Aktenzeichen 23 W (pat) 29/16
§ 62 ZPO
§ 73 Abs 1 PatG
Tenor
In der Beschwerdesache
…
Verfahrensbevollmächtigte: Weickmann & Weickmann, Patent- und Rechts-anwälte PartmbB, Richard-Strauss-Straße 80, 81679 München,
betreffend die Patentanmeldung 10 2007 033 052.0
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Strößner und der Richter Brandt, Dr. Friedrich und Dr. Himmelmann
beschlossen:
1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G21K des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Februar 2016 wird aufgehoben.
2. Es wird ein Patent erteilt mit der Bezeichnung “Bestrahlungsvorrichtung und Verfahren zur Steuerung/Regelung derselben”, dem Anmeldetag 16. Juli 2007 unter Inanspruchnahme der Priorität CN 200610098857.7 vom 17. Juli 2006 auf der Grundlage folgender Unterlagen:
-Patentansprüche 1 bis 4,
-Beschreibungsseiten 1 bis 3, 3a und 4 bis 9,
jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 9. Januar 2018;
-3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 4, eingegangen im Deutschen Patent- und Markenamt am Anmeldetag.
Gründe
I.
1
Die vorliegende Anmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2007 033 052.0 und der Bezeichnung “Bestrahlungsvorrichtung und Verfahren zur Steuerung/Regelung derselben” wurde am 16. Juli 2007 unter Inanspruchnahme der chinesischen Priorität CN 200610098857.7 vom 17. Juli 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Prüfungsantrag wurde am 2. April 2014 gestellt.
2
Die Prüfungsstelle für Klasse G21K hat im Prüfungsverfahren auf den Stand der Technik gemäß den Druckschriften
3
D1 US 2 959 700 und
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D2 US 3 902 097
5
verwiesen, und im einzigen Prüfungsbescheid vom 24. Juli 2015 die beanspruchte Bestrahlungsvorrichtung sowie das zugehörige Verfahren zum Steuern/Regeln einer Bestrahlungsvorrichtung als dem Fachmann durch eine Kombination der Druckschriften D1 und D2 nahegelegt angesehen. Mit Eingabe vom 27. Januar 2016 haben die Anmelderinnen unter Aufrechterhaltung des ursprünglichen Anspruchssatzes den Ausführungen der Prüfungsstelle widersprochen, aber keine Durchführung einer Anhörung beantragt, so dass die Prüfungsstelle die Anmeldung durch Beschluss vom 16. Februar 2016 mit der Begründung fehlender erfinderischer Tätigkeit bezüglich der Druckschriften D1 und D2 zurückgewiesen hat.
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Gegen diesen, den Anmelderinnen am 19. Februar 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 15. März 2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde mit der nachgereichten Beschwerdebegründung vom 24. Oktober 2016.
7
In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin zu 1) einen neuen Anspruchssatz und eine angepasste Beschreibung vorgelegt. Sie beantragt:
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1. den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G21K des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Februar 2016 aufzuheben.
9
2. Ein Patent zu erteilen mit der Bezeichnung “Bestrahlungsvorrichtung und Verfahren zur Steuerung/Regelung derselben”, dem Anmeldetag 16. Juli 2007 unter Inanspruchnahme der Priorität CN 200610098857.7 vom 17. Juli 2006 auf der Grundlage folgender Unterlagen:
10
-Patentansprüche 1 bis 4,
11
-Beschreibungsseiten 1 bis 3, 3a und 4 bis 9, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 9. Januar 2018;
12
-3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 4, eingegangen im Deutschen Patent- und Markenamt am Anmeldetag.
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Die in der Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 4 haben folgenden Wortlaut:
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1. Bestrahlungsvorrichtung zur wahlweisen Ausgabe von Elektronenstrahlen und Röntgenstrahlen, umfassend:
15
einen Elektronenbeschleuniger (1);
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einen mit dem Elektronenbeschleuniger (1) verbundenen Abtastkasten (4) und
17
einen Abtastmagneten (3) zum Steuern/Regeln der durch den Elektronenbeschleuniger (1) erzeugten Elektronenstrahlen,
18
wobei der Abtastkasten (4) sowohl mit einem Ziel (7) als auch mit einem Elektronenstrahl-Austrittsfenster (10) ausgestattet ist,
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so dass dann, wenn der Abtastmagnet (3) nicht in Betrieb ist, die Elektronenstrahlen auf das Ziel (7) treffen und auszugebende Röntgenstrahlen erzeugt werden, und
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dass dann, wenn der Abtastmagnet (3) in Betrieb ist, die abgetasteten Elektronenstrahlen über das Elektronenstrahl-Austrittsfenster (10) ausgegeben werden,
21
wobei das Ziel (7) auf einer inneren Seite des Elektronenstrahl-Austrittsfensters (10) positioniert ist, so dass eine Struktur mit innerem Ziel gebildet ist.
22
2. Bestrahlungsvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Abtastkasten (4) ferner mit einer Kühlfluidschleife (9) zum Kühlen des Ziels (7) und des Elektronenstrahl-Austrittsfensters (10) ausgestattet ist.
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3. Bestrahlungsvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass dann, wenn der Abtastmagnet (3) in Betrieb ist, das Zentrum der abgetasteten Elektronenstrahlen in Bezug auf die Richtung der durch den Elektronenbeschleuniger (1) erzeugten Elektronenstrahlen (5) durch Steuerung/Regelung eines dem Abtastmagneten (3) zugeführten Abtaststroms abgelenkt wird.
24
4. Verfahren zum Steuern/Regeln einer Bestrahlungsvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:
25
a) wenn der Abtastmagnet (3) nicht in Betrieb ist, so treffen die Elektronenstrahlen auf das Ziel (7), um Röntgenstrahlen zu erzeugen, so dass die Bestrahlungsvorrichtung die Röntgenstrahlen ausgibt, und
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b) wenn der Abtastmagnet (3) in Betrieb ist, so werden die abgetasteten Elektronenstrahlen abgelenkt und treten durch das Elektronenstrahl-Austrittsfenster (10) hindurch, indem ein Ablenkungsabtaststrom dem Abtastmagneten (3) zugeführt wird, sodass die Bestrahlungsvorrichtung die Elektronenstrahlen ausgibt.
27
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
28
1. Die Beschwerde der Anmelderin zu 1) ist zulässig. Die Beschwerde der Anmelderin zu 2) gilt als nicht vorgenommen. Die Anmelderin zu 2) ist notwendige Streitgenossin der Anmelderin zu 1).
29
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 28. März 2017, X ZB 19/16, Rn. 8, 10) müssen mehrere Patentanmelder, die Beschwerde gegen den Beschluss einer Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) einlegen, nach Abs. 1 der Vorbemerkung zu Teil B des Gebührenverzeichnisses zum Patentkostengesetz jeder eine Gebühr nach Nr. 401 300 in Höhe von 200 Euro entrichten.
30
In den Fällen, in denen mehrere Beteiligte Beschwerde erheben, jedoch nicht für jeden von ihnen eine Gebühr entrichtet wird, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19. September 2017, ZB 1/17, GRUR 2017, 1286, Rn. 27 – Mehrschichtlager) zunächst zu prüfen, ob die entrichtete Gebühr einem bestimmten Beteiligten zugeordnet werden kann. Eine solche Zuordnung kommt beispielsweise in Betracht, wenn nur der Name eines Beteiligten auf dem Überweisungsformular oder der Einzugsermächtigung angegeben ist (BGH, Beschluss vom 18. August 2015, X ZB 3/14, GRUR 2015, 1255, Rn. 18 – Mauersteinsatz).
31
Für den Fall, dass solche Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind, hat die Rechtsprechung bislang angenommen, dass eine Zuordnung der entrichteten Beschwerdegebühr nicht möglich sei und die Beschwerde sämtlicher Beteiligter als nicht erhoben gelte (BGH, Beschluss vom 25. März 1982, X ZB 24/80, BGHZ 83, 271, 274 – Einsteckschloss; BGH, Beschluss vom 27. September 1983, X ZB 19/82, GRUR 1984, 36 – Transportfahrzeug). An dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nicht festgehalten (Beschluss vom 19. September 2017, X ZB 1/17, GRUR 2017, 1286, Rn. 29 – Mehrschichtlager). Haben zwei Beteiligte gemeinsam eine Beschwerdeschrift eingereicht, jedoch nur eine Beschwerdegebühr gezahlt, ist nach neuester Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19. September 2017, X ZB 1/17, GRUR 2017, 1286, Rn. 30 – Mehrschichtlager) ihre Erklärung im Zweifel dahin auszulegen, dass die Beschwerde, falls sie mangels Entrichtung einer ausreichenden Zahl von Gebühren nicht für beide Beteiligte in zulässiger Weise erhoben wurde, für den im Rubrum der angefochtenen Entscheidung an erster Stelle Genannten erhoben sein soll.
32
b) Gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G21K des DPMA vom 16. Februar 2016, die Patentanmeldung der Anmelderin zu 1) und der Anmelderin zu 2) zurückzuweisen, haben die Anmelderin zu 1) und die Anmelderin zu 2) mit Schriftsatz vom 15. März 2016, der am selben Tag per Fax im DPMA eingegangen ist, Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeschrift nennt die Anmelderin zu 1) und die Anmelderin zu 2) als Anmelderinnen der Patentanmeldung.
33
Die Anmelderin zu 1) und die Anmelderin zu 2) haben insgesamt nur eine Gebühr nach Abs. 1 der Vorbemerkung zu Teil B des Gebührenverzeichnisses zum Patentkostengesetz nach Nr. 401 300 in Höhe von 200 Euro entrichtet. In den “Angaben zum Verwendungszweck des Mandats” vom 15. März 2016 sind in der Zeile “Name des Schutzrechtsinhabers” unter 1. die Anmelderin zu 1) und unter 2. die Anmelderin zu 2) genannt.
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Die entrichtete Gebühr von 200 Euro ist weder der Anmelderin zu 1) noch der Anmelderin zu 2) zuzuordnen. Denn Beschwerde haben die Anmelderin zu 1) und die Anmelderin zu 2) gemeinsam eingelegt, ohne dass die Beschwerde und damit die Zahlung der Beschwerdegebühr einer der beiden Anmelderinnen zugeordnet werden könnte. Auch die “Angaben zum Verwendungszweck des Mandats” vom 15. März 2016 lassen selbst dann, wenn – wie vom Bundesgerichtshof gefordert (Beschluss vom 18. August 2015, X ZB 3/14, GRUR 2015, 1255, Rn. 17 – Mauersteinsatz; Beschluss vom 28. März 2017, X ZB 19/16, Rn. 13) – hierbei kein strenger Maßstab angelegt wird, eine Zuordnung der Zahlung der Beschwerdegebühr an die Anmelderin zu 1) oder an die Anmelderin zu 2) nicht zu, weil in der Zeile “Name des Schutzrechtsinhabers” die Anmelderin zu 1) und die Anmelderin zu 2) gleichrangig genannt sind. Vorliegend sind auch keine anderen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Zuordnung der entrichteten Gebühr an die Anmelderin zu 1) oder die Anmelderin zu 2) ermöglichen würde.
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Im Rubrum des angefochtenen Beschlusses der Prüfungsstelle für Klasse G21K des DPMA vom 16. Februar 2016 ist an erster Stelle die Anmelderin zu 1) genannt. Nach neuester Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19. September 2017, X ZB 1/17, GRUR 2017, 1286, Rn. 30 – Mehrschichtlager) ist die Erklärung der Anmelderinnen in ihrer Beschwerdeschrift vom 15. März 2016 dahin auszulegen, dass die Beschwerde, die mangels Entrichtung einer ausreichenden Zahl von Gebühren nicht für beide Anmelderinnen in zulässiger Weise erhoben wurde, für die im Rubrum der angefochtenen Entscheidung an erster Stelle genannte Anmelderin zu 1) erhoben sein soll.
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c) Die Anmelderin zu 1) ist deshalb Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Bundespatentgericht. Die Beschwerde der Anmelderin zu 2), die die von ihr zu zahlende Gebühr nach Abs. 1 der Vorbemerkung zu Teil B des Gebührenverzeichnisses zum Patentkostengesetz nach Nr. 401 300 in Höhe von 200 Euro nicht entrichtet hat, gilt nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht vorgenommen. Die Anmelderin zu 2) ist deshalb nach § 62 ZPO notwendige Streitgenossin der Anmelderin zu 1).
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2. Die Beschwerde ist bezüglich des in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2018 eingereichten Anspruchssatzes begründet, denn die Ansprüche 1 bis 4 sind zulässig und geben eine gewerblich anwendbare, technische Lehre. Die Vorrichtung nach Anspruch 1 und das Verfahren nach Anspruch 4 sind zudem patentfähig und durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen (§§ 1 – 5 PatG), so dass der angefochtene Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und das Patent in dem beantragten Umfang zu erteilen war (§ 79 Abs. 1 PatG i. V. m. § 49 Abs. 1 PatG).
38
3. Die Anmeldung betrifft eine Bestrahlungsvorrichtung mit einem Elektronenbeschleuniger, einem mit dem Elektronenbeschleuniger verbundenen Abtastkasten und einem Abtastmagneten zum Steuern der durch den Elektronenbeschleuniger erzeugten Elektronenstrahlen sowie ein zugehöriges Bestrahlungsverfahren.
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Bei solchen Bestrahlungsvorrichtungen ist, wie in Figur 1 der Anmeldung gezeigt, der Abtastmagnet über einen Flansch an dem Elektronenbeschleuniger angebracht, mit dessen Hilfe die Richtung des Elektronenstrahls innerhalb des Abtastkastens gesteuert werden kann. Dieser ist an seinem unteren Ende mit einem Elektronenstrahl-Austrittsfenster ausgestattet, durch welches der Elektronenstrahl auf den zu behandelnden Gegenstand gerichtet wird. Am Boden des Abtastkastens ist zusätzlich eine über einen Einlass und einen Auslass mit einem Kühlfluidsystem verbundene Kühlfluidschleife zum Kühlen des Elektronenstrahl-Austrittsfensters angeordnet. Im Betrieb wird der Abtastmagnet so angesteuert, dass der Elektronenstrahl den zu behandelnden Gegenstand abtastet.
40
Die Elektronenstrahlbehandlung weist zwar eine große Leistung, hohe Effizienz und gute Sicherheit auf, doch kann sie aufgrund geringer Bearbeitungstiefe nur für kleine oder dünne Objekte verwendet werden und ist in der Regel für die Bearbeitung großer Objekte ungeeignet. Zudem müssen die Austrittsfenster üblicher Elektronenstrahl-Bestrahlungsvorrichtungen Abtastmagneten mit guter Stabilität aufweisen, denn bei einer Betriebsstörung würden die Elektronenstrahlen das Elektronenstrahl-Austrittsfenster und ggf. auch die ganze Vorrichtung stark beschädigen.
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Zur Bestrahlung großer Objekte wird daher meist eine Röntgenstrahlvorrichtung eingesetzt, die, wie in Figur 2 gezeigt, neben dem Elektronenbeschleuniger und dem daran über einen Flansch angebrachten Verstellabschnitt ein in einem Zentrum der ausgegebenen Strahlen angebrachtes Ziel (Target) sowie eine Kühlfluidschleife am Boden des Verstellabschnitts zum Kühlen des Ziels umfasst, die über einen Einlass und einen Auslass mit einem Kühlfluidsystem verbunden ist. Die Strahlungsbearbeitung erfolgt dabei unter Verwendung der Röntgenstrahlung, die durch die Geschwindigkeitsänderung der auf das Target auftreffenden Elektronen entsteht und tief in das zu behandelnde Objekt eindringen kann. Da die Röntgenstrahlen Umwandlungsprodukte der auf das Ziel auftreffenden Elektronenstrahlen sind, ist eine Röntgenstrahlbearbeitungsvorrichtung hinsichtlich der Strahlungsleistung weniger effizient als eine Elektronenstrahlbearbeitungsanlage.
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Herkömmliche Bestrahlungsvorrichtungen sind entweder als Elektronenstrahl- oder als Röntgenstrahlbearbeitungsvorrichtung ausgelegt, und daher in ihren Anwendungsmöglichkeiten hinsichtlich der zu bearbeitenden Gegenstände stark eingeschränkt, vgl. Beschreibungsseiten 1 bis 3, zweiter Absatz.
43
Vor diesem Hintergrund liegt der Anmeldung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, die Nachteile des Stands der Technik zu überwinden, indem eine verbesserte Bestrahlungsvorrichtung bereitgestellt wird, welche in der Lage ist, zwei Strahlquellen, nämlich sowohl Elektronenstrahlen als auch Röntgenstrahlen, auszugeben, vgl. Beschreibungsseite 3a, zweiter Absatz.
44
Gelöst wird diese Aufgabe durch die Vorrichtung des Anspruchs 1 und das Verfahren des selbständigen Anspruchs 4.
45
Die beanspruchte Vorrichtung ist zur wahlweisen Ausgabe von Elektronenstrahlen und Röntgenstrahlen ausgelegt und sie umfasst einen Elektronenbeschleuniger, einen mit dem Elektronenbeschleuniger verbundenen Abtastkasten und einen Abtastmagneten zum Steuern/Regeln der durch den Elektronenbeschleuniger erzeugten Elektronenstrahlen.
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Insbesondere zeichnet sich die Vorrichtung dadurch aus, dass der Abtastkasten sowohl mit einem Elektronenstrahl-Austrittsfenster als auch mit einem auf einer inneren Seite des Elektronenstrahl-Austrittsfensters positionierten Ziel ausgestattet ist, so dass dann, wenn der Abtastmagnet nicht in Betrieb ist, die Elektronenstrahlen auf das Ziel treffen und auszugebende Röntgenstrahlen erzeugt werden, und dass dann, wenn der Abtastmagnet in Betrieb ist, die abgetasteten Elektronenstrahlen über das Elektronenstrahl-Austrittsfenster ausgegeben werden.
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Gemäß dem beanspruchten Verfahren wird die Bestrahlungsvorrichtung so gesteuert bzw. geregelt, dass dann, wenn der Abtastmagnet nicht in Betrieb ist, die Elektronenstrahlen auf das Ziel treffen und die Bestrahlungsvorrichtung Röntgenstrahlen ausgibt, wohingegen dann, wenn der Abtastmagnet durch das Zuführen eines Ablenkungsabtaststroms in Betrieb ist, die Elektronenstrahlen abgelenkt werden und durch das Elektronenstrahl-Austrittsfenster hindurch treten, so dass die Bestrahlungsvorrichtung Elektronenstrahlen ausgibt.
48
Die Bestrahlungsvorrichtung ist somit in der Lage, wahlweise Elektronenstrahlen und Röntgenstrahlen auszugeben, so dass Objekte unterschiedlicher Größen strahlungstechnisch flexibel und ohne weitere Zusatzkosten bearbeitet werden können. Zusätzlich wird durch die spezielle Ausbildung der Vorrichtung gewährleistet, dass bei einer Nichtfunktion des Abtastmagneten die Elektronenstrahlen so weiterlaufen, dass sie das Ziel treffen, um Röntgenstrahlen zu erzeugen, und es zu keiner Beschädigung des Elektronenstrahl-Austrittsfensters kommt. Dadurch wird die Sicherheit des Systems verbessert und die Lebensdauer und Effizienz der Bestrahlungsvorrichtung erhöht, vgl. Beschreibungsseite 5, erster Absatz.
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4. Die Ansprüche 1 bis 4 sind zulässig. Anspruch 1 umfasst die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 und 4 sowie die Präzisierung, dass die Vorrichtung zur wahlweisen Ausgabe von Elektronenstrahlen und Röntgenstrahlen geeignet ist, was der ursprünglichen Beschreibung, Seite 5, Zeilen 9 bis 15 zu entnehmen ist. Die Ansprüche 2 und 3 sind die angepassten ursprünglichen Ansprüche 5 und 6. Der Verfahrensanspruch 4 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 7 und der ursprünglichen Beschreibung, Seite 8, Zeilen 18 bis 29.
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5. Die gewerblich nutzbare (§ 5 PatG) Vorrichtung des Anspruchs 1 ist ebenso wie das Verfahren des Anspruchs 4 hinsichtlich des vorgenannten Stands der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns (§ 4 PatG). Dieser ist hier als berufserfahrener Maschinenbauingenieur mit Hochschulabschluss und Detailkenntnissen im Bereich der Entwicklung von Bestrahlungsvorrichtungen zu definieren.
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6. Gemäß dem letzten Merkmal des Anspruchs 1 ist bei der beanspruchten Bestrahlungsvorrichtung das Ziel auf einer inneren Seite des Elektronenstrahl-Austrittsfensters positioniert.
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Für eine derartige Ausgestaltung des Austrittsfensters gibt es in dem entgegengehaltenen Stand der Technik keine Anregung.
53
Der den nächstkommenden Stand der Technik bildenden Druckschrift D1 liegt ähnlich wie der vorliegenden Anmeldung die Aufgabe zugrunde, eine Bestrahlungsvorrichtung bereitzustellen, bei der schnell zwischen Röntgen- und Elektronenstrahlbearbeitung gewechselt werden kann (vgl. Sp. 1, Zn. 31 bis 48: “Presently-used accelerators require that in order to change from an electron beam to an X-ray beam one must remove the aluminum window and replace it with a gold target and re-establish the vacuum in the scanning section of the beam tube of the accelerator. The re-establishing of the vacuum in the beam tube is a relatively long process due to the high vacuum required, thus the total time required to change accelerators from one type of radiation to another is a few hours which means that the accelerator is quite inflexible. This inflexibility of the accelerator is particularly bad in those situations where the accelerator is used to perform basic research since very seldom do consecutive experiments require the same type of radiation. Accordingly, it is the primary object of this invention to provide a means for rapidly changing the character of the energy beam of a particle accelerator.”).
54
Als Lösung werden, wie in den Figuren 1 und 2 der Druckschrift D1 dargestellt, an das untere Ende des Abtastkastens (scanning tube section 10) unterschiedliche Fenster bzw. Targets angebracht (scanning windows 36, 37) und der Abtastkasten bezüglich des Elektronenstrahls schwenkbar angeordnet (vgl. Sp. 1, Zn. 64 bis 68: “Various scanning windows or targets may be hermetically attached to the flanged openings in order that the beam tube may be rotated about its pivoted end to selectively align one of the scanning windows or targets with the axis of the beam tube.”).
55
Wie sich zudem aus der Bezeichnung “scanning tube”, d. h. Abtastkasten, ergibt, wird bei der in Druckschrift D1 beschriebenen Vorrichtung der Elektronenstrahl abgetastet bzw. gescannt. Mittels welcher Hilfsmittel diese Elektronenstrahlablenkung durchgeführt wird, ist in Druckschrift D1 zwar nicht explizit erwähnt, jedoch weiß der Fachmann aufgrund seiner durch Druckschrift D2 belegten Fachkenntnisse (vgl. deren Spalte 3, erster Absatz), dass dies standardmäßig mit Hilfe eines Abtastmagneten erfolgt, weshalb es für ihn naheliegend ist, dass die in den Figuren 1 und 2 dargestellte Vorrichtung auch einen Abtastmagneten zur Ablenkung des Elektronenstrahls aufweist.
56
Somit ergibt sich bspw. für den Fall, dass in Fig. 2 von Druckschrift D1 das Element 36 als Röntgenstrahl-Target aus Gold und das Element 37 als Elektronenstrahl-Fenster aus Aluminium ausgebildet ist, aus Druckschrift D1 in Verbindung mit Druckschrift D2 in den Worten des Anspruchs 1 eine Bestrahlungsvorrichtung zur wahlweisen Ausgabe von Elektronenstrahlen und Röntgenstrahlen (vgl. Sp. 1, Zn. 15 bis 17: “This invention pertains to particle accelerators and more particularly to a means for rapidly obtaining different types of radiation from a particle accelerator.”), umfassend:
57
einen Elektronenbeschleuniger (vgl. Sp. 2, Zn. 25 bis 28: “[…] scanning tube section 10 which is pivotally and hermetically fastened to the lower end 12 of the beam tube 11 of the particle accelerator […].”),
58
einen mit dem Elektronenbeschleuniger (11, 12) verbundenen Abtastkasten (scanning tube section 10) und
59
einen Abtastmagneten (Fachwissen, vgl. obige Ausführungen bzgl. D2) zum Steuern/Regeln der durch den Elektronenbeschleuniger (11, 12) erzeugten Elektronenstrahlen,
60
wobei der Abtastkasten (10) sowohl mit einem Ziel (bspw. scanning window 36 als X-ray target) als auch mit einem Elektronenstrahl-Austrittsfenster (bspw. scanning window 37) ausgestattet ist,
61
sodass dann, wenn der Abtastmagnet nicht in Betrieb ist, die Elektronenstrahlen auf das Ziel (36) treffen und auszugebende Röntgenstrahlen erzeugt werden.
62
Die verbleibenden Merkmale des Anspruchs 1, wonach dann, wenn der Abtastmagnet in Betrieb ist, die abgetasteten Elektronenstrahlen über das Elektronenstrahl-Austrittsfenster ausgegeben werden und wonach das Ziel auf einer inneren Seite des Elektronenstrahl-Austrittsfensters positioniert ist, so dass eine Struktur mit innerem Ziel gebildet ist, sind hingegen in Druckschrift D1 und D2 nicht offenbart.
63
Zwar ist es als für den Fachmann naheliegend anzusehen, den Abtastmagneten so anzusteuern, dass der Elektronenstrahl ohne Schwenken des Abtastkastens wahlweise auf das Ziel (36) oder das Elektronenstrahl-Austrittsfenster (37) der in Druckschrift D1 beschriebenen Vorrichtung trifft. Jedoch findet sich in keiner der Druckschriften D1 und D2 ein Hinweis, das Ziel entsprechend dem letzten Merkmal des Anspruchs 1 auf einer inneren Seite des Elektronenstrahl-Austrittsfensters anzuordnen. Denn im Gegensatz dazu gibt die Druckschrift D1 dem Fachmann die Lehre, die einzelnen Fenster nebeneinander anzuordnen und nicht hintereinander, und in Druckschrift D2 ist lediglich ein Elektronenstrahl-Austrittsfenster beschrieben, aber kein Röntgenstrahl-Target. Für den Fachmann gibt es auch keinen Anlass, bei der Vorrichtung der Druckschrift D1 die beiden Fenster (36, 37) hintereinander statt nebeneinander anzuordnen, da dann keine wahlweise Ausgabe von Elektronenstrahlen und Röntgenstrahlen mehr möglich wäre.
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Für das Verfahren zum Steuern/Regeln einer solchen Bestrahlungsvorrichtung gemäß Anspruch 4 gelten diese Ausführungen in gleicher Weise.
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7. Dem Anspruch 1 können sich die Unteransprüche 2 und 3 anschließen, da sie die Vorrichtung nach Anspruch 1 vorteilhaft weiterbilden. Zudem sind in der geltenden Beschreibung mit Zeichnung die Vorrichtung und das Verfahren gemäß den Ansprüchen ausreichend erläutert.
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8. Bei dieser Sachlage war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Patent im beantragten Umfang zu erteilen.