gelöscht.

Gründe

I.
1
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 29. September 2010 den auf § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 MarkenG gestützten Antrag der Beschwerdeführerin auf Löschung der am 6. Dezember 2005 angemeldeten und seit 27. Februar 2006 für die Waren
2
Klasse 29:
3
Obst und Gemüse in Salzlake eingelegt oder gekocht; Konfitüren; Gurken, Oliven, Streichwurst, Leberwurst, Rinderwurst als Konserven; Paprikamark; Wurst, Salami; Joghurt, Butter, Margarine; Käse; Geflügel frisch oder gefroren; Speiseöle, Speisefette, Datteln, Gemüse (gekocht), Gemüse (getrocknet), Gemüse (konserviert), Gemüsekonserven, Maisöl, Olivenöl für Speisezwecke, Sesamöl, Obst (gekocht) Obst (getrocknet), Obst (konserviert); getrocknete Hülsenfrüchte, nämlich Bohnen, Erbsen, Linsen
4
Klasse 30:
5
Reis, Grieß, Honig, Gewürze aller Art, Gewürzmischungen, Würzmittel, Teigwaren, Tee, Kaffee, Kakao, Backwaren fein, Essig, Ketchup, Mayonnaise, Senf, Salatsaucen, Mais (gemahlen), Mais (getrocknet), Nudeln, Spaghetti
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eingetragenen Wortmarke
7
has Antep
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zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Der zulässige Löschungsantrag führe nicht zum Erfolg, weil entgegen der Ansicht der Antragstellerin die Marke bei ihrer Eintragung weder freihaltungsbedürftig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gewesen sei noch ihr die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gefehlt habe. Zwar handele es sich, wie von der Antragstellerin dargelegt, bei den beiden Markenwörtern „has“ in der Bedeutung „besonders, eigentümlich, echt, rein“ und „Antep“, welches der gebräuchliche, wenn auch nicht offizielle Name einer Provinz in der Türkei sei, um türkische Wörter. Es stehe aber nicht fest, dass hierdurch auf mögliche Eigenschaften der gekennzeichneten Waren hingewiesen werde. Belege für eine entsprechende beschreibende Verwendung der beiden Markenwörter in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren seien von der Antragstellerin nicht vorgelegt worden. Auch das Patentamt habe bei einer Recherche hierzu keine Anhaltspunkte hierfür ermitteln können. Auch lägen keine Informationen darüber vor, dass die Begriffsbildung im Türkischen regelgerecht und üblich sei. Damit fehle es an einer beschreibenden Bedeutung der angegriffenen Marke. Aus demselben Grund scheide auch die Annahme einer mangelnden Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aus, wobei entgegen der Ansicht der Antragstellerin hierfür ohnehin nicht allein auf den türkischsprechenden inländischen Bevölkerungsteil abgestellt werden dürfe, da sich die im Warenverzeichnis beanspruchten Waren an die Gesamtbevölkerung richteten, deren Mehrheit die beiden Markenwörter aber als bloße Fantasiebegriffe ansehe. Mangels bei der Eintragung der angegriffenen Marke bestehender Schutzhindernisse sei der Löschungsantrag daher als unbegründet zurückzuweisen.
9
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die sie bislang nicht begründet hat. Auch der Antragsgegner hat zur Beschwerde bislang keine Stellung genommen.
II.
10
Die zulässige Beschwerde, über die im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann, da keiner der Beteiligten eine mündliche Verhandlung beantragt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, hat in der Sache Erfolg. Auf den zulässigen Löschungsantrag der Beschwerdeführerin ist die angegriffene Marke nach § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu löschen, weil sie trotz eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. Vorschrift eingetragen worden war und dieses Schutzhindernis auch jetzt noch fortbesteht.
11
Die angegriffene Marke ist entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingetragen worden, weil sie zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450, 453 [Rz. 32] – DOUBLEMINT; MarkenR 2008, 160, 162 [Rz. 35] – HAIRTRANSFER) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können, wobei es sich hierbei um für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände handelt (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 – FOR YOU; GRUR 2000, 211, 232 – FÜNFER), die hinreichend eng mit einer Ware oder Dienstleistung selbst in Bezug stehen (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 419 – Berlin Card). Der Eintragung der angegriffenen Bezeichnung stand und steht daher das im Allgemeininteresse liegende Ziel entgegen, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw. Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden können (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 – CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 – BIOMILD).
12
Wie die Antragstellerin im Löschungsverfahren vorgetragen hat und was auch die Markenabteilung durch entsprechende lexikalische Belege bestätigt gefunden hat, besteht die angegriffene Marke aus zwei türkischen Wörtern. Hierbei handelt es sich zum einen um das Wort „has“, welches für „eigentümlich, echt, rein“ steht (vgl. http://de.pons.eu/dict/search/results/?q=has&in=tr&kbd=tr&l=detr). Und zum anderen um den Begriff „Antep“, bei dem es sich um die gebräuchliche Kurzfassung für die türkische Provinz „Gaziantep“ handelt (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Gaziantep_(Provinz)). Soweit der Markeninhaber Letzteres im Löschungsverfahren bestritten hat und insbesondere vorgetragen hat, in der Türkei gebe es keine Stadt oder Provinz dieses Namens (vgl. Schriftsatz vom 12. März 2010), ist dies nicht nur durch die vorgenannten Belege widerlegt, sondern steht auch in Widerspruch zu seinem eigenen Vortrag im Schriftsatz vom 29. September 2007 in dem Widerspruchsverfahren, welches er aufgrund der hier zu beurteilenden angegriffene Marke gegen die Bildmarke „Öz Antep“ der hiesigen Antragstellerin betrieben hat (vgl. Bl. 25 der VA 306 56 051), wobei der Bedeutungsgehalt der letztgenannten Marke mit der hier zu beurteilenden Marke identisch ist, weil „öz“ ebenfalls für „eigen, echt, rein“ steht (vgl. http://de.pons.eu/dict/search/results/?q=%C3%B6z&in=tr&kbd=tr&l=detr).
13
In ihrer objektiven Bedeutung ist die angegriffene Marke daher als „rein/echt Antep“ zu verstehen. Da die in der Regel mit der Kurzform „Antep“ bezeichnete Provinz Gaziantep aber insbesondere für kulinarische Spezialitäten wie für Pizza, Paprika und Pistazien bekannt ist, die wiederum unter das Warenverzeichnis der angegriffenen Marke fallen oder deren Herstellung die dort genannten Waren dienen können, weist die angegriffene Marke in ihrer Gesamtheit nur beschreibend darauf hin, dass die im Warenverzeichnis genannten Waren ausschließlich aus dieser türkischen Provinz stammen. Angesichts der Bedeutung des Warenhandels der Bundesrepublik Deutschland mit der Türkei (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaft_der_T%C3%BCrkei#Au.C3.9Fenhandel) und des Umstandes, dass sich das Warenangebot türkischer Lebensmittelgeschäfte nicht nur an die türkischstämmige inländische Bevölkerung, sondern auch an die übrigen inländischen Bevölkerungsteile richtet und von Letzteren auch zunehmend in Anspruch genommen wird, ist die beschreibende Bedeutung der angegriffenen Marke auch großen Teilen des inländischen Verbraucherkreises im Hinblick auf den Im- und Export landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus der Türkei erkennbar, was für die Annahme des Freihaltungsbedürfnisses einer fremdsprachigen beschreibenden Angabe ausreicht (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413 [Rz. 32] – Matratzen Concord/Hukla).
14
Da die angegriffene Marke damit schon entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingetragen wurde und dieses Schutzhindernis auch heute noch besteht, ist sie auf Antrag der Beschwerdeführerin nach §§ 50, 54, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Markenregister zu löschen. Dementsprechend war der anderslautende Beschluss der Markenabteilung auf die Beschwerde der Antragstellerin aufzuheben und die entsprechende Löschung anzuordnen.
15
Für eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 MarkenG bestehen keine Gründe.


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