Sozialrecht

Nichtzulassungsbeschwerde, Bescheid, Erwerbsminderung, Rente, Leistungen, Verwaltungsakt, Erwerbsminderungsrente, Gesundheitszustand, Ablehnung, Rehabilitation, Verfahren, Berufungsverfahren, Widerspruch, Vergleich, keinen Erfolg

Aktenzeichen  S 31 R 2332/15

Datum:
5.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49667
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Koste sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die Beklagte hat Anspruch gegen den Kläger auf Rückzahlung der von März bis einschließlich Oktober 2007 geleisteten Zahlungen von Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 5.041,89 € aus § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X.
Gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind Leistungen, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Der Rentenbewilligungsbescheid vom 25.08.2006 war befristet bis zum 28.02.2007. Er stellt somit keine Rechtsgrundlage für Rentenzahlungen ab 01.03.2007 dar.
Da auch der Weitergewährungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 21.03.2007 abgelehnt wurde, und diese Ablehnung auch im anschließenden Widerspruchs-, Klage-, Berufung und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bestätigt wurde, sind die Rentenzahlungen ab März 2007 ohne Verwaltungsakt erbracht worden.
Die Zahlungen sind auch im Sinne von § 50 Abs. 2 SGB X „zu Unrecht“ erbracht worden, da der Kläger ab März 2007 nicht mehr voll erwerbsgemindert war, und somit materiellrechtlich ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht mehr bestand.
Diese Frage ist rechtskräftig entschieden worden im vorgreiflichen Klageverfahren S 31 R 1589/15 und dem anschließenden Berufungs -und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Ermittlungen zum Gesundheitszustand des Klägers für den Zeitraum seit März 2007 waren im vorliegenden Verfahren somit nicht veranlasst.
Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind gegeben.
Gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X gelten die §§ 45, 48 SGB X entsprechend.
Vorliegend kommt nur die entsprechende Anwendung des § 45 SGB X in Betracht, da die fehlende Rechtsgrundlage nicht auf einer Änderung der Verhältnisse beruht, sondern auf dem Ablauf einer Befristung und einer abgelehnten Weitergewährung.
Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf seinen Bestand vertraut hat, und dieses Vertrauen schutzwürdig ist. In entsprechender Anwendung bedeutet dies, dass eine Rückforderung nicht in Betracht kommt, wenn der Begünstigte darauf vertraut hat und vertrauen durfte, dass die Leistungen mit Rechtsgrund erbracht wurden. Dabei kann sich auf Vertrauen nicht berufen, wer das Fehlen des Rechtsgrundes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X.
Der Kläger hatte Kenntnis davon, dass für die Rentenzahlungen ab März 2007 die Rechtsgrundlage in Form eines Verwaltungsakts fehlte. Der Kläger selbst hat mit Unterstützung seines Vaters, der sein Betreuer war, und dessen Kenntnis er sich zurechnen lassen muss, § 166 Abs. 1 BGB, der Beklagten mit Schreiben vom 19.09.2007 mitgeteilt, dass die Rentenzahlung aus unverständlichen Gründen weiterlaufe. Aufgrund dieses Schreibens, und ebenso aufgrund der eindeutig formulierten Befristung der Rentenbewilligung im Bescheid vom 25.08.2006, war dem Kläger bekannt, dass kein Bescheid existierte, mit dem ihm diese Rentenzahlungen bewilligt worden wären. Auch wusste der Kläger seit Zugang des Bescheides vom 21.03.2007, dass sein Weitergewährungsantrag abgelehnt worden war. Vor diesem Hintergrund kommt ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers dahingehend, dass er davon hätte ausgehen dürfen, die Leistungen behalten zu können, nicht in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger, wie vorgetragen, die Leistungen verbraucht haben sollte.
Die Beklagte hat auch die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt. Demnach ist der Bescheid über die Rückforderung binnen Jahresfrist ab Kenntnis derjenigen Tatsachen, die den Erstattungsanspruch rechtfertigen, zu erlassen. Da Voraussetzung des Rückforderungsanspruchs aus § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X nicht nur das Fehlen eines Verwaltungsakts, sondern auch das materiellrechtliche Fehlen eines Anspruchs auf die Leistung ist, hatte die Beklagte umfassende Kenntnis aller relevanten Tatsachen erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits über den Anspruch auf Weitergewährung der Rente, folglich erst mit Beschluss des BSG vom 05.08.2014 über die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des LSG vom 30.01.2014. Der Bescheid vom 16.02.2015 wurde somit innerhalb der Jahresfrist erlassen.
Ebenso wie die Beklagte sieht das Gericht keinen Anhaltspunkt, der im Rahmen der Ermessenserwägungen dafür spräche, von der Rückforderung der überzahlten Rente abzusehen. Soweit der Kläger seine schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der Rückforderung entgegensetzt, ist darauf hinzuweisen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse nach bestandskräftiger Feststellung der Rückforderung im Rahmen einer etwaigen Niederschlagung der Forderung geprüft werden können.
Soweit klägerseits gerügt wird, der Bescheid vom 16.02.2015 sei vor Ende der Anhörungsfrist erlassen worden und somit formell rechtswidrig, ist dies unbeachtlich, § 41 Abs. 1 Nummer 3 SGB X.
Der Rückforderungsanspruch ist im Übrigen nicht verjährt, § 50 Abs. 4, Abs. 3 SGB X.
Nach allem war die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.


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