Sozialrecht

Anzeigepflicht bei einer kindbezogenen Betriebskostenförderung

Aktenzeichen  M 17 K 15.5844

Datum:
28.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKiBiG BayKiBiG Art. 18 Abs. 1, Abs. 2, Art. 19 Nr. 7, Nr. 8, Art. 22, Art. 26a S. 1 Nr. 5, S. 2, Art. 26b
SGB I SGB I § 30 Abs. 3 S. 2
GG GG Art. 104a Abs. 1, Abs. 2
BGB BGB §§ 677 ff.

 

Leitsatz

Die Anzeigepflicht nach Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG besteht nicht nur, wenn ein Gastkind die Kindertageseinrichtung tatsächlich den (aller-)ersten Tag besucht, sondern auch, wenn das betreute Kind im Fall einer nachträglichen Änderung seines gewöhnlichen Aufenthaltsortes tatsächlich (wieder) den ersten Tag die Einrichtung besucht (ebenso VG Augsburg BeckRS 2015, 51262). An diesem Tag beginnt ebenfalls die dreimonatige Frist für die Erfüllung der Anzeigepflicht zu laufen.    (redaktioneller Leitsatz)
Bei der Pflicht zur Anzeige nach Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG handelt es sich um eine andauernde Verpflichtung, die nicht mit der einmaligen Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme des Kindes in einer Kindertageseinrichtung erlischt. (redaktioneller Leitsatz)
Art. 104a Abs. 1 GG regelt nicht das Verhältnis zweier Gemeinden untereinander. (redaktioneller Leitsatz)
Die Vorschriften des BayKiBiG regeln abschließend die kindbezogene Förderung; eine Anwendung von Ansprüchen aus einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB analog) ist insofern ausgeschlossen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts München vom 24. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), denn ihr steht der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung der weiteren Betriebskostenförderung gemäß Art. 18 ff. BayKiBiG für das Gastkind … wegen Verstoßes gegen die Fördervoraussetzung des Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG für den Zeitraum von Juni bis August 2014 nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.1. Gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindergärten, anderen Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege i. d. F. vom 14. Juni 2016 (GVBl. S. 94) (Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz – BayKiBiG) haben Träger von Kindertageseinrichtungen unter den Voraussetzungen des Art. 19 und nach Maßgabe von Art. 22 einen kindbezogenen Förderanspruch gegenüber den Gemeinden, in denen die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn des § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) haben (Aufenthaltsgemeinden).
Mit der Änderung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes wurden die Fördervoraussetzungen in Art. 19 BayKiBiG gebündelt und erweitert (vgl. Dunkl/Eirich, BayKiBiG, 4. Aufl. 2015, Vorbem. zu Art. 19 BayKiBiG). Als weitere Fördervoraussetzung wurde eine Anzeigepflicht bei Aufnahme ortsfremder Kinder in Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG verankert. Der Förderanspruch in Bezug auf Kindertageseinrichtungen nach Art. 18 Abs. 1 BayKiBiG setzt damit u. a. voraus, dass der Träger die Aufnahme eines Kindes mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der Sitzgemeinde der Einrichtung binnen drei Kalendermonaten der Aufenthaltsgemeinde oder in den Fällen des Art. 18 Abs. 1 Satz 2 dem örtlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe in Textform anzeigt (Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG). Soweit die Einrichtung die Aufnahme eines Gemeindekindes nicht anzeigt, verliert sie für dieses Kind den Anspruch auf die kindbezogene Förderung durch die Aufenthaltsgemeinde (vgl. LT-Drs. 16/12782 S. 23).
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch für den Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis 31. August 2014 nicht zu, da sie ihrer Anzeigepflicht nach Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG nicht rechtzeitig nachkam. Dadurch, dass sie die (Wieder)Aufnahme des Kindes nach Verlegung ihres gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb der Sitzgemeinde der Einrichtung (Umzug am 16. Juni 2016) unstreitig nicht innerhalb von drei Monaten und damit rechtzeitig im Sinne des Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG der Beklagten in Textform anzeigte, fehlt es an der zwingenden Fördervoraussetzung des maßgeblichen Gastkindes für die Monate Juni bis August 2014.
Die Anzeigepflicht des Trägers nach Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG umfasst dabei im Wege der Gesetzesauslegung auch den Fall der nachträglichen Änderung des Aufenthaltsorts des betreuten Kindes.
1.1.1. Gegenstand der Auslegung ist das Gesetz selbst und der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem sie steht (BVerfG, B.v. 15.09.2011 – 1 BvR 519/10 – juris, NVwZ 2012, 504; Würdinger JuS 2016, 1; BVerfG, B.v. 25.01.2011 – 1 BvR 918/10 – juris – BVerfGE 128, 193 = NJW 2011, 836; BVerfG, B.v. 23.05.2016 – 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 – juris).
Dem Auslegungsziel dienen, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B.v. 17.5.1960 – 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60 – juris – BVerfGE 11, 126 = NJW 1960, 1563), die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) und aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung). Um den objektiven Willen des Gesetzgebers zu erfassen, sind alle diese Auslegungsmethoden erlaubt. Sie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig. Das gilt auch für die Heranziehung der Gesetzesmaterialien, soweit sie auf den objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen. Der Wille des Gesetzgebers kann bei der Auslegung des Gesetzes allerdings nur insoweit berücksichtigt werden, als er in dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat und er sich aus dem Sinnzusammenhang ergibt. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können (BVerfG, B.v. 17.5.1960 – 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60 – juris – BVerfGE 11, 126 = NJW 1960, 1563).
a) Entgegen der klägerischen Auffassung lässt es der Wortlaut des Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG zu, auch die nachträgliche Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts des betreuten Kindes unter die Anzeigepflicht fallen zu lassen. Für den Träger besteht die Verpflichtung, die „Aufnahme eines Kindes“ mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der Sitzgemeinde der Einrichtung binnen drei Kalendermonaten der Aufenthaltsgemeinde in Textform anzuzeigen. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist unter Aufnahme zwar die tatsächliche Aufnahme des Kindes in der Einrichtung zu verstehen („die Frist beginnt somit mit dem ersten regulären Besuchstag des Kindes“ vgl. LT-Drs. 16/12782, S. 23; Dunkl/Eirich, BayKiBiG, 4. Aufl. 2015, Erl. 8 zu Art. 19). Jedoch muss dies dem Wortlaut nach nicht der tatsächlich (aller)erste Besuchstag des Gastkindes in der Einrichtung sein (im Ergebnis so wohl auch VG Augsburg U.v. 28.07.2015 – AU 3 K 15.675 – juris Rn. 27; Dunkel/Eirich, BayKiBiG mit Ausführungsverordnung, 4. Auflage 2015, Art. 19 Rn. 8). Vielmehr kann darunter auch der erste reguläre Besuchstag des Gastkindes seit der Änderung seines gewöhnlichen Aufenthaltsortes verstanden werden. Nach dem Wortlaut ist die Aufnahme eines Kindes mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der Sitzgemeinde der Einrichtung anzuzeigen. Im Hinblick auf den lediglich zeitlich geänderten Bezugspunkt der „Aufnahme“ stehen auch die terminologischen Einwände des Klägerbevollmächtigten nicht entgegen, wonach unter Aufnahme dem Wortsinn nach und der indikativen Bedeutung nur die erstmalige Erbringung von Betreuungsleistungen anzusehen sei und ein aktives Tun erfordere. Die Ausführungen in der Gesetzesbegründung beziehen sich in erster Linie auf Erläuterungen zum Fristbeginn ohne die Begrifflichkeit der „Aufnahme“ als solche näher zu konkretisieren, so dass im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Regelung auch der spätere Wohnortwechsel unter die Anzeigepflicht des Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG fällt. Das betreute Kind wurde einen Tag nach seinem Umzug am 16. Juni 2014 in der Einrichtung der Klägerin (wieder) aufgenommen, so dass dieser Tag der erste reguläre Besuchstag des Kindes seit Änderung seines gewöhnlichen Aufenthaltsortes war.
b) Bei der Auslegung des Gesetzes kann auch der Wille des Gesetzgebers berücksichtigt werden, da er in dem Wortlaut des Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat und er sich aus dem Sinnzusammenhang ergibt. Soweit es in Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG heißt, „die Aufnahme eines Kindes mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der Sitzgemeinde der Einrichtung“ wird die Koppelung der Anzeigepflicht an den Wechsel des Aufenthaltsortes des Kindes hinreichend deutlich.
Nach dem Willen des Gesetzgebers handelt es sich bei der Pflicht zur Anzeige gemäß Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG um eine andauernde Verpflichtung, die nicht mit der einmaligen Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme des Kindes in der Einrichtung erlischt. Andernfalls würde dem Sinn und Zweck der Regelung nicht hinreichend Rechnung getragen werden. Ausweislich der Gesetzesmaterialien zielte die Änderung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes zum 1. Januar 2013 auf eine Verschlankung der Verwaltungsvorgänge und damit einhergehend eine Entlastung der Träger, insbesondere durch die Einführung eines online-gestützten Abrechnungsverfahrens, das die Planungssicherheit für „alle Beteiligten“ erhöht. Als unerlässlich hierfür wurde die Einführung von Informations- und Anzeigepflichten erachtet. Der Anspruch auf kindbezogene Förderung setzt daher nach Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG seitdem voraus, dass der Einrichtungsträger die Aufnahme eines Kindes, dessen Aufenthalts- nicht mit der Sitzgemeinde der Einrichtung identisch ist, anzeigt (vgl. LT-Drs. 16/12782 S. 9). Diese Pflicht wurde „auf Wunsch der Gemeinden“ normiert. Die Anzeigepflicht soll Unsicherheiten bei der kommunalen Finanzplanung verhindern, die entstehen, wenn die Aufnahme von Gemeindekindern der Gemeinde erst nach Ablauf des Bewilligungsjahrs bei Übermittlung des Förderantrags bekannt wird (vgl. LT-Drs. 16/12782 S. 23; vgl. VG Augsburg, U.v. 28.7.2015 – Au 3 K 15.675 – juris Rn. 21 ff.).
Indem auch die nachträgliche Änderung des Aufenthaltsorts des betreuten Kindes unter Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG fällt, wird dem gesetzgeberischen Interesse ausreichend Rechnung getragen. Andernfalls würde die Anwendung des Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG weitgehend leer laufen und sich der bezweckte Schutz der Aufenthaltsgemeinde auf die Fälle reduzieren, in denen das Gastkind (nur) zum Zeitpunkt des ersten Aufnahmetages seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Sitzgemeinde hat. Aus welchen Gründen allein dieser Umstand schützenswert sein sollte, der der nachträglichen Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts allerdings nicht, erschließt sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien.
Die klägerische Annahme, dass ein Wegfall der Förderung auch die Klägerin in besonderem Maße in ihrer finanziellen Planungssicherheit treffe, geht ins Leere, da durch Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG die kommunale Finanzplanung der Aufenthaltsgemeinde, nicht aber die finanzielle Planungssicherheit des Trägers, der in diesem Fall (zufällig) eine kommunale Gebietskörperschaft ist, geschützt werden soll. Für eine vorzunehmende Abwägung der Interessen der Aufenthaltsgemeinde und des Einrichtungsträgers, wie die Klagepartei meint, fehlt es an gesetzlichen Anhaltspunkten. Im Ansatz nicht weiterführend ist zudem die klägerische Behauptung, wonach die Aufenthaltsgemeinde bei nachträglicher Änderung des Aufenthaltes nicht schutzbedürftig sei, da anders als bei der erstmaligen Aufnahme eines Gastkindes der nachträgliche Wechsel des Aufenthalts zu einem Zeitpunkt erfolgen könne, zu dem die Aufenthaltsgemeinde ihre finanziellen Planungen bereits abgeschlossen habe. Zum einen kann die Berücksichtigung eines Kindes bei der gemeindlichen Haushalts- und Finanzplanung beispielsweise auch dann ausgeschlossen sein, wenn der tatsächlich (aller)erste Besuchstag des Kindes im Dezember eines Jahres stattfindet und die Trägereinrichtung erst Ende Februar die allererste Aufnahme anzeigt. Zum anderen sind dies Ausnahmefälle, die nicht geeignet sind, der Gemeinde die Schutzwürdigkeit an sich abzusprechen.
Der klägerische Vortrag, dem Träger könne eine fortdauernde Überprüfungspflicht nicht zugemutet werden, vermag die Anzeigepflicht eines nachträglichen Wohnortwechsels grundsätzlich nicht infrage zu stellen. Eine unzumutbare Belastung für den Träger ist schon deshalb nicht überzeugend dargetan, weil die Eltern nach Art. 26a Satz 2 i. V. m. Satz 1 Nr. 5 BayKiBiG verpflichtet sind, einen Wohnortwechsel dem Träger unverzüglich mitzuteilen. Ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. LT-Drs. 16/12782 S. 27) ist dies insbesondere dann von entscheidender Bedeutung, wenn innerhalb des Bewilligungszeitraums ein Umzug erfolgt, sich somit der Anspruchsgegner u. a. für die Ansprüche auf kindbezogene Förderung verändert. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass nicht wenige Eltern Änderungen des Aufenthaltsortes nicht oder verspätet mitteilen. Dies führt in Einzelfällen zu erheblichen Einnahmeausfällen und gefährdet die Finanzierung der betreffenden Einrichtungen. Eine Nichtbeachtung wird daher nach Art. 26b BayKiBiG als Ordnungswidrigkeit geahndet. Auf die in der Vergangenheit erfolgten verspäteten Mitteilungen der Eltern hat der Gesetzgeber reagiert, indem der Träger Gastkinder binnen drei Kalendermonaten an die Aufenthaltsgemeinde (Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG) und die Eltern den Umzug melden müssten (Dunkel/Eirich, BayKiBiG mit Ausführungsverordnung, 4. Auflage 2015, Art. 26a). Gegebenenfalls stünden insoweit auch Regressmöglichkeiten gegenüber den Eltern bei verschuldeter Nichtbeachtung im Raum. Soweit aufgrund eines Härtefalls darauf verzichtet wird, liegt dies im Verantwortungsbereich des Trägers und kann nicht zulasten der Aufenthaltsgemeinde geltend gemacht werden.
Eine fortdauernde Überprüfungspflicht steht auch entgegen der klägerischen Auffassung mit dem gesetzgeberischen Ziel der Verwaltungsvereinfachung in Einklang, da dieses gesetzgeberische Ziel darauf gerichtet ist, mit der Vereinfachung der Vorgaben zur Bedarfsanerkennung und der Einführung eines netzwerk-gestützten Abrechnungsverfahrens den Verwaltungsaufwand in den Kommunen zur Abwicklung der Förderverfahren und nicht den Aufwand der Träger deutlich zu reduzieren.
c) Für eine die Klägerin treffende Anzeigepflicht eines nachträglichen Wohnortwechsels des Gastkindes im Sinne des Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG spricht zudem der oben aufgezeigte Regelungszusammenhang zu Art. 26a BayKiBiG. Die klägerische Annahme, dass die systematische Auslegung für ihre Rechtsauffassung spreche, da Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG die Anzeige gegenüber der Aufenthaltsgemeinde bei erstmaliger Aufnahme der Betreuung statuiere, währenddessen Art.19 Nr. 8 BayKiBiG eine Pflicht zur Mitteilung von Änderungen und zur Aktualisierung nur gegenüber dem Landratsamt als datenführender Stelle enthalte, vermag das Gericht bereits deshalb nicht zu teilen, weil die beiden Ziffern in Art. 19 BayKiBiG selbstständig nebeneinander stehen und unterschiedliche Regelungszwecke verfolgen. So ist die von Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG beabsichtigte Sicherstellung der kommunalen Finanzplanung durch Art. 19 Nr. 8 BayKiBiG nicht hinreichend gewährleistet. Es spricht nichts dafür, dass eine Datenübermittlung nach Art. 19 Nr. 8 BayKiBiG die Meldung nach Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG entbehrlich machen könnte. Bei der vierteljährlichen Aktualisierung der Daten im KiBiG.web erfolgt alleine eine Meldung an das entsprechende Rechenzentrum. Die Aufenthaltsgemeinde erhält demgegenüber keine Information oder Mitteilung, dass Daten neu eingepflegt oder geändert worden sind. Die von der Änderung des Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG gewollte Sicherheit für die kommunale Finanzplanung kann nur durch eine adressatenbezogene Meldung erreicht werden.
1.1.2. Auf die Frage, inwieweit Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG aufgrund einer vergleichbaren Interessenlage und planwidrigen Regelungslücke analog herangezogen werden kann, kommt es damit nicht mehr an.
1.1.3. Als ebenfalls nicht tragfähig erweist sich der klägerische Einwand, dass ein Verstoß gegen Art. 104a Abs. 1 und 2 GG vorliege, wonach nicht der handelnde, sondern der an sich zuständige Verwaltungsträger die entstehenden Kosten zu tragen habe, da dieser im Verhältnis zweier Gemeinden untereinander bereits keine Anwendung findet. Nach Art. 104a Abs. 1 GG tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschrift verbietet damit, dass der Bund die Erfüllung von Aufgaben eines Landes mitfinanziert und dass umgekehrt die Länder die Wahrnehmung von Aufgaben des Bundes mitfinanzieren (vgl. BVerfG, U.v. 27.5.1992 – 2 BvF 1, 2/88, 1/89 und 1/90 – juris – BVerfGE 86, 148; BVerwG, U.v. 15.3.1989 – 7 C 42.87 – juris – BVerwGE 81, 312). Die Gemeinden werden dabei als Glieder des betreffenden Landes behandelt und ihre Aufgaben und Ausgaben denen des Landes zugerechnet. Damit regelt Art. 104a Abs. 1 GG zwar auch das Verhältnis des Bundes zu den Gemeinden und verbietet es, finanzielle Lasten, die bei der Erledigung einer Aufgabe des Bundes anfallen, den Gemeinden zu überbürden (BVerfG, U.v. 27.5.1992 – 2 BvF 1, 2/88, 1/89 und 1/90 – a. a. O.; BVerwG, U.v. 8.2.1974 – 7 C 16.71 – juris – BVerwGE 44, 351; U.v. 15.3.1989 – 7 C 42.87 – a. a. O.), jedoch nicht das im Verhältnis zweier Gemeinden untereinander.
1.2. Einen Anspruch auf Gewährung einer weiteren kindbezogenen Förderung kann die Klägerin auch nicht aus einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. BGB analog ableiten. Die Anwendung einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag ist bereits ausgeschlossen, da hinsichtlich der kindbezogenen Förderung die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des BayKiBiG erschöpfende Regelungen vorsehen (Sprau in: Palandt, BGB, 72. Auflage, 2013, Einführung vor § 677 Rn. 5 unter Hinweis auf BGH, U.v. 17.11.2011 – III ZR 53/11 – juris Rn. 15). Die Heranziehung der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag würde zur Umgehung der gesetzlich vorgegebenen Fördervoraussetzungen führen. Liegt die Fördervoraussetzung des § 19 Nr. 7 BayKiBiG nicht vor, darf keine Förderung über die Hintertür einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag erfolgen. Hinzu kommt, dass die Klägerin durch die Betreuung des Gastkindes kein fremdes Geschäft geführt hat. Da die Klägerin als Trägerin der Einrichtung selbst einen Betreuungsvertrag mit der Erziehungsberechtigten des Gastkindes abgeschlossen hat, führt sie im Rahmen der Kinderbetreuung ein eigenes Geschäft.
1.3. Soweit die Klagepartei schließlich ihren Förderanspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch herzuleiten versucht, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Dadurch, dass die Beklagte den Endabrechnungsbescheid (erst) am 30. Juni 2015 mit Ablauf der Ausschlussfrist des Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayKiBiG erließ, folgt für die Klägerin kein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der streitgegenständlichen kindbezogenen Förderung.
Die Gemeinden können nach Art. 18 Abs. 2 BayKiBiG für die von ihnen nach Maßgabe des Art. 22 BayKiBiG geförderten Kindertageseinrichtungen einen gesetzlichen Förderanspruch gegenüber dem Freistaat Bayern geltend machen. Zwar spricht Abs. 2 generell von Gemeinden, damit ist aber in erster Linie die Aufenthaltsgemeinde (Art. 18 Abs. 1Satz 1 BayKiBiG) gemeint (Dunkl/Eirich, Kommentar zum BayKiBiG, 4. Aufl. 2015, Nr. 3.3.1 zu Art. 18). Zwar ist auch denkbar, dass eine nicht nach Art. 22 Abs. 1 Satz 1 BayKiBiG verpflichtete Gemeinde eine kindbezogene Förderung einschließlich Eigenanteil nach Art. 22 BayKiBiG an einen Träger einer Kindertageseinrichtung erbringt. Unabhängig von der Frage, ob dies auch dann Geltung für sich beansprucht, wenn die Gemeinde zugleich selbst als Träger einer Kindertageseinrichtung Empfänger der kindbezogenen Förderung ist, scheitert ein Refinanzierungsanspruch gegen den Freistaat Bayern nach Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayKiBiG jedenfalls an dem Umstand, dass der Träger alle Voraussetzungen nach Art. 19 BayKiBiG, mithin auch des Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG zu erfüllen hat (BayVGH, B.v. 01.10.2015 – 12 ZB 15.1698 – juris Rn. 23). Dies ist aber vorliegend – wie dargestellt – nicht der Fall.
Unabhängig davon, ist eine schuldhafte Pflichtverletzung von Seiten der Beklagten nicht erkennbar. Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf eine Entscheidung innerhalb einer bestimmten Frist. Der Klägerin hätte zudem die verwaltungsprozessuale Möglichkeit einer Untätigkeitsklage zur Verfügung gestanden. Im Übrigen wäre es ihr unbenommen gewesen, einen entsprechenden Förderantrag gegenüber dem Freistaat Bayern unabhängig von der Entscheidung der Beklagten fristwahrend zu stellen.
2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 188 Abs. 1 Halbsatz 1 VwGO gerichtskostenfrei.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
4. Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, da die Frage, ob Art. 19 Nr. 7 BayKiBiG tatsächlich auch auf eine nachträgliche Änderung des Aufenthaltsorts des betreuten Kindes Anwendung findet, bisher in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt ist. Diese Frage ist aber über den hier zu entscheidenden Fall hinaus von Bedeutung.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124 und 124a Abs. 1 VwGO kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufungsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
Über die Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Gegenstandswert wird auf EUR 1.222,16 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Gründe:
Die Klägerseite hat in der mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2016 die Festsetzung des Gegenstandswertes beantragt. Da in dem Rechtsstreit Gerichtskosten nicht erhoben werden, war der Gegenstandswert durch Beschluss gemäß § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen. Die Höhe des Gegenstandswertes richtet sich nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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