Patent- und Markenrecht

Patentnichtigkeitsklageverfahren – “Verfahren zur Herstellung von Gelfolien” – zur Offenbarung – zur Ausführbarkeit – eine in Ausführungsbeispielen eines Patentanspruchs beschriebene, andere Verfahrensführung führt nicht dazu, dass ein beanspruchtes Verfahren nicht ausführbar ist

Aktenzeichen  5 Ni 14/17 (EP) verb.m., 5 Ni 27/17 (EP)

Datum:
20.3.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2019:200319U5Ni14.17EP.0
Normen:
Art 138 Abs 1 Buchst b EuPatÜbk
Art II § 6 Abs 1 Nr 2 IntPatÜbkG
Spruchkörper:
5. Senat

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

gegen

betreffend das europäische Patent 2 422 950
(DE 60 2004 045 930)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2019 durch den Vorsitzenden Richter Voit, den Richter Dr. agr. Huber, die Richterin Martens sowie die Richter
Dr.-Ing. Dorfschmidt und Dipl.-Ing. Brunn
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 422 950 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 11 folgende Fassung erhält:
11. A process for preparing silica gel sheets, comprising the steps of: dispensing a catalyzed silica sol (74) onto a moving element as a continuous sheet (75); rolling the dispensed sheet into a plurality of layers.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 422 950 (Streitpatent), das am 23. Juni 2004 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 24. Juni 2003 (US 482359 P) angemeldet worden ist. Beim Deutschen Patent- und Markenamt wird das Streitpatent unter dem Aktenzeichen DE 60 2004 045 930.5 geführt. Es trägt die Bezeichnung: „METHODS TO PRODUCE GEL SHEETS“ („Verfahren zur Herstellung von Gelfolien“) und umfasst 17 Patentansprüche. Die Klägerin zu 1 greift das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 11 bis 14, die Klägerin zu 2 lediglich im Umfang von Patentanspruch 11 an.
2
Patentanspruch 11 lautet nach der Streitpatentschrift EP 2 422 950 B1 in der englischen Verfahrenssprache wie folgt:
3
In deutscher Übersetzung nach der Streitpatentschrift lauten Patentanspruch 11:
4
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 11 direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche 12 bis 14 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
5
Mit ihrer Klage vom 17. Mai 2017 macht die Klägerin zu 1 zunächst lediglich fehlende Patentfähigkeit von Anspruch 11 geltend; mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2018 erweitert sie ihre Klage auf die Unteransprüche 12 bis 14, deren Gegenstände ebenfalls nicht patentfähig seien. Darüber hinaus führt sie den weiteren Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit ein.
6
Zur behaupteten fehlenden Patentfähigkeit stützt sich die Klägerin zu 1 auf folgende Dokumente, wobei aufgrund der jeweils mit „K“ bezeichneten Druckschriften beider Klägerinnen die Dokumente der Klägerin zu 1 mit „D“ sowie gleicher numerischer Bezeichnung aufgeführt sind:
7
D5 DE 1 671 803 A1
8
D6 DE 44 30 642 A1
9
D7 Principles of Ceramics Processing, 2nd Edition, John Wiley & Sons, Inc., Chapter 26, pp. 525-541; Reed, James S., veröffentlicht 1995.
10
D8 US 6 187 250 B1
11
D9 ,,Kunststoff-Folien”, Carl Hanser Verlag, Abschnitt 2.5, S. 37, Joachim Nentwig, veröffentlicht 1994.
12
D10 „Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie”, Band 7, S. 642-648, veröffentlicht 1956.
13
D11 US 5 306 555 A
14
D12 JP H 08-34678 A mit D12a Maschinenübersetzung der D12
15
D13 US 5 973 015 A
16
D14 US 6 068 882 A
17
D15 WO 97/13803 A1
18
D16 „Manual of Symbols and Terminology for Physicochemical Quantities und Units – Appendix II“
19
D17 “The Adsorption of Gases and Vapors”, Vol. I, Physical Adsorption. Oxford University Press
20
D18 M. Dubinin, Q. Rev. Chem. Soc. 1955, 9, 101-114
21
D19 M. Dubinin, J. Colloid Interface Sci. 1967, 23 (4), 487
22
D20 Schaubild 1
23
D21 Schaubild 2
24
D22 WO 99/15262 A1
25
D23 „Gelcasting Ceramics: A Review” von G. Tari, 2003, Aprilausgabe der Zeitschrift “American Ceramic Society Bulletin”
26
D24 Prof. Dr. R…, Auszug aus einem Gutachten aus dem vor dem
27
Landgericht Mannheim anhängigen parallelen Verletzungsverfahren (7 O 72/16) vom 08.11.2017, Seiten 1 bis 12, Mitte, und 30 bis 31
28
D25 Prof. Dr. R…, Auszug aus einem Ergänzungsgutachten aus dem
29
vor dem Landgericht Mannheim anhängigen parallelen Verletzungsverfahren (7 O 72/16) vom 15.03.2018, Seiten 1 bis 12, Mitte
30
D26 Auszug aus „Principles of Polymerization“ George Odian, 3rd Edition, 2003, John Wiley & Sons, S. 54-56, 108/109 sowie S. 178-182
31
D27 Auszug aus “Sol-Gel Science”, C.J. Brinker und G.W. Scherer, Academic Press, 1990, S. 501-505
32
D28 Auszug aus “Sol-Gel Science”, C.J. Brinker und G.W. Scherer, Academic Press, 1990, S. 853-856
33
D29 JP H 035107 A
34
D30 GB 1 267 685 A
35
D31 Lehrbuchauszug Bettoni: „Submicron Porous Materials“, Springer International Publishing 2017, Kap. 2, S. 25-52
36
D32 Pekala, R.W., J. Mater. Sci. (1989) 24, pp. 3221-3227
37
Die Klägerin zu 2 macht mit ihrer Klage vom 30. Oktober 2017 geltend, das Streitpatent sei im Umfang des Anspruchs 11 wegen fehlender Patentfähigkeit (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und mangelnder Ausführbarkeit für nichtig zu erklären. Zudem sei die Priorität des Gegenstandes des Anspruchs 11 nicht wirksam beansprucht.
38
Wegen des Nichtigkeitsgrunds der fehlenden Patentfähigkeit stützt sich die Klägerin zu 2 auf folgende Druckschriften, wobei aufgrund der jeweils mit „K“ bezeichneten Druckschriften beider Klägerinnen die Dokumente der Klägerin zu 2 mit „E“ sowie gleicher numerischer Bezeichnung aufgeführt sind:
39
E1 DE 1 671 803 A1
40
E2 US 3 622 393 A
41
E3 FR 2 441 789 A2
42
E4 US 2 448 280 A
43
E5 US 6 241 928 B1
44
E6 US 6 187 250 B1
45
E7 US 2003/0124162
46
E8 US 5 306 555 A
47
E9 US 6 123 882 A
48
E10 US 3 042 573 A
49
E11 GB 1 014 791 A
50
E12 US 4 950 148 A
51
E13 Auszug aus “Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie”, 3. Auflage, Urban & Schwarzenberg, 1956, 642-648
52
E14 Auszug aus „Kunststoff-Folien“, J. Nentwig, 1994, 2, 3
53
E15 US 4 452 892 A
54
E16 US 5 665 442
55
E17 US 5 584 897 A
56
E18 US 5 004 761 A
57
E19 Hotza et al., Materials Science and Engineering A202, 1995, 206-217
58
E20 Auszug aus J. S. Reed, “Principles of Ceramics Processing”, 2nd Edition, John Wiley and Sons, Inc. 1995, Kap. 26, 525-541
59
E21 Gutachten Prof. S…
60
E22 US 4 176 117 A
61
E23 Wikipedia-Artikel „Polyurethan“
62
E24 Vergleich Beispiele E8 mit Beisp. 2 und 4 Streitpat.
63
E26 WO 99/15262 A1
64
E27 Auszug aus ,,Sol-Gel Science”, C. J. Brinker und G. W. Scherer, Academic Press Inc., 1990, xi, xii, Figur 1, 1-6
65
E28 Process news, Systeme und Lösungen für die Prozessindustrie, 2/2003
66
E29 US 2 868 280 A (13. Januar 1959)
67
E30 J. Wenzel: “Trends in sol-gel processing: Toward 2004.” Journal of Non-Crystalline Solids, 1985, 73.1-3, 693-699
68
E31 D. M. Smith et al.: “Preparation of low-density xerogels at ambient pressure.” Journal of Non-Crystalline Solids, 1995, 186: 104-112
69
E32 R. B. Seymour, C. E. Carraher “Polymer chemistry”, 5th Edition, New York, Dekker, 2000, 406-409
70
E33 Auszug aus J. M. G. Cowie, “Chemie und Physik der synthetischen Polymere“, Vieweg+Teubner Verlag; 1997, 28
71
E34 Merzbacher et al. “Carbon aerogels as broadband non-reflective materials”, Journal of Non-Crystalline Solids, Juni 2001, 285, 210-215
72
E35 Prof. Dr. R…, Auszug aus einem Gutachten aus dem vor dem
73
Landgericht Mannheim anhängigen parallelen Verletzungsverfahren (7 O 72/16) vom 08.11.2017, Seiten 1 bis 12, Mitte, und 30 bis 31
74
E36 Prof. Dr. R…, Auszug aus einem Ergänzungsgutachten aus dem
75
vor dem Landgericht Mannheim anhängigen parallelen Verletzungsverfahren (7 O 72/16) vom 15.03.2018, Seiten 1 bis 12, Mitte
76
E37 Protokoll d. Sitzung v. 11. Mai 2018 d. LG Mannheim 7 O 77/17
77
E38 JP H 035107 A mit Maschinenübersetzung als Anlage E38a
78
E39 GB 1 267 685 A
79
Die Klägerin zu 1 beantragt,
80
das europäische Patent 2 422 950 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 11 bis 14 für nichtig zu erklären.
81
Die Klägerin zu 2 beantragt,
82
das europäische Patent 2 422 950 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Patentanspruchs 11 für nichtig zu erklären,
83
Die Beklagte beantragt,
84
die Nichtigkeitsklage kostenpflichtig abzuweisen,
85
hilfsweise nach Maßgabe der Hilfsanträge 1 bis 5, in dieser Reihenfolge, eingereicht mit Schriftsatz vom 22.02.2019,
86
weiter hilfsweise, die Verteidigung des Anspruchs 12 als eigenen Anspruch sowie die Rückkehr in das schriftliche Verfahren, sofern sich der erstmals mit Schriftsatz vom 19.12.2018 geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Offenbarung hinsichtlich der Nichtrollbarkeit der nicht faserverstärkten Folien als entscheidungserheblich erweisen würde.
87
Die Klägerinnen treten auch den hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents entgegen.
88
Die Fassung des Patentanspruchs 11 nach dem Hilfsantrag 1 ergibt sich aus dem Tenor der vorliegenden Entscheidung. Wegen des Wortlauts der weiteren Hilfsanträge wird auf den Schriftsatz vom 19.12.2018 samt Anlagen Bezug genommen.
89
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerinnen in allen Punkten entgegen. Der Gegenstand des Streitpatents im angegriffenen Umfang sei ausreichend offenbart, und nehme die Priorität wirksam in Anspruch. Das Streitpatent habe jedenfalls im Umfang eines der Hilfsanträge auch Bestand, denn es sei neu und beruhe gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit, da seine Lehre dem Fachmann am Prioritätstag nicht nahegelegen habe.
90
Der Senat hat die Parteien mit einem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom 15. Oktober 2018 auf die Gesichtspunkte hingewiesen, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sind.

Entscheidungsgründe

A.
91
Die Klagen sind zulässig; dies gilt auch für die mit Schriftsatz der Klägerin zu 1 vom 19. Dezember 2018 vorgenommene Klageänderung in Form der Erweiterung auf die Unteransprüche 12 bis 14 sowie den Klagegrund der mangelnden Ausführbarkeit, da diese jedenfalls als sachdienlich anzusehen sind.
92
Die Klagen haben Erfolg, soweit sie die erteilte Fassung der Patentansprüche 11 bis 14 betreffen, die mangels Patentfähigkeit für nichtig zu erklären sind. Im Übrigen waren die Klagen abzuweisen, da Patentanspruch 11 und die darauf rückbezogenen Ansprüche 12 bis 14 in der Fassung nach Hilfsantrag 1 Bestand haben, nachdem keiner der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe insoweit durchgreift.
I.
93
1. Das Streitpatent betrifft die Herstellung von Gelfolien in einem kontinuierlichen Prozess mittels des Sol-Gel-Verfahrens.
94
Der Sol-Gel-Prozess stellt prinzipiell ein nasschemisches Verfahren dar, bei dem ein niedrig viskoses Sol das Ausgangsprodukt darstellt. Dieses Sol besteht üblicherweise aus einem kolloidal-dispersen System mit festen Partikeln fein verteilt in einer Lösung bzw. Dispersion (Nanopartikel), wobei sich durch Hydrolyse- und Kondensationsreaktionen aus dem Sol ein Netzwerk aus diesen Feinstpartikeln bildet. Durch diesen als „Gelierung“ bezeichneten Prozess entsteht ein viskoelastischer Festkörper, das Gel. Mit diesem Verfahren werden im Allgemeinen nichtmetallisch-anorganische Materialien oder anorganisch-polymere Hybridmaterialien hergestellt, vorliegend sind jedoch ausdrücklich auch (rein) organische Materialien mit umfasst (u. a. Absätze [0002] und [0008]).
95
Bei der anschließend in der Regel notwendigen Trocknung des Gels erfolgt – bei der Durchführung unter normalen Bedingungen – meist eine weitgehende Zerstörung der filigranen Netzstruktur, so dass sogenannte Xerogele entstehen. Um die ursprünglichen Feinststrukturen hingegen im Wesentlichen erhalten zu können, müssen die Trocknungsbedingungen in der Regel überkritisch – d. h. Trocknen oberhalb des kritischen Punktes des Lösungsmittels – durchgeführt werden, wodurch Aerogele entstehen, die höchste Porositätswerte bei extrem feiner Porenverteilung aufweisen können. Diese Materialien werden u. a. als Pulver, Beschichtungen, Feststoffkörper und Verbundwerkstoffe hergestellt bzw. verwendet und weisen ein breites Anwendungsspektrum auf.
96
Der letztendlich herzustellende Gegenstand des Streitpatents ist gemäß der Beschreibungseinleitung (Absätze [0001] bis [0003] der EP 2 422 950 B1) zwar auf die Herstellung von Aerogelen gerichtet, an mehreren anderen Stellen der Beschreibung (Absätze [0009], [0013] und [0024]) ist jedoch mit Bezug auf die Trocknung der Gelfolie gemäß Streitpatent sowohl von Aerogelen als auch von Xerogelen die Rede. Der eigentliche Gegenstand der Erfindung gemäß Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von mit Lösungsmittel gefüllten Gelfolien oder -bahnen in einem kontinuierlichen Herstellungsverfahren (Absatz [0001]).
97
Im Streitpatent ist eine Aufgabe explizit nicht genannt. Nach objektiven Gesichtspunkten kann als Aufgabe der Erfindung gesehen werden, Sol-Gel-Folienmaterial kostengünstiger und mit höherer Fertigungskapazität herzustellen (im Streitpatent unter „Zusammenfassung der Erfindung“ am Ende von Absatz [0013]). Dabei geht das Streitpatent offensichtlich von einer dort formulierten diskontinuierlichen, im „batch-Betrieb“ ausgeführten Verfahrensweise aus.
98
2. Als zuständiger Fachmann ist vorliegend ein Chemiker oder ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau bzw. Werkstoffwissenschaften mit Universitäts- bzw. Hochschul-Abschluss oder entsprechend anzusehen, der mehrere Jahre Berufserfahrung aufweist und bereits umfangreiche Erfahrungen im Bereich der Herstellung von Sol-Gel-Werkstoffen besitzt. Er kennt sich zudem mit der kontinuierlichen Verfahrenstechnik von Kunststofffolien gut aus oder zieht einen entsprechend beschlagenen Maschinenbau- oder Verfahrensingenieur hinzu.
99
II. Zur erteilten Fassung (Hauptantrag)
100
1. Ein Verfahren zur Lösung der Aufgabe lautet nach Anspruch 11 in einer gegliederten und übersetzten Fassung wie folgt, wobei die deutsche Übersetzung von derjenigen in der Streitpatentschrift abweicht:
101
11. Verfahren zur Herstellung von Gelfolien, umfassend die Schritte:
102
A process for preparing gel sheets, comprising the steps of:
103
11.1 Abgeben eines katalysierten Sols (74) auf ein Bewegungselement als eine kontinuierliche Bahn (75);
104
dispensing a catalyzed sol (74) onto a moving element as a continuous sheet (75);
105
11.2 Rollen der abgegebenen Folie zu einer Vielzahl von Schichten.
106
rolling the dispensed sheet into a plurality of layers.
107
Das Rollen der abgegebenen Folie ist zweifellos als ein “Aufrollen“ bzw. „Aufwickeln“ der Folie aufzufassen, die Begriffe „kontinuierliche Bahn“ in Bezug zu „Endlosfolie“ sind im Wesentlichen gleichwertig anzusehen.
108
2. Der Senat legt folgendes fachliche Verständnis zugrunde, das von einer am Gesamtzusammenhang der Streitpatentschrift und des Fachbereichs orientierten Betrachtung ausgeht:
109
Das in Patentanspruch 11 beschriebene Verfahren zur Herstellung von Gelfolien aus einem katalysierten Sol betrifft gemäß der Gesamtoffenbarung der Streitpatentschrift nicht nur die „üblichen“ bzw. „konventionellen“ nichtmetallisch-anorganischen Materialien sowie anorganisch-polymere Hybridmaterialien, sondern umfasst zudem explizit auch (rein) organische Materialien („The sol includes an inorganic, organic or a combination of inorganic/organic hybrid materials“, [0008]). Damit geht das Streitpatent über den „klassischen“ Werkstoffbereich hinaus und definiert somit diesen „zusätzlichen“ Bereich explizit als zur Erfindung zugehörig. Da das Streitpatent zum Sol-Gel-Verfahren von organischen Materialien keine expliziten Ausführungen macht, unterliegen diese Materialien allerdings ebenfalls den aus fachlicher Sicht prinzipiell gültigen Mechanismen der Sol-Gel-Herstellung, wonach „kolloidale Partikel“ in einem Sol aufgrund von Destabilisierung bzw. Aktivierung im Wesentlichen unter Hydrolyse und Kondensation gelieren. Jedenfalls ist eine reine, durch Monomere ablaufende Polymerisations- (Kettenpolymerisations-) oder Polyadditionsreaktion nicht von einem hier betrachteten Sol-Gel-Verfahren mit umfasst und liegt somit außerhalb dieses Herstellungsverfahrens.
110
Das Verfahren nach Anspruch 11 umfasst lediglich zwei Verfahrensschritte und „überlässt“ dem Fachmann somit weitestgehend die „Verfahrensweise“, um von einem katalysierten Sol zu einer aufgerollten Gelfolie zu gelangen. Eine „Gelierung“ des Sols ist als Verfahrensschritt bereits nicht formuliert und wird lediglich durch den eingangs in Merkmal 11 verwendeten Begriff „Gelfolie“ impliziert. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die vorliegende Anspruchsfassung den für einen unabhängigen, nebengeordneten Patentanspruch geltenden Anforderungen für eine Patenterteilung gemäß der Regel 43 EPÜ genügt oder nicht – diese Frage ist vorliegend irrelevant – das Verfahren bedarf jedenfalls der fachmännischen Auslegung.
111
Der erste Verfahrensschritt des Patentanspruchs 11 umfasst die Abgabe eines katalysierten Sols auf ein Bewegungselement (11.1), um eine kontinuierliche (Folien-) Bahn zu erzeugen. Das auf das Bewegungselement aufgegebene „katalysierte Sol“ stellt das in beliebiger Form hergestellte Ausgangsprodukt für den Sol-Gel-Prozess dar, das als niedrig viskoses, kolloidal-disperses System bereits mit einem beliebigen „Katalysator“ versehen ist, so dass Agglomeration bzw. Hydrolyse und Kondensationsreaktionen einsetzen können. Ob die Gelierung lediglich durch Instabilität oder gegebenenfalls (auch) durch Zusatz von Energie in beliebiger Form initiiert oder beschleunigt wird, bleibt offen.
112
Das „Abgeben“ des aktivierten Sols zur Herstellung einer kontinuierlichen Gelfolie erfolgt zweifellos als kontinuierliches „Gießen“ auf ein entsprechendes Bewegungselement. Gemäß Absatz [0021] wird das „monolithische“ oder „Komposit-Material“ nach einem Gießverfahren hergestellt, wobei das „Abgeben“ unter dem Begriff „Gießen“ subsumiert ist („The monolithic and composite gel material casting methods described in the present invention…“, „…dispensing the blended sol onto a moving conveyor mold…“, Spalte 9, Zeilen 35 – 41). Zudem wird gemäß der Figur 5 bei der Beschreibung des Verfahrens der Prozess des „Abgebens“ des katalysierten Sols ebenfalls als „Gießen“ bezeichnet – Gleiches gilt für die allgemeine Beschreibung des Prozesses in Spalte 4, Zeile 47 – so dass der Fachmann unter der entsprechenden Formulierung in Merkmal 1.1 nichts anderes als ein „Gießen“ versteht. Das gegenüber dem kontinuierlichen Gießen in der Streitpatentschrift auch vielfach beschriebene alternative halbkontinuierliche („semi-continuous“) Gießen in Gießformen, die auf einem Förderband platziert sind („If the conveyor has molds placed upon it…“, Ende Absatz [0017]), ist vom Wortlaut der Anspruchs 11 nicht umfasst.
113
Das katalysierte Sol wird gemäß der Anspruchsformulierung auf ein Bewegungselement aufgegeben und bildet somit – nach der Verfestigungsphase der Gelierung – in einer nicht weiter definierten Weise eine „kontinuierliche“ Bahn. Als Bewegungselement für die kontinuierliche Gelbahn-Herstellung einer aus einer Flüssigkeit entstehenden Gelbahn ist – im Gegensatz zum halb-kontinuierlichen Verfahren – ein Förder- bzw. Formungsband beschrieben („If the conveyor has molded edges that retain volume, then the gel can be directly cast onto the conveyor surface“, Spalte 8, Zeilen 19 – 21). Etwas anderes als ein „undurchlässiges“ Förder- bzw. Formungsband wird in der Streitpatentschrift nicht offenbart und kommt aus fachlichen Erwägungen als Bewegungselement auch nicht ohne Weiteres in Betracht. Insofern ergibt sich aus der Anspruchsfassung ein „direktes“ Aufgeben bzw. Gießen des Sols auf das Bewegungselement. Ein Gießen auf eine zuvor auf das Formungsband aufgelegte Faser- oder Vliesmatte ist somit nicht umfasst, zumal eine solche Zugabe einer Faser,- Vlies- oder Gewebelage auch nicht formuliert ist. Ob darüber hinaus in Bezug auf die Formungsfläche die dem Bewegungselement gegenüberliegende Fläche „frei“ bleibt, oder durch eine feststehende oder bewegte (zweites Bewegungselement) Fläche begrenzt wird, bleibt dabei offen. Während das Ausführungsbeispiel der Figur 4 lediglich ein Bewegungselement zeigt, offenbart die Figur 3 die Herstellung einer Gelbahn ohne Faser- oder Vliesmatte (Wattematerial) und somit eine „monolithische“ Folie mit einem zweiten Bewegungselement.
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114
Figur 3 des Streitpatents: Herstellung einer Gelfolie ohne Faser- oder Vliesmatte („monolithische“ Gelfolie)
115
Allerdings sollen diese beiden Ausführungsvarianten gemäß den Figuren 3 und 4 mit dem Schneiden und Weitertransportieren der monolithischen Folie gemäß der Beschreibung in Absatz [0016] offenbar gerade nicht inhaltlich von der vorliegenden Anspruchsfassung mit umfasst sein, da diese Varianten von „geschnittenen“ monolithisch hergestellten Gelfolien explizit ausgenommen sind („The first method (not claimed in the present application) … to cut and convey monolithic…sheets…“, Spalte 7, Zeilen 13 ff.). Dies gilt auch für ein „zweites Verfahren“, das gegebenenfalls eine entsprechende faserverstärkte Variante betrifft („The second method (not claimed in the present application) … to cut and convey solvent-filled, fiber-reinforced gel composite sheets into a rolling system…“, Spalte 7, Zeilen 20 ff.), zu der darüber hinaus eine Zuordnung zu einem explizit dargestellten Ausführungsbeispiel schwerfällt bzw. nicht klar wird. Denn ein „Schneiden“ und anschließendes „Aufrollen“ ist in allen dargestellten Ausführungsvarianten nicht gezeigt. Insofern beschreibt und zeigt das Streitpatent eine Vielzahl von Ausführungsvarianten, die von der Anspruchsfassung nicht umfasst ist.
116
Das Streitpatent offenbart durchgehend – im allgemeinen Teil der Beschreibung wie auch in Ausführungsbeispielen – sowohl Komposit-Gelbahnen als auch monolithische Gelbahnen („…the methods describe the formation of monolithic gel sheets or fiber-reinforced gel composite having two parts, namely reinforcing fibers and a gel matrix…“, [0009]). Sofern faserverstärkte Gelbahnen gemeint sind, wird von Faserverstärkung („fiber-reinforced composite sheets“, „fiber-reinforced gel composite sheets“, „gel matrix is reinforced“ oder „fiber reinforcements“, [0009] bis [0017]) gesprochen, sofern verfahrenstechnisch Faser- oder Vliesmatten bzw. faserförmiges Wattematerial auf das Förderband hinzugefügt werden, ist dies in der Streitpatentschrift ebenso explizit genannt („The fibrous batting or mat material is introduced onto the moving element for combination with the catalyzed sol prior to gelation“, Absatz [0008] letzter Satz). In Bezug auf die Ausführungsvarianten in den Figuren 1, 2 und 7 ist entsprechend formuliert, dass „fiber reinforced gel sheets“ bzw. „gel composite sheets“ hergestellt werden, wobei mit Verweis auf die Zeichnungen „fibrous batting material“ eingesetzt wird (Absätze [0035], [0036] und [0041]).
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117
Figur 1 des Streitpatents: Herstellung einer Komposit-Gelfolie mit Wattematerial (Faser- oder Vliesmatten)
118
Demgegenüber ist in den Ausführungsvarianten gemäß den Figuren 3 und 4, die entsprechend den Darstellungen keine Faser- bzw. Vliesmatte verwenden, lediglich von „gel sheets“ die Rede ([0037] und [0038]). Insofern verbindet der Fachmann den Begriff der Gelfolie, bei der darüber hinaus auch keine Faser- oder Vliesmatte (Wattematerial) zugeführt wird, mit einer „monolithischen Gelfolie“, da diese „monolithischen“ Varianten ebenfalls als Ausführungsvarianten – neben den Varianten mit Faser- bzw. Vliesmaterial – grundsätzlich in Betracht kommen. Demgemäß begreift der Fachmann die Formulierung des Anspruchs 11 als Verfahren für monolithische Gelfolien.
119
Dabei umfasst das Ausgangsmaterial für eine „monolithische Gelfolie“ auch alle potentiell beigefügten Komponenten gemäß der „Definition“ in Absatz [0021] („…all constituent components (solid precursor, dopants, additives) into a low-viscosity sol…“) bzw. gemäß den Ausführungen in Absatz [0026] („…doped with solids (IR opacifiers, sintering retardants, microfibers)“…), die bei einem hier betrachteten, niedrig viskosen Sol integral „dazugehören“ können. Eine Gelfolie in Form einer kontinuierlichen Bahn – als sogenannte monolithische Gelfolie – entsteht somit durch das Gießen eines katalysierten Sols mit seinen entsprechenden Zuschlagstoffen (direkt) auf das Bewegungselement, ohne die Zugabe einer Faser- oder Vliesmatte.
120
Eine derartige Auslegung ist jedoch nicht durchgängig und eindeutig durch die Beschreibung gestützt – wie demgegenüber im Übrigen auch die Klägerinnen und die Beklagte formuliert haben und den Anspruch 11 diesbezüglich „breiter“ ausgelegt sehen. Hierbei ist zum einen die Beschreibung des Ausführungsbeispiels zur Figur 8 heranzuziehen ([0042]), die nicht ganz in Einklang mit der dazugehörigen Figur zu bringen ist. Die Beschreibung macht an dieser Stelle keine Angaben hinsichtlich einer Faserverstärkung sowie insbesondere nicht im Hinblick auf die Zuführung eines Watte- oder Vliesmaterials in Form einer Matte und beschreibt demzufolge offensichtlich ein Verfahren zur Herstellung einer „monolithischen Gelfolie“. In der Figur 8 ist demgegenüber jedoch der Einzug einer Fasermatte auf das Förder- bzw. Formungsband dargestellt, so dass die Figur in dieser Hinsicht nicht mit der dazugehörigen Beschreibung kongruent ist. Dies ist im Gegensatz dazu in den Beschreibungen zu den Figuren 2 und 7, von denen sich das Ausführungsbeispiel der Figur 8 nur geringfügig – durch die „spacer“-Rolle (20) bzw. die Vorrichtung (76) zur Energieeinspeisung bei ansonsten gleichen Bezugszeichen entsprechend Figur 2 – unterscheidet, demgegenüber anders und für den Fachmann so auch plausibel beschrieben. Dort ist jeweils explizit von „gel composite sheets“ bzw. „fiber reinforced gel sheets“ die Rede und ein Hinweis auf das „batting material“ (25 bzw. 75) ist jeweils ebenfalls vorhanden. Insofern lässt der Fachmann die scheinbare Diskrepanz der Beschreibung in Bezug auf die Figur 8 außer Betracht.
121
In diesem Zusammenhang ist zum anderen auch der Beschreibungsteil in Absatz [0021] zu sehen, wonach dort die dritte Phase des in drei separate Phasen unterteilten (allgemeinen) Herstellungsprozesses besagt, dass eine monolithische Gelfolie geschnitten wird, während eine entsprechende faserverstärkte Gelfolie aufgerollt wird („The third phase of the invention process involves gel cutting and conveyance of monolithic gel sheets to a post-processing area or co-rolling a flexible, fiber-reinforced gel composite with a flexible, porous flow layer…“, [0021], Zeilen 47 – 51). Wollte man jedoch diesem Beschreibungsteil in Bezug auf die Auslegung des Anspruchs 11 folgen, so käme eine monolithische Gelfolie für das Aufrollen nicht in Betracht – noch nicht einmal fakultativ – und es müsste dem Verfahren demnach zwingend die Zuführung einer Faser- bzw. Vliesmatte „unterstellt“ werden. Eine derartige Auslegung wird jedoch dem gemäß Anspruch 11 formulierten Verfahren nicht gerecht, da die (eigentlich formulierte) monolithische Gelfolie inhaltlich „ausgeschlossen“ würde. Der Fachmann zieht eine derartige Auslegung und damit verbundene „sinngemäße Umkehrung“ nicht in Betracht. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil an anderer Stelle der Beschreibung ausdrücklich formuliert ist, dass bei den Herstellungsverfahren im Sinne des Streitpatents „Gelfolien…nach einem bzw. jedem der vorstehend genannten Verfahren“ zu mehreren Schichten gerollt werden („Still more specifically, according to this invention a method for producing gel sheets in a continuous fashion is described in which gel sheets are produced by any one of the above mentioned methods and are rolled into a plurality of layers“, Anfang Absatz [0012]). Diese „vorstehend“ aufgeführten Verfahren umfassen jedoch ebenfalls monolithische, nicht mit Faser- oder Vliesmatten verstärkte Gelfolien, so dass das Aufrollen dieser Varianten auch an dieser Stelle explizit formuliert ist. Der Fachmann zieht somit auch das Aufrollen monolithischer Gelfolien grundsätzlich in Betracht.
122
Das Rollen bzw. Aufrollen der gegebenenfalls am Ende des Bewegungselements oder auch zu einem späteren Zeitpunkt „abgegebenen“ Folie (Merkmal 11.2) erfolgt zweifellos im „Gel-Zustand“ der Folie, da die beiden Verfahrensschritte 11.1 und 11.2 jeweils unter dem Verfahren nach Merkmal 11 subsumiert sind. Wie und unter welchen Randbedingungen das Aufwickeln erfolgt, bleibt jedoch ebenfalls offen, beispielsweise kann auch die Trocknung des Gels noch nicht erfolgt sein. Während in der Beschreibung diesbezüglich formuliert ist, wonach das Aufrollen unter dem Aspekt erfolge, dass das Trocknungsverfahren so besonders effektiv durchgeführt werden könne („…gel sheets are produced by any one of the above mentioned methods and are rolled into a plurality of layers. This is a novel and effective way of producing gel sheets for efficient drying operations“, [0012]), ist in Merkmal 11.2 jedoch lediglich allgemein gesagt, dass das entsprechende (Auf-) Rollen „der abgegebenen Folie“ erfolge. Wo und wann die bzw. eine Abgabe erfolgt, ob die Gelfolie noch mit Lösungsmittel „gefüllt“ ist oder ob die Trocknung bereits durchgeführt wurde, ist nicht gesagt. Ein spezifisches Ausführungsbeispiel des vorliegenden Verfahrens ist im Übrigen in der Beschreibung nicht vorhanden, etwaige in den Figuren dargestellte Ausführungsvarianten, die dem Verfahren ähnlich erscheinen, schränken das Verfahren nach Anspruch 11 jedoch nicht dahingehend ein. Der entsprechende Beschreibungsteil beschränkt den Verfahrensschritt 11.2 darüber hinaus ebenfalls nicht. Somit kann prinzipiell auch eine vom „Lösungsmittel“ befreite Xerogel-Folienbahn aufgewickelt werden.
123
Dieses Aufrollen zu einer „Vielzahl von Schichten“ bildet somit in radialer Richtung nebeneinander bzw. übereinander liegende Schichten.
124
Der Senat hält – trotz der seitens der Parteien vorgezogenen spezifisch breiteren Auslegung des Patentanspruchs 11 – an der der vorstehenden „engeren“ Auslegung des Verfahrens fest, wonach das Verfahren nach Anspruch 11 sich nicht auf Faser- oder Vliesmatten-verstärkte Gelfolien erstreckt. Eine Beschränkung des Gegenstands eines Anspruchs auf eine Variante eines potentiellen Ausführungsbeispiels ist regelmäßig nicht erlaubt (BGH GRUR 2004, 1023 Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung), die Beschreibung sowie die Ausführungsbeispiele mit Zeichnungen sind lediglich in gleichwertiger und allgemeiner Form zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen. In der Streitpatentschrift ist an vielen Stellen – sowohl in der „allgemeinen“ Beschreibung, in einigen Ausführungsbeispielen als auch im Hauptanspruch – die Zuführung von Wattematerial bzw. von Faser- oder Vliesmatten genannt und stellt im Streitpatent einen ganz wesentlichen Verfahrensschritt dar. Alternativ ist ebenfalls durchgehend auch von monolithischen Gelfolien die Rede, so dass der Fachmann beim Fehlen sowohl dieses wesentlichen Verfahrensschrittes der Fasermattenzuführung als auch bei einem sonstigen fehlenden Bezug auf eine Faserverstärkung von einer monolithischen Gelfolie ausgeht. Demzufolge hätten sowohl eine fakultative wie auch eine ausschließliche Verwendung einer Faserbahn explizit in der Anspruchsfassung des Verfahrens nach Anspruch 11 formuliert werden müssen. Dies gilt umso mehr, als das Abgeben des katalysierten Sols auf ein Bewegungselement erfolgen soll und somit auch eine direkte Beaufschlagung des Sols auf das Förderband nahezu impliziert wird.
125
Die seitens der Klägerin zu 1 insbesondere für ihre Sichtweise der Auslegung herangezogene Stelle der Beschreibung, wonach gemäß Absatz [0021] formuliert sei, dass die monolithische Gelfolie geschnitten und weiterbefördert wird (Spalte 9, Zeilen 47 ff.), zieht der Fachmann nicht in Betracht, da gemäß den vorstehenden Ausführungen (s. o. Absatz unterhalb Figur 3) mit Bezug auf Absatz [0016] des Streitpatents die „geschnittenen“ monolithischen Varianten der Ausführungsbeispiele nach den Figuren 3 und 4 vorliegend nicht betrachtet werden sollen.
126
3. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 11 nicht gegeben, da das Verfahren zum Herstellen von Gelfolien nach Anspruch 11 im Stand der Technik gemäß der D5 bzw. E1 bereits vorbekannt war. Der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) liegt daher vor.
127
Die Druckschrift D5 bzw. E1 (DE 1 671 803 A) offenbart ein kontinuierliches Verfahren zur Herstellung von mikroporösen Batteriescheidern (Bezeichnung der D5/E1). Hierzu offenbart das Dokument nach Patentanspruch 1 ein Verfahren, bei dem alternativ in kontinuierlicher Arbeitsweise eine Lösung eines wärmehärtenden Harzes in einem flüchtigen Medium hergestellt wird und diese Lösung mit einem für das Härten des eingesetzten wärmehärtenden Harzes geeigneten Härter versetzt wird (1.a und 1.b des Patentanspruchs 1). Damit wird ausdrücklich eine „katalysierte Harzmischung“ hergestellt (Seite 4, Absatz 4). Die D5/E1 geht dabei von einem Stand der Technik aus, den sie weiterentwickeln will und deren Batteriescheider „die gewünschten Eigenschaften besitzen“ (Seite 1, unterster Absatz), die „dadurch hergestellt werden können, dass man einer Phenol/Formaldehyd-Lösung bzw. –Harzdispersion ein Polyhydroxybenzol [Resorcin] mit aktivierten ortho- und/oder para-Stellungen zusammen mit Formaldehyd zusetzt…“ (Seite 2, oben). Insofern ist ein aktiviertes bzw. explizit als katalysiert bezeichnetes Sol eines Polymers im Sinne des Streitpatents gemäß Merkmal 11.1 offenbart. Der Härter stellt dabei „ein die Geliergeschwindigkeit der Harzmischung erhöhender Katalysator“ dar (Seite 5, Absatz 2).
128
Das Ausführungsbeispiel gemäß der einzigen Figur der D5/E1 zeigt dabei auch ein Bewegungselement (Band L). Diesbezüglich ist auch beschrieben, dass die Harzmischung aus dem Vorratstank S in den Mischkopf M geleitet wird und dort mit einem Beschleuniger aus dem Vorratstank CA zugesetzt wird (Aktivieren bzw. Katalysieren des Sols; Seite 17, Absatz 2). Von dort wird die Harzmischung (über Zwischeneinrichtungen) auf den geneigten Teil L1 des unteren Bandes L verteilt (dto.) und somit „abgegeben“ bzw. gegossen, so dass eine kontinuierliche Gel-Folienbahn gebildet wird (Merkmal 11.1). Dieses Verfahren kann alternativ auch in Verbindung mit einem Fasergewebe (Fasermatte FM) erfolgen, so dass ein entsprechender Verbundwerkstoff hergestellt wird. Gemäß der vorstehenden Formulierung der Beschreibung sowie dem Anspruch 1 handelt es sich jedoch hierbei um eine „monolithische“ Gel-Folienbahn ohne Fasermatte.
129
Nach Anspruch 1, Verfahrensschritt d) der D5/E1 verfestigt sich die Mischung, während sie „zwischen den sich bewegenden Bändern eingeschlossen ist“. Dabei sind „die flüchtigen Bestandteile feinverteilt enthalten“ und „zwischen den sich bewegenden Bändern eingeschlossen…“, „um ein Verdampfen der flüchtigen, in der Harzmischung enthaltenen Anteile während des Gelierens des Harzes zu verhindern“. Mit der Zielsetzung der Verfestigung bewegen sich die Bänder auch mit einer vorbestimmten Geschwindigkeit, die ermöglicht, dass die Gelbildung zwischen diesen Bändern wirksam erfolgt. „Die Länge der einander gegenüberliegenden Bandabschnitte sowie die Laufgeschwindigkeit der Bänder muss an die Gelierungsgeschwindigkeit der Harzmischung angepasst werden, da die Mischung zu einem dimensionsstabilen Produkt verfestigt ist, wenn sie am Austrittsende die beiden Bänder verlässt.“ (Seite 12, Absatz 2). Damit liegt am Austrittsende des Bewegungselements L eine Gel-Folienbahn vor (Merkmal 11).
130
Das Verdampfen der flüchtigen Anteile erfolgt gemäß dem Ausführungsbeispiel erst nach dem Gelieren außerhalb der durch die Bänder gebildeten Bewegungsbahn, so dass man anschließend – nach dem Verdampfen der flüchtigen Anteile – mikroporöse Bahnen erhält (Seite 6, Absatz 1). Beispielhafte Polymere für das Verfahren auch der D5/E1 sind u. a. Polyolefine und Resorcin, die u. a. auch beim Streitpatent Anwendung finden.
131
Beim Verfahren der D5/E1 gemäß Ausführungsbeispiel (Seite 18, 3. Absatz bis Seite 19, 1. Absatz und Figur) wird die Gelfolie anschließend durch eine Waschstraße geführt, anschließend in der Trockenstation (D) getrocknet (Verdampfen der flüchtigen Anteile, Verfahrensschritt e) nach Anspruch 1) und einer Längsschneidevorrichtung (SL) zugeführt, „…worauf sie anschließend zu Rollen der porösen Bahnen aufgewickelt werden…“ kann. Gegebenenfalls anschließend kann noch eine weitere Aushärtung in einem Härteofen (CUR) erfolgen. Damit wird auch gemäß der D5/E1 eine als mikroporös bezeichnete Folienbahn, die als Xerogel-Bahn im Sinne des Streitpatents aufzufassen ist, als abgegebene Folie aufgerollt, die dann eine Vielzahl von Schichten bildet. Das Merkmal 11.2 ist somit ebenfalls aus der D5/E1 bekannt, so dass somit das Verfahren nach Anspruch 11 insgesamt aus der D5/E1 bekannt ist.
132
Die Beklagte hat nach Ansicht des Senats nicht Recht, wenn sie sagt, dass in der D5/E1 keine Sol-Gel-Chemie beschrieben sei und insofern der Auslegung des Senats nicht zustimmt. D5/E1 würde lediglich „Harze“ beinhalten, wohingegen ein Sol ein Kolloid sei und dies für Harze nicht zuträfe. Jedenfalls gäbe es Zweifel an einer diesbezüglich eindeutigen Offenbarung der D5/E1, die im Übrigen durch die Druckschriften D31 und D32 bestärkt würden. Des Weiteren beträfe die Druckschrift D5/E1 keine Herstellung von Aerogelen.
133
Es handelt sich beim Verfahren der D5/E1– wie bereits vorstehend hervorgehoben – um ein gemäß Streitpatent explizit auch auf organische Materialien „erweitertes Sol-Gel-Verfahren“, so dass dieser Fachbegriff gemäß seiner eigenen Definition auch diese sehr „breite Materialgruppe“ prinzipiell mit umfasst. Darüber hinaus sind im Streitpatent mehrfach ausdrücklich die Ausgangsstoffe Resorcin/Formaldehyd genannt, die zudem über eine Kondensationsreaktion zu einem Duromer (Phenoplast) überführt werden.
134
In der D5/E1 liegt nun – wie ebenfalls bereits erläutert – eine „Lösung“ der Monomer- bzw. Oligomerkomponenten vor, was dementsprechend einer kolloidalen Lösung entspricht. Die Begriffe „kolloidale Lösung“ sowie „kolloidale Dispersion“ sind, in Anbetracht der Partikelgrößen, synonym zu betrachten, so dass im Rahmen der im Streitpatent formulierten Definition des Begriffs Sol-Gel – beim Beispiel von Wasser als Lösungsmittel sowie der hohen Löslichkeit von Resorcin in Wasser – von einem Sol gesprochen werden kann. Ein Gel liegt im vernetzten bzw. ausgehärteten Zustand ebenfalls vor, da das auch in der D5/E1 so genannte Gel in „dimensionsstabilen Bahnen verfestigt werden kann, die das flüchtige Lösungsmittel in feiner Verteilung enthalten“ (Seite 6, oben). Diese Bahnen stellen somit ein „Lipogel“ dar und sind zudem mikroporös („mikroporöse Bahnen“, dto.) und werden anschließend zu einem Festkörpergel (Xerogel oder Aerogel) getrocknet.
135
Der von der Beklagten gemachte Bezug zum Dokument D32 (Pekala) – sowohl direkt als auch indirekt über die D31 mit der dort aufgeführten Verweisung auf die D32 – zur Unterscheidung gegenüber der D5/E1 und eines das Resorcin/Formaldehyd-System betreffenden „wahren“ Sol-Gel-Verfahrens, ist wenig hilfreich, da das dort offenbarte Sol-Gel-Verfahren zur Herstellung von Aerogelen aus Resorcin/Formaldehyd grundsätzlich den Beweis nicht erbringen kann, dass das Verfahren gemäß der D5/E1 kein Sol-Gel-Verfahren darstellt. Die Bestrebungen des Verfahrens in der D32 sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass ein organisches
Aerogel hergestellt werden soll, was gemäß Anspruchsfassung im Streitpatent nicht gefordert ist. Gegebenenfalls insofern unterscheiden sich wesentliche Prozessparameter bereits von denen der D5/E1 sowie eines entsprechenden potentiellen Verfahrens gemäß Streitpatent. Denn die Resorcin/Formaldehyd-Mischung wird in der D32 in kleinen Glasampullen mit einem Volumen von 10 cm³ eingeschlossen und in bevorzugt 7 Tagen in einem Wärmeofen geliert (D32, Seite 2, linke Spalte, etwa Mitte). Das sind Werte in Bezug auf Volumen und Verfahrenszeit, die fern ab einer kontinuierlichen Fertigung liegen, so dass der Fachmann, der eine kontinuierliche Sol-Gel-Fertigung zur Herstellung von Resorcin/Formaldehyd-Folien in Betracht zieht, derartige Prozessparameter nicht zum Vorbild hat.
136
Ferner ist weder der Anspruchswortlaut noch die Beschreibung des Streitpatents grundsätzlich auf ein Verfahren zur Herstellung eines Aerogels beschränkt, wie demgegenüber die Beklagte ausführt. Wie ebenfalls bereits vorstehend erläutert, umfasst die Beschreibung des Streitpatents explizit sowohl Aerogele wie auch Xerogele, darüber hinaus ist weder die Herstellung eines Aerogels mit dem Verfahren beansprucht, noch ist die Trocknung der Gelfolie überhaupt vom Anspruchswortlaut umfasst. Damit ist die weitere Herstellung zu einem „trockenen“ Gelkörper vorliegend irrelevant.
137
Nachdem alle Merkmale aus der D5/E1 bekannt sind, ist das Verfahren nach Anspruch 11 nicht neu.
138
4. Nachdem das Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hauptantrag nicht patentfähig ist, fallen mangels Geltendmachung eines jeweils eigenständigen erfinderischen Gehalts auch die angegriffenen Unteransprüche 12 bis 14; ein solcher eigener erfinderischer Gehalt ist für den Senat auch nicht ersichtlich.
139
III. Zur Fassung nach dem Hilfsantrag 1
140
1. Das Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 sieht eine Beschränkung des Verfahrens nach Anspruch 11 gemäß Hauptantrag auf Silica-Gelfolien vor und lässt sich entsprechend gliedern:
141
11.‘ Verfahren zur Herstellung von Silica-Gelfolien, umfassend die Schritte:
142
11.1‘ Abgeben eines katalysierten Silica-Sols (74) auf ein Bewegungselement als eine kontinuierliche Bahn (75);
143
11.2 Rollen der abgegebenen Folie zu einer Vielzahl von Schichten.
144
Das Ausgangsmaterial ist nun ein Silica-Sol, das zu einem Silica-Gel mit einem SiO2-Grundgerüst geliert. Dieser typische Vertreter der Sol-Gel-Chemie ist auch das Material in den fünf Referenz-Beispielen (Reference Example 1 – 5, [0044] – [0048]), die in der Streitpatentschrift exemplarisch ausgeführt sind.
145
2. Das Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 ist neu, keine der im Stand der Technik befindlichen Druckschriften weisen alle Merkmale dieses Verfahrens auf.
146
Die seitens der Klägerinnen in Bezug auf die Neuheit – gemäß ihrer Auslegung des Verfahrens – herangezogene Druckschrift D22/E26
(WO 99/15262 A1) offenbart einen stoffdurchlässigen Verbundwerkstoff sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung. Ausgehend von einem „durchbrochenen und stoffdurchlässigen Träger“, auf den eine „Suspension“ aufgebracht wird, die „zumindest eine anorganische Komponente (…) und ein Sol aufweist“ und wobei diese „Suspension … auf oder im oder aber auf und im Träger[material] verfestigt wird“, allgemeine Beschreibung Seite 3, Zeilen 11 – 23; Patentanspruch 31. Die Suspension besteht dabei offensichtlich aus einer, aus einem sehr breiten chemischen Spektrum auswählbaren, beliebigen anorganischen Komponente (Seite 7, Zeilen 10 ff.) und einem beliebigen Sol, das ebenfalls aus einer Vielzahl von Verbindungen aufgebaut sein kann (Seite 9, Zeile 25 bis Seite 6, Zeile 19). Insbesondere ist dabei auch das „Silicasol“ als „handelsübliches Sol“ genannt (Seite 10, Zeile 19). Damit wird ein Sol eingesetzt und mit einer anorganischen bzw. keramischen (Nano-) Partikelkomponente vermischt und anschließend – als „Suspension“ bezeichnet – auf den Träger aufgebracht.
147
Das Abgeben bzw. Aufbringen der Suspension auf den Träger kann dabei auch als „Aufgießen“ erfolgen (Seite 9, Zeile 9), so dass auf diese Weise die Herstellung in einem kontinuierlichen „Durchlaufverfahren“ zu einem Verbundwerkstoff möglich ist (Seite 12, Zeilen 14 – 21). Nach einer Erwärmung des mit der Suspension beschichteten Trägers kann der hergestellte Verbundwerkstoff „auf einer…Rolle aufgerollt“ werden (dto.; Merkmal 11.2). Wie allerdings das „Aufgießen“ erfolgt – ob das Gießen mit einem Silica-Sol realisiert wird, ob dieses Sol katalysiert vorliegt und ob diese Variante dann anschließend gerollt wird, ist in der D22/E26 nicht im Zusammenhang beschrieben.
148
Eine Gelierung zu einer Silica-Gelfolie wird in der D22/E26 zudem nicht offenbart. Zwar wird als Ausgangsstoff für die Herstellung der Suspension ein Sol eingesetzt, von einer Gelierung nach „Aufbringen“ der Suspension auf den Träger ist jedoch nicht explizit die Rede. Demgegenüber ist eine Gelierung an sich mehrfach angesprochen, so soll die Gelierung bei der Herstellung der Suspension gemäß den Ausführungsbeispielen 1.1 bis 1.19 – zumindest zum Zeitpunkt der Herstellung der Suspension – jeweils ausdrücklich vermieden werden. Das „entstehende“ bzw. „ausfallende“ Gel (Beispiele 1.3, 1.4 und 1.8) sowie die entsprechenden entstehenden „Agglomerate“ bzw. „Trübungen“ (alle übrigen Beispiele zur Herstellung von Suspensionen) werden dabei durch „Peptisieren“ (Peptisation) wieder deagglomeriert bzw. beseitigt und somit als Sol offensichtlich stabil gehalten. Anschließend wird die anorganische, keramische Komponente hinzugefügt, so dass eine „Suspension“ gebildet wird, die offensichtlich auch eine „Sol-Komponente“ besitzt. Ob die durch Vermischung von Sol und anorganischer Komponente entstandene, sogenannte Suspension jedoch (noch) als Sol bezeichnet werden kann und diese – da zuvor als Sol stabilisiert – überhaupt in katalysierter Form vorliegt, erscheint dem Fachmann nicht ganz eindeutig und kann somit nicht zweifelsfrei als offenbart gelten, da die Fachbegriffe „Sol“ und „Gel“ im Dokument D22/E26 an anderer Stelle jeweils explizit genannt und fachspezifisch verwendet sind. Demzufolge ist auch eine Gelierung der Suspension und somit die Bildung eines Gels nicht zweifelsfrei offenbart, nachdem die Suspension auf den „durchbrochenen und stoffdurchlässigen Träger“ aufgebracht wurde. In der D22/E26 ist im Wesentlichen von „Verfestigen“ die Rede, wobei hierzu – gemäß den Ausführungsbeispielen – die Suspension alternativ mit Luft, in einem Ofen oder mittels Wärmestrahlung (Infrarot) „getrocknet“ wurde.
149
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Trocknung der Suspension der D22/E26 als Gelierung bezeichnet werden kann – Anteile des Sols können dabei nach der Trocknung bzw. Verfestigung durchaus als Gel an dem Substrat- bzw. Matrixkörper „Träger“ vorliegen – es wird jedoch in dieser Druckschrift keine (Silica-) Gelfolie bzw. (Silica-) Gelbahn in Form einer durchgängigen Matrix offenbart, wie es dem Merkmal 11.‘ entspricht.
150
Das Aufbringen der Suspension auf den Träger hat bei der D22/E26 den Charakter einer „Beschichtung“ und stellt aus diesem Grund keine dementsprechende (Silica-) Gelfolie dar. Im allgemeinen Teil der Beschreibung der D22/E26 ist dies an zwei Stellen ausdrücklich formuliert („Der erfindungsgemäße Verbundwerkstoff hat den Vorteil, dass…anorganische Komponenten verfestigt werden können…, ohne dass die Beschichtung bei der Herstellung Schaden nimmt“, Seite 4, Zeilen 10 – 14; „…der durch Beschichten mit einer Keramik entstandene Verbundwerkstoff“ kann „auf einer Rolle auf- oder abgewickelt werden“, Seite 4, Zeilen 15 – 19). Dieses Aufrollen des erfindungsgemäßen Verbundwerkstoffs kann zudem „auf einen Radius von bis zu 1 mm“ erfolgen (dto.) und stellt sich somit – mit dem in der Beschreibung häufig verbundenen Anwendungsbeispiel einer Membran – als eine extrem dünne Folie dar, deren maßgebliche Flexibilität durch den elastischen Träger bedingt ist. Eine Silica-Gelfolie gemäß Streitpatent, die aus einer im Wesentlichen aus einem Gel bestehenden, durchgängigen bzw. kontinuierlichen Matrix gebildet ist – wie es der Begriff der „Gelfolie“ zweifelsfrei impliziert – ist jedenfalls in der D22/E26 nicht offenbart. Dort ist als (wesentliches) „Matrix-Material“ demgegenüber das Trägermaterial anzusehen, das mit seiner Struktur offensichtlich die wesentliche Trag- wie auch Elastizitätsfunktion einnimmt.
151
Durch den Einsatz eines unterbrochenen, stoffdurchlässigen Trägers offenbart die D22/E26 darüber hinaus bereits grundsätzlich keine monolithisch hergestellte Silica-Gelfolie entsprechend dem Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1. Somit ist dieses Verfahren neu gegenüber der D22/E26.
152
Gegenüber den weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften ist eine fehlende Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 nicht geltend gemacht worden.
153
3. Das Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 beruht darüber hinaus auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn es ist durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahegelegt.
154
Die vorstehend zur Neuheit bereits erörterte Druckschrift D22/E26 führt den Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1. Ein Abgeben eines Silica-Sols auf ein Bewegungselement zur Herstellung einer monolithischen Gelbahn kann bereits deshalb nicht nahegelegt werden, da die Verwendung des durchbrochenen Trägers in der D22/E26 für die Aufbringung der Suspension in Form einer Beschichtung elementar notwendig ist, um auf diesem mittels Trocknung verfestigt zu werden. Dieser Träger ist prinzipiell vorgesehen, so dass ein Weglassen eines derartigen Trägers für den Fachmann nicht in Betracht kommt und insofern durch andere Druckschriften auch nicht nahegelegt werden kann. Damit kann auch dahingestellt bleiben, ob das Katalysieren des Sols, das Gießen des Sols auf ein Bewegungselement in Form eines Formungsbandes sowie die Gelierung einer als Matrix vorliegenden Gelbahn, ausgehend von einem katalysierten Silica-Sol, durch den weiteren Stand der Technik nahegelegt werden können.
155
Die bereits zum Hauptantrag herangezogene Druckschrift D5/E1 offenbart mikroporöse Batteriescheider aus wärmehärtenden Harzen (vgl. unter II. 3.). Anorganische Sole bzw. Gele werden dort nicht in Erwägung gezogen oder genannt, so dass die Merkmale 11.‘ und 11.1‘ nicht aus der D5/E1 bekannt sind.
156
Die in der D5/E1 verwendeten Materialien sind allesamt Harze, die im eingesetzten getrockneten und mikroporösen Gel-Zustand „gehärtete Harze“ und somit Duromer-Kunststoffe darstellen. Sie sind damit insbesondere in Bezug auf die Materialeigenschaften nicht vergleichbar mit anorganischen, Glas- bzw. keramischen Gelmaterialien. Im besonderen Maße gilt dies im Hinblick auf die Elastizitäts- bzw. Verformungseigenschaften der beiden extrem unterschiedlichen Materialien, was gerade auch in Bezug auf den Verfahrensschritt des Aufrollens (Merkmal 11.2) von besonderer Relevanz ist. Ein Fachmann würde insofern, ausgehend von der D5/E1, ein entsprechendes kontinuierliches Verfahren bei einem anorganischen Sol-Gel-Prozess nicht in Erwägung ziehen.
157
Insofern stimmt der Senat den Ausführungen der beiden Klägerinnen nicht zu, wonach es sich dabei lediglich um einen naheliegenden „Austausch des Materials“ handeln würde. Der Fachmann sucht – ausgehend von der D5/E1 – auch nicht ohne Weiteres nach einem neuen Material, das zudem in einer völlig anderen Werkstoffgruppe mit anderem Chemismus und anderen Materialeigenschaften liegt, bei der zudem nicht zu erwarten ist, dass ein derartiges Material die elastischen Eigenschaften für ein Aufrollen überhaupt erfüllen kann. Insofern zieht der Fachmann, der sich mit der D5/E1 auseinandersetzt, für gegebenenfalls dort zu lösenden Probleme oder eine diesbezügliche Weiterentwicklung von Batteriescheidern andere Druckschriften aus dem Sol-Gel-Bereich mit Silica-Werkstoffen nicht in Betracht. Diese erscheinen ihm insbesondere mechanisch viel zu anfällig zu sein. Somit kann die Druckschrift D5/E1 auch in Zusammenhang mit dem weiteren Stand der Technik das Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag ebenfalls nicht nahelegen.
158
Auch ausgehend von der D11/E8
(US 5 306 555 A) gelangt der Fachmann nicht zum beanspruchten Verfahren. Diese Druckschrift offenbart ausschließlich faserverstärkte Sol-Gel-Materialien, die zudem jeweils diskontinuierlich hergestellt werden, so dass die Merkmale 11.1‘ und 11.2‘ nicht offenbart sind.
159
Als Sol können zwar typische Silica-Ausgangsmaterialien eingesetzt werden (TMOS, TEOS), diese werden allerdings jeweils mit Fasern bzw. Fasermatten in kleinen Formgrößen (Probengrößen Scheiben bis ca. 18 cm Durchmesser sowie Platten bis maximal 30,5 x 30,5 cm; Spalte 7, Zeilen 26 – 58 bzw. Spalte 12, Zeilen 36 – 39) eingesetzt. Derartige, im „Batch-Betrieb“ hergestellte „Laborgrößen“ sind bereits grundsätzlich nicht ohne gravierende verfahrenstechnische Änderungen in ein kontinuierliches Gießverfahren zu überführen. Allein dieser Aspekt der kontinuierlichen Herstellung von Silica-Gelfolien ist aus der D11/E8 nicht nahegelegt, da es hierzu in diesem Dokument keine Anregungen gibt. Die seitens der Klägerin zu 1 zitierten Stellen der D11/E8 zur Beschleunigung der dort beschriebenen Verfahren oder der Produktionsvergrößerung (u. a. Spalte 1, Zeilen 14 – 17, Spalte 2, Zeilen 11 – 14 und Spalte 12, Zeilen 62 – 65) führen höchstens zu einer Beschleunigung der Verfahren sowie Vergrößerung der Bauteile, allerdings lediglich im Rahmen der diskontinuierlicher Betriebsweise. Zu einem kontinuierlichen Herstellungsverfahren gelangt der Fachmann auch nicht unter Hinzuziehung seiner Fachkenntnisse, da er hierzu „technisches Neuland“ betreten hätte. Denn ein kontinuierliches Abgeben bzw. Gießen eines Silica-Sols zur Herstellung einer kontinuierlichen Gelfolie beinhaltet weitere verfahrenstechnische Veränderungen und Prozessschritte, deren Erfassung und Umsetzung für einen Fachmann nicht im Rahmen seiner Kenntnisse am Prioritätstag lagen und zu deren Realisierung er auch mit besonderen Schwierigkeiten rechnen musste.
160
Es ist gerade nicht so, wie die Klägerinnen mit Bezug auf das seitens der Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung eingereichte Schaubild 2 dargelegt haben, dass es lediglich zweier Schritte bedurfte, um zum beanspruchten Verfahren zu gelangen. Die unter „gedanklicher Schritt Nr. 1“ aufgeführte „Voraussetzung“, wonach „um kontinuierlich zu Gießen…“ lediglich noch einfache technische Maßnahmen erfolgen müssten, ist demgegenüber jedoch bereits wesentlicher Teil der Lösung, zu deren Umsetzung der Fachmann eine Vielzahl von Problemen lösen musste. Ein kontinuierliches Gießen auf ein Bewegungselement bzw. Förder- oder Formungsband bedingt gleichermaßen entweder eine kontinuierliche Herstellung des Sols oder erfordert zumindest eine (wesentlich) größere Charge („batch“) des Sols. Eine Übertragung der Aufbereitung eines Sols auf andere Chargengrößen ist aufgrund der in der Regel instabilen Nano-Dispersion nicht ohne Weiteres, zumindest nicht ohne eine Anpassung der Verfahrensparameter, möglich. Darüber hinaus erfordert das kontinuierliche Gießen aufgrund der diesbezüglich bedingten relativ kurzen Gelierungszeit auf dem Förder- bzw. Formungsband gegebenenfalls völlig andere Gelierungsbedingungen oder sonstige Einschränkungen in der Materialzusammensetzung, die unter Umständen einer umfangreichen Optimierung bedürfen. Nicht zuletzt verlangt auch die Weiterverarbeitung der kontinuierlich entstehenden Gelfolie am Ende des Förderbandes spezifische Folgeprozesse, die bei einem diskontinuierlichen Verfahren nicht thematisiert sind, so dass das kontinuierliche Gießen weitere, zum Teil ganz neue Prozessschritte nach sich zieht. Das Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 ist somit für einen Fachmann aus der D11/E8 allein aus dem Aspekt der dort nicht offenbarten kontinuierlichen Verfahrensweise nicht nahegelegt.
161
Dass die D11/E8 zudem lediglich faserverstärkte Gelmaterialien zum Inhalt hat und somit keine monolithischen Silica-Gelfolien betrifft, ist lediglich ein weiterer, aus der D11/E8 darüber hinaus nicht nahegelegter Aspekt. Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob das in der D11/E8 offenbarte „Aufrollen“ der diskontinuierlich hergestellten faserverstärkten Silica-Gelfolie „zu einem Zylinder“ gemäß dem Beispiel 2 („…rolled up in a cylindrical shape…“, Spalte 12, Zeilen 21 ff.) lediglich zu einem „geschlossenen“ Zylinder oder zu einem Körper zylindrischer Gestalt mit einer „Vielzahl von Schichten“ erfolgt. Das Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 ist aus der D11/E8 in Verbindung mit dem Fachwissen nicht nahegelegt.
162
Auch die Hinzuziehung der Druckschrift D5/E1 zum Ausgangspunkt der D11/E8 kann das Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 nicht nahelegen. Der Fachmann, der sich mit der Herstellung von Silica-Gelfolien befasst, die gemäß dem Sol-Gel-Verfahren hergestellt sind, zieht für die Weiterentwicklung des Verfahrens ein Dokument mit einem Verfahren zur Herstellung von Kunststoff-Gelbahnen nicht in Betracht. Die mechanischen Eigenschaften des Folienkörpers unterscheiden sich bereits gravierend, zudem ist der Chemismus der Herstellung ein anderer, so dass der Fachmann die D5/E1 nicht näher heranzieht.
163
Gleiches gilt prinzipiell für die Heranziehung der D22/E26 zur D11/E8. Die D22/E26 offenbart einen Verbundwerkstoff, der grundsätzlich einen „durchbrochenen Träger“ in einer Vielzahl von Ausführungsvarianten aufweist und beschreibt somit keine monolithische Gelfolie, so dass eine derartige auch nicht nahegelegt werden kann. Im Übrigen – hierzu sei auf die obigen Ausführungen unter III. 2. verwiesen – offenbart die D22/E26 bereits keine Silica-Gelfolie mit durchgehender Matrix gemäß dem Verständnis des Streitpatents. Somit beruht das Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Zusammenschau der D11/E8 mit der D22/E26.
164
Die seitens der Klägerin zu 2 noch im schriftlichen Verfahren herangezogene D30 (von J. Wenzel, 1985) beschreibt Trends in der Sol-Gel-Verfahrenstechnik und bezieht sich auch auf monolithische Silica-Gels (u. a. Seite 695, 3. (b) und (e), i. V. m. Seite 696, 4.1). Der in der D30 grundsätzlich unterstellte „Batch-Prozess“ bei dem Sol-Gel-Verfahren wird dabei – in der Vorausschau – erst in 20 Jahren kontinuierlich zu realisieren sein („Batch processing: in twenty years sol-gel processing will be continuous when economic considerations warrant“, Seite 697, 4.1 (e)). Damit wird gerade die Schwierigkeit eines kontinuierlichen Herstellverfahrens dokumentiert, die offensichtlich auf lange Sicht nicht zu realisieren sei. Damit kann auch die D30 das Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 nicht nahelegen.
165
Weitere Dokumente sind von den Klägerinnen zur Patentfähigkeit des Anspruchs 11 gemäß Hilfsantrag 1 nicht herangezogen worden. Das Verfahren nach Anspruch 11 nach Hilfsantrag beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
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4. Mit Patentanspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 haben auch die auf diesen rückbezogenen Unteransprüche 12 bis 14 gemäß Hilfsantrag 1 Bestand.
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5. Der von den Klägerinnen weiter geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Nicht-Ausführbarkeit aufgrund mangelnder Offenbarung nach Art. II § 6 (1) Nr. 2 IntPatÜG ist im Übrigen nicht gegeben, da das Verfahren des Streitpatents nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann dieses ausführen kann.
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Die Klägerin zu 2 bemängelt in ihrem schriftlichen Vorbringen zur mangelnden Offenbarung, dass im Verfahren nach Anspruch 11 – sowohl gemäß Haupt- wie auch nach Hilfsantrag 1 – kein Verfahrensschritt der Gelierung formuliert sei, und insofern nach dem Abgeben des Sols auch keine Gelierung vor dem Rollen stattfinden würde und somit die Herstellung der Gelfolie, wie beansprucht, nicht möglich sei. Dem ist allerdings zu entgegnen, dass – wie vorstehend zur Auslegung des Verfahrens nach Anspruch 11 gemäß Hauptantrag formuliert – dem Fachmann der Schritt des Gelierens implizit offenbart wird, da in Merkmal 11. bzw. 11.‘ die Herstellung einer Gelfolie durch die beiden sich jeweils anschließenden Prozessschritte mit umfasst wird. Klarer bzw. eindeutiger wäre zweifellos eine explizite Formulierung dieses Verfahrensschrittes, Gleiches gilt auch in Bezug auf eine gemäß dem Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Haupt- oder Hilfsantrag 1 nicht eindeutige Herstellung einer monolithischen, einer faserverstärkten oder einer fakultativ beide Gelfolien-Varianten umfassenden Herstellung. Allerdings ist dies im vorliegenden Fall eine Frage der Auslegung des Gegenstands des Patentanspruchs und nicht eine der fehlenden Ausführbarkeit.
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Die Klägerin zu 1 sieht – ebenfalls gemäß ihrem schriftlichen Vortrag – die Ausführbarkeit des Verfahrens nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 im Lichte der Auslegung in Bezug auf monolithische Gelfolien als nicht gegeben an und bezieht sich hierbei u.a. auf Ausführungen des Sachverständigen Prof. R… gemäß der
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D24/E35 sowie D25/E36. Ferner sei im Streitpatent „kein gangbarer Weg zur Ausführung“ der angeblichen Erfindung aufgezeigt, wonach eine monolithische Silica-Gelfolie aufgerollt würde, dementsprechende Beispiele würden jeweils ein Schneiden der Folie sowie eine dementsprechende Weiterverarbeitung beschreiben bzw. zeigen.
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Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. R… im parallelen Verletzungsverfahren (7 O 72/16 vor dem Landgericht Mannheim, D24/E35 sowie D25/E36) sind nicht geeignet, eine fehlende Ausführbarkeit des Verfahrens nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 zu begründen. Zu einen war die Frage der Ausführbarkeit der Lehre des Streitpatents nicht Gegenstand des Gutachtens, darüber hinaus ist eine Rollbarkeit auch der monolithischen Gelfolie nicht explizit ausgeschlossen worden. In dem ergänzenden Gutachten (D25/E36) ist unter Punkt 6. auf die Frage: „Sind die Ausführungen zum Aufrollen auf einen reinen Gelkörper beschränkt oder auf einen faserverstärkten?“ unter Bezug auf die monolithische („reine“) Gelfolie formuliert: „Ein Aufrollen eines reinen Gels im nassen Zustand ohne Aufrollhilfe ist nach meiner Erfahrung nicht möglich“, Seite 6, vorletzter Absatz. Damit ist jedoch eine prinzipielle Widerlegung einer potentiellen Aufrollung einer nassen, monolithischen Gelfolie nicht bestimmt.
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Eine fehlende Aussicht auf eine erfolgversprechende kontinuierliche Herstellung von monolithischen Gelfolien, die sich auch in der vorstehenden Einschätzung des Gutachters Prof. R… äußert, stellt kein Indiz oder Anzeichen dar, dass die Erfin-
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dung von einem Fachmann nicht ausführbar ist. Darüber hinaus war der Gutachter bereits nicht mit der Beantwortung der konkreten Frage betraut, ob das Verfahren nach Anspruch 11 nach Hilfsantrag 1 für einen Fachmann im patentrechtlichen Sinne ausführbar sei. Ferner ist es darüber hinaus für eine Erfindung nicht erforderlich, ein ausgereiftes Produkt herzustellen, das gegebenenfalls bereits ökonomischen Anforderungen („Marktprodukt“) entspricht. Es ist lediglich erforderlich, dass ein Fachmann die Erfindung gemäß den Angaben im Streitpatent nacharbeiten und eine entsprechende Gelfolie herstellen kann, wobei das Herstellprodukt sich lediglich im Rahmen des Verfahrensanspruchs bewegen muss. Insofern muss letztendlich lediglich die noch mit Lösungsmittel gefüllte monolithische Gelfolie aufrollbar sein, was zudem mit oder ohne Aufrollhilfe sowie mit einem beliebigen Aufrollradius erfolgen kann.
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Im Streitpatent sind neben den verschiedenen Ausführungsvarianten gemäß den Figuren 1 bis 8 noch fünf konkrete Ausführungsbeispiele (Reference Example 1 bis 5) beschrieben, die alle von einem Silica-Sol ausgehen und in ihrer Beschreibung die wesentlichen Verfahrensschritte sowie dazugehörige Parameter genügend ausführlich beschreiben. Die Ausführungsbeispiele 1 und 4 ([0044] und [0047]) sind dabei die beiden Verfahren, mit denen eine monolithische Gelfolie hergestellt wird. Dort wird allerdings, wie auch die Klägerin zu 1 ausführt, die Folie geschnitten und somit nicht aufgerollt.
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Eine in zwei Ausführungsbeispielen beschriebene, andere Verfahrensführung führt jedoch nicht dazu, dass ein beanspruchtes Verfahren nicht ausführbar ist oder anhand diesen Ausführungsbeispielen hätte ausgelegt werden müssen. Im Übrigen ist zudem in der Beschreibung des Streitpatents ausdrücklich formuliert, wie ebenfalls vorstehend bereits ausgeführt (II. 2.), dass diese besagten Ausführungsvarianten einer monolithisch (und darüber hinaus auch faserverstärkt) hergestellten Gelfolie in Verbindung mit dem anschließenden Schneiden gerade nicht „beansprucht“ wird. Grundsätzlich erfordern sowohl das Europäische Patentübereinkommen wie auch das deutsche Recht lediglich einen gangbaren Weg zur Ausführung der Erfindung. Insofern ist es nicht erforderlich, dass ein nebengeordneter Patentanspruch 11 durch ein explizit beschriebenes Ausbildungsbeispiel „repräsentiert“ sein muss.
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Das Verfahren nach Anspruch 11 gemäß Hilfsantrag 1 ist demzufolge für einen Fachmann so klar und deutlich offenbart, dass er es ausführen kann.
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6. Soweit die Klägerin zu 2 schriftsätzlich die wirksame Beanspruchung der Priorität durch die Beklagte bestritten hat, war dies nicht mehr Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Der Senat hatte schon im Hinweis vom 15. Oktober 2018 ausführlich begründet, dass er die Inanspruchnahme für wirksam hält; hierauf wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Im Übrigen ist diese Frage in Bezug auf den herangezogenen Stand der Technik unerheblich.
B.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, da der Senat von einem in etwa hälftigen Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien ausgeht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.


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