Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – „Verzahnungsschleifmaschine“ – zur erfinderischen Tätigkeit – Berücksichtigung Merkmalen, die einen speziellen Bewegungsmechanismus des Schleifrades ermöglichen – unzulässige Erweiterung eines Merkmals

Aktenzeichen  8 W (pat) 32/10

Datum:
18.12.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 14 PatG
§ 21 Abs 1 Nr 4 PatG
§ 38 PatG
Spruchkörper:
8. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2005 030 846


hat der 8. Senat (Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2014 durch den Vorsitzenden RichterDipl.-Phys. Dr. phil. nat. Zehendner sowie die Richter Kätker, Dipl.-Ing. Rippel und Dr.-Ing. Dorfschmidt
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 14 vom 13. April 2010 aufgehoben und das Patent 10 2005 030 846 widerrufen.

Gründe

I.
1
Auf die am 1. Juli 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung, die die Priorität vom 15. Juli 2004 aus der japanischen Voranmeldung JP – 20040208097 in Anspruch nimmt, ist das Patent 10 2005 030 846 mit der Bezeichnung „Verzahnungsschleifmaschine“ erteilt und die Erteilung am 11. Dezember 2008 veröffentlicht worden.
2
Auf den Einspruch der Einsprechenden hat die Patentabteilung 14 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 10. Juni 2010 das Patent aufrechterhalten. Nach Auffassung der Patentabteilung könnten die vorgelegten Unterlagen zu den behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen sowie der druckschriftlich entgegengehaltene Stand der Technik weder für sich noch in Kombination die Merkmale der Gegenstände nach Patentanspruch 1 und Patentanspruch 2 vorwegnehmen oder nahelegen.
3
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Sie hat in ihrer Beschwerdebegründung der Auffassung der Patentabteilung widersprochen. Sie hält das angegriffene Patent für nicht rechtsbeständig, weil es dem angegriffenen Patent an Neuheit gegenüber der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung oder auch an erfinderischer Tätigkeit beispielsweise gegenüber der DE 196 25 370 C1 (D8) und der DE 699 01 004 T2 (D6) mangele. Im Übrigen hält sie den Patentanspruch 2 für nicht ausführbar.
4
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin hat mit Schriftsatz, eingegangen am 9. Dezember 2014, die geltenden Hilfsanträge 1 und 2 sowie in der mündlichen Verhandlung den geltenden Hilfsantrag 3 eingereicht.
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Auch die Gegenstände der Hilfsanträge 1-3, hält die Einsprechende gegenüber dem Stand der Technik nach der D8 für nicht patentfähig. Außerdem bezweifelt sie Zulässigkeit des Hilfsantrags 3, weil es dessen Ansprüchen an Klarheit sowie an der Ursprungsoffenbarung mangele.
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Die Einsprechende und Beschwerdeführerin stellt den Antrag,
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den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
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Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin stellt den Antrag,
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die Beschwerde zurückzuweisen,
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hilfsweise das Patent unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde der Einsprechenden mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
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Patentansprüche 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 1, eingegangen am 9. Dezember 2014,
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Beschreibung, Absätze [0001] bis [0108], gemäß der Patentschrift,
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Zeichnung, Fig. 1 bis 9 gemäß der Patentschrift,
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weiter hilfsweise mit
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Patentansprüchen 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 2, eingegangen am 9. Dezember 2014,
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im Übrigen wie zu Hilfsantrag 1;
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weiter hilfsweise mit
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Patentansprüchen 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
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im Übrigen wie zu Hilfsantrag 1.
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Die Patentinhaberin führt aus, dass der Streitpatentgegenstand gegenüber den Entgegenhaltungen auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, weil keine der von der Einsprechenden genannten Druckschriften eine Verzahnungsschleifmaschine mit einer NC-Vorrichtung zeige, bei der zum Modifizieren eines Rad-Andrückwinkels des Schleifrads eine Steuerfunktion zum numerischen Steuern des Bewegungsmechanismus offenbart sei, mit der eine Position in der X-Richtung, eine Position in der Z-Richtung und eine Schwenkposition in der Y-Z-Ebene des Schleifrads eingestellt werde, während ein Kontaktzustand des Abrichtwerkzeugs mit den Flanken der Profilgänge des Schleifrads beibehalten werde.
21
Im Übrigen sei der von der Einsprechenden vorgetragene Sachverhalt rückschauend und in Kenntnis der Erfindung erfolgt, um zum Streitpatentgegenstand zu gelangen.
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Der von der Patentabteilung als bestandsfähig erachtete Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (mit einer vom Senat ergänzten Gliederung):
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„Verzahnungsschleifmaschine mit:
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1. einem Bewegungsmechanismus (1, 2, 11, 12, 13, 14), an dem ein mit Profil versehenes Schleifrad (3) mit spiralförmig an einem Außenumfang desselben ausgebildeten Profilgängen drehbar angebracht und so ausgebildet ist, dass er das Schleifrad (3) entlang einer X-Richtung, die eine Richtung ist, in der sich das Schleifrad (3) vorwärts oder rückwärts in Bezug auf eine Werkstück-Bearbeitungsposition bewegt (Zustellung), in einer Z-Richtung, die eine Vertikalrichtung ist, und in einer Y-Richtung, die eine Richtung senkrecht zu der X-Richtung und der Z-Richtung ist, bewegen, und das Schleifrad (3) in einer Y-Z-Ebene schwenken kann,
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2. einer NC-Vorrichtung (20) zur numerischen Steuerung einer Bewegung des Bewegungsmechanismus (1, 2, 11, 12, 13, 14), um eine Position des an dem Bewegungsmechanismus (1, 2, 11, 12, 13, 14) angebrachten Schleifrads (3) zu steuern, und
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3. einer Dreh-Abrichtvorrichtung (10) mit einem scheibenförmigen Abrichtwerkzeug (10a, 10b, 10d), die so angeordnet ist, dass bei Einstellung der Dreh-Abrichtvorrichtung (10) an der Werkstück-Bearbeitungsposition das Abrichtwerkzeug (10a, 10b, 10d) Flanken der Profilgänge des Schleifrads (3) kontaktiert, während es drehangetrieben wird, um einen Abrichtvorgang auszuführen,
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2.1. wobei die NC-Vorrichtung zum Modifizieren eines Rad-Andrückwinkels des Schleifrads (3) eine Steuerfunktion zum numerischen Steuern des Bewegungsmechanismus (1, 2, 11, 12, 13, 14) aufweist,
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2.2. und zwar so, dass eine Position in der X-Richtung, eine Position in der Z-Richtung und eine Schwenkposition in der Y-Z-Ebene des Schleifrads (3) eingestellt wird, während ein Kontaktzustand des Abrichtwerkzeugs (10a, 10b, 10d) mit den Flanken der Profilgänge des Schleifrads (3) beibehalten wird,
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2.3 und ferner eine Steuerfunktion zum numerischen Steuern einer Bewegungsstrecke in der Y-Richtung des Schleifrads (3) pro Drehung des Schleifrads (3) aufweist,
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2.4. und zwar so, dass das Schleifrad (3) kontinuierlich gemäß der Steigung der in dem Schleifrad (3) ausgebildeten Profilgänge vorgeschoben wird, um den Rad-Andrückwinkel des Schleifrads (3) zu modifizieren.“
31
Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag im Merkmal 2.2 das Wort „eingestellt“ durch das Wort „verändert“ ersetzt worden.
32
Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag im Merkmal 2.2 nach den Worten „eingestellt wird“ folgender Halbsatz eingefügt worden:
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„so dass der Mittelpunkt einer Schleifradachse (3a) und der Mittelpunkt einer Abrichtachse (10c) des Abrichtwerkzeugs (10a, 10b, 10d) nicht horizontal zueinander sind,“
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Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 sind gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag das Merkmal 2.2 durch das folgende Merkmal 2.2.A ersetzt worden:
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2.2.A und zwar so, dass eine Position in der X-Richtung zu (-xh), eine Position in der Z-Richtung zu (yh * sin θ  –  zh * cos θ) und eine Schwenkposition (A) in der Y-Z-Ebene des Schleifrads (3) zu (-θ) eingestellt wird, während ein Kontaktzustand des Abrichtwerkzeugs (10a, 10b, 10d) mit den Flanken der Profilgänge des Schleifrads (3) beibehalten wird, wobei
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Hinsichtlich des Wortlauts des unabhängigen Patentanspruchs 2 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 bis 3 wird auf die Patentschrift sowie die Akten verwiesen.
II.
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1. Die Beschwerde ist zulässig und in der Sache begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zum Widerruf des Patents.
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2. Der Streitpatentgegenstand betrifft nach Patentanspruch 1 eine Verzahnungsschleifmaschine mit einem Profil-Schleifrad und einer Dreh-Abrichtvorrichtung.
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Nach den Ausführungen in den Absätzen [0004] bis [0009] bestand bei den bekannten Vorrichtungen jeweils das Problem, dass entweder überhaupt keine Modifikation des Rad-Andrückwinkels möglich (Verzahnungsschleifmaschine mit nicht drehbarer Abrichtvorrichtung) oder die Modifikation des Rad-Andrückwinkels aufwändig und fehlerbehaftet war (Verzahnungsschleifmaschine mit drehbarer Abrichtvorrichtung).
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Daher besteht gemäß Absatz [0011] der Patentschrift die Aufgabe der Erfindung darin, eine Verzahnungsschleifmaschine bereitzustellen, welche den Rad-Andrückwinkel eines Profilschleifrades durch Bewegen der Position des Profilschleifrades zu einer vorbestimmten Position modifizieren kann, während eine Position eines Abrichtwerkzeuges einer Dreh-Abrichtvorrichtung feststeht.
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Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt gemäß den Ausführungen in Absatz [0012] der Streitpatentschrift durch die jeweils in den Patentansprüchen 1 und 2 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsanträgen 1 bis 3 angegebenen Merkmale.
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Als Fachmann ist vorliegend ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau (Univ.) mit Schwerpunkt Werkzeugmaschinen und mehrjähriger Berufserfahrung in der Konstruktion von Verzahnungsschleifmaschinen anzusehen.
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Die Merkmale 3 sowie 2.1 bis 2.4 des Patentanspruchs 1 bedürfen der Auslegung.
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Der Streitpatentgegenstand umfasst nach Merkmal 3 eine Dreh-Abrichtvorrichtung, die so angeordnet ist, dass bei Einstellung der Dreh-Abrichtvorrichtung an der Werkstück-Bearbeitungsposition das Abrichtwerkzeug Flanken der Profilgänge des Schleifrads kontaktiert. Unter einer Drehabrichtvorrichtung versteht das Streit-
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patent nach den Ausführungen in Absatz [0004] eine Abrichtvorrichtung, die mit einem drehangetriebenen, scheibenförmigen Abrichtwerkzeug versehen ist.
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Die Werkstückbearbeitungsposition ist nach dem Verständnis des Fachmanns diejenige Position, an der absolut im Raum gesehen das Werkstück bearbeitet wird. Wenn also vorliegend nach Merkmal 3 das drehangetriebene Abrichtwerkzeug an der Werkstück-Bearbeitungsposition die Flanken der Profilgänge des Schleifrads kontaktiert, so bedeutet dies zwangsläufig, dass die Abrichtvorrichtung zum Abrichten an die Stelle bewegt werden muss, an der sonst ein Werkstück bearbeitet wird.
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Die Merkmale 2.1 bis 2.4 beschreiben eine spezielle Vorgehensweise, um den Radandrückwinkel des Schleifrads zu modifizieren. Nach den Ausführungen in den Absätzen [0005] und [0006] erfolgt eine Modifikation des Rad-Andrückwinkels (üblicherweise auch Flankenwinkel genannt) des Profilschleifrads durch Abrichten des Profilschleifrads mit Hilfe einer Abrichtvorrichtung. Unter Abrichten versteht das Streitpatent nach Absatz [0003] das Nachschleifen, also das Nachformen, eines verschlissenen Profilschleifrads. Mit dem Abrichten wird somit ein außer Form und außer Maß geratener Flankenwinkel (Rad-Andrückwinkel) des Profilschleifrads modifiziert, indem er wieder auf eine (korrekte) geometrische Form gebracht wird, so dass mit dem Profilschleifrad weitere maßgenaue Werkstücke geschliffen werden können. Die Streitpatentschrift beschreibt in den Absätzen [0052] bis [0077] mehrere verschiedene Abrichtverfahren für den Flankenwinkel (Rad-Andrückwinkel) eines Profilschleifrads.
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Nach Merkmal 2.1 weist die NC-Vorrichtung der streitpatentgemäßen Verzahnungsschleifmaschine zum Modifizieren eines Rad-Andrückwinkels des Schleifrads eine Steuerfunktion zum numerischen Steuern des Bewegungsmechanismus auf. Dies bedeutet, dass die Steuerung der streitpatentgemäßen Verzahnungsschleifmaschine geeignet sein muss, die jeweiligen Achsen der streitpatentgemäßen Verzahnungsschleifmaschine derart anzusteuern, dass ein Abrichten des Profilschleifrads möglich ist.
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Merkmal 2.2 legt im Wesentlichen das verwendete Abrichtverfahren sowie die jeweiligen Bewegungsachsen fest, die gemäß Merkmal 2.1 mit der Steuerfunktion der NC-Vorrichtung gesteuert werden soll. Im Gegensatz zu den im Streitpatent in den Absätzen [0052] bis [0058] beschriebenen Verfahren, bei denen das Modifizieren des Rad-Andrückwinkels, also das Abrichten des Profilschleifrads, durch Drehen der Abrichtwerkzeuge um die Z-Achse mit oder ohne zusätzliches Schwenken der Abrichtwerkzeuge um die Z-Achse erfolgen kann, soll zum Abrichten vorliegend nach Merkmal 2.2 die Steuerung geeignet sein, den Bewegungsmechanismus der streitpatentgemäßen Verzahnungsschleifmaschine auf eine Position in der X-Richtung, eine Position in der Z-Richtung und eine Schwenkposition in der Y-Z-Ebene des Schleifrads einzustellen und dadurch zu verändern, während das Abrichtwerkzeug mit den Flanken der Profilgänge des Schleifrads in Kontakt bleibt.
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Nach Merkmal 2.3 weist die NC-Vorrichtung der streitpatentgemäßen Verzahnungsschleifmaschine zum Modifizieren eines Rad-Andrückwinkels des Schleifrads eine Steuerfunktion zum numerischen Steuern einer Bewegungsstrecke in der Y-Richtung des Schleifrads pro Drehung des Schleifrads auf. Die Y-Richtung ist gemäß der zeichnerischen Darstellung in allen Figuren, diejenige Achse des Bewegungsmechanismus, die parallel zur Achse des Schleifrads verläuft.
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Gemäß Merkmal 2.4 bewirkt diese Steuerfunktion, dass das Schleifrad kontinuierlich gemäß der Steigung der in dem Schleifrad ausgebildeten Profilgänge vorgeschoben wird, um den Rad-Andrückwinkel des Schleifrads zu modifizieren.
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3. Zum Hauptantrag
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Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (erteilte Fassung) beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
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Den nächstliegenden Stand der Technik und den Ausgangspunkt bildet vorliegend die von der Einsprechenden genannte D8 (DE 196 25 370 C1), weil sie bereits eine Verzahnungsschleifmaschine mit einem Bewegungsmechanismus (Achsen X, Y, Z, W sowie Schwenkachsen A, B, C und C1) zeigt, an dem ein mit Profil versehenes Schleifrad mit spiralförmig an einem Außenumfang desselben ausgebildeten Profilgängen (Schleifschnecke 9) drehbar angebracht und so ausgebildet ist, dass er das Schleifrad (9) entlang einer X-Richtung, die eine Richtung ist, in der sich das Schleifrad (9) vorwärts oder rückwärts in Bezug auf eine Werkstück-Bearbeitungsposition bewegt (Zustellung), in einer Z-Richtung, die eine Vertikalrichtung ist, und in einer Y-Richtung, die eine Richtung senkrecht zu der X-Richtung und der Z-Richtung ist, bewegen und das Schleifrad (9) in einer Y-Z-Ebene (um die Schwenkachse A) schwenken kann (Sp. 1, Zeilen 28 – 36, i. V. mit Fig. 1).
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Nach Spalte 1, Zeilen 45 bis 48 sind „sämtliche alle beweglichen Elemente“, mithin also die Achsen X, Y, Z, W sowie die Schwenkachsen A, B, C und C1 mit entsprechenden Antrieben verbunden, „welche alle von einer NC-Steuerung gesteuert sind.“ Folglich hat die bekannte Verzahnungsschleifmaschine eine NC-Vorrichtung zur numerischen Steuerung einer Bewegung des Bewegungsmechanismus (Achsen X, Y, Z, W sowie Schwenkachsen A, B, C und C1), um eine Position des an dem Bewegungsmechanismus (Achsen X, Y, Z sowie Schwenkachsen A, B) angebrachten Schleifrads (9) zu steuern.
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Ebenso hat diese bekannte Verzahnungsschleifmaschine nach Spalte 1, Zeilen 40 bis 45 eine Abrichtvorrichtung (12) mit einem drehbaren, scheibenförmigen Dreh-Abrichtwerkzeug (Abrichtscheibe 14), die ständerfest am Maschinenständer montiert ist, wobei bei Einstellung der Abrichtposition das Abrichtwerkzeug (14) die Flanken der Profilgänge des Schleifrads (9) kontaktiert, während es durch die Abrichtspindel (13) drehangetrieben wird, um einen Abrichtvorgang auszuführen.
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Mit der bekannten Verzahnungsschleifmaschine können nach den Ausführungen in Spalte 2, Zeilen 3 bis 8 alle erdenklichen Zahnprofilformen geschliffen werden, insbesondere auch topologisch modifizierte Verzahnungen, was in selbstverständlicher Weise voraussetzt, dass hierzu auch die Schleifschnecke auf alle erdenklichen Profilformen auf der vorhandenen Abrichtvorrichtung abgerichtet bzw. profiliert werden kann.
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Anders als beim Streitpatentgegenstand gemäß Merkmal 3 erfolgt das Abrichten nicht durch Einstellung der Dreh-Abrichtvorrichtung an der Werkstück-Bearbeitungsposition, sondern an einer von der Werkstück-Bearbeitungsposition abgelegenen (Abricht-)Position, indem der gesamte Träger (5) einschließlich Schleifrad (9) um die Schwenkachse C schwenkt.
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Weil bei der bekannten Verzahnungsschleifmaschine nach der D8 die Abrichtvorrichtung (12) ständerfest am Maschinenständer montiert ist, kann das Abrichten, also das Modifizieren des Flankenwinkels des Schleifrads, daher ausschließlich mit den Maschinenachsen der Verzahnungsschleifmaschine erfolgen, indem diese mit ihren zueinander orthogonalen Maschinenachsen X, Y und Z sowie den Schwenkachsen A und B das Schleifrad bezüglich der ortsfesten Abrichtscheibe in die gewünschte (Start-)Position bewegt, bei der die Flanken der Profilgänge des Schleifrads das Abrichtwerkzeug kontaktieren. Der eigentliche Abrichtvorgang der Schleifschnecke (9) kann dann entsprechend den Ausführungen in Spalte 2, Zeilen 58 bis 62 (beispielsweise) mit den Maschinenachsen Y, X und B erfolgen. Diese dort verwendete Formulierung „kann“ schließt jedoch erkennbar nicht aus, dass im Bedarfsfall auch die weiteren (vorhandenen) Achsen, beispielsweise die (vorhandenen) Z- und A-Achsen beim Abrichtvorgang teilnehmen.
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Die bekannte Verzahnungsschleifmaschine ist daher aufgrund ihrer dem Schleifrad zugeordneten, NC-gesteuerten Achsen (Achsen X, Y, Z sowie Schwenkachsen A, B) ohne weiteres dazu geeignet, dass die vorhandene NC-Vorrichtung zum Modifizieren eines Rad-Andrückwinkels des Schleifrads (9) eine Steuerfunktion zum numerischen Steuern des gesamten Bewegungsmechanismus übernimmt und zwar beispielsweise auch so, dass eine Position in der X-Richtung, eine Position in der Z-Richtung und eine Schwenkposition in der Y-Z-Ebene des Schleifrads (9) eingestellt wird, während ein Kontaktzustand des Abrichtwerkzeugs (14) mit den Flanken der Profilgänge des Schleifrads (9) beibehalten wird.
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Hierbei ist es im Rahmen eines Vorrichtungsanspruches entgegen der Auffassung der Patentinhaberin nicht entscheidend, ob dieses spezielle Ansteuern des Bewegungsmechanismus gemäß Merkmal 2.2 bei der bekannten Verzahnungsschleifmaschine nach der D8 auch explizit beschrieben ist. Maßgebend ist vielmehr, dass die bekannte Verzahnungsschleifmaschine nach der D8 dieses spezielle Ansteuern des Bewegungsmechanismus gemäß Merkmal 2.2 auch tatsächlich verwirklichen kann, ohne die Programmsteuerung zu ändern. Dies ist vorliegend der Fall, weil bei der bekannten Verzahnungsschleifmaschine sämtliche hierzu erforderlichen Achsen vorhanden sind und diese Achsen zudem allesamt NC-gesteuert sind. Dies hat zur Folge, dass die bekannte Verzahnungsschleifmaschine durch einfache Dateneingabe jeden Punkt im Bewegungsbereich der Schleifmaschine anfahren und von dort aus beliebig im Bewegungsbereich der Schleifmaschine bahn- oder punktgesteuert verfahren kann.
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Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin, die auf die BGH-Entscheidung GRUR 2006, 923 – „Luftabscheider für Milchsammelanlagen“ verweist, ist vorliegend bei der bekannten Verzahnungsschleifmaschine nach der D8 keine grundlegende Änderung der Steuerung (durch einen Programmierer) erforderlich, um den Bewegungsmechanismus gemäß Merkmal 2.2 anzusteuern bzw. zu bewegen, sondern lediglich eine (einfache) Dateneingabe, d. h. ein oder mehrere Bedienungsschritt(e).
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In entsprechender Weise weist die bekannte Verzahnungsschleifmaschine aufgrund ihrer dem Schleifrad zugeordneten, NC-gesteuerten Achsen (Achsen X, Y, Z sowie Schwenkachsen A, B) auch eine Steuerfunktion zum numerischen Steuern einer Bewegungsstrecke in der Y-Richtung des Schleifrads (9) pro Drehung des Schleifrads (9) auf, um – ähnlich wie in Spalte 1, Zeilen 56 bis 59 hinsichtlich des Schleifens des Werkstücks beschrieben – auch beim notwendigen Abrichten der Schleifschnecke nach Sp. 2, Z. 59 die Schleifschneckensteigung zu generieren. Dabei kann das Schleifrad (9) gegenüber der ortsfesten Abrichtscheibe (14) der Dreh-Abrichtvorrichtung beispielsweise kontinuierlich gemäß der Steigung der in dem Schleifrad (9) ausgebildeten Profilgänge vorgeschoben werden, um den verschlissenen Rad-Andrückwinkel des Schleifrads (9) abzurichten und dadurch zu modifizieren.
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Somit ist nach Überzeugung des Senats die bekannte Verzahnungsschleifmaschine nach der D8 grundsätzlich dazu geeignet und auch dazu eingerichtet, entsprechend den Merkmalen 2.1 bis 2.4 zu verfahren, so dass als einziges Unterschiedsmerkmal zwischen dem Streitpatentgegenstand und der bekannten Verzahnungsschleifmaschine nach der D8 verbleibt, dass im Merkmal 3 das Abrichten nicht durch Einstellung der Dreh-Abrichtvorrichtung an der Werkstück-Bearbeitungsposition, sondern an einer von der Werkstück-Bearbeitungsposition abgelegenen (Abricht-) Position erfolgt.
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Beim Abrichten von Schleifwerkzeugen innerhalb der Werkzeugmaschine gibt es jedoch grundsätzlich nur die beiden folgenden Möglichkeiten: Entweder bewegt sich das Abrichtwerkzeug anstelle eines Werkstücks in die Werkstückbearbeitungsposition oder die Schleifspindel bewegt sich von der Werkstückbearbeitungsposition weg zu einer Abrichtposition. Beide Ausführungen sind vielfältig bekannt und haben spezifische Vor- und Nachteile. Die Auswahl einer bestimmten von nur zwei auf der Hand liegenden Lösungswegen kann die erfinderische Tätigkeit nicht ohne weiteres begründen (BGH, GRUR 2008, 56, 59 – Injizierbarer Mikroschaum). Denn eine überschaubare Zahl von möglichen Lösungsansätzen, von denen jeder spezifische Vor- und Nachteile hat und die sich als gleichwertige, ebenso vorzugswürdige Alternativen darstellen, gibt in der Regel Veranlassung, jeden dieser Lösungsansätze in Betracht zu ziehen (BGH, GRUR 2012, 261 – E-Mail via SMS). Hinsichtlich eines in die Werkstückbearbeitungsposition einschwenkbaren Abrichtwerkzeuges ist beispielsweise auf die D6 hinzuweisen, bei der auf Seite 7, 3. Absatz die Vorteile des einschwenkbaren Abrichtwerkzeuges beschrieben sind. Je nach Bedarf wird die gewünschte Ausführung vom Fachmann ausgewählt, ohne dass es hierzu erfinderischen Zutuns bedarf.
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Eine erfinderische Tätigkeit ist deshalb nicht ersichtlich.
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Wenngleich es vorliegend im Rahmen eines Vorrichtungsanspruchs nicht entscheidungserheblich ist, sei ergänzend noch darauf hingewiesen, dass das im Streitpatent beschriebene Verfahren des Bewegungsmechanismus entsprechend den Merkmalen 2.1 bis 2.4 nicht etwa ein völlig neuartiges Abrichtverfahren ist, wie die Beschwerdegegnerin vorträgt, sondern beispielsweise bereits schon aus der D3 (Isupova: Genauigkeit des Abrichtens von mehrgängigen Schleifschnecken mit Hilfe einer Diamantrolle – deutsche Übersetzung) bekannt ist.
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Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat daher keinen Bestand.
69
4. Zum Hilfsantrag 1
70
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
71
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nur im Merkmal 2.2, indem das Wort „eingestellt“ durch das Wort „verändert“ ersetzt worden ist. Wie bereits aus den Ausführungen zur Auslegung des Patentanspruchs 1 ersichtlich ist, setzt das Einstellen des Rad-Andrückwinkels zwangsläufig auch ein Verändern voraus, so dass bei objektiver Würdigung des Gesamtoffenbarungsgehalt des Streitpatents kein inhaltlicher Unterschied zwischen den jeweiligen Patentansprüchen 1 des Haupt- und des Hilfsantrags 1 feststellbar ist.
72
Daher ist das mangelnde Vorliegen der Patentfähigkeit hinsichtlich der im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag aufgeführten Merkmale 1 bis 2.4 sowie 3 übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechenden Ausführungen zum Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag wird verwiesen.
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5. Zum Hilfsantrag 2
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Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
75
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch den im Merkmal 2.2 nach den Worten „eingestellt wird“ ergänzten Halbsatz:
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„so dass der Mittelpunkt einer Schleifradachse (3a) und der Mittelpunkt einer Abrichtachse (10c) des Abrichtwerkzeugs (10a, 10b, 10d) nicht horizontal zueinander sind,“
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Sofern – wie zum Hauptantrag erläutert – beim Abrichten Schleifrad und Abrichtwerkzeug relativ zueinander in der Z-Richtung eingestellt oder verändert werden, so ist regelmäßig der Mittelpunkt der Schleifradachse und der Mittelpunkt einer Abrichtachse ohnehin nicht horizontal zueinander. Da auch die bekannte Verzahnungsschleifmaschine nach der D8 – wie zum Hauptantrag erläutert – grundsätzlich dazu geeignet ist, beim Abrichten das Schleifrad bezüglich dem Abrichtwerkzeug entsprechend den Merkmalen 2.1 bis 2.4 auch in der Z-Richtung einzustellen bzw. zu verändern, kann somit auch das Merkmal 2.2 des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 durch die bekannte Verzahnungsschleifmaschine nach der D8 verwirklicht werden.
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Daher ist das mangelnde Vorliegen der Patentfähigkeit hinsichtlich der im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag aufgeführten Merkmale 1 bis 2.4 sowie 3 übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechenden Ausführungen zum Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag wird verwiesen.
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6. Zum Hilfsantrag 3
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Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Denn dieser Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist unzulässig, da er zumindest ein Merkmal enthält, das in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbart ist.
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Nach der BGH-Entscheidung „Olanzapin” (GRUR 2009, 382, 384, Tz. 25 f.) ist für den Offenbarungsgehalt einer Schrift maßgeblich, was aus fachmännischer Sicht „unmittelbar und eindeutig“ zu entnehmen ist, wobei insbesondere eine Ergänzung der Offenbarung durch Fachwissen unzulässig ist. Dabei kann unmittelbar und eindeutig offenbart auch sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung, der auch die Zeichnungen zugehören, nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern „mitgelesen“ wird (BGH GRUR 2009, 382, 384, Tz. 26 – Olanzapin). Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (Fortführung von GRUR 2004, 407 – Fahrzeugleitsystem), so dass diese Grundsätze auch bezüglich der Ursprungsoffenbarung von Merkmalen einer Patentanmeldung anzuwenden sind im Zusammenhang mit der Frage, ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt. Daher ist nur das offenbart, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann erst aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (BGH GRUR 2010, 910, 916 – Fälschungssicheres Dokument).
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Im vorliegenden Fall fehlt es dem geltenden Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 gegenüber den Ursprungsunterlagen sowohl an der eindeutigen als auch an der unmittelbaren Offenbarung der Formel für den Winkel θ.
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Der Winkel θ ist in der Offenlegungsschrift, die den Ursprungsunterlagen entspricht, in den Absätzen [0093] bis [0095] erwähnt. Dort ist er jedoch nur im Rahmen der folgenden Bestimmungsgleichung offenbart, die nicht nach θ aufgelöst ist und daher keine unmittelbare und eindeutige Bestimmung von θ erlaubt.
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Zum Nachweis der Offenbarung der Gleichung für den Winkel θ, wie sie nunmehr in den geltenden Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 Eingang gefunden hat, hat die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung folgende Umformungen der offenbarten Bestimmungsgleichung vorgerechnet, wobei der Schritt (U4) zum leichteren Verständnis der Umformung vom Senat ergänzt wurde:
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(Gleichung 6 gemäß Patentschrift)
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Ersichtlich sind zur Umformung der Gleichung 6 gemäß Patentschrift einige, nicht auf der Hand liegende trigonometrische Umformungen erforderlich, um die Gleichung für den Winkel θ gemäß geltenden Patentanspruch 1 (Hilfsantrag 3) zu erhalten. So müssen von (U5) nach (U6) und von (U6) nach (U7) jeweils Terme der Formel mit Hilfe des „trigonometrischen Pythagoras“ ersetzt werden. Der Fachmann liest daher die im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 angegebene Formel in den ursprünglichen Unterlagen nicht mit. Vielmehr handelt es sich bei der Formel um eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann nur durch seine Fachkenntnis gelangt.
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Bereits aus diesem Grunde fehlt es an der unmittelbaren Offenbarung der aufgelösten Gleichung für den Winkel θ, wie sie nunmehr in den geltenden Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 Eingang gefunden hat.
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Aber auch die eindeutige Offenbarung für den Winkel θ fehlt. Denn der Umformschritt von Gleichung U7 auf Gleichung U8 erfolgt durch Ziehen der Quadratwurzel auf beiden Seiten der Gleichung. Da das Quadrat einer negativen Zahl und einer betragsgleichen positiven Zahl immer zum gleichen positiven Ergebnis führt, sind bei der umgekehrten Rechenoperation, dem Ziehen der Quadratwurzel, jeweils zwei Fälle zu unterscheiden. So entsteht bei der Umformung von (U7) nach (U8) auch folgender zweiter Ausdruck (U8a):
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Die weitere Umformung führt zu einem zweiten Ergebnis für den Winkel θ:
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Aus den ursprünglichen Unterlagen lässt sich somit keine eindeutige Beziehung zwischen dem Winkel θ und den anderen Winkelgrößen entnehmen.
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Somit sind nicht alle Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 aus den ursprünglichen Unterlagen unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
92
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist daher nicht zulässig.
93
7. Mit den Patentansprüchen 1 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 fallen auch die Patentansprüche 2 der jeweiligen Anträge, ohne dass es einer Prüfung und Begründung dahin bedarf, ob einer dieser jeweiligen Patentansprüche 2 etwas Schutzfähiges enthält (BGH, GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät).
94
Das Patent ist somit zu widerrufen.
95
8. Der Senat sieht davon ab, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wie dies die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 21. Januar 2015 angeregt hat. Insbesondere sieht er keinen Rechtsbeschwerdegrund nach § 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG. Nach dieser Vorschrift ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert. Danach ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde etwa dann erforderlich, wenn ein Senat des Bundespatentgerichts von einer Entscheidung des BGH abweichen will (vgl. Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 100 Rdn. 19).
96
Im Gegensatz zur Auffassung der Patentinhaberin beabsichtigt der Senat vorliegend jedoch nicht, von den Grundsätzen der von ihr genannten BGH-Entscheidungen abzuweichen.
97
a) Dies gilt zunächst hinsichtlich der logisch vorrangig zu behandelnden Frage der Offenbarung der Druckschrift D8 hinsichtlich des Einsatzes der Z-Achse (Ziff. 2 der Eingabe vom 21. Januar 2015). Dabei hat es der Senat nicht etwa als offenbart angesehen, dass die in der D8 beschriebene Maschine die Z-Achse beim Abrichten tatsächlich einsetzt. Vielmehr entnimmt der Senat der D8 entscheidungserheblich die Offenbarung einer Verzahnungsschleifmaschine mit einer NC-Vorrichtung, mit deren Steuerfunktion (zum numerischen Steuern des Bewegungsmechanismus) beim Abrichten (u. a.) eine Position in der Z-Richtung eingestellt werden kann. D8 offenbart also eine Maschine, die hinsichtlich der funktional beschriebenen Merkmale 2.1 bis 2.4 die Vorrichtungseigenschaften der nach Anspruch 1 des Streitpatents (gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 u. 2) unter Schutz gestellten Verzahnungsschleifmaschine aufweist.
98
Bei der Ermittlung des Offenbarungsgehalts der D8 ist der Senat nicht von den Grundsätzen der Entscheidung BGH GRUR 2009, 382 – Olanzapin abgewichen. Vielmehr hat er weitgehend nur das aus der D8 als offenbart entnommen, was sich bereits aus dem Wortlaut der oben unter Ziff. 3 genannten Stellen ergibt (vgl. D8, Sp. 1, Z. 26-45 zum äußeren Aufbau der Maschine und Sp. 1, Z. 46-48 sowie Sp. 2, Z. 5-8 zu Steuerbarkeit). Die sich dabei ergebende Schlussfolgerung, dass die Verzahnungsschleifmaschine angesichts dieses Wortlauts der D8 eine NC-Vorrichtung zur numerischen Steuerung einer Bewegung des Bewegungsmechanismus hat, die u. a. eine Position des am Bewegungsmechanismus angebrachten Schleifrads (auch) über die Achse Z steuert und dass das Schleifrad selbstverständlich auf alle erdenklichen Profilformen auf der vorhanden Abrichtvorrichtung abgerichtet bzw. profiliert werden kann, hat der Senat dann als logisch notwendig bzw. selbstverständlich aus der D8 „mitgelesen“. Insofern will der Senat nicht von den Grundsätzen der Olanzapin-Entscheidung abweichen.
99
b) Gleiches gilt für die von der Patentinhaberin angeführte Entscheidung BGH GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsammelanlage. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mit Blick auf das Klagepatent, das einen Luftabscheider mit (u. a.) einer bestimmten Ventilsteuerung schützte, festgestellt, dass Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben nicht schlechthin bedeutungslos seien, sondern als Bestandteile des Patentanspruchs an dessen Aufgabe teilnehmen können, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und damit zugleich zu begrenzen, wenn sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich beziehen, als ein solches definieren, das so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann. Im betreffenden Fall erfordere die patentgemäße Lehre des Klagepatents daher eine Ventilanordnung, die entweder räumlich-körperlich oder durch eine entsprechende Steuerung so eingerichtet ist, dass die erfindungsgemäße gegenläufige Wirkung der beiden Ventile erzielt werden könne. Hingegen reiche es nicht aus, dass der Ventilanordnung diese Eignung erst durch weitere Maßnahmen wie eine Änderung der Steuerung verliehen werden könne (BGH a. a. O., Ziff. 15).
100
Vorliegend weist die in der D8 offenbarte Verzahnungsschleifmaschine jedoch bereits eine Steuerung auf, mit der die Merkmale der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1-2 verwirklicht werden (s. o. Ziff. 3). Einer Änderung dieser Steuerung bedarf es dazu gerade nicht, vielmehr sind hierzu nur bloße Bedienschritte zum Erreichen des im Streitpatent beschriebenen Abrichtvorgangs erforderlich.
101
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist damit nicht veranlasst.


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