Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung

Aktenzeichen  3 Ni 30/14 (EP)

Datum:
8.12.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

nachgehend BGH, 21. März 2017, Az: X ZR 48/16, Beschluss

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 648 908
(DE 60 2004 002 877)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung am 8. Dezember 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, des Richters Dipl.-Chem. Dr. Egerer, des Richters Kätker sowie der Richter Dipl.-Chem. Dr. Wismeth und Dipl.-Chem. Dr. Freudenreich
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 648 908 wird im Umfang der Ansprüche 1 bis 7, 9, 11 und 13 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 9. Juli 2004 beim Europäischen Patentamt angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patents 1 648 908 (Streitpatent), das die Priorität der europäischen Anmeldung EP 03405551 vom 18. Juli 2003 in Anspruch nimmt.
2
Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Streitpatent wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 60 2004 002 877 geführt und trägt die Bezeichnung „Process For Preparing Acylphosphanes And Derivatives Thereof“. Es umfasst 13 Patentansprüche, von denen die zueinander in Nebenordnung stehenden Patentansprüche 1 und 13 in der englischen Verfahrenssprache wie folgt lauten:
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3
In deutscher Sprache lauten sie:
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4
Wegen des Wortlauts der übrigen, unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche wird auf die Patentschrift EP 1 648 908 B1 verwiesen.
5
Die Klägerin, die das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 7, 9, 11 und 13 angreift, macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend (Art. II § 6 (1) IntPatÜG i. V. m. Art. 138 (1) (a) EPÜ).
6
Sie stützt ihr Vorbringen unter anderem auf folgende Dokumente:
7
TM6 WO 2005/014606 A1;
8
TM7 EP 03 016 649.0 (Prioritätsdokument zu TM6);
9
TM8 WO 00/32612 A1;
10
TM9 US 3,397,039;
11
TM10 L. Brandsma et al., Synthetic Communications 24(2) (1994) 3219 bis
12
3223;
13
TM11 M.C.J.M van Hooijdonk, Dissertation 1999, Universität Utrecht;
14
TM12 K. Issleib, E. Priebe, Chem. Ber. 92 (1959) 3183 bis 3189;
15
TM13 K. Issleib, R. Kümmel, Z. Naturforschg. 22b (1967) 784 bis 785;
16
TM16 M.C.J.M van Hooijdonk et al, Phosphorus, Sulfur and Silicon 162 (2000) 39 bis 49;
17
TM17 F. Pass, H. Schindlbauer, Mh. Chem. 90 (1959) 148 bis 156;
18
TM18 US 5,472,992.
19
Nach Auffassung der Klägerin ist der angegriffene Teil des Streitpatents mangels Patentfähigkeit nichtig. Nachdem die Beklagte den angegriffenen Teil ihres Patents nur noch beschränkt verteidigt, macht die Klägerin geltend, dass den Gegenständen der angegriffenen Patentansprüche jedenfalls die erfinderische Tätigkeit fehle. Ausgehend von der Lehre der Druckschrift TM8 in Kombination mit einer der Druckschriften TM9 bis TM11 oder ausgehend von der Druckschrift TM18 in Kombination mit den Druckschriften TM17 unter Berücksichtigung von TM11, TM16, jeweils unter Berücksichtigung des Fachwissens, sei ihr Gegenstand nahegelegt. Entsprechendes gelte für die Gegenstände der Hilfsanträge.
20
Die Klägerin beantragt,
21
das europäische Patent 1 648 908 im Umfang der Ansprüche 1 bis 7, 9, 11 und 13 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
22
Die Beklagte beantragt,
23
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen,
24
dass das Streitpatent im angegriffenen Umfang die Fassung des Hauptantrags,
25
hilfsweise eines der Hilfsanträge 1 oder 2,
26
sämtliche gemäß Schriftsatz vom 7. September 2015, erhält.
27
Gemäß Hauptantrag werden im Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung die am Schluss des Verfahrensschritts (1) befindlichen Wörter „in Gegenwart einer Protonenquelle (Reduktion)“ durch die Wörter „in Gegenwart eines sterisch gehinderten Alkohols (Reduktion)“ ersetzt. Entsprechende Ersetzungen bzw. Beschränkungen werden auch in den weiteren Patentansprüchen 2, 3, 9 und 11 vorgenommen, wobei das entsprechende Merkmal in dem auf Patentanspruch 2 rückbezogenen Patentanspruch 3 wie folgt formuliert wird: „…; die Protonenquelle aus sterisch gehinderten Alkoholen ausgewählt ist; …“.
28
Außerdem enthalten die Patentansprüche 3 bis 5 gemäß Hauptantrag gegenüber der erteilten Fassung weitere Beschränkungen. Sie lauten wie folgt:
29
Patentanspruch 13 gemäß Hauptantrag lautet:
30
Gemäß Hilfsantrag 1 werden in Patentanspruch 1 stoffliche Einschränkungen in den Restebedeutungen der Produkte und damit auch der Edukte vorgenommen.
31
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:
32
Die übrigen Patentansprüche 2 bis 13 gemäß Hilfsantrag 1 sind identisch mit den Patentansprüchen 2 bis 13 gemäß Hauptantrag.
33
Gemäß Hilfsantrag 2 werden in den Patentansprüchen 1, 2, 9 und 11 „Lösungsmittel“ als „aromatische Lösungsmittel“ konkretisiert. Ansonsten sind die Patentansprüche 1 bis 13 mit den Patentansprüchen 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 1 identisch.
34
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie verweist auf folgende Dokumente:
35
M1 Versuchsbericht (Dr. R. H. Sommerlade vom 15.04.2015)
36
M2 Tabellarische Zusammenfassung der Versuche
37
M3 Gutachterliche Stellungnahme (Prof. Dr. H. Grützmacher vom 15.04.2015)
38
M4 Expert Opinion (Prof. Dr. J. M. Goicoechea vom 02.09.15)
39
M5 Versuchsbericht (Dr. R. H. Sommerlade vom 05.09.2015)
40
Nach ihrer Auffassung ist der angegriffene Teil des Streitpatents neu gegenüber dem Stand der Technik, insbesondere gegenüber der Druckschrift TM6. Dies gelte jedenfalls für die nunmehr mit Hauptantrag und mit Hilfsanträgen 1 und 2 verteidigten Fassungen des Streitpatents im Hinblick auf die darin vorgenommene Beschränkung der Protonenquelle auf sterisch gehinderte Alkohole in Verfahrensschritt (1) des jeweiligen Patentanspruchs 1.
41
Zudem sei mit Patentanspruch 13 gemäß Hauptantrag klargestellt, dass das zu oxidierende oder sulfidierende Acylphosphan gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellt werde, so dass auch sein Gegenstand neu sei. Falls dieser Patentanspruch in der Weise weit ausgelegt werden sollte, dass er sich nicht (allein) auf die nach den Verfahren gemäß den Patentansprüchen 1 bis 12 bzw. den entsprechenden Teilen der Beschreibung gewonnenen Acylphosphane beziehe, so handele es sich jedenfalls um eine zulässige Beschränkung des Patents.
42
Weiterhin beruhten die Gegenstände der angegriffenen Patentansprüche des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit. Diese könnten nicht durch den Stand der Technik, insbesondere nicht durch die Druckschriften TM8 bis TM13 und TM16 bis TM18 in Frage gestellt werden. Vielmehr sei es überraschend, dass eine Ausbeuteverbesserung gerade durch die Maßnahme einer Protonierung erzielt werden könne, von der der Fachmann eine deutlich reduzierte chemische Reaktivität der Zwischenstufe aufgrund einer verringerten negativen Ladung am Phosphoratom angenommen hätte.


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