Sozialrecht

Angelegenheiten nach dem SGB II

Aktenzeichen  S 41 AS 171/21 ER

Datum:
15.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21538
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 31.1.2021 wird abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Die Antragstellerin (Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), insbesondere die Übernahme ihrer tatsächlichen statt der nach Auffassung des Antragsgegners (Ag.) angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von Februar bis Juli 2021.
Die am 1966 geborene Ast. ist nach ihren Angaben alleinlebend. Sie bezieht seit November 2019 laufend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Ag.
Die Ast. schuldet für die von ihr bewohnte ca. 95 qm große 3-Zimmer-Wohnung eine Gesamtmiete von monatlich 1.150 €, wovon 850 € auf die Grundmiete, 75 € auf die Vorauszahlung für kalte Betriebskosten, 180 € auf die Vorauszahlung für Heizung/Warmwasser und 45 € auf einen Garagenstellplatz entfallen.
Die Ast. bezieht eine Witwenrente iHv monatlich 24,71 €. Seit Juli 2020 übt sie eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft aus, wofür sie monatlich 100 € brutto/netto erhält.
Mit Schreiben vom 25.11.2019 forderte der Ag. die Ast. zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf und wies sie darauf hin, dass nach Ablauf von sechs Monaten nur noch der nach seiner Auffassung angemessene Betrag für die Kaltmiete iHv monatlich 403 € übernommen werden könne.
Mit Bescheid vom 2.12.2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11.2.2020 bewilligte der Ag. der Ast. für die Zeit November 2019 bis April 2020 vorläufig Leistungen, wobei die vollen Unterkunftskosten einschließlich Garage übernommen wurden.
Mit Bescheid vom 23.3.2020 bewilligte der Ag. für die Zeit Mai 2020 bis April 2021 Leistungen, wobei für Mai 2020 die vollen Unterkunftskosten einschließlich Garage übernommen und ab Juni 2020 nur noch monatlich 658 € (= 403 € für Grundmiete + 75 € kalte Betriebskosten + 180 € Heizung/Warmwasser) übernommen wurden. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch hin erließ der Ag. unter dem 15.5.2020 einen Änderungsbescheid für die Zeit Juni 2020 bis April 2021 und übernahm ab Juni 2020 die vollen Unterkunftskosten einschließlich Garage. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.5.2020 wies der Ag. den Widerspruch nach Erlass des Änderungsbescheids vom 15.5.2020 als unbegründet zurück. Ebenfalls unter dem 15.5.2020 forderte der Ag. die Ast. nochmals zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf und wies darauf hin, dass nach Ablauf von sechs Monaten nur noch der nach seiner Auffassung angemessene Betrag für die Kaltmiete iHv monatlich 403 € übernommen werden könne. Unter dem 11.6.2020 erließ der Ag. wegen der Rentenerhöhung ab Juli 2020 einen weiteren Änderungsbescheid für die Zeit Juli 2020 bis April 2021 und übernahm weiterhin die vollen Unterkunftskosten einschließlich Garage.
Nachdem die Ast. mitgeteilt hatte, dass sie eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen hat, hob der Ag. unter dem 24.7.2020 die Bescheide vom 23.3., 15.5. und 11.6.2020 und die Leistungsbewilligung ab August 2020 auf. Zugleich erließ der Ag. unter dem 24.7.2020 einen Bewilligungsbescheid und bewilligte der Ast. für die Zeit August 2020 bis Januar 2021 vorläufig Leistungen iHv monatlich 1.557,29 €, wobei die vollen Unterkunftskosten einschließlich Garage als Bedarf anerkannt wurden und als Einkommen neben der Witwenrente ein Betrag iHv 100 € brutto/netto aus der geringfügigen Beschäftigung berücksichtigt wurde (nach Abzug des Freibetrags von 100 € wurde jedoch nur die Witwenrente iHv 24,71 € angerechnet).
Mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 9.11.2020 setzte der Ag. unter Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 24.7.2020 den Leistungsanspruch der Ast. für Januar 2021 auf 1.056,29 € fest, wobei als Bedarf für Unterkunft und Heizung nur noch ein Betrag iHv 658 € (= 403 € für Grundmiete + 75 € für kalte Betriebskosten + 180 € für Heizung/Warmwasser) anerkannt wurde. Hiergegen legte die Ast. am 10.11.2020 Widerspruch ein. Mit weiterem vorläufigem Änderungsbescheid vom 21.11.2020 setzte der Ag. den Leistungsanspruch der Ast. für Januar 2021 wegen der Erhöhung der Regelbedarfe auf 1.079,29 € fest. Auch hiergegen legte die Ast. am 6.12.2020 Widerspruch ein. Letzteren verwarf der Ag. mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2020 als unzulässig, da der Änderungsbescheid vom 21.11.2020 nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens bezüglich des Änderungsbescheids vom 9.11.2020 geworden sei. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 14.12.2020 erhob die Ast. am 22.12.2020 unter dem Aktenzeichen S 41 AS 2125/20 Klage zum Sozialgericht München (SG). Die Klage wurde am 11.2.2021 zurückgenommen.
Mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 29.12.2020 setzte der Ag. den Leistungsanspruch der Ast. für Januar 2021 auf 1.127,09 € fest, wobei als Bedarf für Unterkunft und Heizung nunmehr ein Betrag iHv 705,80 € (= 450,80 € für die Grundmiete + 75 € für die kalten Betriebskosten + 180 € für Heiz- und Warmwasserkosten) anerkannt wurde.
Am 22.12.2020 stellte die Ast. beim SG München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 5.1.2021 ordnete das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10.11.2020 gegen den Änderungsbescheid vom 9.11.2020 an (S 41 AS 2115/20 ER). In Umsetzung dieses gerichtlichen Eilbeschlusses zahlte der Ag. der Ast. für Januar 2021 die Differenz zwischen den als angemessen anerkannten Unterkunftsbedarfen und den tatsächlichen Unterkunftskosten aus und teilte dies der Ast. mit Schreiben vom 8.1.2021 mit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.1.2021 wies der Ag. den Widerspruch vom 10.11.2020 gegen den Änderungsbescheid vom 9.11.2020 als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid, in dem die Ast. auf die einmonatige Klagefrist hingewiesen wurde, wurde mit Postzustellungsurkunde am 12.1.2021 zugestellt. Klage hiergegen wurde nicht erhoben.
Am 22.1.2021 beantragte die Ast. die Weiterbewilligung von Leistungen ab Februar 2021. Hierauf bewilligte der Ag. mit Bescheid vom 25.1.2021 für die Zeit Februar bis Juli 2021 vorläufig Leistungen iHv monatlich 1.079,29 €, wobei als Bedarf für Unterkunft und Heizung ein Betrag iHv 658 € (= 403 € für Grundmiete + 75 € für kalte Betriebskosten + 180 € für Heizung/Warmwasser) anerkannt wurde.
Hiergegen legte die Ast. am 31.1.2021 Widerspruch ein. Mit dem bewilligten Betrag ab Februar 2021 könne sie ihre Miete nicht zahlen. Sie habe „reichlich Wohnungsangebote“ vorgelegt. Es bestehe ein „wirklicher Wohnungsmangel“ und das „Angebot sei weit überteuert“. Aufgrund ihrer beiden Hunde sei die Lage noch schwieriger. Sie habe sich bereits um eine Sozialwohnung bemüht. Es sei aber „die nächste Zeit nichts vorhanden“.
Mit Änderungsbescheid vom 9.2.2021 bewilligte der Ag. für die Zeit Februar bis Juli 2021 weiterhin vorläufig Leistungen iHv monatlich 1.127,09 €, wobei als Bedarf für Unterkunft und Heizung nunmehr monatlich 705,80 € (= 525,80 € Bruttokaltmiete nach Wohngeldtabelle plus 10% Sicherheitszuschlag + 180 € für Heizung/Warmwasser) anerkannt wurden. Auf den Regelbedarf iHv monatlich 446 € rechnete der Ag. das Einkommen aus der Witwenrente iHv monatlich 24,71 € an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9.2.2021 wies der Ag. den Widerspruch vom 31.1.2021 gegen den Bescheid vom 25.1.2021 nach Erlass des Änderungsbescheids vom 9.2.2021 als unbegründet zurück. Die Gewährung nur der angemessenen Unterkunftskosten sei rechtmäßig erfolgt. In Ermangelung eines schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der Mietobergrenze sei auf die Regelung des § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10% zurückzugreifen. Hieraus ergebe sich ein Betrag für die Bruttokaltmiete iHv monatlich 525,80 € zuzüglich Heizkosten iHv monatlich 180 €. Hiergegen wurde bislang nicht Klage erhoben.
Bereits am 4.2.2021 ging beim SG München zum Verfahren S 41 AS 2125/20 ein Schriftsatz der Ast. vom 31.1.2021 ein, in dem sie „im Eilverfahren“ insbesondere um Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten iHv monatlich 1.150 € ab Februar 2021 bittet. Ihre Bemühungen, die Unterkunftskosten zu senken, hätten bisher nicht zu einem Erfolg geführt. Sie sei auf die vollständigen Leistungen angewiesen.
Die Ast. beantragt sinngemäß,
den Ag. zu verpflichten, ihr vorläufig für die Zeit von Februar 2021 bis Juli 2021 höhere Leistungen nach dem SGB II, insbesondere durch Berücksichtigung von Unterkunftskosten iHv monatlich 1.150 € zu gewähren.
Der Ag. beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Nach Auffassung des Ag. bestehe kein Anordnungsanspruch. Die Ast. habe keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat keinen Erfolg.
1. Der Schriftsatz der Ast. vom 31.1.2021 war nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz als Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auszulegen. Aus dem Schriftsatz geht eindeutig hervor, dass die Ast. die vorläufige Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II, insbesondere durch Anerkennung der tatsächlichen Unterkunftskosten iHv monatlich 1.150 € ab Februar 2021, also ab Beginn des aktuellen Bewilligungszeitraums, im Eilverfahren begehrt.
2. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig.
Statthaft ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Form einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da die Ast. eine Erweiterung ihrer Rechtsposition anstrebt.
3. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist jedoch nicht begründet.
Für die Begründung einer Rechtsposition im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes muss nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG glaubhaft sein, dass das begehrte materielle Recht besteht (Anordnungsanspruch) und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).
Vorliegend ist ein Anordnungsanspruch nicht gegeben.
Nach summarischer Prüfung hat die Ast. in der Zeit von Februar 2021 bis Juli 2021 keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II.
Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Ast. gehört grundsätzlich zum anspruchsberechtigten Personenkreis des SGB II. Sie ist jedoch nur in dem mit Änderungsbescheid des Ag. vom 9.2.2021 festgestellten Umfang hilfebedürftig. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Nach § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II umfassen die Leistungen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden in Höhe der Bedarfe nach den § 19 Abs. 1 und 2 SGB II erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind (§ 19 Abs. 3 S. 1 SGB II). Zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen deckt zunächst die Bedarfe nach den §§ 20, 21 und 23 SGB II, darüber hinaus die Bedarfe nach § 22 SGB II (§ 19 Abs. 3 S. 2 SGB II).
Da die Ast. alleinstehend ist, gilt für sie der Regelbedarf gem. § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II iHv monatlich 446 €. Für etwaige Mehrbedarfe ist vorliegend nichts ersichtlich. Der Bedarf für Unterkunft und Heizung richtet sich nach § 22 Abs. 1 SGB II.
Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Hier sind die von der Ast. zu zahlenden Unterkunftskosten bei summarischer Prüfung nicht angemessen. Die im Bereich des Ag. geltende Mietobergrenze für die Kaltmiete liegt nach den Angaben des Ag. bei monatlich 403 €. Die von der Ast. zu zahlende monatliche Kaltmiete beträgt 850 € und liegt weit darüber. Die Frage, ob die Ermittlung der Mietobergrenzen im Landkreis G auf einem sog. schlüssigen Konzept beruht, kann und muss im Eilverfahren nicht entschieden werden (vgl. LSG Sachsen-Anhalt Beschluss 17.2.2016, L 4 AS 345/15 B ER). Selbst wenn man – wie hier der Ag. – nicht von einem schlüssigen Konzept ausgehen sollte, wäre vorliegend der sich aus § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) ergebende Wert heranzuziehen, der aber ebenfalls überschritten wird (vgl. Luik in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 22 Rn. 81, 106). Da W keine eigene Mietenstufe hat, ist insofern auf den Landkreis G abzustellen. Da der Landkreis G nach § 1 Abs. 3 Wohngeldverordnung (WoGV) und der Anlage zur WoGV der Mietenstufe IV des § 12 WoGG zuzuordnen ist und ein Ein-Personen-Haushalt vorliegt, ist nach § 12 WoGG ein Wert iHv 478 € für die angemessene Bruttokaltmiete (= Kaltmiete zuzüglich kalte Betriebskosten) heranzuziehen. Nach Berücksichtigung des sog. Sicherheitszuschlags von 10% (= 47,80 €) ergibt sich eine angemessene Bruttokaltmiete von monatlich 525,80 €. Diesen Betrag hat der Ag. als monatlichen Bedarf für die Bruttokaltmiete für die Zeit von Februar bis Juli 2021 anerkannt (siehe Änderungsbescheid vom 9.2.2021). Ein darüberhinausgehender Betrag kann bei summarischer Prüfung nicht gewährt werden. Die tatsächliche monatliche Bruttokaltmiete der Ast. beträgt 925 € (= 850 € Kaltmiete + 75 € Vorauszahlung für kalte Betriebskosten). Die Angemessenheitsgrenze für die monatliche Bruttokaltmiete beträgt 525,80 €. Nur diese kann gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II gewährt werden. Die Vorauszahlung für Heiz- und Warmwasserkosten wurde vom Ag. in tatsächlicher Höhe (monatlich 180 €) gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II bewilligt.
Nach summarischer Prüfung hat es der Ag. auch zu Recht abgelehnt, im Zeitraum von Februar bis Juli 2021 die Kosten für den Garagenstellplatz iHv monatlich 45 € zu übernehmen. Die Kosten hierfür fallen grundsätzlich nicht unter § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, da sie nicht dem Wohnen dienen. Nur in Ausnahmefällen, wenn die Wohnung ohne Garage nicht anmietbar ist und sich der Mietpreis bei fehlender Abtrennbarkeit der Garage innerhalb des Rahmens der Angemessenheit für den maßgeblichen Vergleichsraum hält, wäre eine Kostenübernahme möglich (vgl. Luik in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 22 Rn. 39). Hierzu ist aber nichts ersichtlich. Zudem liegt gar keine Bescheinigung des Vermieters zu einer etwaigen fehlenden Abtrennbarkeit vor.
Ausgehend davon hat der Ag. der Ast. für die Zeit von Februar bis Juli 2021 die angemessenen Kosten der Unterkunft iHv monatlich 705,80 € (525,80 € für Kaltmiete und kalte Betriebskosten + 180 € für Heizkosten) bewilligt.
Im vorliegenden Fall ergibt sich auch nichts anderes aus § 67 SGB II. Nach § 67 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1.3.2020 bis 31.3.2021 beginnen, nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 erbracht. Nach § 67 Abs. 3 S. 1 SGB II ist § 22 Abs. 1 SGB II mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Dauer von sechs Monaten als angemessen gelten. Da der Bewilligungszeitraum hier am 1.2.2021 und damit zwischen dem 1.3.2020 und 31.3.2021 begann, wäre § 67 Abs. 3 S. 1 SGB II grundsätzlich anwendbar mit der Folge, dass die tatsächlichen Unterkunftskosten für die Zeit Februar bis Juli 2021 als angemessen gelten würden. Diese gesetzliche Fiktion greift aufgrund der Rückausnahme des § 67 Abs. 3 S. 3 SGB II hier jedoch nicht. Nach § 67 Abs. 3 S. 3 SGB II gilt § 67 Abs. 3 S. 1 SGB II nicht in den Fällen, in denen im vorangegangenen Bewilligungszeitraum die angemessenen und nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkannt wurden. So liegt der Fall hier. Im vorangegangenen Bewilligungszeitraum, der sich von August 2020 bis Januar 2021 erstreckte, waren zumindest ab Januar 2021 die Bedarfe für Unterkunft auf die Angemessenheitsgrenze abgesenkt. Dies erfolgte mit bestandskräftigem vorläufigem Änderungsbescheid vom 9.11.2020 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.11.2020 und 29.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2021.
Bei summarischer Prüfung besteht für die Zeit von Februar bis Juli 2021 auch kein Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen, unangemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, so lange als Bedarf anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Subjektiv möglich iSd § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind einem Leistungsberechtigten Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis davon hat, dass das Jobcenter von unangemessenen Unterkunftskosten ausgeht und dass ihn die Obliegenheit trifft, kostensenkende Maßnahmen zu ergreifen. Auch wenn in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II dies nicht ausdrücklich normiert ist, leitet das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung hierfür die Notwendigkeit eines Aufklärungsschreibens der Verwaltung (Kostensenkungsaufforderung) ab. Dieses hat Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Leistungsberechtigte Klarheit über die aus Sicht des Jobcenters angemessenen Aufwendungen für die Kosten für Unterkunft und Heizung und einen Hinweis auf die Rechtslage erhält (vgl. Luik in: Eicher/Luik, SGB II; 4. Auflage 2017, § 22 SGB II Rn. 137).
Der Ag. hat hier nach summarischer Prüfung das Kostensenkungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Mit Schreiben vom 25.11.2019 wurde die Antragstellerin auf die im Zuständigkeitsbereich des Ag. geltende Angemessenheitsgrenze hingewiesen und ihr ausdrücklich mitgeteilt, dass eine Übernahme der unangemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung nur für sechs Monate in Betracht komme. Vorliegend wurden sogar für insgesamt vierzehn Monate die tatsächlichen unangemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung als Bedarf anerkannt, während die Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II von einem „Regelzeitraum“ von sechs Monaten ausgeht. Ferner wurde die Ast. in dem Schreiben vom 25.11.2019 darauf hingewiesen, dass sie sich ernsthaft und intensiv um eine Senkung der Unterkunftskosten bemühen müsse.
Hier sind weder objektive noch subjektive Umstände erkennbar, die zur Anerkennung eines höheren Unterkunftsbedarfs führen. An die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit sind wegen des Regel-Ausnahme-Prinzips strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BayLSG Urteil 7.11.2019, L 16 AS 858/16). Ein Umzug ist in der Regel zumutbar, es sei denn, es liegen gravierende Umstände in der Person des Leistungsberechtigten vor. Solche Umstände sind nach Aktenlage nicht erkennbar. Nach Aktenlage sind auch die nachgewiesenen Kostensenkungsbemühungen der Ast. nicht ausreichend. So hat die Ast. nach ihren Angaben erst im Januar 2021 einen Antrag auf eine sozial geförderte Wohnung beim Landratsamt G gestellt. Warum dies nicht bereits im November 2019, nachdem die Ast. von ihrer Obliegenheit zur Kostensenkung erfahren hatte, erfolgt ist, ist nicht nachvollziehbar. Nach Aktenlage hat die Ast. zudem – wohl aufgrund des Umstands, dass sie Halterin zweier größerer Hunde ist – meist nur nach Wohnungen (im Internet) gesucht, die teilweise deutlich über der vom Ag. angegebenen Mietobergrenze lagen. Auch dies ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Die Ast. kann nicht verlangen, dass ihr der Ag. weiterhin aus Steuermitteln eine über der Angemessenheitsgrenze liegende Wohnung finanziert. Angemessen für einen wie hier gegebenen Ein-Personen-Haushalt ist eine Wohnungsgröße von bis zu 50 qm. Das Halten von Hunden ändert daran nichts. Die Ast. hat alles ihr Mögliche und Zumutbare zu tun, um die Unterkunftskosten zu senken. Die Kammer hat erhebliche Zweifel, ob sich die Ast. seit November 2019 wirklich intensiv und ernsthaft um eine günstigere Wohnung bemüht hat bzw. versucht hat, einen Teil ihrer Wohnung unterzuvermieten. Letzteres dürfte bei einer ca. 95 qm großen 3-Zimmer-Wohnung durchaus möglich sein.
Die Berechnung der Leistungen für die Zeit von Februar bis Juli 2021 erfolgte im Änderungsbescheid vom 9.2.2021 rechtmäßig. Die Ast. hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II. Der Bedarf der Ast. beträgt monatlich 1.151,80 €, wovon 446 € auf den Regelbedarf gem. § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II und 705,80 € auf den Bedarf für Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (s.o.) entfallen. Auf diesen Bedarf ist lediglich ein Einkommen gem. § 11 SGB II iHv monatlich 24,71 € (Witwenrente) in voller Höhe anzurechnen. Die sog. Versicherungspauschale nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V iHv monatlich 30 € ist bereits in dem Grundfreibetrag gem. § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II iHv 100 €, der vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit iHv monatlich 100 € abgezogen wird, enthalten. Es ergibt sich damit ein Leistungsanspruch iHv monatlich 1.127,09 € (siehe Änderungsbescheid vom 9.2.2021). Ein darüberhinausgehender Leistungsanspruch ist nicht gegeben.
Da bereits ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist, kommt es auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht an. Ein Anordnungsgrund wäre aber auch nicht glaubhaft. Der pauschale Vortrag, die Ast. sei auf die vollständigen Leistungen des Ag. angewiesen, genügt hierfür nicht.
Nach alldem musste der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.


Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben