Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “METRO (Wort-Bild-Marke)” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  28 W (pat) 126/10

Datum:
28.3.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 029 653.7
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2012 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Dorn und den Richter am Amtsgericht Jacobi
beschlossen:
Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 35, vom 9. November 2009 und 30. Juni 2010 werden insoweit aufgehoben, als die Anmeldung in Bezug auf die Dienstleistung
Klasse 39: „Transportwesen, nämlich mit Bezug zum Personenindividualverkehr mit Personenkraftwagen“
zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I.
1
Das Wort-/Bildzeichen
2
ist am 20. Mai 2009 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für eine Vielzahl verschiedener Waren und Dienstleistungen der Klassen 1 – 45 angemeldet worden.
3
Die Markenstelle für Klasse 35 hat mit Beschlüssen vom 9. November 2009 und 30. Juni 2010, wobei letzterer – unter teilweiser Aufhebung des Erstbeschlusses – im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG teilweise zurückgewiesen, und zwar für die Ware „Fahrzeuge“ (Klasse 12) und die Dienstleistung „Transportwesen“ (Klasse 39). Zur Begründung hat sie ausgeführt, „Metro“ stehe laut DUDEN als Kurzform des französischen Wortes „métropolitan“ für Untergrundbahn (besonders in Paris, Moskau). Ausweislich der vom Amt durchgeführten Recherche gebe es einen breiten Markt für Fahrzeuge, die in „Metrosystemen“ in Städten der ganzen Welt eingesetzt würden (vgl. SCI Studie „Der weltweite Markt für Metrofahrzeuge“, Berlin, März 2007, Anlage A 1 zum o. g. Beschluss, Bl. 323/324 VA). Im Bereich des Fahrzeugbaus handle es sich bei dem Ausdruck „Metro“ um einen auch von inländischen Fachkreisen benutzten Begriff zur Beschreibung von Hochgeschwindigkeitszügen zum Personentransport (vgl. www.de.alstom.com, „Alstom soll 36 Metrowagen nach Santiago de Chile liefern“, Online-Artikel vom 6. Juni 2008, Anlage 2 zum o. g. Beschluss, Bl. 325 – 328 VA). Die Bezeichnung „Metro“ stelle für die angesprochenen Verkehrskreise einen rein beschreibenden Hinweis auf derartige Metrozüge oder Metrowagen dar. Bezogen auf die Dienstleistung „Transportwesen“ weise „Metro“ das angesprochene Publikum – unabhängig davon, dass der inländische Durchschnittsverbraucher die U-Bahnen in Deutschland üblicherweise nicht als „Metro“, sondern als U-Bahn bezeichne – darauf hin, dass diese Dienstleistung im Bereich des Personentransports durch den Einsatz von Metrozügen erbracht werde. Die einfache grafische Gestaltung des Zeichens sei nicht geeignet, von dem beschreibenden Charakter des Wortes „Metro“ wegzuführen.
4
Aufgrund Teilungserklärung der Anmelderin vom 30. Juli 2010 wurde die gegenständliche Markenanmeldung in die vom DPMA zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen – unter gleichzeitiger Änderung der Leitklasse – (Stammanmeldung 30 2009 029 653.7) und die zur Eintragung zugelassenen Waren und Dienstleistungen (abgeteilte Markenanmeldung 30 2009 061 712.0) geteilt.
5
Gegen den o. g. Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Nachdem sie vom Senat in der mündlichen Verhandlung auf die fehlende Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde hinsichtlich der vom DPMA zurückgewiesenen Waren-Oberbegriffe „Fahrzeuge“ und „Transportwesen“ hingewiesen wurde, hat sie die Anmeldung für die Ware „Fahrzeuge“ in Klasse 12 zurückgenommen und die noch beschwerdegegenständliche Dienstleistung in Klasse 39 wie folgt konkretisiert:
6
„Transportwesen, nämlich mit Bezug zum Personenindividualverkehr mit Personenkraftwagen“.
7
Zur Begründung hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass die Bezeichnung „Metro“ im deutschen Sprachgebrauch nicht als Synonym für U-Bahnen verwendet werde. In Deutschland werde „METRO“ praktisch ausschließlich als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden, weil die METRO Group zu den bedeutendsten internationalen Handelsunternehmen zähle. Demzufolge verfüge die Bezeichnung „Metro“ – auch als Firmenschlagwort – über eine überragend hohe Verkehrsbekanntheit. Hierzu hat die Beschwerdeführerin die Ergebnisse dreier Verkehrsbefragungen der I. GmbH zur Bekanntheit des Namens „Metro“, zuletzt von März 2012 (vgl. Anlage 6 zum Schriftsatz vom 27. März 2012, Bl. 78 – 95 GA), vorgelegt.
8
Sie beantragt,
9
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 35, vom 9. November 2009 und 30. Juni 2010 aufzuheben, soweit die Anmeldung in Bezug auf die Dienstleistung „Transportwesen, nämlich mit Bezug zum Personenindividualverkehr mit Personenkraftwagen“ zurückgewiesen worden ist.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
11
Die zulässige Beschwerde ist im beantragten und tenorierten Umfang begründet.
12
Der Eintragung des angemeldeten Wort-/Bildzeichens als Marke steht in Bezug auf die noch beanspruchte Dienstleistung kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, entgegen.
13
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 – SAT 2; BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – DeutschlandCard; a. a. O. Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855, Rdnr. 19, 28 f. – FUSSBALL WM 2006).
14
Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das angemeldete Zeichen. Denn es weist für die noch beschwerdegegenständliche Dienstleistungen „Transportwesen, nämlich mit Bezug zum Personenindividualverkehr mit Personenkraftwagen“ weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihr hergestellt werden kann.
15
Das Zeichenwort „Metro“ stammt von dem französischen Wort „métro“ als Kurzform von „(chemin de fer) métropolitain“ (= Stadtbahn) und hat im Deutschen lexikalisch die Bedeutung von „Untergrundbahn (besonders in Paris, Moskau)“ (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). Zwar wird die Untergrundbahn in deutschen Großstädten vom breiten Publikum in der Regel nicht als „Metro“, sondern als „U-Bahn“ bezeichnet. Ausweislich der Recherchebelege des DPMA wird der Begriff „Metro“ jedoch jedenfalls im Schienenfahrzeug- und Personentransportwesen in dieser Bedeutung beschreibend verwendet (vgl. Anlagen A 4 – A 6 zum Beschluss vom 9. November 2009, Bl. 177 – 180 VA; Anlagen A 1 – A 2 zum Beschluss vom 30. Juni 2010, Bl. 323 – 328 VA). Die Recherche des Senats hat darüber hinaus ergeben, dass sich in Deutschland inzwischen die Bezeichnung „Metrobus“ bzw. „Metrotram“ für besonders qualifizierte Stadtbus- und Straßenbahnlinien im öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere in den Großstädten Hamburg, München und Berlin, eingebürgert hat (vgl. Online-Artikel aus dem Hamburger Abendblatt vom 13. Februar 2012, Anlage 1 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2012, Bl. 127 GA; Auszüge aus http://de.wikipedia.org zu „Münchner Verkehrs- und Tarifverbund“, „U-Bahn Berlin“ und „Metrobus“, Anlagen 2 – 4 zum o. g. Protokoll).
16
Der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass das inländische Publikum die angemeldete Bezeichnung lediglich mit dem bekannten Firmenschlagwort der METRO Group in Verbindung bringe und schon deshalb im Zusammenhang mit der beschwerdegegenständlichen Dienstleistung als Herkunftshinweis wahrnehme, ist nicht zu folgen, da die allgemeine Bekanntheit dieses Zeichens für eine Warenhandelsgesellschaft sich nicht ohne Weiteres auf den Bereich des Transportwesens erstreckt.
17
Hinsichtlich der noch beanspruchten Dienstleistung ist der Wortbestandteil des angemeldeten Zeichens dennoch keine Sachaussage, da sich „METRO“ im Zusammenhang mit „Transportwesen, nämlich mit Bezug zum Personenindividualverkehr mit Personenkraftwagen“ aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nicht zur Beschreibung von Merkmalen dieser Dienstleistung eignet.
18
Beim Individualverkehr benutzt der Verkehrsteilnehmer ein ihm zur Verfügung stehendes Verkehrsmittel, wobei er im Wesentlichen frei über Zeiten und Wege entscheiden kann (http://de.wikipedia.org zu „Individualverkehr“). Dieser unterscheidet sich vom öffentlichen Personen(nah)verkehr insbesondere dadurch, dass letzterer jedem Nutzer allgemein zugänglich ist, durch spezielle konzessionierte Verkehrsunternehmen ausgeführt wird und bestimmten Beförderungsbedingungen unterliegt. Als Dienstleistung im Bereich des Personenindividualverkehrs mit Personenkraftwagen kommt beispielsweise die Personenbeförderung in Mietwägen mit Fahrer – wie ein Limousinenservice – in Betracht, nicht hingegen in Taxis, da diese aufgrund ihres Rechtscharakters zum Öffentlichen Personennahverkehr gerechnet werden (http://de.wikipedia.org zu „Öffentlicher Personennahverkehr“).
19
Vor diesem Hintergrund eignet sich die Bezeichnung „Metro“ in keiner Weise zur Beschreibung der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistung, da bei dieser weder U-Bahnen, Straßenbahnen noch Busse, die im deutschen Sprachgebrauch mit „Metro“ bezeichnet oder abgekürzt werden könnten, zum Einsatz kommen. Dem Wortbestandteil des Anmeldezeichens kommt daher insoweit die Bedeutung eines betrieblichen Herkunftshinweises zu.
20
2. Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der beschwerdegegenständlichen Dienstleistung kommt auch ein Ausschluss von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht in Betracht.


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