Sozialrecht

Rundfunkbeitrag

Aktenzeichen  7 BV 21.2209

Datum:
22.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4471
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 4 Abs. 1 Nr. 7
Art. 2 Abs. 4 S. 4 BayLPflGG.

 

Leitsatz

Beziehern von Landespflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz ist keine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV zu gewähren.

Verfahrensgang

B 3 K 20.609 2021-07-09 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Verwaltungsgerichtshof konnte über den Rechtsstreit im schriftlichen Verfahren entscheiden, da die Beteiligten jeweils auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).
I. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden und die Berufung daher zurückzuweisen.
1. Die Klägerin hat keinen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV.
In ihrer Person liegen unstreitig keine Befreiungstatbestände vor. Auch der im Berufungsverfahren allein vorgebrachte Umstand, dass ihr Ehemann Pflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz (BayLPflGG) vom 24. Juli 2018 (GVBl S. 613, 625) i.d.F. vom 24. Mai 2019 (GVBl S. 266) bezieht, verschafft ihr keinen (auf sie erstreckten) Befreiungsanspruch nach § 4 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV. Zwar nennt der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag in § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV explizit den Bezug von „Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften“. Das bayerische Landespflegegeld wird jedoch davon nicht erfasst.
a) Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist trotz seiner bundesweiten Geltung als bayerisches Landesrecht einzuordnen. Er stellt einen intraföderalen Staatsvertrag dar mit der Zielsetzung der Schaffung eines bundeseinheitlichen Rundfunkbeitragssystems. Länderstaatsverträge werden regelmäßig durch die Ministerpräsidenten der Länder abgeschlossen und durch Zustimmungsakte der Landtage in Landesrecht transformiert (Vesting in Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, RStV, § 1 Rn. 5). In Bayern geschieht diese Zustimmung durch Beschluss des Landtags (Art. 72 Abs. 2 BV). Der Bayerische Landtag hat mit Beschluss vom 22. März 2018 (Drs. 17/21317) dem 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (GVBl S. 210) und mit Beschluss vom 19. März 2020 (Drs. 18/4703, 18/6929) dem 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (GVBl S. 262) jeweils zur Änderung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zugestimmt. Nach dem jeweiligen Zustimmungsbeschluss handelt es sich beim Rundfunkbeitragsstaatsvertrag daher um materielles Recht im Rang eines förmlichen bayerischen Landesgesetzes (vgl. VerfGH, E.v. 15.5.2015 – Vf. 8-VII-12 u.a. – juris Rn. 54; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 72 Rn. 14). Seine Bindungswirkung ist allerdings bundesrechtlich determiniert. Das Verhältnis der Länder zueinander unterliegt auch in ihrer Eigenschaft als Vertragspartner dem Bundesrecht als der allen Parteien gemeinsamen Basisordnung (vgl. Gundel, DÖV, 2017, 15/17). Die Länder sind daher vertraglich gezwungen, sich an wirksam geschlossene Staatverträge zu halten (pacta sunt servanda; vgl. Möstl in Lindner/Möstl/Wolf a.a.O. Art. 72 Rn. 5 m.w.N.).
b) Im Rahmen der Auslegung des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV sind über dessen reinen Wortlaut hinaus Sinn und Zweck sowie die Regelungssystematik der Norm zu berücksichtigen. Deshalb kann die Klägerin allein aus der formalen Bezeichnung des Gesetzes als „Bayerisches Landespflegegeldgesetz“ nichts für sich herleiten. Entscheidend für die Frage, ob es sich hierbei um Pflegegeld im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV handelt, ist nicht die Bezeichnung der Rechtsgrundlage, aufgrund derer der Bezug von Landespflegegeld erfolgt, sondern allein deren materieller Regelungsgehalt.
§ 4 Abs. 1 RBStV sieht einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus sozialen Gründen vor. Voraussetzung ist, dass der Beitragsschuldner eine in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 und Nr. 10 Alt. 2 RBStV genannte Sozialleistung bezieht oder zu dem von § 4 Abs. 1 Nr. 9 und 10 Alt. 1 RBStV erfassten Personenkreis gehört und dieses gemäß § 4 Abs. 7 RBStV durch eine entsprechende Bestätigung der Behörde oder des Leistungsträgers oder durch einen entsprechenden Bescheid nachweisen kann. Dieses System der sog. bescheidgebundenen Befreiung beruht auf dem Grundprinzip, nur demjenigen einen Anspruch auf Befreiung zuzugestehen, dessen Bedürftigkeit am Maßstab der bundesgesetzlichen Regelungen durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft und in deren Bescheid bestätigt wird oder dem vom Staat bestätigt wurde, dass er die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt. Mit diesem System werden schwierige Berechnungen zur Feststellung der Bedürftigkeit auf Seiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vermieden, indem aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung an die bundesgesetzgeberischen Wertungen für den Bezug von Sozialleistungen angeknüpft wird und diese zur Grundlage der Reichweite einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gemacht werden (BVerwG, U.v. 30.10.2019 – 6 C 10.18 – juris Rn. 17, 21).
Voraussetzung für die Gewährung einer Beitragsbefreiung ist in den Fällen von § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 und Nr. 10 Alt. 2 RBStV jeweils, dass die Sozialbehörden (auch) eine wirtschaftliche Bedürftigkeit festgestellt und hierauf in Form von Sozialleistungen reagiert haben. Diesem Personenkreis ist nach der Entscheidung des Gesetzgebers die Leistung eines Rundfunkbeitrags nicht zumutbar. Unabhängig vom Bezug von Sozialleistungen haben darüber hinaus Anspruch auf Befreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 9 RBStV Volljährige, die im Rahmen einer Leistungsgewährung in einer stationären Einrichtung nach § 45 SBG VIII leben, sowie taubblinde Menschen, § 4 Abs. 1 Nr. 10 Alt. 1 RBStV. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Bezieher von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften den letztgenannten beiden Personengruppen gleichstellen und einen Befreiungstatbestand schaffen wollte, der unabhängig von wirtschaftlicher Bedürftigkeit eingreift. Vielmehr haben die Vertragspartner bereits in der Begründung zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 13. Dezember 2011 deutlich gemacht, dass die „bisherigen einkommensabhängigen Befreiungen im privaten Bereich erhalten bleiben“ sollten. Sie seien grundsätzlich an den „Bezug bestimmter staatlicher Sozialleistungen gebunden“ (mit Ausnahme der Befreiungsmöglichkeit taubblinder Menschen). Neu geregelt wurde, dass auch Menschen mit Behinderung bei finanzieller Leistungsfähigkeit zum Rundfunkbeitrag herangezogen werden sollten, ihr Beitrag wurde jedoch auf ein Drittel ermäßigt (vgl. hierzu: Begründung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags S. 3, 13 f.). Ziel sei, so das barrierefreie Rundfunkangebot zu verbessern. Aus diesen Regelungen und deren Begründung wird deutlich, dass die Länder Befreiungen von der Rundfunkbeitragspflicht grundsätzlich nur bei wirtschaftlicher Bedürftigkeit vorsehen wollten.
Auch die in § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV selbst geregelten weiteren Alternativen (Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches oder von Hilfe zur Pflege als Leistung der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz) knüpfen jeweils an den Bezug von Sozialleistungen nach Prüfung der wirtschaftlichen Bedürftigkeit an. So wird nach § 61 Satz 1 i.V.m. §§ 82 ff. SGB XII Hilfe zur Pflege nur unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse gewährt. Gleiches gilt für den Bezug von Hilfe zur Pflege nach § 26c BVG. Auch diese wird nur bei wirtschaftlicher Bedürftigkeit bewilligt (vgl. § 26c Abs. 1, Abs. 5 BVG i.V.m. § 61 SGB XII). Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber den Bezug von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften anders behandeln hätte wollen. Das bedeutet, dass auch aus der Binnenregelung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV zu schließen ist, dass der Bezug von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften nur dann Grundlage für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht sein kann, wenn dieser eine Sozialleistung darstellt, die aufgrund einer wirtschaftlichen Bedürftigkeitsprüfung sozialbehördlich festgestellt wurde.
Dieses Normverständnis wird von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Anspruch auf Beitragsbefreiung wegen Vorliegens eines besonderen Härtefalls gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV gestützt. Auch eine Befreiung aufgrund unbilliger Härte kommt danach grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn Personen zwar von der Gewährung der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen mangels Vorliegen der Voraussetzungen ausgeschlossen sind, jedoch ein diesen Regelleistungen entsprechendes oder geringeres Einkommen haben und nicht auf verwertbares Vermögen zurückgreifen können (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2019 – 6 C 10.18 – juris Rn. 26).
Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen auch, dass Empfänger von Pflegegeld als vermögens- und einkommensunabhängiger Leistung der sozialen Pflegeversicherung nach § 37 SGB XI ebenfalls keinen Anspruch auf Befreiung haben.
Eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen des Bezugs von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften ist daher grundsätzlich nur möglich, wenn auch dieses aufgrund einer wirtschaftlichen Bedürftigkeit und damit als Sozialleistung gewährt wird.
c) Der Bezug von Pflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeld wird nicht von § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV erfasst.
aa) Das bayerische Landespflegegeld stellt keine staatliche (Sozial) Leistung dar, deren Bezug von wirtschaftlicher Bedürftigkeit abhängig ist.
Nach Art. 2 Abs. 1 BayLPflGG hat Anspruch auf Landespflegegeld, wer mit seiner alleinigen Wohnung oder Hauptwohnung im Freistaat Bayern gemeldet ist und nachweist, dass er an mindestens einem Tag des Pflegegeldjahres (vgl. Art. 2 Abs. 2 BayLPflGG: 1.10. eines Jahres bis 30.9. des Folgejahres) in einem Umfang von mindestens Pflegegrad 2 pflegebedürftig war. Es dient weder der Deckung des pflegerischen Bedarfs, von Teilhabebedarfen noch der Existenzsicherung (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BayLPflGG). Gemäß Art. 1 Satz 1 BayLPflGG soll mit dem bayerischen Landespflegegeld das Selbstbestimmungsrecht der pflegebedürftigen Menschen jenseits der Gestaltung ihres Alltags über die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI), über die Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII) und über die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) hinaus gestärkt werden. Aus der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 17/22033) ergibt sich, dass Zweck des Bayerischen Landespflegegeldgesetzes ist, den Pflegebedürftigen die Lebensgestaltung zu erleichtern und ihnen insbesondere die Freiheit zu geben, Angehörigen oder anderen Personen eine materielle Anerkennung zukommen zu lassen. Das Bayerische Landespflegegeld ist damit ausdrücklich nicht als Sozialleistung ausgestaltet, sondern soll Pflegebedürftigen ermöglichen, sich etwas leisten zu können, was in ihrem normalen Alltag sonst nicht möglich wäre (vgl. Jaburek, NZS 2019, 411). Seine Zielrichtung ist daher von der staatlicher Sozialleistungen zu unterscheiden. Es soll – nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Norm – allen Pflegebedürftigen in Bayern, die in einem Umfang von mindestens Pflegegrad 2 pflegebedürftig waren, unabhängig von ihrem Einkommen und Vermögen gewährt werden. Damit fällt es nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV.
bb) Der Bayerische Landesgesetzgeber hat mit Einführung von Art. 2 Abs. 4 Satz 4 BayLPflGG zum 1. Januar 2019 (GVBl S. 266) diese normative Wertung nachvollzogen und ausdrücklich klargestellt, dass es sich beim bayerischen Landespflegegeld nicht um „Pflegegeld nach landesrechtlichen Vorschriften“ im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV handelt.
cc) Hierin liegt kein Fall kollidierenden Landesrechts. Daher kommt es auf die Frage des Verhältnisses von staatsvertraglichen Regelungen zu anderem (abweichenden) autonomen Landesrecht vorliegend nicht an (vgl. hierzu Vesting in Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, RStV, § 1 Rn. 40; Möstl in Lindner/Möstl/Wolf, Verfassung des Freistaats Bayern, Art. 72 Rn. 5 m.w.N.). Indem der Landesgesetzgeber mit der Regelung des Art. 2 Abs. 4 Satz 4 BayLPflGG die Möglichkeit einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ausdrücklich ausgeschlossen hat, setzt er sich nicht in Konflikt mit den vertraglichen Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags. Denn § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV verpflichtet den bayerischen Gesetzgeber weder zum Erlass eines Landespflegegeldgesetzes, noch hindert diese Vorschrift ihn daran, ein solches Gesetz zu erlassen und darin die Möglichkeit einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht auszuschließen. Die Entscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ einer solchen landesgesetzlichen Regelung obliegt allein der gesetzgeberischen Entscheidung des Landesgesetzgebers. Diese setzt sich damit nicht in Widerspruch zu § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV.
cc) Aus dem Umstand, dass in anderen Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Bremen und Rheinland-Pfalz) die dortigen Landesrundfunkanstalten beim Bezug von Landespflegegeld Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gewähren, kann die Klägerin auch unter Berufung auf den durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Anspruch auf Gleichbehandlung keinen Befreiungsanspruch ableiten.
Gleichheit vor dem Gesetz sichert Gleichheit vor dem jeweiligen Gesetzgeber und verpflichtet diesen in seinem Kompetenzbereich auf die dort gebotenen Angleichungen und Unterscheidungen. Der einzelne Grundrechtsträger hat folglich einen Anspruch auf Gleichbehandlung nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt. Der Gleichheitssatz überwindet nicht föderale Differenzierungen. Er trifft somit in der Kompetenzordnung auf unterschiedliche Entscheidungszuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse, die grundsätzlich zur Folge haben, dass die dort begründeten Verschiedenheiten als Folge der Kompetenzzuweisung anzuerkennen sind (vgl. P. Kirchhof in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand Januar 2021, Art. 3 Rn. 159).
Darauf, dass die angeführten Unterstützungsleistungen einiger Bundesländer sich vom Regelungsgehalt des Bayerischen Landespflegegeldgesetzes in erheblicher Weise unterscheiden (schon auf Tatbestandsebene werden weitergehende und teilweise höhere Anforderungen gestellt) und die damit verbundene Frage, inwieweit überhaupt vergleichbare Sachverhalte zu Grunde liegen können, kommt es daher hier nicht entscheidungserheblich an.
d) Für eine analoge Anwendung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV auf den Personenkreis, der Landespflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz bezieht, besteht wegen des abschließenden Charakters der in § 4 Abs. 1 RBStV enumerativ aufgezählten Befreiungstatbestände mangels Vorliegen einer Regelungslücke kein Raum. Vor allem aber sind die in § 4 Abs. 1 RBStV aufgeführten Tatbestände aufgrund des Normzwecks als abschließend anzusehen (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2019 – 6 C 10.18 – juris Rn. 19, 21).
e) Das Vorliegen weiterer Befreiungsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 RBStV hat die Klägerin im Verfahren nicht vorgebracht und solche sind auch nicht ersichtlich.
3. Der Senat legt den von der Klägerin im Berufungsverfahren formulierten Antrag in ihrem wohlverstandenen Interesse dahingehend aus, dass sie weiterhin auch die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihr eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrags zu gewähren (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 88 VwGO). Die Klägerin kann jedoch keine (auf sie erstreckte) Ermäßigung des Rundfunkbeitrags nach § 4 Abs. 3, Abs. 2 RBStV beanspruchen. Für Menschen mit Behinderung i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 RBStV wird auf Antrag der Rundfunkbeitrag auf ein Drittel ermäßigt. Die Feststellung des Vorliegens der jeweiligen gesundheitlichen Voraussetzungen obliegt den Behörden der Versorgungsverwaltung. Sie erfolgt durch Angabe entsprechender Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis. An diese Feststellungen ist der Beklagte gebunden. Er hat weder die entsprechende fachliche Kompetenz noch das Recht, selbst gesundheitliche Feststellungen zu treffen (vgl. Gall/Siekmann in Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, § 4 RBStV Rn. 49). Im Schwerbehindertenausweis des Ehemanns der Klägerin finden sich lediglich die Merkzeichen „G“ und „aG“. Das für eine Ermäßigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 RBStV erforderliche Merkzeichen „RF“ ist nicht festgestellt. Eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrags für ihren Ehemann, auf die sich die Klägerin gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 RBStV berufen könnte, kommt daher – wie vom Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt – nicht in Betracht.
4. Der Hilfsantrag bleibt ebenfalls ohne Erfolg, da – wie ausgeführt – weder für eine vollständige Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht noch für eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrags die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Klägerin mit ihrer Verpflichtungsklage die Gewährung einer Befreiung bzw. Ermäßigung begehrt und § 4 Abs. 1 und Abs. 2 RBStV eine primär fürsorgerische Zweckrichtung haben (vgl. BVerwG, B.v. 20.4.2011 – 6 C 10.10 – NVwZ-RR 2011, 622 Rn. 3 zu § 6 RGebStV), ist das Verfahren nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
III. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben