Sozialrecht

Ruhestandsversetzung

Aktenzeichen  M 5 K 19.4229

Datum:
10.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19484
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 26 Abs. 1 S. 1, § 27 Abs. 1
BayBG Art. 65
RDGEG §§ 3, 5
VwGO § 124, § 124 a Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
1. Der Bescheid vom …Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Denn der Kläger war zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vom … Juli 2019 bzw. dessen Zustellung am … Juli 2019 – vollständig dienstunfähig und daher von der Beklagten in den Ruhestand zu versetzen.
a) Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) sind Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauerhaft unfähig (dienstunfähig) sind.
Als dienstunfähig nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG können Beamtinnen und Beamte auch dann angesehen werden, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden, Art. 65 Abs. 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG). Bestehen Zweifel über die Dienstfähigkeit, so ist der Beamte oder die Beamtin verpflichtet, sich nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt oder eine Amtsärztin dies für erforderlich hält, beobachten zu lassen, Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG.
Von der Versetzung in den Ruhestand soll nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Eine anderweitige Verwendung ist nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringer wertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist, § 26 Abs. 3 BeamtStG.
Von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit soll nach § 27 Abs. 1 BeamtStG abgesehen werden, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit). Die Arbeitszeit ist nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit herabzusetzen. Mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten ist auch eine Verwendung in einer nicht dem Amt entsprechenden Tätigkeit möglich, § 27 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG.
b) Nach diesen Maßgaben ist die Versetzung des Klägers in den Ruhestand durch die Beklagte rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger war zur Überzeugung des Gerichts zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vollständig dienstunfähig.
aa) Der Bescheid vom … Juli 2019 stützt sich zunächst rechtlich einwandfrei auf das Gesundheitszeugnis der Amtsärztin Dr. med. A. K. vom … August 2018.
Darin wurde dargestellt, dass beim Kläger eine vollständige und anhaltende Dienstunfähigkeit vorliege, welche in einer schwergradigen Erkrankung im nervenärztlichen Fachbereich begründet sei. Die Erkrankung äußere sich in einer deutlich erhöhten Erschöpfbarkeit bei sämtlichen Alltagsaktivitäten. Das Durchhaltevermögen sowie die Dauer des Konzentrationsvermögens seien stark beeinträchtigt. Ein anderes Amt oder eine geringer wertige Tätigkeit könnten nicht übertragen werden. Begrenzte Dienstfähigkeit liege nicht vor.
Die Beklagte befand diese Aussagen des amtsärztlichen Gutachtens in ihrem Bescheid vom … August 2019 für stichhaltig und stütze ihre Entscheidung darauf.
bb) Das Gericht ist aufgrund der Einvernahme der Amtsärztinnen Dr. med. A. K. sowie Dr. med. M. K. als sachverständige Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung am 10. März 2020 zu der Überzeugung gelangt, dass das Gesundheitszeugnis vom … August 2018, das dem Kläger vollständige und – zumindest bis zu einer Nachuntersuchung nach Ablauf eines Jahres – anhaltende Dienstunfähigkeit bescheinigte, nachvollziehbar und schlüssig ist. Ebenso ergaben sich zur Überzeugung des Gerichts keine Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger eine anderweitige Verwendung, die Übertragung einer geringer wertigen Tätigkeit oder die Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice möglich wäre oder noch begrenzte Dienstfähigkeit gegeben wäre. Das ergibt sich aus Folgendem:
Die sachverständige Zeugin Dr. med. A. K. hat anschaulich und nachvollziehbar dargelegt, dass sie zu dem Ergebnis des Gesundheitszeugnisses aufgrund des beim Kläger diagnostizierten Chronic fatigue – Syndroms (CFS, chronisches Müdigkeitssyndrom nach ICD-10 der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation/WHO, dort Nr. G 93.3) sowie einer vorhandenen depressiven Episode mittelgradiger Ausprägung gelangte.
Die Diagnosen habe sie erst nach einer Zusatzbegutachtung auf nervenärztlichem Fachgebiet durch die im nervenärztlichen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Fachgebiet tätige Amtsärztin Dr. med. M. K. gestellt. Bei der amtsärztlichen Untersuchung am … Juni 2018 habe sie gesehen, dass die Beschwerden des Klägers ganz erheblich seien und schon lange andauerten. Allerdings hätten diese Beschwerden nicht auf dem internistischen Fachgebiet gelegen, sodass sie eine Zusatzbegutachtung im nervenärztlichen Fachbereich in Auftrag gegeben habe.
Das erstellte Zusatzgutachten habe sie durchgesehen und für schlüssig erachtet. Auf dieser Grundlage sei sie zu der Einschätzung gekommen, dass der Kläger dienstunfähig sei. Die Schilderungen im Zusatzgutachten hätten sich mit ihren Einschätzungen der Beschwerden des Klägers gedeckt und hätten auch mit den privatärztlichen Attesten des Klägers in Einklang gestanden.
Die sachverständige Zeugin erläuterte schlüssig und in sich widerspruchsfrei, dass eine Tätigkeit im Homeoffice keine Möglichkeit sei, von der Dienstfähigkeit des Klägers ausgehen zu können. Sie führte hierzu insbesondere überzeugend aus, dass man auch bei einer Tätigkeit zuhause grundsätzlich die gleiche Leistung erbringen müsse wie im Büro, beim Kläger jedoch eine stark eingeschränkte Leistungsfähigkeit bestehe. Auch Ruhepausen würden nicht zu einer vollen Regeneration führen, d.h. die eingeschränkte Leistungsfähigkeit bleibe bestehen.
Des Weiteren erläuterte die Amtsärztin schlüssig und in sich widerspruchsfrei, dass das Leistungsbild des Klägers sich bei den Untersuchungen als stark eingeschränkt gezeigt habe und diese Einschränkung unabhängig von den diese begründenden Grunderkrankungen sei. Es sei daher letztlich nicht maßgeblich, worauf die Leistungseinschränkungen beruhten.
Die sachverständige Zeugin Dr. med M. K. hat anschaulich und nachvollziehbar dargelegt, dass sie zu dem Ergebnis des Zusatzgutachtens aufgrund der beim Kläger diagnostizierten CFS sowie depressiven Episode mittelgradiger Ausprägung gelangte. Bei einer CFS trete häufig eine depressive Episode mit auf. Beides zusammen begründe die Dienstunfähigkeit, wobei die Diagnose CFS für die Begründung der Dienstunfähigkeit im Vordergrund stehe.
Diese Diagnosen habe sie nach einer Exploration des Klägers unter Würdigung der vorgelegten Befunde gestellt. Die Schilderungen des Klägers über seine Einschränkungen seien entsprechend schwerwiegend gewesen. So habe er angegeben, dass er nach dem Klinikaufenthalt keine Wiedereingliederung anstrebe, da er dies nicht schaffen könne. An manchen Tagen sei er nicht auf die Beine gekommen.
Die sachverständige Zeugin erläuterte schlüssig und in sich widerspruchsfrei, dass eine Dienstfähigkeit nicht angenommen werden könne, wenn der Kläger im Homeoffice arbeite. Sie führte hierzu insbesondere überzeugend aus, dass eine solche Arbeitsmöglichkeit für eine gesunde Person eingerichtet werde. Der Kläger habe angegeben, dass er sich relativ unvermittelt hinlegen müsse, wenn er sich erschöpft fühle. Er schlafe dann manchmal fünf Minuten, manchmal 15 Minuten, manchmal eine Stunde oder länger. Das zeige, dass die Arbeit auch nicht im Homeoffice erledigt werden könne. Bei einer CFS seien Patienten sehr schnell erschöpft und auch nach einer längeren Ruhepause nicht erholt. Das entspreche den nervenärztlichen Definitionen.
Des Weiteren erläuterte die sachverständige Zeugin schlüssig und in sich widerspruchsfrei, dass für ihre Diagnose unerheblich sei, ob der Kläger an einer Epstein-Barr-Virus Infektion erkrankt sei. Das sei für ihre Definition eines neurologisch-psychiatrischen Störungsbildes nicht relevant.
Soweit die Klagepartei einwendet, dass die Ruhestandsversetzungsverfügung auf einem überholten bzw. veralteten Gesundheitszeugnis beruhe, ist dem entgegenzuhalten, dass seit der Begutachtung am … August 2018 weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers verbessert habe. Auch aus dem privatärztlichen Attest vom … Mai 2019 geht dies nicht hervor. Darin wird lediglich eine EBV-Infektion als Ursache für die CFS genannt sowie die Frage der Tätigkeit im Homeoffice aufgeworfen. Dieses Attest änderte nichts an der medizinischen Einschätzung der Dienstfähigkeit des Klägers durch die sachverständigen Zeuginnen. Diese haben anschaulich und nachvollziehbar dargelegt, dass die Ursache für die Leistungseinschränkungen nicht relevant sei. Maßgeblich seien allein die vorhandenen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Klägers, die zu einer Dienstunfähigkeit geführt haben. Die Leistungseinschränkungen seien mit einer Tätigkeit im Homeoffice nicht vereinbar.
c) Auch die gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs kann nicht zur Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids führen. Denn unabhängig davon, ob überhaupt eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegt, konnte dies jedenfalls die Entscheidung in der Sache nicht beeinflussen. Maßgeblich für die Beurteilung der Dienstfähigkeit ist allein die Leistungsfähigkeit des Beamten. Die Amtsärztinnen haben beim Kläger erhebliche Leistungseinschränkungen festgestellt. Worauf diese beruhen ist für die Frage der Dienstunfähigkeit unerheblich. Daher konnte die Einwendung, dass der Gesundheitszustand auf einer EBV-Infektion beruhe, die Entscheidung über die Ruhestandsversetzung nicht beeinflussen.
2. Da der streitgegenständliche Bescheid vom … Juli 2019 Bestand hat, hat der Kläger keinen Anspruch auf die Auszahlung seiner vollen Bezüge. Auch die Zahlung von Prozesszinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch/BGB) kommt nicht in Betracht.
3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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