Sozialrecht

Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für Stipendiaten von Bildungswerken

Aktenzeichen  M 26 K 15.5098

Datum:
12.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 4 Abs. 1, Abs. 6 S. 1, S. 2, Abs. 7
GG GG Art. 3 Abs. 1
BAföG BAföG § 17

 

Leitsatz

Stipendiaten der Begabtenförderungswerke können nicht wie BAföG-Empfänger (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 lit. a RBStV) von der Rundfunkbeitragspflicht befreit werden. Denn der Gesetzgeber hat die Befreiungsmöglichkeit bewusst und abschließend auf Tatbestände beschränkt, in denen bereits in einem behördlichen Verfahren eine Bedürftigkeitsprüfung erfolgt ist. Im Übrigen sind Stipendiaten wirtschaftlich regelmäßig besser gestellt als BAföG-Empfänger. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung (Nr. II des Urteils) ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung kann gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.
Die Klage hat keinen Erfolg, da sie zulässig, aber unbegründet ist.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gemäß § 4 RBStV.
1.1 Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 4 Abs. 1 RBStV. Von den aufgeführten Tatbeständen käme allenfalls § 4 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) RBStV in Betracht, sofern man diesen – wie vom Kläger dargelegt – analog und in verfassungskonformer Auslegung auch auf Stipendiaten von Bildungsförderungswerken wie der A… anwenden möchte. Dafür fehlt es aber vorliegend an einer planungswidrigen Regelungslücke. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, so dass auch daraus kein Anspruch des Klägers ableitbar wäre.
Schon im Rundfunkgebührenstaatsvertrag hat der Gesetzgeber bewusst nur solche Befreiungstatbestände normiert, bei welchen eine behördliche Bedürftigkeitsprüfung durchgeführt wird und von der zuständigen Sozialbehörde per Bescheid die Bedürftigkeit festgestellt wird. Durch diese Aufgabenteilung sollten die Rundfunkanstalten von der oft aufwändigen Prüfung, ob tatsächlich eine Bedürftigkeit gegeben ist, entlastet werden. Dieses System der geteilten Verantwortlichkeiten und vereinfachten Nachprüfbarkeit von Befreiungsanträgen für die Rundfunkanstalten sollte nach dem ausdrücken Willen des Gesetzgebers auch im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag beibehalten werden; vgl. dazu LT-Drs. 16/7001, Begründung zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, S. 15: § 4 knüpft insofern an die Regelungsgrundsätze von § 6 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages an. Dies gilt sowohl für den Katalog der Befreiungstatbestände, die Nachweisführung als auch für das Verfahren. Diese Regelung hat sich in der Praxis bewährt. Damit leistet die Neuregelung des § 4 einen Beitrag zur Fortsetzung einer sicheren Rechtsanwendung, sowohl für die Antragsteller als auch für andere Verfahrensbeteiligte. Der Katalog der Befreiungstatbestände wird hinsichtlich des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 und 9 bis 11 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages in zum Teil modifizierter Form durch § 4 übernommen. Der Nachweis eines Rundfunkbefreiungstatbestandes im Sinne von § 4 Abs. 1 erfolgt entsprechend der bisherigen Rechtslage durch Vorlage amtlicher Bescheinigungen bestimmter staatlicher Stellen. Ausgenommen davon ist der Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 10 Alt. 1, für dessen Vorliegen nach Absatz 7 Satz 2 eine erleichterte Nachweismöglichkeit besteht.
Mit den Befreiungstatbeständen in § 4 Abs. 1 RBStV sollte erkennbar ein abschließender Katalog normiert werden, der – jedenfalls für solche Leistungen, deren Gewährung nicht aufgrund behördlicher Bedürftigkeitsprüfung erfolgt – nicht durch Analogie erweiterbar ist (BayVGH, B. v. 10.5.2010 a. a. O.). Das ist beim Stipendium des Klägers, wie er selbst vorträgt, jedenfalls bzgl. des Grundstipendiums der Fall. Zwar wird hier die Bedürftigkeit nach dem Vorbild des BAföG geprüft (vgl. Nr. 1.2 der Zusätzlichen Nebenbestimmungen zur Förderung begabter Studierender sowie begabter Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Stand Juli 2016, Bundesministerium für Bildung und Forschung – im Folgenden: Nebenbestimmungen); dies obliegt jedoch dem jeweiligen Begabtenförderungswerk, vorliegend also der A…. Auch das Stipendium selbst wird nicht per Bescheid, sondern aufgrund privatrechtlicher Vereinbarung gewährt (vgl. dazu die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Stipendienvereinbarungen zwischen ihm und der A…).
Nichts anderes ergibt sich auch aus dem vom Kläger vorgebrachten Einwand, § 4 Abs. 7 RBStV verdeutliche mit dem Begriff „Leistungsträger“, dass nun auch nichtstaatliche Träger von bestimmten Geldleistungen Nachweise i. S. d. § 4 RBStV erbringen dürften. Gemäß der im Sozialrecht gebräuchlichen und beispielsweise auch in § 12 Satz 1 Sozialgesetzbuch I als Legaldefinition ausformulierten Terminologie sind Leistungsträger Körperschaften, Anstalten und Behörden, also staatliche Institutionen.
Für eine Analogie bzw. für einen aus Art. 3 Abs. 1 GG ableitbaren Anspruch fehlt es auch an einer vergleichbaren Interessenlage zwischen BAföG-Empfängern und Stipendiaten. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Gruppe der Stipendiaten nicht in gleicher Weise einheitlichen Förderungskriterien unterliegt wie die Gruppe der Empfänger von BAföG-Leistungen. Neben den staatlich geförderten konfessionellen oder politischen Begabtenförderungswerken, zu denen auch die den Kläger fördernde A… gehört, existiert eine unübersehbare Anzahl privater Stiftungen, die sich hinsichtlich der Förderungsbedingungen erheblich unterscheiden (vgl. weiterführend BayVGH, B. v. 10.5.2010, a. a. O.). Nichts anderes gilt, wenn man nur die Stipendiaten der staatlich geförderten konfessionellen und politischen Begabtenförderungswerke als Vergleichsgruppe heranzieht. Zwar richtet sich die Förderfähigkeit dieser Stipendiaten im Grundsatz nach den Bestimmungen des BAföG. Jedoch bestehen Unterschiede von solchem Gewicht, dass eine abweichende Behandlung gerechtfertigt ist (BayVGH, B.v. 10.5.2010, a. a. O.). Insbesondere ist der Kläger als Stipendiat der Begabtenförderungswerke auch wirtschaftlich regelmäßig bessergestellt als BAföG-Empfänger. Gemäß Nr. 2.2 Nebenbestimmungen und auch laut eigenem Vortrag erhält der Kläger eine bedarfsunabhängige Studienkostenpauschale in Höhe von derzeit e… Euro. Entgegen der Ansicht des Klägers ist diese Pauschale sehr wohl in den anzustellenden Vergleich zwischen BAfäG-Empfängern und Stipendiaten einzustellen – sie ist eben ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal. Auch wenn die Pauschale letztendlich nicht der Lebenshaltung, sondern der Realisierung von studienbezogenen Studien und Zwecken dienen soll, erhöht sie faktisch die dem Kläger zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel monatlich um e… Euro, zumal in den Nebenbestimmungen kein konkreter, beleghafter Verwendungsnachweis vorgesehen ist. Hinzu kommt, dass das Stipendium vollständig als Zuschuss gewährt wird, während die BAföG-Leistungen nach § 17 BAföG teilweise zurückzuzahlen sind. Zwar wirkt sich dieser Unterschied nicht unmittelbar während der Studienzeit aus, jedoch erschwert er für BAföG-Empfänger größere Anschaffungen aus Anlass des Studiums, welche über längere Zeit zu finanzieren sind.
Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 10. Mai 2010 (a. a. O.) getroffenen grundsätzlichen Aussagen zur Nichteinbeziehung von Stipendiaten der Begabtenförderungswerke in die Befreiungstatbestände des Rundfunkgebührenstaatsvertrags uneingeschränkt auch für die Rechtslage nach Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages gelten. Insbesondere liegt in der Nichtberücksichtigung derartiger Stipendiaten in § 4 Abs. 1RBStV kein Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 normierten Gleichheitsgrundsatz.
2.2 Auch ein besonderer Härtefall gemäß § 4 Abs. 6 RBStV liegt nicht vor. Die in § 4 Abs. 1, Abs. 6 Satz 2 und Abs. 7 RBStV vom Gesetzgeber formulierten Befreiungstatbestände folgen einer Systematik, nach der Befreiungen wegen Bedürftigkeit auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle beschränkt werden sollen und Personen mit geringem Einkommen, die keine der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen erhalten, weil sie deren Voraussetzungen nicht erfüllen, nicht dem Härtefalltatbestand des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV zuzuordnen sind (s.o.). Eine atypische, vom Normgeber versehentlich nicht berücksichtigte Bedarfslage, die durch Anwendung der Härtefallregelung ihren Ausgleich finden soll, liegt wie oben dargelegt nicht vor. Sonstige Anhaltspunkte für einen Härtefall sind nicht vorgetragen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Für Verfahren zur Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht werden keine Gerichtskosten erhoben (BVerwG, Beschluss vom 20. April 2011 – 6 C 10/10 -, juris). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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