Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – “Verfahren und Vorrichtung zum Ausbilden gekrümmter Schnittflächen in einem transparenten Material” – zur Beurteilung der Zulässigkeit eines therapeutische oder chirurgische Verfahren ausschließenden Disclaimers

Aktenzeichen  18 W (pat) 5/19

Datum:
18.3.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:180320B18Wpat5.19.0
Normen:
§ 38 PatG
§ 2 Buchst a Abs 1 Nr 2 PatG
Spruchkörper:
18. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 103 32 815.7

hat der 18. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing. Wickborn sowie die Richter Kruppa, Dipl.-Ing. Veit und Dr.-Ing. Flaschke
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. April 2016 aufgehoben und das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen erteilt:
– Patentansprüche 1 bis 6, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
– Beschreibung Seiten 1 bis 12, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
– Figuren 1 bis 8, eingegangen am 18. Juli 2003.

Gründe

I.
1
Die Patentanmeldung 103 32 815.7 mit der Bezeichnung
2
„Verfahren und Vorrichtung zum Ausbilden gekrümmter Schnittflächen in einem transparenten Material“
3
wurde am 18. Juli 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet.
4
Im Prüfungsverfahren sind die Druckschriften
5
D1 WO 01/67978 A1
6
D2 US 5 993 438 A
7
in Betracht gezogen worden.
8
In der Patentanmeldung wurden noch folgende Druckschriften genannt:
9
D3  US 5 984 916 A
10
D4  US 6 110 166 A
11
In einem dem Prüfungsverfahren vorgelagerten Rechercheverfahren (§ 43 PatG) wurden darüber hinaus die Druckschriften
12
D5  US 4 901 718 A
13
D6  WO 02/32353 A2
14
D7  WO 98/14244 A1
15
D8  WO 97/30752 A1
16
D9  WO 93/16631 A1
17
ermittelt.
18
Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 F hat mit dem am Ende der Anhörung vom 26. April 2016 verkündeten Beschluss ein Patent auf Grundlage der Unterlagen des in der Anhörung gestellten Hilfsantrages 3 erteilt und den Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 und 2 zurückgewiesen.
19
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 9. Juni 2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingelegte Beschwerde der Anmelderin.
20
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 18. März 2020 der Anmelderin die Druckschrift
21
D10 US 6 452 132 B1
22
überreicht.
23
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt,
24
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. April 2016 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen zu erteilen:
25
– Patentansprüche 1 bis 12, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
26
– hilfsweise Patentansprüche 1 bis 6, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
27
– Beschreibung, Seiten 1 bis 12, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
28
– Figuren 1 bis 8, eingegangen am 18. Juli 2003.
29
Hauptantrag
30
Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene Patentanspruch 1 lautet:
31
M1 Verfahren zum Ausbilden gekrümmter Schnittflächen (9) in einem transparenten Material, insbesondere in der Augenhornhaut (5),
32
M2 durch Erzeugen optischer Durchbrüche (8) an verschiedenen Orten im Material (5) mittels gepulster, ins Material (5) fokussierter Laserstrahlung (3),
33
M3 wobei die Laserstrahlung (3) zweidimensional abgelenkt wird, um die Schnittfläche (9) durch Aneinanderreihung der optischen Durchbrüche (8) zu bilden,
34
M4 wobei die zweidimensionale Ablenkung so erfolgt, dass die Orte optischer Durchbrüche (8) entlang einer Kurve, an der die optischen Durchbrüche (8) aneinandergereiht sind,
35
M5 gemäß einer auf die Ablenkung bezogenen Winkelfunktion beabstandet sind,
36
M6 die nichtlinear und so an die Krümmung der Schnittfläche (9) angepasst ist,
37
M7 dass die Orte entlang der Kurve benachbarter optischer Durchbrüche (8) innerhalb einer bestimmten Toleranz in gleichmäßiger Distanz (D) beabstandet sind,
38
M8 wobei das Verfahren nicht zur Behandlung eines lebenden menschlichen oder tierischen Körpers durchgeführt wird
39
M9a und wobei am Rande eines Bereiches (13), in dem die Schnittfläche (9) ausgebildet wird, in einer Dimension (x) die Ablenkung mit geringerer Geschwindigkeit erfolgt als im Zentrum (14) des Bereiches (13) und/oder
40
M9b am Rande eines Bereiches (13), in dem die Schnittfläche (9) ausgebildet wird, die Pulsfrequenz der Laserstrahlung (3) verschieden von der im Zentrum (14) der Schnittfläche, insbesondere höher, ist.
41
Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene nebengeordnete Patentanspruch 7 lautet:
42
N1 Vorrichtung zum Ausbilden gekrümmter Schnittflächen (9) in einem transparenten Material, insbesondere in der Augenhornhaut (5),
43
N2 mit einer gepulsten Laserstrahlungsquelle (S), die Laserstrahlung (3) in das Material (5) fokussiert und dort optische Durchbrüche (8) bewirkt,
44
N3 wobei eine Ablenkeinrichtung (10), die die Laserstrahlung (3) zweidimensional ablenkt, und eine Steuereinrichtung (2) vorgesehen sind, die die Ablenkeinrichtung (10) ansteuert, um die Schnittfläche (9) durch Aneinanderreihen der optischen Durchbrüche (8) im Material (5) zu bilden,
45
N4 wobei die Steuereinrichtung (2) die Ablenkeinrichtung (10) zweidimensional gemäß einer Ablenkfunktion (16, 17) so ansteuert, dass die Orte optischer Durchbrüche (8) entlang einer Kurve, auf der die optischen Durchbrüche (8) aneinandergereiht sind,
46
N5 gemäß einer auf die Ablenkung bezogenen Winkelfunktion beabstandet sind,
47
N6 die nichtlinear und so an die Krümmung der Schnittfläche (9) angepasst ist,
48
N7 dass die Orte entlang der Kurve benachbarter optischer Durchbrüche (8) innerhalb einer bestimmten Toleranz in gleichmäßiger Distanz (D) beabstandet sind,
49
N8a und wobei die Steuereinrichtung (2) am Rande eines Bereiches (13), in dem die Schnittfläche (9) ausgebildet wird, in einer Dimension (x) die Ablenkung mit geringerer Geschwindigkeit steuert als im Zentrum (14) des Bereiches (13) und/oder
50
N8b die Steuereinrichtung (2) am Rande eines Bereiches (13), in dem die Schnittfläche (9) ausgebildet wird, die Pulsfrequenz der Laserstrahlung (3) verschieden von der im Zentrum (14) der Schnittfläche, insbesondere höher, steuert.
51
Wegen des Wortlauts der abhängigen Patentansprüche 2 bis 6 und 8 bis 12 wird auf die Akte verwiesen.
52
Hilfsantrag
53
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag stimmt mit dem nebengeordneten Patentanspruch 7 nach Hauptantrag überein.
54
Wegen des Wortlauts der abhängigen Patentansprüche 2 bis 6 nach Hilfsantrag wird auf die Akte verwiesen.
55
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Anspruchsfassungen gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag jeweils zulässig und die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche im Lichte des Standes der Technik neu seien und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
56
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
57
Die zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Patenterteilung gemäß Hilfsantrag führt. Im Übrigen war die Beschwerde bezüglich des Hauptantrags zurückzuweisen. Denn der in den Patentanspruch 1 nach Hauptantrag aufgenommene Disclaimer führt zu einer unzulässigen Erweiterung des Anmeldungsgegenstandes (§ 38 PatG).
58
1. Die Patentanmeldung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Ausbilden gekrümmter Schnittflächen in einem transparenten Material, insbesondere in der Augenhornhaut. Die Schnittflächen sollen durch optische Durchbrüche im Material gebildet werden, die mittels einer zweidimensional abgelenkten, gepulsten, in das Material fokussierten Laserstrahlung erzeugt werden (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 1).
59
Laut Beschreibung (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 2 u. 3) bezeichne der Begriff „optischer Durchbruch“ die Bildung einer Plasmablase im Material unter Einwirkung der Laserstrahlung bei Überschreiten eines Schwellwertes für die Leistungsdichte der in das Material fokussierten Strahlung. Bei Entstehung eines Plasmas an einer Materialgrenzfläche erfolge demnach ein Materialabtrag von dieser Grenzfläche. Dies werde als Photoablation bezeichnet. Bei einer Plasmablase, die vorher verbundene Materialschichten trennt, sei von Photodisruption die Rede (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 4).
60
Für eine hohe Genauigkeit und zur Vermeidung von Kollateralschäden werde ein gepulster Laser mit einer kurzen Pulsdauer und hoher Fokussierung des Laserstrahls eingesetzt. Damit könne ein optischer Durchbruch punktgenau in dem Material erzeugt werden (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 5).
61
Wie in der Beschreibung der Anmeldung weiter ausgeführt ist, seien aus dem Stand der Technik (US 5 984 916 A, US 6 110 166 A) Verfahren zur Schnitterzeugung mittels optischer Durchbrüche bekannt. Die Ausbildung gekrümmter Schnittflächen erfolge durch Kombination einer zweidimensionalen Ablenkung des Laserstrahls mit gleichzeitiger Verstellung des Fokuspunktes. Für eine Schnittfläche hoher Qualität müssten die optischen Durchbrüche eng aneinandergereiht sein, wodurch der für die Schnitterzeugung erforderliche Zeitaufwand steige. Außerdem müsse bei einer engen Aneinanderreihung nach jeder Erzeugung eines optischen Durchbruches abgewartet werden, bis die sich bildende Gasmenge vom umliegenden Gewebe aufgenommen werde, bevor unmittelbar benachbart der nächste Durchbruch erzeugt werden könne (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 7-9).
62
In der Patentanmeldung ist als Aufgabe genannt, ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zum Ausbilden gekrümmter Schnittflächen der eingangs genannten Art so fortzubilden, dass eine gute Qualität der optischen Schnittfläche bei gleichzeitig möglichst schneller Ausbildung der Schnittfläche möglich ist (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 10).
63
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin gibt in ihrer Beschwerdebegründung als Aufgabe der Erfindung an, ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Erzeugen von Schnittflächen anzugeben, mittels welchem zuverlässig gekrümmte Schnittflächen mit glatter Oberfläche unabhängig von deren Form erzeugt werden können (vgl. S. 11 Abs. 2 der Eingabe vom 16.9.2016).
64
Als zuständiger Fachmann ist vorliegend ein Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik oder ein Medizinphysiker ansehen, der über berufliche Erfahrung auf dem Gebiet der Laserchirurgie, insbesondere der Augenchirurgie, verfügt, und bezüglich medizinischer Fragestellungen mit einem Arzt zusammenarbeitet.
65
2. Einige Merkmale der Patentansprüche bedürfen der Erläuterung.
66
Gemäß Merkmal M1 / N1 des Patentanspruchs 1 bzw. 7 nach Hauptantrag ist ein Verfahren bzw. eine Vorrichtung beansprucht zum Ausbilden gekrümmter Schnittflächen in einem transparenten Material. Dazu sollen nach Merkmal M2 optische Durchbrüche an verschiedenen Orten im Material mittels gepulster, in das Material fokussierter Laserstrahlung erzeugt werden. Nach Merkmal N2 dient hierfür eine gepulste Laserstrahlungsquelle.
67
Bei der ergänzenden Angabe „insbesondere in der Augenhornhaut“ im Merkmal M1 / N1 handelt es sich nicht um ein lediglich rein fakultatives, außer Acht zu lassendes Merkmal, sondern um eine zu berücksichtigende Zweckangabe (BGH Urt. v. 20. August 2019, X ZR 84/17, Rn 32-35), die in dem Sinne auszulegen ist, dass das beanspruchte Verfahren bzw. die Vorrichtung jedenfalls oder zumindest für eine operative Schnittführung in der Augenhornhaut geeignet sein müssen. Dies wird auch durch die Beschreibung und die Figuren der Patentanmeldung gestützt, die sich ausschließlich auf augenchirurgische Anwendungen beziehen (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 2-6, 25 u. 39-43 sowie Fig. 1 bis 5).
68
Unter einem „optischen Durchbruch“ (Merkmal M2 / N2) ist laut Beschreibung die Bildung einer Plasmablase im Material unter Einwirkung der Laserstrahlung, bei Überschreiten eines Schwellwertes für die Leistungsdichte der in das Material fokussierten Strahlung zu verstehen (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 2 u. 3).
69
Die Ablenkung der Laserstrahlung zur Bildung der Schnittfläche mittels aneinandergereihter optischer Durchbrüche soll nach Merkmal M3 / N3 zweidimensional erfolgen. Dabei bleibt offen, um welche Art von zweidimensionaler Ablenkung es sich handeln soll. Nicht unter den Begriff „Ablenkung“ fällt bspw. eine zweidimensionale Verschiebung des Endes eines Laser-Lichtleiters, um benachbart liegende optische Durchbrüche in der Hornhaut zu erzeugen (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 16).
70
Die optischen Durchbrüche sollen entlang einer Kurve gemäß einer auf die Ablenkung bezogenen Winkelfunktion beabstandet aneinandergereiht sein (Merkmale M4 / N4 u. M5 / N5). Die Winkelfunktion soll nichtlinear und an die Krümmung der Schnittfläche angepasst sein, so dass die optischen Durchbrüche entlang der Kurve innerhalb einer bestimmten Toleranz in gleichmäßiger Distanz beabstandet sind (Merkmale M6 / N6 u. M7 / N7).
71
Gemäß Beschreibung gibt die Winkelfunktion den Ort eines optischen Durchbruchs bezogen auf den Ablenkpunkt an. Aufgrund der zweidimensionalen Ablenkung ist die Winkelfunktion im Allgemeinen zweidimensional und kann in zwei eindimensionale Winkelfunktionen separiert werden. Bei einer zweiachsigen Ablenkung lässt sich für jede Achse eine eigene Winkelfunktion angeben (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 18).
72
Nach Merkmal M9a / N8a soll am Rande eines Bereiches, in dem die Schnittfläche ausgebildet wird, in einer Dimension die Ablenkung mit geringerer Geschwindigkeit erfolgen als im Zentrum des Bereiches.
73
Ein Beispiel für einen nichtlinearen Verlauf der Winkelfunktion bei einer mit konstanter Frequenz gepulsten Laserstrahlung zur Ausbildung einer sphärisch gekrümmten Schnittkurve ist in den Figuren 5 u. 6 des Ausführungsbeispiels gezeigt (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 44-50).
74
Der Schnitt soll gemäß Offenlegungsschrift, Abs. 45, durch das Zentrum 14 des in Figur 5 in Draufsicht dargestellten Schnittbereichs 13 entlang der x-Achse (für y=0) vom linken Rand l (x = -xmin) zum rechten Rand r (x = xmax) erfolgen. Im unteren Bereich der Figur 5 ist die sphärisch gekrümmte Hornhaut 5 mit den gleichmäßig beabstandeten (Abstand d) Plasmablasen 8 gezeigt. Um diese gleichmäßige Beabstandung d auf der sphärisch gekrümmten Schnittfläche 9 der Hornhaut 5 zu erzielen, ist eine nichtlineare Ablenkung des gepulsten Laserstrahls um die y-Achse erforderlich. Figur 6 zeigt den entsprechenden nichtlinearen zeitlichen Verlauf von t0 (Laserstrahl fällt auf linken Rand l) bis t1 (Laserstrahl fällt auf rechten Rand r) des Ablenkwinkels α des Laserstrahls (Zeilenfunktion 16).
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75
Die Zeile 15 in Figur 5 gibt die Orte der Plasmablasen 8 auf der sphärisch gekrümmten Schnittfläche 9 in einer ebenen Projektion wieder. In dieser ebenen Projektion 15 sind die Plasmablasen 8 mit einem variierenden Abstand d‘ beabstandet, der sich zum Zentrum (x = 0) hin vergrößert und zum Rand (l, r) hin verkleinert. Durch diese Art Vorverzerrung in der ebenen Projektion ergibt sich ein gleichmäßiger Abstand d auf der
76
sphärischen Schnittfläche 9.
77
Alternativ oder zusätzlich kann zur Erzeugung der in der Figur 5 gezeigten gleichmäßig beabstandeten Plasmablasen 8 auf der gekrümmten Hornhaut 5 die Frequenz der Laserpulse über den Bereich der Schnittfläche 9 variiert werden (Merkmal M9b / N8b), insbesondere am Rand des Schnittflächenbereichs höher eingestellt werden.
78
3. Der Anspruchssatz nach Hauptantrag ist nicht schutzfähig, da der Patentanspruch 1 nicht zulässig ist (§ 38 PatG).
79
3.1 In den Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist gegenüber dem ursprünglichen Patentanspruch 1 u.a. das Merkmal M8 aufgenommen, wonach das Verfahren nicht zur Behandlung eines lebenden menschlichen oder tierischen Körpers durchgeführt werden soll.
80
Mit dem Disclaimer nach Merkmal M8 sollen nach Auffassung der Anmelderin chirurgische Verfahren vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 ausgeschlossen werden, und somit das Patentierungshindernis nach § 5 Abs. 2 PatG a.F. (abgelöst durch § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG) ausgeräumt werden (vgl. Schriftsatz v. 11.03.2020, S. 2). Sie erachtet diesen Disclaimer als zulässig. Ein nicht offenbarter Disclaimer für den Ausschluss nicht gewerblich anwendbarer Verfahren sei nur dann unzulässig, wenn das beanspruchte Verfahren ausschließlich zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des lebenden menschlichen oder tierischen Körpers geeignet wäre. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Augenhornhaut im Patentanspruch 1 sei nur insbesondere beansprucht. Sämtliche technischen nicht chirurgischen Verfahren könnten auch ausgeführt werden. Auch Spendermaterial aus toter Hornhaut sei vom beanspruchten Verfahren mit umfasst. Es könne somit auch am nicht lebenden Körper eines Spenders ausgeführt werden. Da das beanspruchte Verfahren nicht nur am lebenden Material ausgeführt werden könne, sei der Disclaimer zulässig.
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Dem kann nicht gefolgt werden.
82
Nach § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG sind Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden, vom Patentschutz ausgeschlossen. Die Zulässigkeit eines therapeutische oder chirurgische Verfahren ausschließenden Disclaimers (Negativ-Merkmal) hängt davon ab, ob außer den vom Patentierungsausschluss nach § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG erfassten Verfahren noch weitere Anwendungen in den ursprünglichen Unterlagen offenbart sind, die außerhalb des therapeutischen oder chirurgischen Bereichs liegen, bspw. dem rein kosmetischen, keine Heilbehandlung betreffenden Bereich zugeordnet werden können. Ist dies der Fall, so kann sich der Anmelder mittels eines Disclaimers auf diesen nichttherapeutischen oder nichtchirurgischen Bereich zurückziehen. Ist dagegen eine Anwendung des beanspruchten Verfahrens außerhalb des Bereichs der Heilbehandlung nicht in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, so stellt ein solcher Disclaimer (Negativ-Merkmal) eine unzulässige Erweiterung i. S. des § 38 PatG dar (vgl. BPatG Beschl. v. 26. Januar 2010, 21 W (pat) 36/06; Beschl. v. 18. Januar 2007, 21 W (pat) 17/05 – Verfahren zur passiven Gymnastik; Beschl. v. 27. September 1984, 21 W (pat) 38/84                   – Haarwachstum; BGH Beschl. v. 28. November 2000, X ZB 20/99                         – Endoprotheseeinsatz).
83
Dies ist vorliegend der Fall.
84
Gegenstand der Patentanmeldung ist ein Verfahren zum Ausbilden gekrümmter Schnittflächen in einem transparenten Material, insbesondere in der Augenhornhaut, sowie eine entsprechende Vorrichtung (vgl. urspr. Beschreibung, S. 1 Z. 5    -15). Der im Verfahrensanspruch 1 angeführte Einschub „insbesondere in der Augenhornhaut“ stellt, wie bereits in Abs. II. 2. zu Merkmal M1 / N1 aufgeführt, vorliegend nicht ein außer Acht zu lassendes fakultatives Merkmal dar, sondern eine zu berücksichtigende Zweckangabe (vgl. BGH Urt. v. 20. August 2019, X ZR 84/17, Rn 32-35). So wird in den Anmeldeunterlagen bereits zum Stand der Technik im Hinblick auf gekrümmte Schnittflächen innerhalb transparenter Materialien auf laserchirurgische Verfahren und augenchirurgische Eingriffe hingewiesen, und die dabei im Gewebe ablaufenden Prozesse erläutert (S. 1 Z. 17 bis S. 2 Z. 20). Auch im allgemeinen Beschreibungsteil sowie im Ausführungsbeispiel und den zugehörigen Figuren sind ausschließlich Anwendungen im augenchirurgischen Bereich an Patienten beschrieben oder gezeigt (vgl. S. 6 Z. 33 bis S. 7 Z. 2; S. 8 Z. 19 bis S. 10 Z. 9 i.V.m. Fig. 1 bis 5). Weitere, außerhalb des Gebiets der chirurgischen Behandlung von lebenden Körpern liegende Anwendungen des beanspruchten Verfahrens sind in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbart.
85
Dass das beanspruchte Verfahren theoretisch auch am nicht lebenden Körper durchgeführt könnte, um bspw. ein Transplantat als Spenderhornhaut zu gewinnen, reicht für eine anzuerkennende ursprüngliche Offenbarung nicht aus. Denn an keiner Stelle in den ursprünglichen Unterlagen ist von einer solchen Transplantatgewinnung mittels des beanspruchten Verfahrens die Rede.
86
Somit stellt das Merkmal M8, das das beanspruchte Verfahren auf nicht dem Zwecke der chirurgischen Behandlung von lebenden menschlichen oder tierischen Körpern dienende Anwendungen beschränken soll, eine unzulässige Erweiterung des Gegenstands des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag dar (§ 38 PatG). Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist daher nicht zulässig.
87
Der Patentanspruch 1 hätte zudem ohne Berücksichtigung des Disclaimers (Merkmal M8) ein chirurgisches Behandlungsverfahren des menschlichen oder tierischen Körpers zum Gegenstand, und wäre bereits aus diesem Grund vom Patentschutz ausgeschlossen (§ 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG).
88
3.2 Mit dem nicht zulässigen Patentanspruch 1 sind auch die weiteren Ansprüche 2 bis 12 des Hauptantrags nicht schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet war (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – X ZB 6/05, GRUR 2007, 862 Abschnitt III. 3. a) aa) – Informationsübermittlungsverfahren II).
89
4. Der Hilfsantrag erfüllt die Voraussetzungen für eine Patenterteilung
90
Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Vorrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Auch die weiteren Voraussetzungen zur Patenterteilung sind erfüllt (§§ 1 bis 5, § 34 und § 38 PatG).
91
4.1 Die Patentansprüche 1 bis 6 sowie die Beschreibungsunterlagen mitsamt Figuren gemäß Hilfsantrag sind zulässig (§ 38 PatG).
92
Die Merkmale N1 bis N7 des Patentanspruchs 1 stimmen mit dem ursprünglichen Vorrichtungsanspruch 9 überein. Die Merkmale N8a und N8b sind aus den ursprünglichen Unteransprüchen 13 und 15 entnommen. Die Unteransprüche 2 bis 6 entsprechen den ursprünglichen Unteransprüchen 10, 11, 12, 14 und 16.
93
Die geltende Beschreibung wurde an den geltenden Anspruchssatz dahingehend angepasst, dass nunmehr erfindungsgemäß nur noch eine Vorrichtung beansprucht ist (vgl. S. 1, 3, 7), und u.a. die Verstellgeschwindigkeit der Ablenkung in Abhängigkeit vom Ablenkwinkel (entspricht Merkmal N8a) in den geltenden Patentanspruch 1 aufgenommen wurde (vgl. S. 6). Darüber hinaus ist in der geltenden Beschreibung gegenüber den Anmeldeunterlagen eine Würdigung der Entgegenhaltung WO 01/67978 A1 aufgenommen (vgl. S. 2 u. 3 übergr. Abs.), sowie die ursprünglichen Angaben zur Lösung der Aufgabe durch eine Kurzformulierung ersetzt (vgl. S. 3 Z. 31-32).
94
Die geltenden Figuren 1 bis 8 sind die ursprünglichen Figuren 1 bis 8.
95
4.2 Die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist neu gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik (§ 3 PatG).
96
a) Druckschrift D2 (US 5 993 438 A) zeigt eine Vorrichtung (vgl. Figur 1) mit einem Laser (laser unit 28), der einen gepulsten Laserstrahl (pulsed laser beam 30) in das Bindegewebe (stromal tissue 22) der Augenhornhaut (cornea 12) fokussiert, um dort optische Durchbrüche (optical breakdown) zu erzeugen (vgl. Sp. 4 Z. 26
97
-34, Sp. 4 Z. 45 – Sp. 5 Z. 29 / Merkmal N2). Das durch den optischen Durchbruch erzeugte Plasma soll vom umliegenden Gewebe absorbiert bzw. von der Hornhaut entfernt werden, so dass ein Gewebeabtrag erfolgt (vgl. Sp. 2 Z. 3-11).
98
Durch Setzen einer Vielzahl von benachbarten optischen Durchbrüchen kann eine ganze Schicht aus optischen Durchbrüchen im Gewebe ausgebildet werden (Sp. 3 Z. 1-18). Diese Schicht kann auch gekrümmt sein (Sp. 3 Z. 34-37). Das Gewebe wird durch die optischen Durchbrüche getrennt (disrupted), so dass bei einer gekrümmten Schicht aus benachbarten optischen Durchbrüchen eine gekrümmte Schnittfläche im Gewebe der Augenhornhaut ausgebildet ist (vgl. Figur 3, Sp. 9 Z. 1-7: „… to establish a continuous layer 52 of disrupted stromal tissue.“). Zwar sind in der Figur 3 mehrere Schichten (52, 54, 56, 58, 60) aus optischen Durchbrüchen gezeigt. Die Erzeugung mehrerer Schichten ist jedoch lediglich als möglich aber nicht als zwingend genannt, so dass auch nur eine einzelne Schicht erzeugt werden kann, bei der es sich dann um eine Schnittfläche handelt.
99
Somit dient die Vorrichtung der Druckschrift D2 der Ausbildung gekrümmter Schnittflächen in der Augenhornhaut (Merkmal N1).
100
Die Druckschrift D2 lässt offen, ob die Aneinanderreihung der optischen Durchbrüche aufgrund einer (optischen) Ablenkung des Laserstrahls erfolgt, oder anderweitig, bspw. durch Verschieben des Lichtaustrittsendes eines Laser-Lichtleiters. Eine Ablenkeinrichtung und eine Steuereinrichtung zur Ansteuerung derselben sind somit nicht explizit offenbart (es fehlen die Merkmale N3, N4).
101
Auch fehlt die Angabe einer auf die Ablenkung bezogenen Winkelfunktion gemäß der die Orte optischer Durchbrüche beabstandet sein sollen (es fehlen die Merkmale N5, N6).
102
In Druckschrift D2 ist angegeben, dass die Orte optischer Durchbrüche (cavitation bubbles 36a-36f) einer Schicht (layer 52) entlang einer Kurve (spiral pattern 62) innerhalb einer bestimmten Toleranz in gleichmäßiger Distanz beabstandet sind (vgl. Figuren 4 u. 5, Sp. 6 Z. 47-58). Dies gilt selbstverständlich auch für eine gekrümmte Schicht (Sp. 6 Z. 60-65 / Merkmal N7).
103
Nicht offenbart in der D2 ist eine mögliche Steuerung der Geschwindigkeit der Ablenkung des Laserstrahles (es fehlt Merkmal N8a) bzw. eine Veränderung der Pulsfrequenz während der Ausbildung einer Schnittfläche (es fehlt Merkmal N8b).
104
b) Aus Druckschrift D3 (US 5 984 916 A) ist ein Laser für die Chirurgie der Augenhornhaut bekannt (vgl. Figur 6; Sp. 1 Z. 1-9: „laser-based … apparatus for corneal and intraocular surgery.“). Mittels Laserpulse (Sp. 8 Z. 65-67), die in die Augenhornhaut fokussiert sind (vgl. Figur 5, Sp. 8 Z. 19-24: „interaction point P“), werden optische Durchbrüche im Gewebe erzeugt (Sp. 4 Z. 66 bis Sp. 5 Z. 5: „… causing dielectric breakdown.“; Sp. 7 Z. 47-50: „generated plasma“). Damit können auch gekrümmte Schnittflächen in der Augenhornhaut ausgebildet werden (vgl. Figur 7 und Sp. 12 Z. 44-48: „curve of varying depth 613“; Figur 8B und Sp. 12 Z. 64-67: „curved excisions 906“ / Merkmale N1 u. N2).
105
Der bekannte Laser verfügt über eine Steuerung (vgl. Figur 6: „computer control unit 114“). Der Laserstrahl wird zweidimensional abgelenkt, was zwangsläufig eine Ablenkeinrichtung voraussetzt (Sp. 8 Z. 55-59: „a beam rapidly deflectable or scannable under electronic control in two dimensions“ / Merkmal N3).
106
Eine zweidimensionale Ablenkung des Laserstrahls setzt zwangsläufig „Ablenkfunktionen“ voraus, mittels derer die Steuereinrichtung (computer control unit 114) den Laser ansteuert (vgl. Figur 6). Zur Ausbildung einer gekrümmten Schnittfläche (vgl. Figuren 7, 8B) müssen die Orte der optischen Durchbrüche zwangsläufig entlang einer Kurve aneinandergereiht sein. Die Beabstandung der optischen Durchbrüche kann bei einer zweidimensionalen Ablenkung des Laserstrahls selbstverständlich mittels Winkelfunktionen beschrieben werden. Dies liest der zuständige Fachmann mit (Merkmale N4 u. N5).
107
Druckschrift D3 offenbart keine nichtlinearen und an die Krümmung der Schnittfläche angepasste Winkelfunktionen zur Ablenkung des Laserstrahls (es fehlt Merkmal N6).
108
Zum Erzeugen von Schnitten (vgl. Figuren 7, 8B) müssen die optischen Durchbrüche jedoch zwangsläufig in gleichmäßiger Distanz aneinandergereiht sein (Merkmal N7).
109
Nicht offenbart in Druckschrift D3 ist eine Steuerung des Laserstrahles mit einer Abnahme der Ablenkgeschwindigkeit vom Zentrum zum Rand der Schnittfläche hin (es fehlt Merkmal N8a) bzw. eine Veränderung der Pulsfrequenz während der Ausbildung der Schnittfläche (es fehlt Merkmal N8b).
110
c) Druckschrift D5 (US 4 901 718 A) zeigt ein System zum Fokussieren und Ablenken von Laserstrahlung, das u.a. für die Augenchirurgie geeignet ist (Sp. 1 Z. 5 – 13, Figuren 1 u. 2). Mit dem bekannten System können gekrümmte Schnittflächen in der Augenhornhaut ausgebildet werden (vgl. Figur 3, Sp. 6 Z. 40-45: „… incision 110 is made radially on cornea 104 …“ / = Merkmal N1). Hierzu wird eine gepulste Laserstrahlung in die Augenhornhaut fokussiert (Sp. 2 Z. 12-16, Fig. 2 i.V.m. Sp. 5 Z. 35-43: „… objective lens system 92 … to bring laser beam 22 into operative focus on a selected portion of eye 30.“ / teilweise Merkmal N2, ohne „optische Durchbrüche“).
111
Die Laserstrahlung wird mittels schwenkbarer Spiegel zweidimensional abgelenkt (Figur 2, Sp. 4 Z. 23-45: „…mirrors 44 and 56 directing laser beam 22 off axis 32 in mutually perpendicular directions.“). Die Verschwenkung der Spiegel erfolgt mittels Galvanometerantrieb (= Steuereinrichtung; vgl. Figur 2, Sp. 4 Z. 23-26 u. 43
112
-45: „galvanometer 46, 58“ / teilweise Merkmal N3, ohne „optische Durchbrüche“).
113
In Druckschrift D5 ist nicht angegeben, ob die Schnitte in der Augenhornhaut durch eine Aneinanderreihung von optischen Durchbrüchen erzeugt sind. Zwar kann die Verschwenkung der Spiegel selbstverständlich mit Ablenkfunktionen bzw. Winkelfunktionen beschrieben werden. Dies liest der zuständige Fachmann mit. Eine nichtlineare, an die Krümmung der Schnittfläche angepasste Winkelfunktionen ist in D5 jedoch nicht offenbart. Da in Druckschrift D5 keine optischen Durchbrüche genannt sind, finden sich dort auch keine Angaben bezüglich der Beabstandung von solchen Durchbrüchen. Die Merkmale N4-N7 sind somit, abgesehen von einer möglichen impliziten Offenbarung von Ablenkfunktionen / Winkelfunktionen, als nicht offenbart in D5 anzusehen
114
Ebenso ist eine mögliche Variation der Ablenkgeschwindigkeit des Laserstrahls bzw. eine Veränderung der Pulsfrequenz während der Ausbildung einer Schnittfläche in der D5 nicht offenbart (es fehlen die Merkmale N8a u. N8b).
115
d) Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen weiter ab. Auch sie zeigen zumindest nicht die Merkmale N8a u. N8b des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag.
116
Druckschrift D1 (WO 01/67978 A1) betrifft die Überlagerung von sog. Basis-Ablationsprofilen zur Erzielung eines gewünschten Abtrags der Augenhornhaut zur Korrektur der Brechkraft (vgl. S. 2 Z. 2-8 u. 18-26, S. 5 Z. 3-8). Die Ausbildung von Schnittflächen in der Augenhornhaut mittels Photodisruption (optische Durchbrüche) ist nicht Gegenstand der D1.
117
Druckschrift D4 (US 6 110 166 A) beschreibt die Ausbildung von gekrümmten Schnittflächen in der Augenhornhaut mittels eines gepulsten Lasers (vgl. Figur 1, Sp. 4 Z. 65 – Sp. 5 Z. 9). Die Schnittflächen werden durch optische Durchbrüche gebildet und dienen dem Herausschneiden eines definierten Hornhautvolumens (lentoid volume 36) zur Korrektur der Brechkraft des Auges (vgl. Figur 3, Sp. 5 Z. 16-42). Die Druckschrift D4 lässt offen, ob der Laserstrahl abgelenkt oder der Fokuspunkt des Lasers anderweitig verfahren wird. Demzufolge sind in D4 auch keine Ablenkeinrichtung und keine Ablenkfunktionen genannt. Auch eine Steuereinrichtung, die eine Ablenkung oder eine Frequenz der Laserpulse gemäß den Merkmalen N8a oder N8b steuern könnte, ist daher in Druckschrift D4 nicht angegeben.
118
Druckschrift D6 (WO 02/32353 A2) betrifft ein Lasersystem für die Augenchirurgie mit einem Blickverfolgungssystem (eyetracker system), um den Laserstrahl gemäß der Augenbewegung bzw. Augenstellung (eye tilt) zu kompensieren (S. 1 erster Abs., Figuren 8 und 9). Sie ist in Bezug auf den Anmeldungsgegenstand nicht weiter relevant.
119
Druckschrift D7 (WO 98/14244 A1) nimmt die Priorität der D4 in Anspruch und stimmt inhaltlich mit dieser überein.
120
Druckschrift D8 (WO 97/30752 A1) beschreibt ein Lasersystem für die refraktive Augenchirurgie, mit dem auch Schnitte in der Hornhaut durchgeführt werden können (vgl. Figuren 1, 7a und 7B; S. 28 Z. 3 ff). Diese Druckschrift geht inhaltlich nicht über die D3 oder D4 hinaus.
121
Aus Druckschrift D9 (WO 93/16631 A1) ist ein Lasersystem für u.a. die Augenchirurgie bekannt (vgl. S. 1 Z. 21-27, Anspruch 81), mittels dem aneinandergereihte optische Durchbrüche (Schnitte) in der Augenhornhaut erzeugt werden können (vgl. Ansprüche 19, 22, 62, 63, 99; Figuren 12 u. 13; S. 72 Z. 5-14: „T -cut“). Die Strahlablenkung kann u.a. mit einem sog. dualen Risley-Prisma 21 (= Rotationsprisma) erfolgen (vgl. Figuren 2 und 8, S. 39 Z. 1-16). Im Übrigen geht die D9 nicht über die bereits im Verfahren befindlichen Druckschriften hinaus.
122
Druckschrift D10 (US 6 452 132 B1) schließlich zeigt ein Lasersystem zum Bohren von Löchern, bei dem ein Laserstrahl mittels einer F-Theta-Optik in das Material fokussiert wird (vgl. Anspruch 1, Figur 1). Diese Druckschrift dient lediglich als Nachweis für das Fachwissen des Fachmanns bezüglich der Verwendung einer F -Theta-Optik.
123
4.3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns (§ 4 PatG).
124
Aus keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften sind die Merkmale N8a und N8b bekannt, wonach eine Steuereinrichtung die Ablenkung des Augenlasers so steuert, dass die Ablenkgeschwindigkeit in einer Dimension vom Zentrum zum Rand der Schnittfläche hin abnimmt und/oder die Pulsfrequenz so steuert, dass sich diese vom Zentrum zum Rand der Schnittfläche hin ändert.
125
Die Merkmale N8a und N8b sind dem Fachmann auch nicht durch sein allgemeines Fachwissen nahegelegt.
126
Bei der Vorrichtung der Druckschrift D2 soll die Pulsfrequenz des Lasers zwischen 0,1 bis 100 kHz betragen (vgl. Sp. 4 Z. 54-56). Eine Variation dieser Frequenz während der Ausbildung einer Schnittfläche ist nicht angesprochen. In D2 findet sich auch kein Hinweis, der eine solche Frequenzvariation anregen könnte. Vielmehr wird dort davon ausgegangen, dass zur Erzeugung von geraden als auch gekrümmten Schnittflächen (Figuren 2 u. 3) eine Frequenz aus dem angegebenen Bereich ausgewählt werden kann. Auch für eine alternative Variation der Ablenkgeschwindigkeit finden sich in Druckschrift D2 keine Hinweise, denn dort ist nicht einmal genannt, mit welchen Mitteln der Fokuspunkt des Laserstrahles über die Schnittfläche bewegt werden soll.
127
In Druckschrift D3 ist zwar angegeben, dass der Laser zweidimensional abgelenkt werden soll, was zwangsläufig eine Ablenkeinrichtung voraussetzt. Einen Hinweis, der den Fachmann zu einer Variation der Ablenkgeschwindigkeit während der Schnittführung anregen könnte, findet sich dort jedoch nicht (Sp. 8 Z. 55-59). In Druckschrift D3 wird des Weiteren der Zusammenhang zwischen Pulsweite und Pulsenergie im Hinblick auf das Erreichen einer kritischen Schwelle für die Ausbildung von optischen Durchbrüchen diskutiert (vgl. Figuren 1A-1C u. 3). Auch ist ein möglicher Bereich für die Auswahl der Pulsweite angegeben (vgl. Sp. 3 Z. 7-15: „about 0,01 picoseconds to about 2 picoseconds“). Hinweise, die den Fachmann zu einer Veränderung der Pulsweite und somit ggf. der Pulsfrequenz führen könnten, finden sich jedoch nicht. Die in den Figuren 1A-1C u. 3 i.V.m. der zugehörigen Beschreibung angegebenen Zusammenhänge zwischen Pulsweite und für die Ausbildung eines optischen Durchbruchs erforderlichen Energiedichte (ablation threshold) sollen dem Fachmann lediglich die Auswahl zur festen Einstellung einer zweckmäßigen Pulsweite bzw. Energiedichte ermöglichen.
128
Bei dem in Druckschrift D5 beschriebenen System zum Fokussieren und Ablenken eines Augenlasers wird zwar die Laserstrahlung mittels schwenkbarer Spiegel zweidimensional abgelenkt (Figur 2, Sp. 4 Z. 23-45). Es finden sich jedoch keine Hinweise, die den Fachmann dazu veranlassen könnten, den Galvanometerantrieb der Spiegel derart anzusteuern, dass eine Variation der Ablenkgeschwindigkeit des Laserstrahls während der Ausbildung einer Schnittfläche erzielt werden könnte. Bezüglich der Pulsfrequenz des Lasers ist in D5 lediglich angegeben, dass diese relativ hoch gewählt werden sollte (Sp. 2 Z. 12-16: „short duration laser pulses that are delivered at a very high repitition rate“). Hinweise, die den Fachmann zu einer Variation der Pulsfrequenz während der Schnittführung anregen könnten, finden sich nicht.
129
Auch ausgehend von den weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften ergeben sich für den Fachmann keine Hinweise oder Anregungen, die ihn mit Hilfe seines allgemeinen Fachwissens zu der erfindungsgemäßen Vorrichtung führen könnten.
130
Auch eine mögliche gemeinsame Betrachtung der im Verfahren befindlichen Druckschriften kann dem Fachmann die beanspruchte Vorrichtung nicht nahelegen.
131
Es ist daher anzuerkennen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und patentfähig ist.
132
4.4 Gleichfalls patentfähig sind die über das Selbstverständliche hinausgehenden Ausführungsformen gemäß den Patentansprüchen 2 bis 6 nach Hilfsantrag, die auf den Patentanspruch 1 rückbezogen sind.
133
4.5 Da die vorgelegten geltenden Unterlagen auch den weiteren Voraussetzungen zur Patenterteilung (§§ 1, 2, 5, 34 PatG) genügen, war auf die Beschwerde der Anmelderin der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 F des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und ein Patent gemäß Hilfsantrag zu erteilen.


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