Patent- und Markenrecht

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung; Markenbeschwerdeverfahren – “Absolut Berlin” – keine Unterscheidungskraft;

Aktenzeichen  27 W (pat) 524/10

Datum:
28.9.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
27. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung
30 2009 019 290.1 / 43
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 28. September 2010 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Anmeldung der Wortmarke 30 2009 019 290.1
2
Absolut Berlin
3
für die Dienstleistungen
4
„Telekommunikation (Betrieb einer Internetseite); Transportwesen, Veranstaltung von Reisen; Dienstleistung zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen“
5
hat die Markenstelle mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 zurückgewiesen. Dies ist damit begründet, im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen werde zumindest ein beachtlicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise die Wortfolge „Absolut Berlin“ als Hinweis darauf verstehen, dass die Dienstleistungen ausschließlich und vollständig in Berlin erbracht würden bzw. mit dieser Stadt in direkter Verbindung stünden.
6
Der Sinngehalt des Wortes „absolut“ ergebe sich immer erst aus dem Kontext. Es bedeute unabhängig von dem nachfolgenden Begriff „rein“ oder „vollkommen/vollständig“. Entgegen der Meinung des Anmelders sei auch eine Kombination mit dem Begriff „Berlin“ ohne weiteres möglich und werde in vergleichbarer Kombination bereits so verwendet.
7
Werbemäßig häufig verwendete Wortkombinationen, wie „absolut München“, „absolut Köln“ etc., wiesen auf bestimmte Eigenschaften bzw. auf einen bestimmten Flair der betreffenden Dienstleistungen hin.
8
Damit würden die angesprochenen Verkehrskreise „absolut Berlin“ nicht als Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb ansehen. Dem angemeldeten Zeichen fehle daher die Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Die Frage, ob auch ein Freihaltungsbedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliege, könne bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
9
Die Anmelder haben am 14. Januar 2010 Beschwerde eingelegt und dazu vorgetragen, die Markenstelle habe die Bedeutung von „absolut“ falsch bewertet. In Kombination mit einem Städtenamen wirke es nicht beschreibend.
II.
10
Über die Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden; die Anmelder haben sie nicht beantragt und der Senat erachtet sie nicht für geboten.
11
Die Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Einer Registrierung der angemeldeten Marke steht für die beanspruchten Dienstleistungen das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft entgegen.
12
Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und von denjenigen anderer zu unterscheiden. Wörter besitzen keine Unterscheidungskraft, wenn sie nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice).
13
Die Prüfung der Unterscheidungskraft darf sich nicht auf die Erörterung eines beschreibenden Gehalts der fraglichen Marke beschränken (vgl. Ströbele, GRUR 2005, 93, 96). Maßgebend ist vielmehr, ob das Publikum in der angemeldeten Marke einen Herkunftshinweis erblickt oder nicht.
14
Diese Beurteilungsmaßstäbe gelten unterschiedslos für jede Markenform. Es gibt keine rechtliche Grundlage, an bestimmte Markenformen weniger strenge rechtliche Maßstäbe anzulegen (EuGH GRUR 2003, 514 – Linde; BGH GRUR 2000, 321 – Radio von hier für Slogans; GRUR 2001, 1150 – Look für Werbeschlagwörter; GRUR 2001, 334 – Gabelstapler; GRUR 2002, 517 – Zahlen; WRP 2003, 517 – Z).
15
Dem vorangestellten Markenbestandteil „ABSOLUT“ kommen zwar abstrakt betrachtet mehrere Bedeutungsgehalte zu, wie beispielsweise „unumschränkt, unbedingt, unangefochten, völlig, vollkommen, ganz und gar“. Eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit ist darin aber nicht zu sehen. Ob eine Angabe als Herkunftshinweis geeignet ist, beurteilt sich nach dem Verständnis der beteiligten Verbraucher, im vorliegenden Fall also nach dem des allgemeinen Publikums. Durchschnittsverbraucher im Bereich der hier beanspruchten Dienstleistungen, die jedermann ansprechen, neigen nicht dazu, eine Marke unter allen grammatikalisch möglichen Begriffsvarianten zu betrachten, vielmehr werden sie der angemeldeten Wortfolge ohne weitergehende sprachliche Analyse den unkompliziertesten und nahe liegendsten Bedeutungsgehalt „Alles zu Berlin; völlig berlinerisch“ zuschreiben.
16
Damit fehlt im Hinblick auf die fraglichen Waren die erforderliche markenrechtliche Unterscheidungskraft, da das Publikum „Absolut Berlin“ als allgemeines Schlagwort und nicht als Herkunftshinweis versteht.
17
Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts zu „absolut“ begründen kein anderes Ergebnis. So hat sich der BGH in seiner Entscheidung (GRUR 1999, 1096 ff.) zu den Eintragungshindernissen nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG nicht geäußert. Das Patentgericht (26 W (pat) 5/95) hat die Schutzfähigkeit des Markenwortes in Alleinstellung zwar bejaht, dies aber ausdrücklich damit begründet, dass der fragliche Begriff stets einer Ergänzung oder eines sonstigen Kontextes bedürfe, um eine beschreibende Aussage zu vermitteln. Dies ist vorliegend der Fall.
18
Im Übrigen ist die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage, weshalb selbst aus gegenläufigen Vorentscheidungen keine anspruchsbegründende Selbstbindung der gerichtlichen Entscheidungspraxis erwachsen könnte.
19
Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.


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