Sozialrecht

Regelungscharakter eines Schreibens des Jobcenters zur Übernahme von Aufwendungen zur Beheizung

Aktenzeichen  L 11 AS 614/16

Datum:
29.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 138100
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 31 Abs. 1

 

Leitsatz

Zur Zulässigkeit eines Widerspruches und Regelungscharakter eines Schreibens. (Rn. 16 – 17)

Verfahrensgang

S 19 AS 65/16 2016-08-10 GeB SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.08.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), in der Sache aber unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Schreiben vom 22.12.2015 stellt keinen Verwaltungsakt iSd § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dar, den der Kläger gemäß § 62 SGB X iVm § 78 SGG anfechten könnte. Die Entscheidung des Beklagten, den dagegen am 29.12.2015 eingelegten Widerspruch als unzulässig zurückzuweisen, ist nicht zu beanstanden.
Streitgegenstand ist allein die Anfechtung des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2015, mit dem der Beklagte den Widerspruch vom 29.12.2015 in Bezug auf das Schreiben vom 22.12.2015 als unzulässig zurückgewiesen hat. Darüber hinaus war mit der Erhebung der Klage vor dem SG – entgegen dessen Darstellung im Tatbestand – kein weitergehender Antrag gestellt oder ein Leistungsbegehren formuliert worden. Auch hat das SG mit der bloßen Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides nur über die Unzulässigkeit des Widerspruches vom 29.12.2015 entschieden.
Ausgehend hiervon ist Abweisung der Klage nicht zu beanstanden, denn das Schreiben vom 22.12.2015 stellt keinen anfechtbaren Verwaltungsakt dar. Als Verwaltungsakt anzusehen ist eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 31 Abs. 1 SGB X). Regelnden Charakter idS hat eine Entscheidung nur dann, wenn durch sie unmittelbar aufgrund eines konkreten Sachverhalts eine verbindliche Rechtsfolge gesetzt wird, die ohne weiteren Umsetzungsakt ein Recht begründet, ändert, aufhebt oder verbindlich feststellt bzw. die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte ablehnt. Hieran fehlt es dem Schreiben vom 22.12.2015, denn damit hat es der Beklagte nicht ausdrücklich abgelehnt, den Heizkostenbedarf in der vom Kläger geforderten Form zu decken, sondern ihn zum einen auf die Obliegenheiten verwiesen, die der Kläger im Rahmen der Selbstbeschaffung von Heizmaterial zu beachten habe. Zum anderen hat der Beklagte nochmals klargestellt, dass mit dem Bescheid vom 10.12.2015 eine Grundlage dafür geschaffen worden sei, die den Kläger in die Lage versetze, seinen Heizkostenbedarf in der dort genannten Form zu decken. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beklagte seinem Schreiben vom 22.12.2015 im Zeitpunkt der Erstellung lediglich Informationscharakter beigemessen hat, weil auf die Forderung des Klägers, eine Vorauszahlung zu erbringen, nicht abschließend eingegangen worden ist, mithin eine ablehnende Entscheidung – wohl auch aus Sicht des Klägers – nicht ergangen ist. Soweit der Beklagte in seinem Schreiben weiter ausführt, eine Übernahme von erhöhten Aufwendungen wegen der Beheizung mit Strom komme im Hinblick auf die Zusicherung nicht in Betracht, ist auch hierin keine verbindliche Regelung eines Sachverhaltes zu erkennen. Für die Beurteilung als Verwaltungsakt kann dahinstehen, dass der Kläger dem Schreiben – aus seiner subjektiven Sicht – eine ablehnende Entscheidung zumindest in Bezug auf die Übernahme der Stromkosten zum Zwecke der Beheizung entnommen hat, denn maßgeblich ist der objektive Erklärungswert der Mitteilung, wie sie ein verständiger Betrachter erfassen würde. Auf dieser Grundlage sieht der Senat keinen Anhaltspunkt dafür, dass es der Beklagte abgelehnt hat, die – aus seiner Sicht – angemessenen Aufwendungen für die Beheizung mit Strom abzulehnen, denn er hat lediglich darauf verwiesen, dass nur die Kostenübernahme für erhöhte, d.h. die Zusicherung vom 10.12.2015 übersteigende Aufwendungen nicht in Betracht kommen würde. Ob derartige Aufwendungen überhaupt entstehen würden, war dem Beklagten jedoch in dem Zeitpunkt, in dem er das Schreiben vom 22.12.2015 verfasst hat, weder bekannt, noch hatte der Kläger den Umfang seiner eventuell erhöhten Aufwendungen zu irgendeinem Zeitpunkt konkret dargelegt, so dass es bereits an einem zu regelnden Sachverhalt fehlt, auf den sich eine Ablehnung im Schreiben vom 22.12.2015 hätte beziehen können. Zuletzt ist auch dem Hinweis des Beklagten auf die Bescheide vom 10.12.2014 und 29.12.2014 kein Regelungscharakter zu entnehmen, denn der Hinweis stellt keine ablehnende Entscheidung in Bezug auf die Heizkosten für den Winter 2014/15 dar, sondern erläutert dem Kläger, dass – entgegen seiner Auffassung – bereits Bewilligungsbescheide für den genannten Zeitraum erteilt worden seien.
Damit kann dahinstehen, ob die Begründung des Beklagten trägt, den Widerspruch auch aus formellen Gründen als unzulässig anzusehen, weil der E-Mail vom 19.12.2015 keine hinreichende Anhaltspunkte dafür zu entnehmen gewesen seien, beim Widerspruchsführer handle es sich um den Kläger. Im Ergebnis hatte der Beklagte auf den Widerspruch vom 29.12.2105 daher – mangels Vorliegen eines Verwaltungsaktes – keine Entscheidung zum Widerspruch des Klägers in der Sache zu treffen. Die Zurückweisung als unzulässig ist damit nicht zu beanstanden.
Soweit der Kläger mit der Berufung erstmals im gerichtlichen Verfahren ausdrücklich geltend macht, ihm seien vom Beklagten die Aufwendungen für die bislang noch nicht erstatteten Heizkosten für zwei Winter (jeweils ca. 1.500,00 € bis 1.800,00 €) nachzuzahlen, ist hierüber nicht in der Sache zu entscheiden, denn es handelt sich um eine unzulässige Klageänderung. Maßgeblich für die Bewertung dieses Anliegens als Antrag auf Änderung der Klage i.S.d. § 99 SGG, die auch noch im Berufungsverfahren möglich ist (vgl. B.Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 99 Rn. 12 mwN), ist der Umstand, dass der Kläger vor dem SG allein den Widerspruchsbescheid vom 30.12.2015 angefochten hat, ohne weitergehende Anträge formuliert zu haben. Damit stand im erstinstanzlichen Verfahren allein die Zulässigkeit des Widerspruches vom 29.12.2015 im Streit, worüber das SG mit seiner Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides im Ergebnis auch nur entschieden hat. Das im Berufungsverfahren erstmals formulierte Begehren erweist sich daher als Klageänderung, die jedoch nur zulässig ist, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (§ 99 Abs. 1 SGG). Beides ist vorliegend nicht der Fall. Dabei kann dahinstehen, ob das Begehren als allgemeine Leistungsklage (i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG) – der Kläger nennt keinen Bewilligungsbescheid, den er anzufechten wünscht – oder als Untätigkeitsklage (i.S.d. § 88 SGG) mit der Behauptung anzusehen ist, der Beklagte habe über offene Anträge oder Widersprüche im Zusammenhang mit der Bewilligung des Heizkostenbedarfes noch nicht entschieden. Der Beklagte hat sich vorliegend auf das Begehren des Klägers nicht in der Sache eingelassen und der Klageänderung in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich widersprochen (§ 99 Abs. 2 SGG). Darüber hinaus ist eine Sachdienlichkeit (i.S.d. § 99 Abs. 1 SGG) ebenfalls nicht anzunehmen, insbesondere weil die Sachentscheidungsvoraussetzungen für eine Leistungs- oder Untätigkeitsklage nicht ersichtlich sind.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zulassen, bestehen nicht.


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