Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – Verfahrensfehler – fehlende Ursächlichkeit zwischen fehlerhafter Sachbehandlung und Beschwerdeeinlegung – keine Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Aktenzeichen  8 W (pat) 9/19

Datum:
20.2.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:200220B8Wpat9.19.0
Normen:
§ 80 Abs 2 PatG
Spruchkörper:
8. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2005 051 733.1
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. phil. nat. Zehendner sowie den Richter Dipl.-Ing. Rippel, die Richterin Uhlmann und den Richter Dipl.-Ing. Brunn
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2005 051 733.1 wurde am 28. Oktober 2005 mit der Bezeichnung “Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung einer Sollbruchstelle mittels eines Laserstrahls” beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet.
2
Im Prüfungsverfahren wurden die Druckschriften
3
 D1 DE 102 34 011 A1
4
 D2 DE 198 50 299 A1
5
 D3 DE 44 24 492 A1
6
 D4 DE 103 55 931 A1
7
genannt.
8
Die Prüfungsstelle für Klasse B23K hat auf Antrag der Anmelderin einen Termin zur Anhörung bestimmt und im Ladungszusatz vom 19. Februar 2016 zur Anhörung am 5. April 2016 angeregt, dass das Merkmal im damaligen Anspruch 4 “dass eine Messeinheit zur Erfassung eines Abstandes des Fokuspunktes zur Unterseite der Abdeckung vorhanden ist” in den Hauptanspruch aufzunehmen sei, da ohne die entsprechende Messeinheit die Lehre des Patentanspruchs 1 nicht ausführbar wäre. Gleichzeitig hat sie unter Hinweis auf die Entgegenhaltungen D4, D1 und D3 darauf hingewiesen, dass der Anspruch 1 mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar sei. Die Anmelderin ist der Aufforderung zur Aufnahme des Merkmals in den Hauptanspruch am 4. April 2016 durch Einreichung neu formulierter Ansprüche nachgekommen. Sie hat mitgeteilt, dass sie zum Anhörungstermin nicht erscheinen werde, und Entscheidung nach Aktenlage beantragt.
9
Mit Beschluss vom 4. Mai 2016 hat die Prüfungsstelle für Klasse B23K die Anmeldung zurückgewiesen, da der jeweilige Gegenstand der am 4. April 2016 eingereichten nebengeordneten Ansprüche 1 und 5 gemäß § 34 Abs. 4 PatG nicht ausführbar sei. Insbesondere sei das Merkmal, wonach “eine Messeinheit (20) zur Erfassung eines Abstandes A
5
des Fokuspunktes (12) zur Unterseite der Abdeckung (1) vorhanden ist”, nicht mit der Angabe in der Beschreibung, dass als Messsensor ein Triangulationssensor zum Einsatz kommen solle; vereinbar und stehe zudem im Widerspruch zu der Beschreibung, wonach mittels der Messeinheit (20) nicht der Abstand A5, sondern der Abstand A1 des Messsensors (20) zur Unterseite der Abdeckung erfasst werde. Wegen der fehlenden Ausführbarkeit könne dahingestellt bleiben, dass dem Fachmann sowohl die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 als auch das Verfahren nach Anspruch 5 jeweils auch durch eine Zusammenschau der Druckschriften D3 und D4 nahegelegt sei.
10
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
11
Sie hat mit der Beschwerdeschrift vom 10. Juni 2016 neue Ansprüche 1 bis 6 sowie eine geänderte Beschreibung eingereicht und vorgetragen, dass durch die neuen Ansprüche 1 und 5 die Ausführbarkeit der Erfindung nun gegeben sei und die beanspruchte Vorrichtung und das entsprechende Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 5 neu und auch durch eine Zusammenschau der Druckschriften D3 und D4 nicht nahegelegt seien. Die von der Prüfungsstelle genannten Widersprüche in der dem Beschluss zugrundeliegenden Anspruchsfassung beruhten auf offensichtlich irrtümlichen Formulierungen, auf die die Zurückweisung der Anmeldung nicht habe gestützt werden dürfen. Daher sei die Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen zurückzuzahlen.
12
Der Senat hat mit Ladungszusatz vom 16. Januar 2020 der Anmelderin mitgeteilt, dass gegenüber der geltenden Fassung der Ansprüche keine Bedenken hinsichtlich der Ausführbarkeit gemäß § 34 (4) PatG bestünden, jedoch die Patentfähigkeit der Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 1 und 5 durch den Stand der Technik nach den Druckschriften D3 und D4 in Frage stehen könnte. Daraufhin hat die ordnungsgemäß zu der von ihr beantragten mündlichen Verhandlung geladene Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 neue Hilfsanträge 1 und 2 eingereicht und mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen wird. Zur mündlichen Verhandlung ist die Beschwerdeführerin ankündigungsgemäß nicht erschienen.
13
Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 hat die Beschwerdeführerin sinngemäß die Anträge gestellt,
14
– den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den am 10. Juni 2016 eingereichten Ansprüchen 1 bis 6 gemäß Hauptantrag zu erteilen,
15
– hilfsweise das Patent mit den am 18. Februar 2020 eingereichten Ansprüchen 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 1 zu erteilen,
16
– weiter hilfsweise das Patent mit den am 18. Februar 2020 eingereichten Ansprüchen 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 2 zu erteilen,
17
Der Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet in einer gegliederten Fassung:
18
1. Vorrichtung zur Bearbeitung einer Abdeckung (1) für einen Airbag, umfassend
19
1.1 einen Laser zur Emission eines Laserstrahls (14) mit definiertem Wärmeeintrag zur Erzeugung zumindest einer Sollbruchstelle (18) auf der Oberseite (10) der Abdeckung (1) und
20
1.2 mindestens ein im Laserstahl (14) angeordnetes, eine Krümmung aufweisendes optisches Bauteil (16) zur Einstellung eines Fokuspunktes (12) des Laserstrahls (14), wobei
21
1.3 Mittel zur Einstellung der Krümmung des optischen Bauteils (16) und
22
1.4 eine Messeinheit (20) zur Ermittlung eines Abstandes A5 des Fokuspunktes (12) zur Unterseite der Abdeckung (11) vorhanden sind, und
23
1.5 die Krümmung in Abhängigkeit des mittels der Messeinheit (20) ermittelten Abstande A5 des Fokuspunktes (12) zur Unterseite (11) der Abdeckung (1) einstellbar ist, wobei
24
1.6 Mittel vorgesehen sind zum Ermitteln einer Ist-Abtragtiefe A4, aus dem definierten Wärmeeintrag des Laserstrahls (14) sowie einer entsprechenden Ist-Restdicke A6 aus dem definierten Wärmeeintrag des Laserstrahls (14) und
25
1.7 Verändern eines Ist-Abstandes A3 des Fokuspunktes (12) zum optischen Bauteil (16) bis der Abstand A5 einem Sollwert entspricht, bei dem die Restdicke A6 vorliegt.
26
Der Anspruch 5 nach Hauptantrag lautet in einer gegliederten Fassung:
27
5. Verfahren zur Erzeugung einer Sollbruchstelle (18) auf der Oberseite (10) einer Abdeckung (1) für einen Airbag mit einer vorgegebenen Restdicke A6 der Abdeckung (1) im Bereich der Sollbruchstelle (18) mittels eines Laserstrahls (14) mit definiertem Wärmeeintrag, bei welchem die Lage eines Fokuspunktes (12) des Laserstrahls (12) mittels eines eine einstellbare Krümmung aufweisenden optischen Bauteils (16) eingestellt wird, mit
28
5.1 Ermitteln eines Ist-Abstandes A5 des Fokuspunktes (12) zu einer Unterseite (11) der Abdeckung (10) mittels einer Messeinheit (20)
29
5.2 Ermitteln einer Ist-Abtragtiefe A4, und einer entsprechenden Ist-Restdicke A6 aus dem definierten Wärmeeintrag des Laserstrahls (14)
30
5.3 Verändern des Ist-Abstandes A3 des Fokuspunktes (12) zum optischen Bauteil (16) bis der Ist-Abstand A5 einem Sollwert entspricht, bei dem die Restdicke A6 vorliegt.
31
Die Ansprüche 1 bis 6 nach Hilfsantrag 1 sind identisch mit denen des Hauptantrags. Der Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Hauptantrag nur in einer an die Ansprüche 1 bis 6 nach Hauptantrag angepassten Beschreibung.
32
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hauptantrag durch das geänderte Merkmal 1.7 und die zusätzlichen Merkmale 1.8 und 1.9:
33
1.7 Mittel zum Verändern eines Ist-Abstandes A3 des Fokuspunktes (12) zum optischen Bauteil (16) bis der Abstand A5 einem Sollwert entspricht, bei dem die vorgegebene Restdicke A6 vorliegt, wobei
34
1.8 mittels der Messeinheit (20) ein Ist-Abstand A
1
zur Unterseite (11) gemessen, mit einem Referenzwert verglichen und ein Differenzwert gebildet wird und
35
1.9 ein dem Differenzwert entsprechendes Verstellsignal für eine Veränderung der Krümmung des optischen Bauteils (16) gebildet und in Abhängigkeit vom Verstellsignal der Ist-Abstand A
3
des Fokuspunktes (12) zum optischen Bauteil (16) verändert wird, so dass der Ist-Abstand A5 dem Sollwert entspricht.
36
Der Anspruch 5 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hauptantrag durch das geänderte Merkmal 5.3 und die zusätzlichen Merkmale 5.4 und 5.5:
37
5.3 Verändern des Ist-Abstandes A3 des Fokuspunktes (12) zum optischen Bauteil (16) bis der Ist-Abstand A5
des Fokuspunktes (12) einem Sollwert entspricht, bei dem die vorgegebene Restdicke A6 vorliegt,
wobei
38
5.4 Mittels der Messeinheit (20) ein Ist-Abstand A
1
zur Unterseite (11) der Abdeckung (10) gemessen, mit einem Referenzwert verglichen und ein Differenzwert gebildet wird und
39
5.5 ein dem Differenzwert entsprechendes Verstellsignal für eine Veränderung der Krümmung des optischen Bauteils (16) gebildet und in Abhängigkeit vom Verstellsignal der Ist-Abstand A
3
des Fokuspunktes (12) zum optischen Bauteil (16) verändert wird, so dass der Ist-Abstand A5 dem Sollwert entspricht.
40
Wegen des Wortlautes der Ansprüche und der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
II.
41
Die Beschwerde der Anmelderin ist frist- und formgerecht eingereicht und auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist sie jedoch unbegründet.
42
1. Der Gegenstand der Anmeldung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bearbeitung einer Abdeckung für einen Airbag mittels eines Laserstrahls.
43
Nach Angaben der Streitanmeldung sei es für die Funktion von Airbags in Kraftfahrzeugen erforderlich, dass deren Abdeckung umlaufend geschwächt werde. Dafür werde eine Perforation mittels eines Laserstrahls erzeugt, die aus einer Vielzahl kleiner Sacklöcher besteht, damit sich im Falle eines Unfalls die Abdeckung öffnen und sich der Airbag entfalten könne. Zur Ausbildung der unsichtbaren Perforation als Sollbruchstelle für den Klappbereich mittels eines Laserstrahls sei es wichtig, einen optimalen Fokusabstand des Laserstrahls zu wählen. Da in der Serienfertigung die Abdeckungen für Airbags fertigungsbedingt oftmals große Formabweichungen aufwiesen, müsse die Position des Fokuspunktes des Laserstrahls verschoben werden, um einen an allen Bereichen der Abdeckung gleichen Wärmeeintrag durch den Laserstrahl zu erreichen. Andernfalls könne es dazu kommen, dass die Perforation an einigen Bereichen der Abdeckung sichtbar werden könne.
44
Aus der D3 sei ein Verfahren und eine Vorrichtung für einen lokal gezielten, punktweisen Wärmeeintrag mit einem Laserstrahl zur Bearbeitung einer Oberfläche bekannt, bei denen ein Laserstrahl in mindestens einer Achse ausgelenkt werde, wobei bei der Auslenkung die translatorische und/oder rotatorische Bewegung des entsprechenden Werkstückes berücksichtigt werde und die Auslenkung des Laserstrahls in der Form erfolge, dass sie der Vorschubbewegung des bzw. mehrerer Werkstücke nachfolge. Mit dieser Kompensation der Vorschubbewegung könne der Strahlfleck des Lasers auf einem vorgegebenen Punkt gehalten werden und ein definierter Wärmeeintrag in das Werkstück erfolgen. Der Abstand zum vorgegebenen Punkt des/der Werkstücke(s) werde mittels mindestens eines Abstandsensors gemessen und der Laserstrahl werde mittels einer Strahlformungseinheit entsprechend fokussiert.
45
Die bisher bekannten Verfahren hätten jedoch den Nachteil, dass Schwankungen der Fokuslage zwar erfasst, jedoch nur langsam nachgeregelt werden könnten. Dies bedeute einen hohen Zeitaufwand und damit verbunden hohe Kosten.
46
Mit dem Anmeldegegenstand soll daher eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Bearbeitung einer Abdeckung mittels eines Laserstrahls bereitgestellt werden, mit denen die genannten Nachteile vermieden werden und eine gleichmäßige unsichtbare Sollbruchstelle erzeugt wird (Absatz [0007] der Streitanmeldung).
47
Als Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit vertieften Kenntnissen in der angewandten Lasertechnik anzusehen, der als Entwicklungsingenieur mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Fertigungstechnik hat sowie über grundlegende Kenntnisse der auf seinem Fachgebiet üblichen Sensorik verfügt.
48
Einige Merkmale bedürfen einer Auslegung:
49
Nach Merkmal 1.3 sind Mittel zur Einstellung der Krümmung des optischen Bauteils (16) vorhanden und nach Merkmal 1.7 (des Hilfsantrag 2) Mittel zum Verändern eines Ist-Abstandes A3 des Fokuspunktes (12) zum optischen Bauteil (16) vorgesehen. Hier ergibt sich aus der Gesamtoffenbarung unzweifelhaft, dass es sich bei den in Merkmal 1.7 beanspruchten Mitteln um die in Merkmal 1.3 genannten Mittel zur Einstellung der Krümmung handelt, da aus einer Veränderung der Krümmung des optischen Bauteils zwingend eine Veränderung des Abstandes A3 des Fokuspunktes 12 zum optischen Bauteil 16 resultiert. Diese Mittel werden in der in Anspruch 3 genannten Ausführungsform durch piezoelektrische Aktoren realisiert.
50
Nach Merkmal 1.4 ist eine Messeinheit (20) zur Ermittlung eines Abstandes A5 des Fokuspunktes (12) zur Unterseite der Abdeckung (11) vorhanden”, die nach Merkmal 1.8 den Ist-Abstand A1 zur Unterseite (11) misst. Entsprechend dem Merkmal 1.8 und der Gesamtoffenbarung der Streitanmeldung, insbesondere dem Absatz [0031], erfasst die Messeinheit 20 jedoch direkt nur den Abstand A1 zwischen der Messeinheit 20 und der Unterseite der Abdeckung. Der Abstand A5 des Fokuspunktes 12 zur Unterseite der Abdeckung 11 wird dann aus dem Messwert für A1 sowie den bekannten Abständen A2 zwischen dem optischen Bauteil 16 des Laser-Bearbeitungskopfes 22 und A3 zwischen dem optischen Bauteil 16 und dem Fokuspunkt 12 ermittelt. Daher fallen auch alle Messmittel unter den Gegenstand des Anspruchs 1, bei denen anstelle des Abstandes A5 des Fokuspunktes andere Größen, z.B. der Abstand A1 zwischen der Messeinheit 20 und der Unterseite der Abdeckung gemessen werden und daraus anschließend unter Einbeziehung bekannter Größen der Abstand A5 des Fokuspunktes zur Unterseite der Abdeckung indirekt ermittelt wird.
51
Nach Merkmal 1.6 sind Mittel zum Ermitteln einer Ist-Abtragtiefe A4 aus dem definierten Wärmeeintrag des Laserstrahls (14) sowie einer entsprechenden Ist-Restdicke A6 aus dem definierten Wärmeeintrag des Laserstrahls (14) vorgesehen. Nach Absatz [0031] der Streitanmeldung ergibt sich aus dem definierten bzw. konstanten Wärmeeintrag die Abtragtiefe A4 als bekannt. Dem Fachmann ist bekannt, dass aus dem definierten Wärmeeintrag die Abtragtiefe unterhalb des Fokuspunktes resultiert, die bei einem konstanten Wärmeeintrag materialspezifisch annähernd konstant ist. Daraus ergibt sich für den Fachmann, dass die Ist-Restdicke A6 aus dem bekannten Abstand A2 zwischen dem optischen Bauteil 16 des Laser-Bearbeitungskopfes 22 abzüglich des bekannten Abstands A3 zwischen dem optischen Bauteil 16 und dem Fokuspunkt 12 sowie der wärmeeintrags- und materialspezifischen Abtragtiefe unterhalb des Fokuspunktes resultiert. Die jeweilige Materialstärke oberhalb des Fokuspunktes und damit die Abtragtiefe A4 ergibt sich dementsprechend aus der Abtragtiefe unterhalb des Fokuspunktes, dem Abstand des Laserkopfes 22 zur Oberseite des Werkstücks und dem jeweiligen Abstand A3 des Fokuspunktes 12 zum optischen Bauteil 16. Unter dem Mittel nach Merkmal 1.6 versteht der Fachmann daher eine Steuerung, in der die materialspezifischen Kennwerte, die Werte des definierten Wärmeeintrags und die daraus resultierende Abtragtiefe unterhalb des Fokuspunktes hinterlegt sind und verarbeitet werden.
52
Nach Merkmal 1.7 wird durch die in Merkmal 1.3 schon erwähnten Mittel der Ist-Abstand A3 des Fokuspunktes (12) zum optischen Bauteil (16) verändert, bis der Abstand A5 einem Sollwert entspricht, bei dem die vorgegebene Restdicke A6 vorliegt. Dem Fachmann erschließt sich aus der Gesamtoffenbarung, dass die vorgegebene Restdicke A6 als Zielwert des Verfahrens ebenfalls in der Steuerung hinterlegt sein muss und der Sollwert A5 die Summe aus der vorgegebenen Restdicke A6 und der wärmeeintrags- und materialspezifischen Abtragtiefe unterhalb des Fokuspunktes darstellt.
53
Entsprechend den Ausführungen zum Merkmal 1.4 wird nach Merkmal 1.8 der Ist-Abstand A1 zur Unterseite 11 gemessen und aus dem Ist-Abstand A1 in Verbindung mit den bekannten Abständen A2 zwischen dem optischen Bauteil 16 des Laser-Bearbeitungskopfes 22 und A3 zwischen dem optischen Bauteil 16 und dem Fokuspunkt 12 der Abstand A5 des Fokuspunktes 12 zur Unterseite der Abdeckung 11 ermittelt. Daraus ergibt sich für den Fachmann, dass innerhalb der Steuerung aus den Soll-Größen A5 bzw. A6 unter Einbeziehung der bekannten Abstände A2 und A3 auch ein Soll-Abstand A1 als Referenzwert berechnet wird, mit dem der Ist-Abstand A1 zur Ermittlung eines Differenzwertes verglichen wird und dabei die Soll-Größe A5 mit dem Soll-Abstand A1 unmittelbar korreliert.
54
Mit dem Merkmal 1.9 wird nur eine übliche Ist-/Soll-Wert-basierte Steuerung eines Verfahrensparameters beschrieben.
55
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und des identischen Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 umfasst jeweils den Gegenstand des enger gefassten Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2. Nachdem letzterer – wie die nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag 2 zeigen – nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist auch der jeweilige Anspruch 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 nicht rechtsbeständig.
56
Die Mängel und Widersprüche in der Anspruchsfassung vom 5. April 2016, die zur Zurückweisung der Anmeldung wegen fehlender Ausführbarkeit führten, sind durch die Beschwerdeführerin mit den Anspruchssätzen nach Hauptantrag vom 10. Juni 2016 und nach Hilfsantrag 2 vom 18. Februar 2020 behoben worden.
57
Es kann dahingestellt bleiben, ob der unbestritten gewerblich anwendbare Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu ist, da der Fachmann, ausgehend vom Stand der Technik der D4 unter Berücksichtigung der D3 und seines Fachwissens und Fachkönnens, in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 gelangt.
58
Das aus der D4 bekannte Verfahren zum Laserbohren sowie die Vorrichtung zur Durchführung eines Verfahrens zum Laserbohren kommen dem Gegenstand des Streitpatents am nächsten. Da sich die D4 wie das Streitpatent mit dem Einbringen einer Schwächungslinie in ein Bauteil zur Definition einer Airbag-Austrittöffnung beschäftigt, wobei das Bauteil entlang der einzubringenden Schwächungslinie eine unregelmäßige Bauteilstärke aufweisen kann (Absatz [0008]), bildet sie für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit den geeigneten Ausgangspunkt.
59
Die D4 offenbart eine Vorrichtung zur Bearbeitung einer Abdeckung 1 für einen Airbag (Absatz [0008] – M1), umfassend einen Laser zur Emission eines Laserstrahls mit definiertem Wärmeeintrag (vgl. Auslegung) zur Erzeugung zumindest einer Sollbruchstelle 6 auf der Oberseite 2 der Abdeckung 1 (Figur 1; Absatz [0008] – M1.1) und eine Messeinheit 5 zur Ermittlung eines Abstandes S2 der Messeinheit 5 zur Unterseite der Abdeckung 1, aus der der Abstand S5 des Fokuspunktes zur Unterseite der Abdeckung 1 ermittelt werden kann (Absätze [0014], [0028] – M1.4).
60
Entsprechend den Ausführungen in den Absätzen [0014], [0028] und [0029] offenbart die D4 auch eine alternative Ausgestaltung der Vorrichtung, bei der die Fokuslage der Laservorrichtung relativ zur zweiten, unteren Bauteilfläche 3 eingestellt und auf die Messung der Bohrtiefe verzichtet werden kann. Durch die Ermittlung des Abstandes von der Laservorrichtung 4 zur zweiten Bauteiloberfläche 3, die sich aus der Subtraktion von Laservorrichtungs-Messmittel- Abstand S3 und Messmittel-Abstand S2 ergibt (entspricht A3 + A5 der Streitanmeldung), könne die Fokuslage zur zweiten Bauteiloberfläche (entspricht A5 der Streitanmeldung) relativ gehalten bzw. eingestellt werden. Damit offenbart die D4 Mittel, mit denen der Ist-Abstand S6 des Fokuspunktes zum optischen Bauteil 4 verändert werden kann, bis der Abstand des Fokuspunktes zur Unterseite der Abdeckung 3 (A5) und damit die vorgegebene Restdicke S5 (A5 abzüglich der wärmeeintrags- und materialspezifischen Abtragtiefe unterhalb des Fokuspunktes) als Sollwert erreicht wird (Absätze [0014], [0029] – M1.7).
61
Nach den Absätzen [0028] und [0029] der D4 kann durch die Änderung der Fokuslage bzw. des Fokusabstandes zur stationären Laservorrichtung relativ zur zweiten Bauteiloberfläche 3 in jedem Bohrloch 6 eine vorgegebene Restwandstärke S5 erhalten werden. Für den Fachmann ergibt sich daraus, dass die Vorrichtung der D4 über eine nicht dargestellte Steuer-/Regeleinrichtung verfügen muss, in der die Werte für die Schneidtiefe unterhalb des Fokuspunktes hinterlegt sind, da diese Schneidtiefe den Abstand zwischen dem Fokuspunkt und der Restwandstärke S5 darstellt. Daher offenbart die D4 mit der genannten Steuer-/Regeleinrichtung dem Fachmann auch implizit die Mittel zum Ermitteln der Ist-Abtragtiefe A4 sowie der entsprechenden Ist-Restdicke A6 bzw. der Restwandstärke S5 aus dem definierten Wärmeeintrag des Laserstrahls (vgl. Auslegung – M1.6).
62
Aus der Offenbarung von Absatz [0014] ergeben sich für den Fachmann auch implizit die Merkmale 1.8 und 1.9, wonach mittels Messeinheit 5 der Ist-Abstand S2 der Messeinheit 5 zur Unterseite 3 gemessen, mit einem Referenzwert verglichen und ein Differenzwert gebildet wird und ein entsprechendes Verstellsignal für die Veränderung des Ist-Abstand S6 des Fokuspunktes zur Laservorrichtung erzeugt wird, so dass der Ist-Abstand des Fokuspunktes von der Unterseite dem Sollwert entspricht. Da bei der alternativen Ausführungsform nach Absatz [0014] auf ein zweites Messgerät für die Ermittlung der Schneidtiefe verzichtet wird, ergibt sich daraus für den Fachmann naheliegend, dass der einzig erfasste Messwert, der Ist-Abstand S2 der Messeinheit 5 zur Unterseite 3 den Ziel- bzw. Referenzwert für die Steuerung nach Merkmal 1.8 darstellen muss und für die Veränderung des Ist-Abstands S6 des Fokuspunktes zur Laservorrichtung ein Ist-/Soll-Vergleich des erfassten Ist-Abstands S2 mit einem entsprechenden Soll-Wert erfolgen muss. Da entsprechend den Ausführungen zur Auslegung die Sollwerte für den Ist-Abstand der Messeinheit zur Unterseite und zum Abstand des Fokuspunktes zur Unterseite unmittelbar miteinander korrelieren, ergibt sich für den Fachmann daraus auch implizit, dass sich aus dem Ist-/Soll-Vergleich des Abstands der Messeinheit zur Unterseite ein Ist-/Soll-Vergleich für den Abstand des Fokuspunktes zur Unterseite (A5) ergibt, nach dem die Lage des Fokuspunktes verändert wird.
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Damit lässt die D4 nur offen, auf welchem Weg der Abstand des Fokuspunktes zur Unterseite 3 der Abdeckung 1 eingestellt wird, und offenbart daher nicht die Merkmale 1.2, 1.3 und 1.5.
64
Der Fachmann, der immer die Optimierung des Herstellverfahrens der Perforation bzw. der dafür erforderlichen Vorrichtung zur Kostenreduzierung im Blick hat, wird selbstverständlich die Anregung der D4 aufnehmen, durch die Einstellung des Fokuspunkts relativ zur Unterseite der Abdeckung auf die direkte Messung der Abtrag- bzw. Bohrtiefe und damit auf die zweite in der Laservorrichtung integrierte Messeinrichtung verzichten zu können. In Anbetracht dessen sucht er im Stand der Technik nach Möglichkeiten, wie die Lage des Fokuspunktes gegenüber dem zu bearbeitenden Werkstück verändert werden kann.
65
Damit gelangt der Fachmann zur D3, aus der zwei Möglichkeiten bekannt sind, die Lage des Fokuspunktes gegenüber einem zu bearbeitenden Werkstück zu ändern. Einerseits beschreibt die D3 die Möglichkeit, die Fokussierlinse selbst gegenüber dem Werkstück zu verschieben bzw. durch Kipp- oder Linearbewegungen eines Spiegels den Fokuspunkt zu verschieben (Spalte 1, Z. 10 – 45). Ein derartiges Vorgehen wird aufgrund der vorhandenen Trägheiten jedoch schon in der D3 als nachteilig angesehen. Daher schlägt die D3 vor, den Fokus durch die Veränderung der Krümmung eines deformierbaren Spiegels über eine Regel- oder Steuereinrichtung einzustellen (Anspruch 1). Die Krümmung des Spiegels wird dabei durch piezoelektrische Aktuatoren bewirkt (Anspruch 3). Damit erhält der Fachmann aus der D3 die Anregung, die aus der D4 bekannte Vorrichtung entsprechend den Merkmalen 1.2, 1.3 und 1.5 des Anspruchs 1 auszugestalten.
66
In der Übertragung dieser aus der D3 bekannten technischen Maßnahmen zur Einstellung eines Fokusabstandes gegenüber einem Werkstück auf die aus der D4 bekannte Vorrichtung kann daher keine erfinderische Tätigkeit, sondern nur eine dem Fachmann im Rahmen seines Fachwissens und Fachkönnens mögliche konstruktive Modifikation bzw. eine fachübliche Vorgehensweise gesehen werden, ohne dass dieser hätte erfinderisch tätig werden müssen.
67
Somit gelangt der Fachmann, ausgehend von D4 unter Berücksichtigung der D3 und seines Fachwissens und Fachkönnens in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 und damit auch zu den Gegenständen der weiter gefassten Patentansprüche 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1.
68
Mit dem jeweiligen Anspruch 1 nach Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 fallen aufgrund der Antragsbindung jeweils auch die weiteren Ansprüche der jeweiligen Anträge.
69
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
70
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nicht anzuordnen. Sie kann aus Billigkeitsgründen gemäß § 80 Abs. 3 PatG angeordnet werden, wenn das Verfahren vor dem Patentamt an einem schwerwiegenden Verfahrensfehler litt oder die Sache anderweitig unsachgemäß zu Lasten eines Beteiligten behandelt wurde und zudem aus der Sicht des Beschwerdeführers gerade dieser Verfahrensfehler oder diese unsachgemäße Behandlung Anlass für die Einlegung der Beschwerde war. Wäre bei verständiger Würdigung ohne den Fehler keine andere Entscheidung ergangen, fehlt es an der Ursächlichkeit zwischen der fehlerhaften Sachbehandlung und der Beschwerdeeinlegung und eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr kommt nicht in Betracht.
71
Zwar hätte die Prüfungsstelle die Anmeldung gemäß § 48 PatG nicht zurückweisen dürfen, ohne die Anmelderin zunächst gemäß §§ 34 Abs. 4, 45 Abs. 1 PatG zur Mängelbehebung aufzufordern, zumal diese Mängel in der Anspruchsfassung erst aufgrund ihrer eigenen Anregung im Ladungszusatz, das entsprechende Merkmal in den Anspruch 1 aufzunehmen, entstanden sind. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Beschwerde ohne diesen Verfahrensmangel vermieden worden wäre. Denn aus dem angegriffenen Beschluss geht hervor, dass die Prüfungsstelle die Anmeldung nicht nur für nicht ausführbar, sondern auch für nicht patentfähig hielt, ihre Entscheidung auf diese zutreffende Einschätzung nur nicht gestützt hat. Auch nach Beseitigung der Mängel wäre die Anmeldung im Ergebnis zurückgewiesen worden. Auch die Beschwerde wäre nicht vermieden worden, wie sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren ergibt, die nach einem entsprechenden Hinweis des Senats auf die mangelnde Patentfähigkeit an ihrem Vortrag festgehalten und weiterhin eine Entscheidung über die Beschwerde beantragt hat.


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