Patent- und Markenrecht

(Markenbeschwerdeverfahren – “SIMON LINK® Wort-Bild-Marke)/simon (Unionsbildmarke)/simon VIT@ (Unionsbildmarke)/simon (Unionsbildmarke)” – zur Kennzeichnungskraft – zur Warenidentität und -ähnlichkeit – teilweise unmittelbare Verwechslungsgefahr – zur rechtserhaltenden Benutzung

Aktenzeichen  30 W (pat) 50/17

Datum:
17.10.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:171019B30Wpat50.17.0
Normen:
§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
§ 158 Abs 3 MarkenG
§ 125b Nr 4 MarkenG vom 07.07.2008
§ 43 Abs 1 S 1 MarkenG vom 25.10.1994
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 043 377
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
I. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. September 2017 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Unionsmarke 006 035 554 zurückgewiesen worden ist.
Wegen des genannten Widerspruchs wird die Löschung der angegriffenen Marke 30 2012 043 377 angeordnet.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die am 27. August 2012 angemeldete Wort-/Bildmarke
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ist am 21. September 2012 unter der Nummer 30 2012 043 377 für die Waren
3
„Klasse 09: Computer-Programme (gespeichert), Interfaces, Computer-Software (gespeichert)“
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in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 26. Oktober 2012.
5
Gegen die Eintragung ist Widerspruch erhoben worden aus der u.a. für die Waren
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„Klasse 09: Computerprogramme (elektronisch herunterladbare Computersoftware); Computerprogramme (gespeichert), insbesondere für Navigationsgeräte (GPS) und Ortungsgeräte“
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am 25. Juni 2007 angemeldeten und seit dem 22. Dezember 2010 eingetragenen Unionsmarke 006 035 554
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sowie aus der für die Waren und Dienstleistungen
9
„Klasse 09: Wissenschaftliche, elektrische, Leuchtsignal- oder mechanische Signalapparate und -instrumente und elektrische und elektronische Kontrollapparate und -instrumente; Detektoren, Rauchdetektoren, elektronische Signalgeber, Alarmgeräte, elektrische Umschaltapparate, elektrische Anschlüsse und Leitungen, elektrische Verteilerschränke, Klemmen und elektrische Druckklemmen, elektrische Kabel und Leiter, Anschlusskästen, elektrische Zähler und Kollektoren, elektrische Kontakte und Stromunterbrecher, elektrische Steuer-, Verteiler- und Schalttafeln, elektrische Stromunterbrecher, Funkenfänger, Relais und Transformatoren, Thermostate, Steckdosen, elektrische Summer, gespeicherte Computerbetriebssystemprogramme;
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Klasse 11: Beleuchtungsapparate und -installationen; Heizungs- und Dampferzeugungsgeräte; Fassungen für elektrische Lampen, Stecker für elektrische Lampen, Handlaternen und Lampions, elektrische Lampen, Deckenlampen, Reflektoren für Lampen, Leuchtröhren für Beleuchtungszwecke;
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Klasse 37: Installation, Reparatur und Wartung, insbesondere von elektrischen und elektronischen Apparaten und Geräten sowie von Beleuchtungsapparaten und –geräten“
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seit dem 18. Mai 2006 eingetragenen Unionsmarke 003 046 539
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und der für die Waren und Dienstleistungen
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„Klasse 06: Unedle Metalle und deren Legierungen; Baumaterialien aus Metall; Transportable Bauten aus Metall; Schienenbaumaterial aus Metall; Nägel, Holzschrauben und Puffer aus Metall; Muttern, Dichtungen und Klemmen aus Metall; Metallrohre; Leitungen aus Metall für Lüftungs- Zentralheizungs- und Klimaanlagen; Kabel und Drähte aus Metall (nicht für elektrische Zwecke); Lötmittel; Schlosserwaren und Kleineisenwaren; Pfähle aus Metall; Stromleitungsmasten aus Metall; Straßenleitplanken aus Metall;
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Klasse 09: Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wege-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und Instrumente; Warninstrumente, akustische Alarmgeräte und Sirenen, Diebstahlwarngeräte und Feuermelder, elektrische Alarmglocken, Wasserstandsanzeiger, Strom- und Gasverlustanzeiger, Temperaturanzeiger, elektrische Summerthermostate; Blinker als Lichtsignale; Detektoren, elektrische Überwachungsapparate; Elektrische Apparate uns Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und kontrollieren von Elektrizität; Elektrische Sonden; Elektrische Fernzündungsgeräte, Geräte für die Gebäudeautomatisierung (Haustechnik), Wechselsprechapparate; Batterien und elektrische Relais; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Fernsprechapparate; Funksprechgeräte; Tragbare Funksender; Anrufbeantworter; Magnetdatenträger; Codierer [Datenverarbeitung], Chips (integrierte Schaltkreise), Magnetkarten, Karten für integrierte Schaltkreise oder für Mikroprozessoren; Videokassetten, CD-Is; Compact-Disks [ROM, Festspeicher]; DVDs und Schallplatten, Kabel und Drähte für elektrische Zwecke, Optische Faserkabel, Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate, Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte, Computerprogramme (elektronisch herunterladbare Software) und Computer; Feuerlöschgeräte;
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Klasse 11: Beleuchtungsapparate und -anlagen; Lampen [elektrisch]; Lampen und Glühbirnen, Fassungen für elektrische Lampen, Stecker für Lampen; Reflektoren für Lampen, Laternen und Handlaternen, Deckenlampen, Leuchtröhren für Beleuchtungszwecke; Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte sowie sanitäre Anlagen; Fassungen für elektrische Lampen; Lampengläser; Lichtverteiler; Lampenkugeln; Reflektoren für Lampen;
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Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Formulare, Kataloge, Bücher, Veröffentlichungen, Karten, Pläne, Kalender, Schreibunterlagen, Rundschreiben; Fotografien; Schreibwaren, Lehr- und Unterrichtsmittel, ausgenommen Apparate; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Plakate;
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Klasse 17: Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer und Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Schalldämmungsmaterialien; Isolatoren für elektrische Leiter; Waren aus Kunststoffen (Halbfabrikate); Schläuche (nicht aus Metall); Rohrmuffen {nicht aus Metall};
19
Klasse 35: Import, Export und Vertretungen; Verteilung von Werbematerial wie Faltblätter, Drucksachen, Prospekte, Warenproben; Unternehmensverwaltung; Unterstützung beim Betrieb oder der Führung von gewerblichen oder Handelsunternehmen; Sammlung und Systematisierung von Daten in einem Zentralcomputer; Datenverarbeitung für kommerzielle und Werbezwecke; Verkauf im Einzelhandel;
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Klasse 37: Installation, Reparatur und Wartung, insbesondere von elektrischen und elektronischen Apparaten und Vorrichtungen, Datenverarbeitungsgeräten und -anlagen, Telefonapparaten und -anlagen sowie Beleuchtungsgeräten;
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Klasse 38: Telekommunikation, Bereitstellung des Zugangs zu einem weltweiten Computerinformationsnetz; Telefonische und telegrafische Dienstleistungen, Satellitenübertragung; Nachrichten- und Bildübermittlung, insbesondere mittels Computer; Funkrufdienste (über Funktelefon oder andere elektronische Kommunikationsmedien);
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Klasse 41: Unterricht, Bildung; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexte); Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Organisation und Leitung von Kolloquien, Konferenzen, Kongressen, Seminaren, Symposien und Workshops;
23
Klasse 42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen sowie entsprechende Forschungs- und Entwurfsleistungen für Datensysteme, industrielle Analysen und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computern und Software; Ingenieurtechnische Dienstleistungen (Erstellung von Gutachten); Durchführung von technischen Projektplanungen“
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seit dem 1. März 2007 eingetragenen Unionsmarke 003 048 949
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Inhaberin sämtlicher Widerspruchsmarken ist die Widersprechende.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat vor der Markenstelle mit Schriftsätzen vom 12. April 2013 eine rechtserhaltende Benutzung
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– der Widerspruchsmarke UM 006 035 554 für die Waren „Computerprogramme (elektronisch herunterladbare Computersoftware); Computerprogramme (gespeichert)“,
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– der Widerspruchsmarke UM 003 046 539 für die Waren „gespeicherte Computerbetriebssystemprogramme“ und
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– der Widerspruchsmarke UM 003 048 949 für die Waren „Computerprogramme (elektronisch herunterladbare Computersoftware)“
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bestritten.
31
Mit Schreiben vom 24. April 2013 hat die Markenstelle darauf hingewiesen, dass die Widerspruchsmarke UM 006 035 554 am 22. Dezember 2010 eingetragen worden sei, daher die fünfjährige Benutzungsschonfrist noch nicht abgelaufen und die erhobene Einrede insoweit unzulässig sei.
32
Die Widersprechende hat zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke UM 003 046 539 die Anlagenkonvolute MH 1-1 – MH 1-3 sowie zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung der WiM UM 003 048 949 die Anlagenkonvolute MH 2_1 bis MH 2_3 vorgelegt (welche sich nicht mehr in der elektronischen Akte befinden; jedoch durch die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2019 erneut zur Akte gereicht wurden).
33
Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 09 des Deutschen Patent- und Markenamts hat sämtliche Widersprüche mit Beschluss vom 19. September 2017 zurückgewiesen.
34
Hinsichtlich der Widerspruchsmarke 006 035 554 scheide eine Verwechslungsgefahr unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mangels hinreichender Ähnlichkeit der Vergleichszeichen auch insoweit aus, als sich beide Marken nach der Registerlage – welche mangels wirksamer Erhebung einer Nichtbenutzungseinrede maßgeblich sei – auf identischen Waren begegnen könnten.
35
Aufgrund des zusätzlichen Wortbestandteils „LINK“ sowie der graphischen Ausgestaltung der angegriffenen Marke komme eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nur dann in Betracht, wenn der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch den mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Wortbestandteil „SIMON“ geprägt werde. Dies sei jedoch nicht der Fall, da der Verkehr die Kombination des Wortbestandteils „SIMON“ mit dem gebräuchlichen Familiennamen „LINK“ als Vor- und Familiennamen und damit als einheitlichen Gesamtbegriff verstehe, so dass er keine Veranlassung habe, sich nur an „SIMON“ zu orientieren.
36
Der Verkehr sehe in „LINK“ aufgrund dieser Verbindung mit dem geläufigen Vornamen „SIMON“ auch keinen Hinweis auf einen Hyperlink, zumal ohnehin fraglich sei, inwieweit „LINK“ in der Bedeutung von „Hyperlink“ in Kombination mit dem Bestandteil „SIMON“ die geschützten Waren und Dienstleistungen beschreiben könne.
37
Da der Verkehr in der jüngeren Marke einen einheitlichen, aus Vor- und Familiennamen zusammengesetzten Gesamtbegriff sehe, fehle es auch an einer mittelbaren Verwechslungsgefahr.
38
Für den Ausnahmefall der Annahme einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sine ergäben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte.
39
Hinsichtlich der Widersprüche aus den Unionsmarken 003 046 539 und 003 048 949 fehle es bereits an einer aufgrund der insoweit wirksam erhobenen Benutzungseinreden notwendigen Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung dieser Marken. Die Widersprüche könnten daher bereits mangels berücksichtigungsfähiger Waren und Dienstleistungen auf Seiten der Widerspruchsmarken keinen Erfolg haben und seien zurückzuweisen.
40
Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend macht, dass der Gesamteindruck der angegriffenen Marke von dem Wortbestandteil „SIMON“ geprägt werde. Die Auffassung der Markenstelle, dass der Verkehr den Wortbestandteil der angegriffenen Marke „SIMON LINK“ als Vor- und Familiennamen und damit als einheitlichen Gesamtbegriff verstehe, sei bei den vorliegend maßgeblichen Waren wirklichkeitsfern. Denn diese würden durch den Begriff „LINK“, bei dem es sich um eine Abkürzung für „Hyperlink“ handele und der darüber hinaus – wie das BPatG bereits in mehreren Entscheidungen festgestellt habe – allgemein in der Kommunikationstechnik, insbesondere bei Netzwerken, eine Verbindung von zwei Komponenten bezeichne, unmittelbar beschrieben. Die Inhaberin der angegriffenen Marke habe selbst vorgetragen, dass die angegriffene Marke einerseits den Firmennamen enthalte und andererseits den Zusatz „LINK“ als Hinweis auf die Konnektivität der von der Marke umfassten Waren zum Zwecke der Wartung und Parametrisierung. Der Verkehr werde die Marke auch genauso sehen.
41
Aufgrund der Identität bzw. Nähe der zugrundeliegenden Waren sei der Abstand der gegenüberstehenden Marken dann aber zu gering, um eine Verwechslungsgefahr mit den Widerspruchsmarken zu verneinen.
42
Die Widersprechende beantragt,
43
unter Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle für Klasse 09 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. September 2017 die angegriffene Marke zu löschen.
44
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
46
Sie macht geltend, dass eine Verwechslungsgefahr bereits angesichts der deutlichen Unterschiede bei den Vergleichsmarken nicht in Betracht komme. Kollisionsmindernd wirke sich ferner aus, dass bei den vorliegend relevanten Waren der schriftliche Geschäftsverkehr im Vordergrund stehe, so dass der abweichenden graphischen Ausgestaltung gegenüber einer klanglichen Ähnlichkeit eine besondere Bedeutung zukomme.
47
Soweit sich die Widersprechende auf eine beschreibende Bedeutung des Bestandteils „LINK“ berufe, sei zu beachten, dass die von der Widersprechenden dazu genannten Entscheidungen den Bereich der Computer- und Nachrichtentechnik beträfen, nicht jedoch die hier angemeldeten Waren.
48
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
49
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache insoweit Erfolg, als zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke UM 006 035 554eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht. Der angefochtene Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. September 2017 ist daher aufzuheben, soweit der Widerspruch aus dieser Marke zurückgewiesen wurde, und die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke UM 006 035 554 anzuordnen.
50
Die weitergehende Beschwerde der Widersprechenden ist hingegen unbegründet, da zwischen der angegriffenen Marke und den weiteren Widerspruchsmarken UM 003 046 539 und 003 048 949 keine Verwechslungsgefahr besteht, so dass die Markenstelle die Widersprüche insoweit zu Recht zurückgewiesen hat (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
51
A.
Widerspruch aus der Marke UM 006 035 554
52
Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke UM 006 035 554 besteht entgegen der Auffassung der Markenstelle eine unmittelbare markenrechtliche Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
53
Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2010, 1098, Nr. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Nr. 32 – BARBARA BECKER; GRUR 2011, 915, Nr. 45 – UNI; BGH GRUR 2012, 1040, Nr. 25 – pjur/ pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 235, Nr. 15 – AIDA/AIDU). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren (oder Dienstleistungen). Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und – davon abhängig – der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2013, 833, Nr.30 – Culinaria/VillaCulinaria; GRUR 2012, 1040, Nr.25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 1103, Nr. 37 – Pralinenform II; EuGH GRUR 2008, 343 Nr. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM).
54
Nach diesen Grundsätzen ist eine markenrechtlich relevante unmittelbare Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken zu besorgen.
55
1. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren ist von der Registerlage und nicht von der tatsächlichen Benutzungslage auszugehen, da die mit Schriftsatz vom 12. April 2013 erhobene Einrede der Nichtbenutzung gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 125 b Nr. 4 MarkenG (in der vorliegend nach § 158 Abs. 3 MarkenG anzuwendenden, bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung) wegen der zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufenen Benutzungsschonfrist der am 22. Dezember 2010 eingetragenen Widerspruchsmarke nicht wirksam erhoben worden ist, worauf die Markenstelle mit Schreiben vom 24. April 2013 hingewiesen hat.
56
Die insoweit verfrüht erhobene Einrede entfaltet auch mit dem Ablauf der maßgeblichen Frist nicht die Rechtswirkung einer zulässigen Einrede (BPatG GRUR 2005, 773, 775 – Blue Bull/RED BULL). Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat nach Ablauf der „Benutzungsschonfrist“ auch nicht in irgendeiner Form ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie an der verfrüht erhobenen Einrede festhalten wolle.
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2. Ausgehend von der danach maßgeblichen Registerlage können sich die Vergleichsmarken auf identischen Waren begegnen. So werden „Computerprogramme (gespeichert)“ von beiden Marken beansprucht. Identität besteht auch zwischen den Waren „Computerprogramme (elektronisch herunterladbare Computersoftware)“ der Widerspruchsmarke und der „Computer-Software (gespeichert)“, für die die angegriffene Marke Schutz beansprucht. Auch bei den auf Seiten der angegriffenen Marke beanspruchten „Interfaces“ handelt es sich der Sache nach um „Computersoftware“, so dass auch insoweit eine Identität, zumindest aber eine enge Ähnlichkeit zu den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren „Computerprogramme (elektronisch herunterladbare Computersoftware)“ besteht.
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3. Mit der Markenstelle ist weiterhin davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke von Haus aus über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt. Für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft in Bezug auf einzelne Waren liegen keine Anhaltspunkte vor. Dabei ist in rechtlicher Hinsicht zudem zu beachten, dass bei der Beurteilung der Erhöhung der Kennzeichnungskraft nicht vom Unionsgebiet als maßgeblichem Benutzungsgebiet auszugehen ist; abzustellen ist vielmehr auf die Bekanntheit der Marke im Kollisionsgebiet. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft kann daher bei Unionsmarken nur dann berücksichtigt werden, wenn diese auch in Deutschland vorliegt (Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 9 Rdnr. 175). Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.
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4. Die Vergleichszeichen weisen ferner eine mittlere (durchschnittliche) Ähnlichkeit auf.
60
Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 15 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Nr. 23 – MIXI). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Nr. 19 – ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Nr. 28 – THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Nr. 29 – MATRATZEN; BGH GRUR 2015, 1009 Nr. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2010, 235, Nr. 15 – AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, Nr. 32 – METROBUS; GRUR 2006, 60, Nr. 17 – coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2015, 1009, Nr. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2015, 1114, Nr. 23 – Springender Pudel; GRUR 2010, 235, Nr. 18 – AIDA/AIDU m. w. N.; vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, aaO., § 9 Rdn. 268 m. w. N.).
61
Gehören – wie vorliegend – zu den angesprochenen Verkehrskreisen sowohl Fachkreise als auch das allgemeine Publikum (Endverbraucher), kann der Gesamteindruck, den die verschiedenen Verkehrskreise von den Marken haben, unterschiedlich ausfallen. Dies kann etwa darauf beruhen, dass die Fachkreise eine größere Aufmerksamkeit bei der Erfassung der Marken aufwenden und Unterschiede zwischen den kollidierenden Marken besser in Erinnerung behalten als die Endverbraucher. Eine unterschiedliche Erfassung des Gesamteindrucks der Marken durch verschiedene Verkehrskreise kann auch darauf zurückzuführen sein, dass die Fachkreise über detailliertere Kenntnisse als die Endverbraucher im Hinblick auf Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Produktsektor verfügen. Kann aufgrund einer gespaltenen Verkehrsauffassung nur bei einem der verschiedenen Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr bejaht werden, reicht dies für die Verwirklichung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG aus (vgl. zu Art. 8 Abs. 1 Buchst. b GMV EuGH GRUR Int. 2007, 718 Nr. 90 TRAVATAN/TRIVASTAN; ferner BGH GRUR 2012, 64, Nr. 9 – Maalox/Melox-GRY).
62
Ausgehend davon kommen sich beide Marken jedenfalls aus Sicht der Fachverkehrskreise, an die sich die vorliegend maßgeblichen Waren der Klasse 09 beider Marken zumindest in erster Linie richten, in ihrem Gesamteindruck so nahe, dass eine mittlere (durchschnittliche) Zeichenähnlichkeit nicht verneint werden kann
63
a. Zwar scheidet wegen des weder zu übersehenden noch zu überhörenden zusätzlichen Bestandteils „LINK“ auf Seiten der angegriffenen Marke sowie der bei dieser Marke vorhandenen graphischen Elemente eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bei einem Vergleich der Markenwörter in ihrer Gesamtheit bei einigermaßen gleichmäßiger Berücksichtigung sämtlicher Bestandteile offensichtlich aus.
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b. Jedoch ergibt sich eine durchschnittliche Zeichenähnlichkeit aus der weitreichenden Übereinstimmung des Zeichenbestandteils „SIMON“ der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke, welche klanglich identisch sind und sich schriftbildlich nur geringfügig durch die Schreibweise der Widerspruchsmarke in Kleinbuchstaben sowie der drucktechnischen Hervorhebung der Buchstaben unterscheiden.
65
Der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks zwingt nicht dazu, die Vergleichsmarken stets in ihrer Gesamtheit miteinander zu vergleichen. Vielmehr ist nicht ausgeschlossen, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können (vgl. m. w. N. BGH GRUR 2013, 1239, Nr. 32 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; GRUR 2013, 833, Nr. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2009, 772, Nr. 57 – Augsburger Puppenkiste). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. BGH GRUR 2012, 64, Nr. 15 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Nr. 31 – MIXI; GRUR 2009, 1055, Nr. 23 – airdsl), so dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. EuGH GRUR 2016, 80, Nr. 37 – BGW/Scholz; GRUR 2007, 700, Nr. 42 – HABM/Shaker, GRUR Int. 2010, 129, Nr. 62 – Carbonell/La Espanola; GRUR 2010, 1098, Nr. 56 – Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2004, 778, 779 – URLAUB DIREKT; GRUR 2008, 719, Nr. 37 – idw Informationsdienst Wissenschaft; GRUR 2010, 828, Nr. 45 – DiSC).
66
Ausgehend davon wird der rechtlich maßgebliche Gesamteindruck des angegriffenen Zeichens allein durch den von Haus aus in seiner Kennzeichnungskraft nicht eingeschränkten Wortbestandteil „SIMON“ geprägt, da sowohl das Bildelement wie auch der weitere Wortbestandteil „LINK“ für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können.
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aa. Das Bildelement der angegriffenen Marke in Form eines die Wortbestandteile „SIMON LINK“ zu etwa ¾ umfassenden roten Kreises wird lediglich als einfaches dekoratives Element wahrgenommen, dem der Verkehr keine kennzeichnende Bedeutung beimessen wird. Insoweit gilt der Erfahrungssatz, dass sich der Verkehr bei einer Wort-/Bildmarke an dem Wortbestandteil orientiert, wenn – wie vorliegend – der Bildbestandteil keine ins Gewicht fallende graphische Gestaltung aufweist (vgl. BGHZ 167, 322, Nr. 30 – Malteserkreuz; BGH GRUR 2008, 258, Nr. 23 – INTERCONNECT/T-InterConnect; MarkenR 2008, 405, 407 Tz. 25 – SIERRA ANTIGUO).
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bb. Ebenso tritt der weitere Wortbestandteil „LINK“ im Gesamteindruck der angegriffenen Marke hinter dem Bestandteil „SIMON“ zurück.
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aaa. Zwar ist dieser Zeichenbestandteil neben „SIMON“ in gleicher Größe und mit identischem Schriftbild angeordnet. Zudem weisen beide Wortbestandteile auch insoweit einen Bezug zueinander auf, als sie sich bei isolierter Betrachtung zu einer aus dem dem Vornamen „SIMON“ und dem Nachnamen „LINK“ zusammengesetzten Namensbezeichnung ergänzen.
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bbb. Allerdings handelt es sich bei dem Bestandteil „LINK“ nicht nur um einen im Inland durchaus häufig anzutreffenden Nachnamen, sondern auch um den englischen Begriff für „Verbindung“. Im inländischen Sprachgebrauch ist dieser Begriff vor allem im IT-Bereich als fachumgangssprachliches Kurzwort für „Hyperlink“, also für Verbindungen zu Dokumenten innerhalb des Internets bekannt und gebräuchlich (vgl. Immler/Immler, Das große Computerlexikon, 2017 zu „Link“; ferner BPatG 29 W (pat) 64/00 v 20. Februar 2002 – Linkservice; 27 W (pat) 145/00 v. 18. September 2001 – STARLINK). Darüber hinaus und weitgehend gleichbedeutend bezeichnet der Begriff „Link“ in der Kommunikationstechnik, insbesondere bei Netzwerken, ganz allgemein eine Verbindung zweier Komponenten (https://de.wikipedia.org /wiki/Link_Kommunikationstechnik). Dies ist jedenfalls dem Fachverkehr, an den sich die vorliegend in Rede stehenden Waren in erster Linie richten, bekannt. Von einem solchen Verständnis geht nicht zuletzt auch die Markeninhaberin selbst aus, da ausweislich ihres Vorbringens im Schriftsatz vom 12. April 2013 der Zusatz „LINK“ iS von „Datenlink“ ein Hinweis „für die Konnektivität der von der Marke umfassten Waren zu den sonstigen Produkten des Markeninhabers zum Zwecke der Wartung und Parametrisierung“ sein soll.
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Mit dieser Bedeutung kann dem Bestandteil „LINK“ dann aber ein beschreibender Aussagegehalt in Bezug auf die vorliegend relevanten Waren nicht abgesprochen werden. Denn sowohl die von der Widerspruchsmarke beanspruchten „Computerprogramme (elektronisch herunterladbare Computersoftware); Computerprogramme (gespeichert), insbesondere für ..“ als auch die dazu identischen Waren der angegriffenen Marke „Computer-Programme (gespeichert), Interfaces, Computer-Software (gespeichert)“ können sich ihrem Bestimmungs- und Verwendungszweck nach mit dem (schnellen) Aufbau, der Einrichtung und der Aufrechterhaltung von „Verbindungen“ und damit von „Links“ beschäftigen (zB in Form sog. „Linkassistenten“). Auch zu den von der angegriffenen Marke beanspruchten „Interfaces“ ( = Schnittstellen) weist der Bestandteil „Link“ insoweit einen beschreibenden Bezug auf, als „Interfaces“ bzw. „Schnittstellen“ in der Computertechnik die Verbindung von verschiedenen Komponenten bezeichnet. Diese können sowohl hardware- als auch softwareseitig ausgestaltet sein (siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Schnittstelle_(UML).
72
Jedenfalls der Fachverkehr wird daher in dem Bestandteil „LINK“ des angegriffenen Zeichens lediglich einen glatt beschreibenden Hinweis auf die Art und/oder den Bestimmungszweck der jeweiligen Waren erkennen, nämlich dass diese dem (schnellen) Aufbau, der Einrichtung und der Aufrechterhaltung von „Verbindungen“ und damit von „LINKS“ dienen.
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ccc. Zumindest der Fachverkehr, an welche sich die in Rede stehenden Waren in erster Linie richten, wird „LINK“ innerhalb der angegriffenen Marke auch allein mit dieser Bedeutung erfassen, darin jedoch nicht den Nachnamen „LINK“ einer einheitlichen Namensbezeichnung „SIMON LINK“ erkennen.
74
Zwar sind die Zeichenbestandteile „SIMON“ und „LINK“ innerhalb des Zeichens nebeneinander in gleicher Größe und mit identischem Schriftbild angeordnet, ferner bezieht sich auch das hinter „LINK“ angeordnete ® im Zweifel auf beide Wortbestandteile. Jedoch hat die Inhaberin der angegriffenen Marke, wie erwähnt, selbst vorgetragen, dass die angegriffene Marke den Firmennamen der Markeninhaberin beinhalte, ergänzt um den Zusatz „LINK“ als Hinweis „für die Konnektivität der von der Marke umfassten Waren zu den sonstigen Produkten des Markeninhabers zum Zwecke der Wartung und Parametrisierung“ (vgl. Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 12. April 2013). Handelt es sich damit bei dem weiteren Wortbestandteil „SIMON“ nach dem eigenen Vorbringen der Inhaberin der angegriffenen Marke um deren Firmenschlagwort bzw. den Firmennamen, ist davon auszugehen, dass dies jedenfalls für branchenkundige Fachleute ohne weiteres erkennbar ist (vgl. BGH GRUR 1997, 897, 898 – IONOFIL; GRUR 1998, 25 – Bisotherm-Stein). Diese werden daher in „SIMON LINK“ nicht eine aus Vor- und Familiennamen zusammengesetzte Namensbezeichnung, sondern eine Kombination des Firmennamens „SIMON“, ergänzt um den produktbezogenen Zusatz „LINK“ erkennen.
75
cc. Als rein produktbeschreibender Bestandteil tritt „LINK“ dann aber im Gesamteindruck der angegriffenen Marke gegenüber „SIMON“ so in den Hintergrund, dass er für den Gesamteindruck vernachlässigt werden kann.
76
aaa. Für die Frage der Stellung einer Herstellerangabe gegenüber einem produktbezogenen Bestandteil innerhalb eines Gesamtzeichens ist neben der Bekanntheit oder Erkennbarkeit der Herstellerangabe vor allem die Kennzeichnungskraft der Produktbezeichnung maßgeblich (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O, § 9 Rdnr. 435 m. w. N).
77
So tritt bei einer Kombination eines innerhalb eines Zeichens erkennbaren Firmenzeichens bzw. –schlagworts mit einem von Haus aus durchschnittlich kennzeichnungskräftigen produktbezogenen Bestandteil oftmals der Firmenbestandteil neben der speziellen Produktkennzeichnung in den Hintergrund, weil der Verkehr in diesen Fällen nicht in der Herstellerangabe, sondern in den abweichenden Bestandteilen die Produktkennzeichnung und damit den kennzeichnungsmäßigen Schwerpunkt sieht (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1996, 404, 405 – Blendax Pep; GRUR 1997, 897, 898 – IONOFIL; GRUR 2001, 164, 166 – Wintergarten; zuletzt BGH GRUR 2012, 64, Nr. 18 – Maalox/Melox-GRY).
78
Anders verhält es sich aber bereits, wenn dem produktbezogenen Bestandteil lediglich eine geringe Kennzeichnungskraft zukommt. In diesem Fall kann nicht mehr von einem kennzeichnungsmäßigen Zurücktreten des Firmenbestandteils hinter dem anderen Bestandteil ausgegangen werden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O, § 9 Rdnr. 435 m. w. N). Vielmehr wird der Verkehr den jeweiligen Firmenbestandteil wegen des beschreibenden Anklangs des produktkennzeichnenden Zeichenbestandteils zur sicheren Unterscheidung der Produkte grundsätzlich nicht vernachlässigen (vgl. z. B. BGH GRUR 2002, 342, 344 – ASTRA/ESTRA-Puren; GRUR 2008, 905, Rn. 27 – Pantohexal; GRUR 2012, 64, Nr. 18 – Maalox/Melox-GRY). In diesem Fall kommt dem Firmenbestandteil daher grundsätzlich eine den Gesamteindruck jedenfalls mitbestimmende Bedeutung zu.
79
Dies verdeutlicht, dass innerhalb solcher Zeichen ein bekanntes oder zumindest als solches erkennbares Firmenzeichen im Gesamteindruck eines Kombinationszeichens umso stärker im Gesamteindruck hervortritt, je kennzeichnungsschwächer der weitere produktbezogene Zeichenbestandteil ist.
80
bbb. Vor diesem Hintergrund kann dann aber dem Zeichenbestandteil „SIMON“ innerhalb des angegriffenen Zeichens gegenüber dem Bestandteil „LINK“ eine den Gesamteindruck allein prägende Stellung und Bedeutung nicht abgesprochen werden. Denn bei dem weiteren Bestandteil „LINK“ der angegriffenen Marke handelt es weder um einen von Haus aus durchschnittlich kennzeichnungskräftigen noch um einen zwar in seiner Kennzeichnungskraft eingeschränkten, aber zur Kennzeichnung noch geeigneten „sprechenden“ Zeichenbestandteil, sondern um eine glatt beschreibende Angabe, welche nur für einen Sachhinweis zur Unterrichtung des Publikums und nicht für eine Individualisierung geeignet gehalten wird und daher gänzlich schutzunfähig ist.
81
Der Verkehr wird daher innerhalb der angegriffenen Marke allein den Bestandteil „SIMON“ als individualisierenden betrieblichen Herkunftshinweis auffassen und die Widerspruchsmarke somit als „SIMON“-Marke, ergänzt um die warenbeschreibende Angabe „LINK“, wahrnehmen und verstehen. Diesem Bestandteil kommt damit aber eine den Gesamteindruck des Zeichens prägende Stellung zu, so dass aufgrund der fast vollständigen Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke eine zumindest durchschnittliche Zeichenähnlichkeit gegeben ist.
82
5. In Anbetracht dessen kann in der Gesamtabwägung angesichts der Identität und ansonsten engen Ähnlichkeit der obengenannten Waren, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der zumindest durchschnittlichen Ähnlichkeit der Kollisionszeichen eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken nicht verneint werden.
83
B. Die beiden Widersprüche aus der seit dem 18. Mai 2006 eingetragenen Unionsmarke 003 046 539
84
sowie der seit dem 1. März 2007 eingetragenen Unionsmarke 003 048 949
85
sind hingegen unbegründet.
86
a. Einer Entscheidung über die Widersprüche aus diesen beiden Unionsmarken steht dabei zunächst nicht die aus den Gründen zu A. angeordnete Löschung der angegriffenen Marke 30 2012 043 377 aufgrund des Widerspruchs aus der Unionsmarke 006 035 554entgegen.
87
Der Senat hält eine einer Aussetzung des Widerspruchsverfahrens entsprechend § 148 ZPO gleichkommende Erklärung des Widerspruchs als „derzeit gegenstandslos“ jedenfalls dann nicht für nicht angezeigt, wenn – wie vorliegend – aufgrund der nach § 83 Abs. 3 MarkenG möglichen zulassungsfreien Rechtsbeschwerde eine Rechtskraft der angeordneten Löschung noch nicht eingetreten ist und nach dem Sach- und Streitstand über beide Widersprüche abschließend entschieden werden kann, was vorliegend aus nachfolgenden Gründen möglich ist. In diesem Fall ist der Senat berechtigt und aus prozessökonomischen Gründen entsprechend § 31 Abs. 1, Abs. 2 MarkenV auch gehalten, über den Widerspruch aus den weiteren Widerspruchsmarken aus den Unionsmarken 003 046 539 und 003 048 949 in vollem Umfang zu entscheiden.
88
b. Danach hat die zulässige Beschwerde der Widersprechenden gegen die Zurückweisung der Widersprüche aus den Unionsmarken 003 046 539 und 003 048 949 in der Sache keinen Erfolg, da zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht. Daher hat die Markenstelle zu Recht die Widersprüche aus diesen Marken zurückgewiesen (§ 43 Abs. 2 S. 2 MarkenG).
89
aa. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen ist zu beachten, dass die Widersprechende vor der Markenstelle mit Schriftsätzen vom 12. April 2013 die rechtserhaltende Benutzung dieser beiden Widerspruchsmarken in zulässiger Weise bestritten hat, wobei die sich mangels Differenzierung auf beide Benutzungszeiträume gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 1 und 2, 125 b Nr. 4 MarkenG a. F. beziehenden und auf die Waren „gespeicherte Computerbetriebssystemprogramme“ der Widerspruchsmarke UM 003 046 539 sowie „Computerprogramme (elektronisch herunterladbare Computersoftware)“ der Widerspruchsmarke UM 003 048 949 beschränkten Einreden der Nichtbenutzung insoweit auch statthaft waren, weil beide Widerspruchsmarken zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke bereits seit mehr als fünf Jahren eingetragen waren.
90
Der Widersprechenden oblag es demnach, für die von den Einreden betroffenen Waren eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarken für den Zeitraum innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der Marke, gegen die sich der Widerspruch richtet, glaubhaft zu machen (§§ 43 Abs. 1 Satz 1, 125 b Nr. 4 MarkenG), nämlich für den Zeitraum von Oktober 2007 bis Oktober 2012 sowie für die Zeit innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über die Widersprüche (§§ 43 Abs. 1 Satz 2, 125 b Nr. 4 MarkenG) und damit von Oktober 2014 bis Oktober 2019, wobei die Glaubhaftmachungsregeln des § 43 Abs. 1 MarkenG entsprechend anzuwenden sind mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Benutzung der Marke mit älterem Zeitrang gemäß § 26 MarkenG (a. F.) die Benutzung der Unionsmarke gemäß Artikel 15 der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke (jetzt: Artikel 18 UMV) tritt. Danach muss die Marke in der Union ernsthaft benutzt worden sein (vgl. hierzu im Einzelnen Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 125 b Rn. 41 ff.). Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren bzw. Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2003, 425, 428, Rn. 38 – Ajax/Ansul; GRUR 2006, 582, 584, Rn. 70 – VITAFRUIT).
91
aaa. Hinsichtlich des nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraums fehlt es daran bereits deshalb, weil die vor der Markenstelle eingereichten und im Beschwerdeverfahren in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2019 erneut vorgelegten Unterlagen allein einen Zeitraum bis 2012 und daher nicht mehr den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraum Oktober 2014 bis Oktober 2019 betreffen.
92
bbb. Aber auch für den nach § 43 Abs. 1 Satz 1, 125 b Nr. 4 MarkenG maßgeblichen Zeitraum kann den vorgelegten Unterlagen keine für eine rechtserhaltende Benutzung nach Art, Zeit, Ort und Umfang hinreichende Benutzung der beiden Widerspruchsmarken entnommen werden. Den vorgelegten Katalogen ist nicht zu entnehmen, für welche konkreten Waren, in welcher Form und vor allem in welchem Umfang die Widerspruchsmarken in der Union benutzt worden sind. Nähere Angaben dazu hat die Widersprechende auch sonst nicht gemacht. Naheliegend sind solche tatsächlichen, den eingereichten Benutzungsunterlagen nicht entnehmbare Angaben insbesondere zu Ort und Zeit der Benutzung in aller Regel durch eine entsprechende eidesstattliche Versicherung einer geeigneten Person als wahr bekräftigen zu lassen, was vorliegend auch im Beschwerdeverfahren nicht geschehen ist.
93
ccc. Daher können auf Seiten der Widerspruchsmarke die obengenannten, von den Benutzungseinreden umfassten und im Identitätsbereich zu den von der angegriffenen Marke liegenden Waren nicht berücksichtigt werden (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).
94
bb. Hinsichtlich der weiteren, nach der Registerlage zu berücksichtigenden Waren auf Seiten der Widerspruchsmarken besteht aber ein so deutlicher Abstand zu den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren, dass im Rahmen der Gesamtabwägung auch unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der beiden Widerspruchsmarken sowie einer durchschnittlichen Zeichenähnlichkeit – die allerdings im Hinblick auf das Widerspruchszeichen 003 046 539 wegen des zusätzlichen Bestandteils „VIT@“ zudem noch fraglich sein dürfte – eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichszeichen nicht angenommen werden kann.
95
C. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.


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