Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – „Warmwassergerät“ – zur Bestimmung des Fachmanns

Aktenzeichen  12 W (pat) 6/09

Datum:
18.7.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 4 PatG
Spruchkörper:
12. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2006 015 127
hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Schneider, der Richterin Bayer sowie der Richter Dipl.-Ing. Sandkämper und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I
1
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. August 2008 hat die Patentabteilung 16 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 10 2006 015 127 betreffend ein
2
“Warmwassergerät”
3
aufrechterhalten.
4
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Einsprechenden.
5
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
6
Hinsichtlich des Wortlauts der erteilten Unteransprüche 2 bis 10 wird auf die Patentschrift verwiesen.
7
Im Einspruchsverfahren wurden folgende Druckschriften berücksichtigt:
8
D1: EP 0 986 155 A1
9
D2: EP 0 962 723 A1
10
D3: DE 7 330 472 U
11
D4: DE 297 21 816 U1
12
D5: DE 41 40 832 C3.
13
Die Beschwerdeführerin verweist im Beschwerdeverfahren noch auf folgende Druckschriften:
14
D6: Michaeli/Greif/Kretzschmar/Kaufmann/Bertuleit: „Technologie des Spritzgießens”, 1993, Vorwort sowie Seite 6 und 7
15
D7: Dr.-Ing. Karl Oberbach: Saechtling Kunststoff Taschenbuch, 28. Ausgabe, 2001 (14 Seiten).
16
Die Druckschrift D4 wurde bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt.
17
Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Gegenstand des Anspruchs 1 werde durch den Stand der Technik nahegelegt.
18
Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag,
19
den Beschluss der Patentabteilung 16 des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und das Patent 10 2006 015 127 zu widerrufen.
20
Der Beschwerdegegnerin beantragte,
21
die Beschwerde zurückzuweisen.
22
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
23
Wegen Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte verwiesen.
II
24
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
25
Der Einspruch war zulässig.
26
A. Das Patent betrifft Warmwassergerät, insbesondere Durchlauferhitzer, wenigstens umfassend ein Wandaufhängelement zur Montage des Warmwassergerätes an einer Wand (Abs. 0001 der Patentschrift).
27
Die – von Lösungsansätzen befreite – Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein gegenüber dem Stand der Technik verbessertes Warmwassergerät zur Verfügung zu stellen, welches leichter montiert werden kann (Abs. 0005).
28
Diese Aufgabe soll mit folgenden Merkmalen gelöst werden:
29
a) Warmwassergerät, insbesondere Durchlauferhitzer,
30
b) wenigstens umfassend ein Wandaufhängelement (1) zur Montage des Warmwassergerätes an einer Wand, dadurch gekennzeichnet,
31
c) dass das Wandaufhängelement (1) aus einem transparenten und/oder transluzenten Material gefertigt ist.
32
Ein auf diesem Gebiet arbeitender Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur (FH) mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Warmwassergeräten mit Grundkenntnissen auf dem Gebiet der Kunststofftechnik.
33
Die Argumentation der Beschwerdeführerin, Fachmann sei ein Team von Ingenieuren, überzeugt vorliegend nicht. Problem ist die Montage des Warmwassergerätes, sowohl ein Elektrotechniker, ein Chemiker oder Kunststofftechniker werden mit einer derartigen Problemstellung nicht betraut. Bei der Materialwahl mag zwar letztlich ein Kunststofftechniker hinzugezogen werden, allerdings muss zu diesem Zeitpunkt bereits die Entscheidung zu einem transparenten oder transluzenten Material getroffen worden sein.
34
B. Zum Verständnis
35
Das Patent betrifft ein Warmwassergerät, insbesondere einen Durchlauferhitzer, und damit ein Gerät, das geeignet ist, Wasser zu erwärmen (Merkmal a). Hierunter sind neben Durchlauferhitzern Kochendwassergeräte und Warmwasserspeicher zu verstehen. Das Gerät weist ein Wandaufhängelement auf, über das das Warmwassergerät an einer Wand montiert werden kann (Merkmal b). Das Wandaufhängelement besteht aus einem transparenten (= durchsichtigen) oder transluzenten (= teilweise lichtdurchlässigem) Material (Merkmal c).
36
C. Zulässigkeit der erteilten Anspruchsfassung.
37
Die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 10 wurden unverändert erteilt. Die Zulässigkeit der erteilten Anspruchsfassung wurde von der Einsprechenden auch nicht bestritten.
38
D. Patentfähigkeit
39
1) Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu.
40
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist unstreitig neu. Die Druckschriften D1, D2 und D4 offenbaren nur die Merkmale a) und b) des Oberbegriffs. Die D3 (vgl. Seite 1 und Anspruch 1) beschreibt eine Anschlussdose für Fernsprechapparate, die D5 eine Montagehilfe für Sonnenkollektoren. Beide Druckschriften offenbaren damit kein Warmwassergerät im Sinne des Anspruchs 1.
41
2) Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt.
42
Die Druckschriften D1, D2 und D4 geben dem Fachmann keinen Hinweis auf ein Wandaufhängelement aus einem transparenten oder transluzenten Material. In der D2 ist die Rückwand als Montageschablone ausgebildet, die zwei wegklappbare Aufsetzbügel (4) aufweist, die im aufgeklappten Zustand auf die Rohre für Wasserein- und -auslauf aufgesetzt werden. Die Bohrung für die Befestigungsschraube des Durchlauferhitzers wird mit Hilfe der als Schablone dienenden Rückwand an der Wand angezeichnet, vgl. Spalte 4, Zeile 24 bis 43. Die D2 offenbart damit eine Lösung, die gerade ohne durchsichtiges Material auskommt. Die D2 bestätigt außerdem, dass der Fachmann bei der Lösung des Problems, die Montage eines Warmwassergerätes zu vereinfachen, zunächst konstruktive Maßnahmen anstrebt.
43
Um die vom Stand der Technik abweichende Lösung nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann als nahegelegt anzusehen, bedarf es – abgesehen von den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinaus reichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln kann nicht schon dann als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden, wenn lediglich keine Hinderungsgründe zu Tage treten, vom im Stand der Technik Bekannten zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen, sondern diese Wertung setzt voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen (BGH GRUR 2010, 407 – Einteilige Öse).
44
Die Druckschriften D6 und D7 bestätigen zwar, dass bestimmte Kunststoffe in ihrer reinen Form transparent oder transluzent sind, eine Anregung, das Wandaufhängelement eines Warmwassergerätes aus diesem Material zu fertigen, gibt dieser Stand der Technik aber nicht, da lediglich optische Eigenschaften reiner Kunststoffe beschrieben, aber keine Hinweise zur Nutzung dieser Eigenschaften für eine erleichterte Montage genannt werden. Soweit in der D7 als Einsatzgebiete Gehäuse genannt werden (Seite 425, Abs. 2), sind diese üblicherweise eingefärbt und damit undurchsichtig. Lediglich in Verbindung mit Verpackungen wird auf transparente Werkstoffe verwiesen (vgl. Seite 425, Abs. 4 und 5). Die D7 (Seite 206, Abschnitt 3.2.1) weist im Übrigen darauf hin, dass der Kunststoff vor der Verarbeitung aufbereitet werden muss, d. h. Zusätze wie Farbstoffe, Füll- und Verstärkungsstoffe, Weichmacher, Gleitmittel, Stabilisatoren, Flammschutzmittel, Treibmittel, Lösemittel oder anderer Polymere müssen eingearbeitet werden. Diese Zuschlagstoffe, die für die Verarbeitung beim Spritzgießen erforderlich sind, führen aber regelmäßig bereits dazu, dass der Kunststoff undurchsichtig wird. Das Fachwissen der D7 ist im Übrigen seit Jahrzehnten bekannt (D7: 28. Auflage).
45
Die D3 (Anschlussdose für Telefone) liegt weiter ab, der Fachmann hat keine Berührungspunkte mit diesem Technikzweig. Die D5 offenbart ebenfalls kein Wandaufhängelement für ein Warmwassergerät, sondern eine Montagehilfe für Sonnenkollektoren, die als Schablone ausgebildet und Teil der Verpackung ist. Diese Montagehilfe kann durchsichtig ausgebildet sein (Anspruch 1 i. V. m. Anspruch 9). Auch dieser Stand der Technik liegt damit nicht im Griffbereich des Fachmannes.
46
Der erteilte Anspruch 1 hat nach alledem Bestand.
47
3) Unteransprüche 2 bis 10
48
Diese werden vom Anspruch 1 getragen.


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