Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “UNICUM” – kein Freihaltungsbedürfnis Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  29 W (pat) 546/11

Datum:
12.2.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 045 650.7
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2014 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Uhlmann und der Richterin k.A. Akintche
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 22. August 2011 wird in Ziffer 1 aufgehoben.

Gründe

I. 
1
Die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) hat mit Beschluss vom 22. August 2011 in Ziffer 1 die Anmeldung der Wortmarke
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UNICUM
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teilweise, nämlich für die folgenden Dienstleistungen der
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Klasse 35: Dienstleistungen eines Groß- und Einzelhandels über das Internet und im Wege des Teleshopping in den Bereichen Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilwaren; Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen in den Bereichen Bekleidungsartikel, Schuhe und Textilwaren;
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Klasse 40: Änderung von Bekleidungsstücken; Anfertigung von Bekleidungsstücken; Auftragsfertigung von Kleidungsstücken für Dritte; Behandlung von Textilen und Webstoffen; Aufdrucken von Mustern; Auftragsfertigung von Kleidungsstücken für Dritte; Behandlung von Textilen und Webstoffen; Färben von Leder, Pelzen, Schuhen, Stoffen und Textilien; Filmbearbeitung; fotografische Abzüge; Fotosatzarbeiten; Gravieren; Holzbearbeitung; Kunststoffbearbeitung; Rahmen von Kunstwerken; Schablonendruckarbeiten
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zurückgewiesen. In Ziffer 2 hat sie einen Antrag der Anmelderin auf Erstattung der im Zusammenhang mit der Beanstandung entstandenen Rechtsanwaltskosten zurückgewiesen.
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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, der Eintragung stehe das Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Das Zeichen sei für die zurückgewiesenen Dienstleistungen als Merkmalsangabe geeignet. Wie das Bundespatentgericht bereits in der Entscheidung 30 W (pat) 67/08 festgestellt habe, sei das Zeichen für Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen freihaltebedürftig. Es werde lediglich dahingehend als Sachaussage aufgefasst, dass die benannten Waren in ihrer Art, Form, ihrem Inhalt oder ihrer Herkunft nach einzigartig seien. Gleiches müsse auch für die Dienstleistungen “Anfertigung von Bekleidungsstücken; Auftragsfertigungen von Bekleidungsstücken für Dritte”, “Behandlung von Textilen und Webstoffen” und “Änderung von Bekleidungsstücken” gelten. Denn sie könnten unmittelbar auf die Schaffung einzigartiger Produkte ausgerichtet sein.
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Die Eignung als beschreibende Sachaussage für die betreffenden Waren erfasse auch den Handel mit diesen Waren. Für die weiteren zurückgewiesenen Dienstleistungen werde das Zeichen als Hinweis auf die Einzigartigkeit des mit der Dienstleistung geschaffenen Produkts verstanden. Die Entscheidung des Bundespatentgerichts im Löschungsverfahren einer gleichlautenden Marke der Anmelderin stehe diesem Verständnis nicht entgegen, weil dort die Löschung nur für jene Waren aufgehoben worden sei, bei denen es sich um Massenprodukte gehandelt habe, die in großer Anzahl und industrieller Fertigung ohne Berücksichtigung der von einem Einzelstück zu fordernden individuellen und einmaligen Ausgestaltung hergestellt werden. Auf eine Erstattung der Anwaltskosten, die für die Beantwortung des der Zurückweisung vorangegangenen Beanstandungsbescheids entstanden seien, bestehe kein Anspruch.
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Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,
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den Beschluss des DPMA vom 22. August 2011 aufzuheben.
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Sie hat die Anmeldung durch bei Gericht am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz vom 12. Februar 2014 insoweit zurückgenommen, dass von den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen nur noch die Dienstleistungen der
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Klasse 40: Filmbearbeitung; fotografische Abzüge
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beansprucht werden.
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Die Beschwerdeführerin trägt vor, das Zeichen “Unicum” werde für die noch beanspruchten Dienstleistungen nicht benötigt. Dies gelte auch für die Schreibweise mit “k”. Es verbiete sich, das Zeichen mit der Angabe “Unikat” gleichzusetzen, weil dafür mehrere Gedankenschritte erforderlich seien. Unicum sei eine fantasievolle Zusammensetzung aus “UNI”(versität) und “CUM”(laude) und als Wortspiel etabliert. Die Bedeutung “einzigartig” oder “sonderbar” dürfe nicht verallgemeinert werden, da die Herleitung aus dem entsprechenden lateinischen Begriff nicht mehr verstanden werde. Zudem existiere eine Reihe vergleichbarer Markeneintragungen, das Amt lege deshalb an die Anmeldung einen unzulässigen Maßstab an. Der Hinweis auf die Einzigartigkeit des Produkts beziehe sich nicht ohne weitere Denkprozesse auf die entsprechenden Dienstleistungen. Insbesondere für die nicht mit Bekleidung in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen sei die Zurückweisung nicht nachvollziehbar.
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Die Zurückweisung des Antrags auf Erstattung von Anwaltskosten hat die Beschwerdeführerin nicht angegriffen.
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Zum weiteren Vortrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
17
Die gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte und zulässige Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anmeldung ist nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch die Beschwerdeführerin begründet.
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Der angegriffene Beschluss war für die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen aufzuheben, weil der Eintragung keine Schutzhindernisse gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstehen. Insbesondere fehlt es dem Wortzeichen nach der Einschränkung des Verzeichnisses weder an der für die Dienstleistungen erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, noch handelt es sich dabei um eine freihaltebedürftige Merkmalsangabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
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Das Wortzeichen “UNICUM” entspricht dem deutschen Begriff “Unikum”, da es lediglich in der Schreibweise mit “c” statt “k” geringfügig von diesem abweicht und diese Schreibweise dem Verständnis nicht entgegensteht (BPatG 30 W (pat) 67/08 – Unicum). Unter einem Unikum versteht man etwas sehr Ausgefallenes, Merkwürdiges, Einzigartiges oder einen merkwürdigen, ein wenig kauzigen Menschen, der auf andere belustigend wirkt (vgl. www.duden.de/rechtschreibung/Unikum). Der Begriff Unikum wird im allgemeinen Sprachgebrauch in erster Linie auf Menschen, aber auch auf einzigartige, ungewöhnliche Waren, Institutionen, Geschäfte und Veranstaltungen etc. angewendet (vgl. http://wortschatz.uni-leipzig.de/). Im Bereich der Mode wird der Begriff für ungewöhnliche, auffallende Stücke benutzt, ohne eine eindeutige Aussage darüber zu enthalten, ob es weitere Exemplare des bezeichneten Objekts gibt.
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Für die noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 40 “Filmbearbeitung” und “fotografische Abzüge” ist das Wortzeichen weder unmittelbar zur Beschreibung geeignet, noch lässt sich ein enger sachlicher Bezug zu diesen Dienstleistungen herstellen. Bei der Filmbearbeitung stehen die technische Aufbereitung und die Anpassung an unterschiedliche Medienformate im Vordergrund. Auf die Einzigartigkeit der so hergestellten Ware, des Films, kommt es insoweit nicht an. Nicht anders verhält es sich bei der Vervielfältigung fotografischer Abzüge. Zudem ist der Verbraucher nicht an die Verwendung des Begriffs “Unicum” im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen gewöhnt. Dem Zeichen kann deshalb für die genannten Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
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Aus den genannten Gründen fehlt es auch an einem Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
22
Über die in Ziff. 2 des angegriffenen Beschlusses enthaltene zutreffende Kostenentscheidung war nicht zu befinden, da sie von der Beschwerde ersichtlich nicht erfasst war.


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