Sozialrecht

Höherer Anspruch auf Gewährung von Leistungen für Erstausstattung der Wohnung und für Kleidung

Aktenzeichen  L 11 AS 213/17

Datum:
7.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5264
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 153 Abs. 2
SGB II § 24 Abs. 3 S. 1, S. 5, S. 6

 

Leitsatz

Zum Mehrbedarf für eine Wohnungserstausstattung und für Bekleidung nach längerer Haftzeit.
1 Pauschalen für die Bemessung des Bedarfs für die Erstausstattung einer Wohnung unterliegen der Höhe nach der vollen gerichtlichen Kontrolle. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Pauschalen für die Bemessung des Bedarfs für die Erstausstattung einer Wohnung und für Kleidung sind so bemessen, dass damit der Bedarf in vollem Umfang befriedigt werden kann. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3 Umfang des Anspruchs auf eine Erstausstattung für die Wohnung und für Kleidung. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 10 AS 1241/15 2017-01-27 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.01.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144, 145, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 06.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegenstand sind vorliegend Leistungen im Hinblick auf Bedarfe für die Erstausstattung der Wohnung des Klägers einschließlich Haushaltsgeräte und eine Erstausstattung für Bekleidung. Hierüber hat der Beklagten mit Bescheid vom 06.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2015 entschieden. Bei den geltend gemachten Ansprüchen auf Erstausstattung der Wohnung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II und auf Bekleidungserstausstattung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II handelt es sich auch um eigenständige, abtrennbare Streitgegenstände, so dass diese isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sein können (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 53/10 R – juris). Der Kläger hat die begehrten Leistungen zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) geltend gemacht.
Dem Kläger steht kein höherer Anspruch auf Gewährung von Leistungen für Erstausstattung zu. Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II sind vom Regelbedarf nach § 20 SGB II Bedarfe für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte (Nr. 1) und Erstausstattungen für Bekleidung (Nr. 2 1. Alt) nicht umfasst. Entsprechende Leistungen werden gesondert erbracht (§ 24 Abs. 3 Satz 2 SGB II) und können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden (§ 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II). Für die Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen (§ 24 Abs. 3 Satz 6 SGB II).
Ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen für Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte und für Bekleidung liegt dem Grunde nach vor. Der Beklagte hat auch entsprechende Leistungen im Rahmen der angefochtenen Bescheide bewilligt. Mit diesen Leistungen kann der geltend gemachte Bedarf – sofern er nach dem SGB II zu berücksichtigen ist – gedeckt werden.
Maßgeblich für Leistungen für Bedarfe der Wohnungserstausstattung einschließlich Haushaltsgeräte ist der Bedarf, der sich für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen bezieht, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen, wobei nur eine angemessene Ausstattung zu berücksichtigen ist, die den grundlegenden Bedürfnissen genügt und im unteren Segment des Einrichtungsniveaus liegt (vgl dazu im Einzelnen: BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 53/10 R – juris – mwN). Mit den vom Beklagten berücksichtigten Positionen wird der Kläger in die Lage versetzt, eine unmöblierte Wohnung dahingehend auszustatten, dass er eine geordnete Haushaltsführung erreichen und das Grundbedürfnis Wohnen in einfachen Verhältnissen befriedigen kann. Der Beklagte hat eine Anrichte für die Küche, einen Herd und Backofen, einen Kühlschrank, eine Hausratspauschale, eine Essecke und eine Spüle berücksichtigt. Mit diesen Gegenständen ist der Kläger in der Lage, Lebensmittel in geeigneter Form zu lagern, Speisen zuzubereiten und das Essen einzunehmen. Unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedürfnisse in diesem Bereich ist nicht ersichtlich, dass darüber hinausgehende Gegenstände wie beispielsweise ein Gefrierschrank, Spülmaschine, Kaffeemaschine, Toaster, Mikrowelle, Wasserkocher oder Dunstabzug benötigt werden. Für den Wohnbereich hat der Beklagte eine Schlafcouch, eine Wohnwand, einen Wohnzimmertisch, ein Bücherregal und ein Sideboard berücksichtigt. Damit wird der Kläger in die Lage versetzt, ein Wohnzimmer sachgerecht einzurichten. Sofern er auf seine beiden Kinder verweist, die alle zwei Wochen zu Besuch kommen sollen, ist nicht ersichtlich, dass ein entsprechender zusätzlicher Bedarf nicht gedeckt wäre. So besteht im Hinblick auf die Schlafcouch eine Übernachtungsmöglichkeit für die Kinder. Mit den Positionen Bettrahmen, Matratze, Lattenrost, Schlafzimmerschrank, Kissen und Bettdecke kann der notwendige Bedarf zur Einrichtung eines Schlafzimmers gedeckt werden. Schließlich hat der Beklagte die Positionen Garderobe und Schuhschrank als weitere Aufbewahrungsmöglichkeit für Kleidung und Schuhe sowie Leistungen für die Beschaffung von Lampen berücksichtigt.
Die vom Beklagten hierfür festgelegten Pauschalen, welche der richterlichen Kontrolle unterliegen, sind so bemessen, dass damit der Bedarf in vollem Umfang befriedigt werden kann. Unter Berücksichtigung der vorgelegten Preisliste des Wertstoffzentrums V. und der Angebote bei verschiedenen Einrichtungsmärkten ist erkennbar, dass die angesetzten Pauschalbeträge ausreichend sind, um entsprechende Einrichtungsgegenstände zu erwerben. Ein Anspruch darauf, dass hier ausschließlich Preise für Neugeräte zugrunde gelegt werden sollten, besteht nicht. Auch mit gebrauchten Gegenständen, deren Erwerb unter Berücksichtigung der Verhältnisse unterer Einkommensschichten zumutbar ist, kann der Bedarf an Einrichtungsgegenständen und Haushaltsgeräten gedeckt werden. Letztlich bleibt mit dem insgesamt festgesetzten Betrag von 1.926,50 € zudem ein eigener Gestaltungsspielraum des Klägers bezgl der Auswahl der anzuschaffenden Gegenständen. Soweit die vom Kläger vorgelegte Aufstellung im Rahmen seines Antrags beim Beklagten weitere Gegenstände enthalten hat, hat das SG hierzu ausführlich dargelegt, weshalb diese Positionen nicht zu berücksichtigen sind. Dem folgt der Senat und sieht insofern von einer weiteren Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch die Höhe der festgesetzten Leistungen für die Erstausstattung mit Bekleidung ist nicht zu beanstanden. Der notwendige angemessene Bedarf kann mit 286 € gedeckt werden. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass der Umfang der vom Kläger begehrten Kleidungsstücke unangemessen ist. Der Senat folgt hier ebenfalls den entsprechenden Ausführungen und sieht von weiteren Ausführungen ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Der Beklagte hat mit der vorgelegten Preisliste hinreichend dargetan, dass es ohne weiteres möglich ist, den als notwendig anzuerkennenden Bekleidungsbedarf mit der Pauschale von 286 € zu decken. Es hat eine Orientierung an den Verhältnissen unterer Einkommensschichten zu erfolgen. So verstößt es auch nicht gegen die Menschenwürde, wenn auf günstige Angebote von Discountern oder – mit Ausnahme von Leibwäsche und Strümpfen – auf gebrauchte Bekleidung zurückgegriffen werden müsste (vgl dazu BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 53/10 R – juris -; hier wird sogar ein Bedarf von 230 € pauschal für eine Bekleidungserstausstattung für ausreichend befunden).
Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.


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