Patent- und Markenrecht

Patentnichtigkeitsklageverfahren – „Ofen, insbesondere Kamin“ – Zurückweisung einer unzulässigen Klageerweiterung

Aktenzeichen  2 Ni 7/11 (EP)

Datum:
29.11.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 83 Abs 4 PatG
§ 263 ZPO
§ 264 ZPO
Spruchkörper:
2. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 326 052
(DE 502 07 628)
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2012 unter Mitwirkung des Richters Merzbach als Vorsitzendem sowie der Richter Guth, Dipl. Ing. Univ. Rothe, Dipl. Ing. Fetterroll und Dipl. Ing. Univ. Hubert
für Recht erkannt:
Das Europäische Patent 1 326 052 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1, 3, 10 und 16 für nichtig erklärt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 30% und die Beklagte 70%
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 17. Dezember 2002 in der Verfahrenssprache Deutsch angemeldeten europäischen Patents 1 326 052 mit der Bezeichnung “Ofen, insbesondere Kamin”, für das die Prioritäten der Voranmeldungen DE 10 10163132 vom 20 Dezember 2001 und DE 10217676 vom 19. April 2002 in Anspruch genommen worden sind und das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 502 07 628 geführt wird.
2
Das Streitpatent umfasst 23 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut hat:
3
“Ofen (18; 23; 29) oder Kamin mit einer Feuerstelle (2; 8; 39), wobei oberhalb der Feuerstelle (2; 8; 39) eine Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) angeordnet ist, und die Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) ein Glasrohr aufweist, wobei das Glasrohr ein komplett aus Glas geschlossenes Rohr oder ein halboffenes Rohr ist, und bei Wahl des halboffenen Rohres der durchsichtige Glasbereich zwischen der Flamme und einem Betrachter angeordnet ist und der dem Betrachter abgewandte Rohrbereich aus einem anderen Material hergestellt ist.”
4
Wegen des Wortlauts der jeweils mittelbar oder unmittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 23 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
5
Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin zunächst nur die Patentansprüche 1, 3, 10 und 16 angegriffen.
6
Die Beklagte verteidigt ihr Patent insoweit beschränkt mit den als Hauptantrag in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1, 3, 10 und 16 in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung.
7
Danach hat der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag folgenden Wortlaut:
8
“Ofen (18; 23; 29) oder Kamin mit einer Feuerstelle (2; 8; 39), wobei oberhalb der Feuerstelle (2; 8; 39) eine Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) angeordnet ist, und die Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) ein Glasrohr aufweist, wobei das Glasrohr ein komplett aus Glas geschlossenes Rohr ist.”
9
Wegen des Wortlauts der jeweils mittelbar oder unmittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 3, 10 und 16 wird auf die als Anlage zum Protokoll eingereichte Fassung der Patentansprüche gemäß Hauptantrag (Bl. 197 und 198 d.A.) verwiesen.
10
Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in Bezug auf die angegriffenen Ansprüche 1, 3, und 10 mit einer der Fassungen des Patentanspruchs 1 einschließlich der sich anschließenden und dem Hauptantrag entsprechenden Unteransprüche 3 und 10 gemäß der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsanträge 1 und 2 (Bl. 199 – 202).
11
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1 lautet:
12
1. Ofen (18; 23; 29) oder Kamin mit einer Feuerstelle (2; 8; 39), wobei oberhalb der Feuerstelle (2; 8; 39) eine Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) angeordnet ist, und die Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) ein Glasrohr aufweist, wobei das Glasrohr (28; 30A) der Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) aus einem Borosilicatglas oder einem keramischen Glas hergestellt ist.
13
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 lautet:
14
1. Ofen (18; 23; 29) oder Kamin mit einer Feuerstelle (2; 8; 39), wobei oberhalb der Feuerstelle (2; 8; 39) eine Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) angeordnet ist, und die Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) ein Glasrohr aufweist, wobei das Glasrohr ein komplett aus Glas geschlossenes Rohr ist, wobei das Glasrohr (28; 30A) der Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) aus einem Borosilicatglas hergestellt ist.
15
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei auch in der Fassung des Hauptantrags wie auch der Hilfsanträge gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Er sei nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie beruft sich hierzu neben den bereits im Streitpatent genannten Druckschriften
16
(P1) DE 1 925 601 U
17
(P2) GB 593 093 A
18
(P3) US 3 374 071 A
19
(P4) JP 01019207 A (Abstract)
20
auf die weiteren Druckschriften
21
(D1) Katalog der Firma Ehrich & Graetz, 1931 (Anlage 3)
22
(D2) EP 0 058 491 A1
23
(D3) US 4 462 789 A
24
(D4) Römpp: Chemie Lexikon. Stuttgart: Thieme Verlag, 1996, 10. Auflage, Seite 2255 aus Band 2
25
(D5) Römpp: Chemie Lexikon. Stuttgart: Thieme Verlag, 1996, 10. Auflage, Seiten 1539 und 1540 aus Band 3
26
(D6) US 4 919 120 A
27
(D7) US 1 232 457 A
28
Weiterhin macht die Klägerin eine Vorbenutzung geltend. Dazu hat sie eine “farblich gestaltete” Abbildung eingereicht, mehrere Zeugen benannt und im Übrigen als Beweis auf die Akte des Einspruchsverfahrens verwiesen.
29
Mit Schriftsatz vom 18. September 2012 (Bl. 170 d.A.) hat sie ferner die Klage auf sämtliche weitere Patentansprüche des Streitpatents erweitert.
30
Vom Senat wurden in der Verhandlung zudem Kopien der Website der Schott AG übergeben:
31
(D8) Borosilikatglas BOROFLOAT® – Herstellungsprozess und Thermische Produkteigenschaften/SCHOTT AG [recherchiert am 19.09.2012]. Im Internet: http://www.schott.com/borofloat/german/attribute/thermic/index.html und http://www.schott.com/borofloat/german/production/index.html
32
sowie SCHOTT ROBAX ®  – Glaskeramik für Kamine und Kaminöfen – Produktbeschreibung /SCHOTT AG [recherchiert am 19.09.2012]. m Internet:
33
http://www.schott.com/hometech/german/products/robax/kaminbauer/product_description.html
34
Die Klägerin beantragt,
35
das Europäische Patent 1 326 052 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
36
Die Beklagten beantragen,
37
1. die Klage abzuweisen, soweit sie sich nicht gegen die erteilten Patentansprüche 1, 3, 10 und 16 richtet.
38
2. dem Streitpatent hinsichtlich der Patentansprüche 1, 3, 10 und 16 die Fassung nach Hauptantrag überreicht in der mündlichen Verhandlung zu geben;
39
hilfsweise dem Streitpatent hinsichtlich der Patenansprüche 1, 3, 10 eine der Fassungen der Hilfsanträge 1 und 2, ebenfalls überreicht in der mündlichen Verhandlung zu geben.
40
Die Beklagten treten den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie halten den Gegenstand des Streitpatents in Bezug auf die Patentansprüche 1, 3 10 und 16 für schutzfähig, jedenfalls in den Fassungen der Hilfsanträge. Hinsichtlich der Klageerweiterung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. September 2012 (Bl. 178 d.A.) erklärt, sich nicht ohne angemessene Frist zur Stellungnahme dazu äußern zu können.
41
Die Klägerin meint demgegenüber, dass eine Stellungnahme zur Nichtigkeit der weiteren Ansprüche auch ohne weitere Vorbereitung möglich und zumutbar sei; eine Vertagung der mündlichen Verhandlung daher nicht in Betracht komme.
42
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

43
Die Klage ist insoweit zulässig und begründet, als sie sich gegen die Patentansprüche 1, 3, 10 und 16 des Streitpatents richtet. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. September 2012 beantragt, das Streitpatent auch in Bezug auf sämtliche weiteren Patentansprüche für nichtig zu erklären, ist die Klage hingegen unzulässig.
A.
44
Mit Klageschrift vom 5. Oktober 2010 beantragte die Klägerin, “Streitpatent im Rahmen der nachfolgend erläuterten Teilnichtigkeitsklage für nichtig zu erklären” (vgl. Seite 2, Bl. 19 d.A.). In der Klagebegründung führte sie dazu aus, dass die Patentansprüche 1, 3, 10 und 16 nicht neu (vgl. Seite 4, Bl. 21) bzw. nicht erfinderisch seien (vgl. Seite 10, Bl. 27). Die Klageschrift vom 5. Oktober 2010 richtete sich somit ihrem Inhalt nach allein auf eine (teilweise) Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang der ereilten Patenansprüche 1, 3, 10 und 16. Insoweit ist die Klage ohne weiteres zulässig. Mit Schriftsatz vom 6. August 2012 (Bl. 152 d.A.) hat die Klägerin ferner klargestellt, dass sich die Teilnichtigkeitsklage gegen beide Alternativen des erteilten Patentanspruchs 1 richtet.
45
Soweit die Klägerin mit einem zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung am 20. September 2012 eingegangenen Schriftsatz vom 18. September 2012 die Klage auf sämtliche weitere Patentansprüche des Streitpatents erweitert hat, kann dieser Antrag hingegen nicht berücksichtigt werden, da die Einreichung dieses Antrags verspätet erfolgte und daher gemäß § 83 Abs. 4 PatG zurückzuweisen ist.
46
Den Parteien war mit gerichtlichem Hinweis vom 29. Februar 2012 (Bl. 123 d.A.) eine Frist zur Stellungnahme bis zum 11. Juli 2012 eingeräumt und gleichzeitig waren sie über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden. Die Erweiterung der Klage auf sämtliche weiteren Unteransprüche, bei denen es sich ebenso wie bei den ursprüngliche angegriffenen Unteransprüchen 3, 10 und 16 um unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogene und damit sog. “echte” Unteransprüche handelte, ist erst zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung und damit erhebliche Zeit nach Ablauf der vorgenannten Frist bei Gericht eingegangen.
47
Bei einer Erweiterung der Klage auf weitere “echte” Unteransprüche handelt es sich nach Auffassung des Senats auch nicht um eine bloße Klageerweiterung i. S. von § 264 ZPO, sondern um eine Klageänderung nach § 263 ZPO (so auch Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 4. Aufl., Rdnr. 188 unter Hinweis auf BGH GRUR 2008, 90 – Verpackungsmaschine). Aber selbst wenn man in einer Einbeziehung weiterer “echter” Unteransprüche lediglich eine Klageerweiterung i. S. von § 264 ZPO sieht (vgl. Schulte, Patentgesetz 8. Aufl., § 81 Rz. 73, 74), kommt § 83 Abs. 4 PatG zur Anwendung, da trotz der begrifflichen Übereinstimmung in § 83 Abs. 4 PatG bzw. § 263 ZPO davon auszugehen, dass mit einer “Klageänderung” nach § 83 Abs. 4 PatG sämtliche klageerweiternden Anträge in Bezug auf Nichtigkeitsgründe und/oder Patentansprüche gemeint sind, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei in rechtlicher Hinsicht um eine mit einer Änderung des Streitgegenstands verbundene Änderung i. S. von § 263 ZPO oder lediglich um eine Klageerweiterung nach § 264 ZPO handelt. Bei einer Erweiterung der Klage auf bisher nicht streitgegenständliche “echte” Unteransprüche handelt es sich daher auf jeden Fall um eine “Klageänderung” i. S. von § 83 Abs. 4 PatG (so auch Mes, Patentgesetz, 3. Aufl., § 83 Rdnr. 16).
48
Nachdem die Beklagte mit einem am 19. September 2012 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 178) erklärt hat, sie könne sich in der mündlichen Verhandlung ohne weitere Vorbereitung nicht zu der Klageerweiterung äußern, wäre eine Vertagung unumgänglich gewesen (vgl. BGH, GRUR 2004, 354 – Crimpwerkzeug). Seitens der Beklagten bestand bis zum Termin keine Veranlassung, sich auf eine Verteidigung der bis dahin nicht angegriffenen Unteransprüche einzustellen. Sie wurde mit der Klageerweiterung erst 2 Tage vor der mündlichen Verhandlung konfrontiert. Zudem enthält der Schriftsatz der Klägerin vom 18. September 2012 auch keine nähere Begründung in Bezug auf eine Nichtigkeit der weiteren Patentansprüche. Angesichts dieser Umstände ist unerheblich, ob – wie die Klägerin meint – der Beklagten auch ohne weitere Vorbereitung eine erschöpfende Stellungnahme zur Nichtigkeit der weiteren Ansprüche in der mündlichen Verhandlung möglich und zumutbar gewesen wäre. Denn abgesehen davon, dass der Senat diese Einschätzung nicht ohne weiteres nachvollziehen kann, gebietet es der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör, ihr auch in einem solchen Fall ein Mindestmaß an Zeit zur Stellungnahme auf eine Klageerweiterung einzuräumen, in welcher sie sich zur Patentfähigkeit der weiteren angegriffenen Patenansprüche äußern kann.
49
Die Klägerin hat sich zudem auch nicht dazu geäußert, warum sie erst zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung eine Erweiterung der Klage auf die weiteren Unteransprüche des Streitpatents vorgenommen hat, so dass auch eine Entschuldigungsgrund nicht erkennbar ist.
50
Somit sind alle Voraussetzungen der Nummern 1 bis 3 des § 83 Abs. 4 PatG erfüllt, weshalb die Klageerweiterung zurückzuweisen ist. Da aufgrund der Präklusion die Klageerweiterung nicht Gegenstand des Verfahrens wird und daher keiner rechtlichen Prüfung und Würdigung unterliegt, ist die Klage insoweit nach Auffassung des Senats nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abzuweisen.
B.
51
Hinsichtlich der mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patentansprüche 1, 3, 10 und 16 ist die Klage begründet. Das Streitpatent war insoweit für nichtig zu erklären.
52
Soweit die Beklagten das Streitpatent in Bezug auf diese Patentansprüche nicht in seiner erteilten, sondern nur in einer zulässigerweise eingeschränkten Fassung verteidigen, ist das Patent ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (B St. Rspr. vgl. BGHZ 170, 215 – Carvedilol II; GRUR 1996, 857 – Rauchgasklappe Busse, PatG, 6. Aufl., § 83 Rdn. 45 m. w. Nachw.).
53
Die weitergehende Klage hat aber ebenfalls Erfolg, weil der mit ihr angegriffene Patentgegenstand (der Patentansprüche 1, 3, 10 und 16) sowohl in der von den Beklagten beschränkt verteidigten Fassung des Hauptantrags als auch im Umfang der Hilfsanträge 1 und 2 durch den Stand der Technik nahegelegt und daher nicht patentfähig ist (Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 56 EPÜ).
I.
54
Die Erfindung betrifft gemäß Abs. [0001] einen Ofen, insbesondere einen Kamin, mit einer Feuerstelle.
55
Im Streitpatent ist in Abs. [0002] aufgeführt, dass Öfen und Kamine bekannt seien, deren Brennbehälter mittels eines Füllschachtes mit Pellets beschickt würden und bei denen ferner zumindest Bereiche der Feuerstelle einsehbar seien. Bei einer herkömmlichen Verbrennung der Pellets entstünden jedoch meist kurze, kleine und hektische Flammen, die lediglich ein Flammenbild mit begrenzter Ausdehnung und Ausstrahlung erzeugten. Zudem könnten solche Flammen unkontrolliert in unmittelbar benachbarte Bereiche der Feuerstelle schlagen (Abs. [0003]) mit der Folge, dass die Glasscheiben der Feuerraumtüren bzw. des Ofens schon nach kurzer Betriebsdauer stark verrußt sein könnten (Abs. [0004]).
56
Der Erfindung liege daher als Aufgabe zugrunde, einen Ofen bzw. Kamin mit einem besonders großvolumigen Flamme und einem ruhigen Flammenbild bereitzustellen (vgl. Abs. [0005), wodurch die Ausdehnung der Flamme vergrößert (vgl. Abs. [0009]) sowie ein Anschlagen der Flammen an den Glasscheiben und eine damit verbundene Verrußung verhindert werde (vgl. Abs. [0010]).
57
Zur Lösung dieser Aufgabe dient nach Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags (hier wiedergegeben in einer vom Senat vorgenommenen Merkmalsgliederung):
58
a) ein Ofen oder Kamin mit einer Feuerstelle,
59
b) wobei oberhalb der Feuerstelle eine Flammstreckeinrichtung angeordnet ist,
60
c) und die Flammstreckeinrichtung ein Glasrohr aufweist,
61
d) wobei das Glasrohr ein komplett aus Glas geschlossenes Rohr ist.
62
Als Fachmann ist dabei ein Ofenbaumeister mit langjähriger Erfahrung in Entwurf und Herstellung von Öfen anzusehen.
II.
63
Zum Hauptantrag
64
Der Ofen nach Anspruch 1 des Hauptantrag ist gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift D6 nicht neu.
65
Aus der Druckschrift D6 ist ebenfalls ein Ofen mit einer Feuerstelle bekannt (vgl. A1; ” A radiant-type heater”; “a burner mounted in said lower space and having a plurality of flame holes formed therein”) (Merkmal a).
66
Bei dem dort in Fig. 1 gezeigten Ofen ist oberhalb der Feuerstelle ein Rohr (burner tube 26) angeordnet. Das Rohr bewirkt das Aufsteigen der Flamme im Rohr (Sp. 8, Z. 7 – 11; “This burner tube 26 acts as a combustion cylinder … so that the flame F of the burner 12 is caused to rise within the lower part of the burner tube 26”), was, wie der Fachmann erkennt, durch Luft ermöglicht wird, die über Öffnungen in den Brenner einströmt und die Flamme im Rohr aufsteigen lässt. Somit wirkt dieses Rohr (burner tube 26) als oberhalb der Feuerstelle angeordnete Flammstreckeinrichtung (Merkmal b). Der Vertreter der Klägerin vertritt hingegen die Auffassung, dass das dort verwendete Rohr nicht der in den Abs. [0009] und [0010] der Patentschrift angegebenen Definition einer Flammstreckeinrichtung entspreche. Danach werde mittels der Flammstreckeinrichtung erreicht, dass die Flamme im Wesentlichen vollständig von einem Schauglas des Ofens bzw. des Kamins entfernt gehalten werde, sodass das Schauglas nicht durch Anschlagen von Flammenspitzen verruße. Demgegenüber sieht der Senat im Absatz [0010] der Beschreibung lediglich eine Vorteilsangabe, die die Beurteilung des Anspruchs 1 nach Hauptantrag nicht beeinflussen kann, da nach dem Wortlaut dieses Anspruchs der beanspruchte Ofen kein Schauglas aufweist. Vielmehr erläutert Abs. [0009], dass der Begriff “Flammstreckeinrichtung” hierbei alle Einrichtungen umfasse, die dazu geeignet seien, eine Flamme derart zu führen, dass die Flamme hierdurch in ihrer Ausdehnung zumindest länger bzw. größer erscheine als ohne eine derartige Einrichtung. Dies trifft, wie oben dargelegt, für das Rohr (burner tube 26) gemäß D6 zu.
67
Die Flammstreckeinrichtung (burner tube 26) besteht nach Sp. 8, Z. 7 – 11 der D6 aus Glas, wobei es ein komplett aus Glas geschlossenes Rohr ist (“is shaped from heat-resistant transparent glass into a hollow cylindrical form”) (Merkmale c und d). Der Ofen der Druckschrift D6 offenbart daher alle Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag.
68
Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht neu.
69
Zum Hilfsantrag 1
70
Der in der mündlichen Verhandlung überreichte, zulässig beschränkte Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch folgendes zusätzliches Merkmal:
71
e) wobei das Glasrohr (28; 30A) der Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) aus einem Borosilicatglas oder einem keramischen Glas hergestellt ist.
72
Der Ofen nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist neu, jedoch ist er dem Fachmann durch die Druckschrift D6 i. V. m. seinem Fachwissen nahe gelegt.
73
Die Flammstreckeinrichtung gemäß D6 besteht bereits aus einem Glasrohr aus hitzebeständigem Glas (Sp. 8, Z. 7 – 11; “from heat-resistant transparent glass”).
74
Somit liegt es für den Fachmann nahe, einen entsprechenden Werkstoff, wie beispielsweise ihm bekanntes keramisches Glas, auszuwählen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden. Rein zum druckschriftlichen Nachweis des fachmännischen Wissens über die Verwendung von keramischem Glas beim Ofenbau wird auf die Druckschrift D8 (Produktbeschreibung von Schott Robax) hingewiesen, wonach seit 30 Jahren Robax als Sichtscheibe für Kamine und Kaminöfen dient. Darüber hinaus sind die Flamme umschließende Glaszylinder aus transparenter Keramik bereits aus D3 bekannt (Sp. 2, Z. 29 – 32).
75
Zum Hilfsantrag 2
76
Der in der mündlichen Verhandlung überreichte, zulässig beschränkte Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch folgendes zusätzliches Merkmal:
77
f) wobei das Glasrohr (28; 30A) der Flammstreckeinrichtung (14; 28; 30) aus einem Borosilicatglas hergestellt ist.
78
Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist neu, jedoch beruht auch der in beschränktem Umfang verteidigte Ofen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
79
Die Flammstreckeinrichtung gemäß D6 besteht, wie bereits zum Hilfsantrag 1 ausgeführt, aus einem Glasrohr aus hitzebeständigem Glas.
80
Bei der Auswahl des Werkstoffs für die Flammstreckeinrichtung wird sich der Fachmann zweifelsohne mit Glasherstellern in Verbindung setzen und unter den angebotenen hitzebeständigen Gläsern auswählen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden. Rein zum druckschriftlichen Nachweis wird auf die Druckschrift D8 (Eigenschaften und Herstellung von Schott BOROFLOAT, einem Borosilikatglas) hingewiesen, wonach Borosilikatglas zumindest seit 1993 in Deutschland hergestellt wird.
81
Zu den angegriffenen Unteransprüchen des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2
82
Die Unteransprüche 3, 10 und 16 waren ebenfalls für nichtig zu erklären, da – abgese-hen von der Beschränkung mit Merkmalen des Anspruchs 16 in den gestellten Hilfsanträgen – weder geltend gemacht wurde noch ersichtlich ist, dass die in ihnen enthaltenen Merkmale dem Gegenstand des Anspruchs 1 etwas hinzufügen, was eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte.
III.
83
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wobei der Senat die Verringerung des gemeinen Werts des Patents, wie sie durch die teilweise Nichtigerklärung des Patents eingetreten ist, als relativ erheblich ansieht und billigerweise mit 70 % veranschlagt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.


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