Sozialrecht

Streit um Rücknahme eines Zuwendungsbescheides

Aktenzeichen  W 8 K 18.149

Datum:
3.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 34071
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 49

 

Leitsatz

1 Das tatsächliche Vorliegen einer Zweckverfehlung ist nicht davon abhängig, ob der Leistungsempfänger die Zweckverfehlung zu vertreten hat oder objektive, außerhalb seiner Einwirkungssphäre bestehende oder eingetretene Umstände die Ursache dafür waren, ebenso nicht, ob er die Entwicklung vorhersehen konnte oder hätte müssen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei Verfehlung des mit der Gewährung von öffentlichen Zuschüssen verfolgten Zwecks ist ein Widerruf im Regelfall intendiert. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu voll-streckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Das Gericht konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO), nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 17. September 2018 übereinstimmend darauf verzichtet haben.
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der Widerrufs- und Rückforderungsbescheid vom 10. Januar 2018, mit dem das ZBFS den Bewilligungsbescheid vom 16. Juli 2013 mit Wirkung für die Vergangenheit in Höhe von 35.000,00 EUR vollständig widerrufen hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bewilligungsbescheid konnte nach Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG i.V.m. Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG wegen Nichterreichung des Zwecks der bewilligten Förderung nach dem Projekt „Betreutes Wohnen zu Hause – Servicewohnen“ im Rahmen des Förderprogramms „Betreutes Wohnen zu Hause“ und wegen des Verstoßes gegen Auflagen widerrufen werden. Der bereits ausgezahlte Zuwendungsbetrag in Höhe von 28.500,00 EUR konnte daher nach Art. 49a BayVwVfG zurückgefordert werden. Die Voraussetzungen für den Widerruf und die Rückforderung der gewährten Leistungen lagen vor. Die Ermessensbetätigung der Behörde ist nicht zu beanstanden (§ 114 VwGO).
Im Einzelnen kann auf die zutreffenden Ausführungen des ZBFS im angefochtenen Bescheid vom 10. Januar 2018 Bezug genommen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Das Klagevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung.
Der vollständige Widerruf des Zuwendungsbescheids vom 16. Juli 2013 mit Wirkung für die Vergangenheit in Höhe von 35.000,00 EUR ist materiell rechtmäßig (Nr. I des Bescheids vom 10. Januar 2018).
Nach Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird.
Der mit der Förderung des Projekts „Betreutes Wohnen zu Hause – Servicewohnen“ verfolgte Zweck wurde nicht erreicht. Der maßgebliche Teil des Programms – regelmäßige, mindestens 14-tägige Hausbesuche durch qualifizierte bürgerschaftlich Engagierte – wurde nicht durchgeführt. Dies wurde auch von der Klägerseite letztlich nicht bestritten.
Die Zweckbindung der Zuwendung ergab sich vorliegend hinreichend bestimmt und deutlich aus dem Zuwendungsbescheid vom 16. Juli 2013 in Verbindung mit den Bestimmungen des Förderprogramms „Betreutes Wohnen zu Hause – Servicewohnen“ und den Antragsunterlagen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 49 Rn. 65). Im Zuwendungsbescheid vom 16. Juli 2013 wurde ausdrücklich bestimmt, dass die Zuwendung zweckgebunden und zur teilweisen Deckung der notwendigen zuwendungsfähigen Ausgaben bestimmt ist. Bereits aus der Bezeichnung des Förderprogramms war zu entnehmen, dass die Betreuung (gerade) zu Hause maßgeblicher Bestandteil des Förderprogramms war. Zudem ergab sich aus dem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, dass Voraussetzung der Förderung eine Konzeption ist, die einen regelmäßigen, mindestens 14-tägigen Hausbesuch durch qualifizierte bürgerschaftlich Engagierte als Grundleistung vorsieht (vgl. Bl. 8 der Behördenakte). Der Kläger hatte auch in seinem Antrag die 14-tägigen Hausbesuche durch qualifizierte bürgerschaftlich Engagierte bei der Beschreibung der Projektidee und der Ziele (vgl. Bl. 26 der Behördenakte) aufgenommen gehabt. Somit war auch für den Kläger dieser maßgebliche Zweck hinreichend bekannt.
Dieser Förderungszweck wurde auch verfehlt, da der Kläger anstatt die vorgesehenen regelmäßigen, mindestens 14-tägigen Hausbesuche durch qualifizierte bürgerschaftlich Engagierte durchzuführen, den Weg über Veranstaltungen vor Ort wählte. Beratungen fanden nur in der Koordinationsstelle beim Kläger statt. Entgegen der klägerischen Ansicht wurde daher gerade nicht die Grundintention des Programms eingehalten. Vielmehr erfolgte ein Aliud im Vergleich zu den als wesentlichen Kern der Förderung intendierten 14-tägigen Hausbesuchen.
Der klägerische Einwand, dass der Kläger keinen Einfluss auf den Abschluss der Verträge gehabt habe, führt hinsichtlich des Vorliegens der Zweckverfehlung zu keiner anderen Beurteilung. Denn das tatsächliche Vorliegen einer Zweckverfehlung ist nicht davon abhängig, ob der Leistungsempfänger die Zweckverfehlung zu vertreten hat oder objektive, außerhalb seiner Einwirkungssphäre bestehende oder eingetretene Umstände die Ursache dafür waren, ebenso nicht, ob er die Entwicklung vorhersehen konnte oder hätte müssen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 49 Rn. 67).
Auch soweit durch die Klägerseite ausgeführt wird, Frau G. habe Hausbesuche im Einzelfall durchgeführt, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn es wurde weder dargelegt noch gibt es sonst Anhaltspunkte, dass diese Einzelfälle eine gewisse berücksichtigungsfähige Anzahl erreicht hätten. Jedenfalls schließt sich das Gericht den zutreffenden Ausführungen der Beklagtenseite an, wonach der Förderzweck nicht die Förderung des allgemeinen Geschäftsbetriebs des Klägers gewesen ist. Zudem genügt es, wenn die Zweckverfehlung für einen Teil der Leistung gegeben ist (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 49 Rn. 100).
Des Weiteren hat der Kläger durch die Verletzung seiner Mitteilungspflichten im Rahmen der Förderung gegen Auflagen verstoßen (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG). Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit auch dann widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Die Mitteilungspflichten als einzuhaltende Auflagen des Klägers ergeben sich eindeutig aus dem Bescheid selbst und zum anderen aus den Verweisungen im Bescheid auf Nr. 5.2, Nr. 5.3 und Nr. 8.3.2 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P). Der Kläger war demnach verpflichtet, unverzüglich mitzuteilen, wenn sich der Verwendungszweck oder sonstige für die Bewilligung maßgeblich Umstände ändern.
Der Kläger ist diesen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen, da er unstreitig nicht unverzüglich mitgeteilt hat, dass die beabsichtigen Vertragsschlüsse nicht zustande kamen und damit die wesentliche Grundleistung des Förderprogramms – die regelmäßigen, mindestens 14-tägigen Hausbesuche durch bürgerschaftlich Engagierte – nicht durchgeführt werden konnten. Ebenso verhält es sich mit den weiteren unterbliebenen Mitteilungen der Personalveränderung bezüglich Frau G. und des Überschreitens des Kostenplans. Erst mit Einreichung des Verwendungsnachweises und der Ergänzungen wurde dies dem ZBFS bekannt.
Der Beklagte hat schließlich ermessensfehlerfrei von seiner Widerrufsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Das Gericht hat insoweit nur zu prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Der Beklagte konnte die Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO). Die angeführten Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Der Widerruf wurde ermessensfehlerfrei auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und auf die Zweckverfehlung gestützt. Es ist nicht ersichtlich, dass dabei in unverhältnismäßiger Weise die Interessen des Klägers übergangen wurden. Bei der Ausübung des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Widerrufsermessens konnte der Beklagte dem haushaltsrechtlichen Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vorrangige Bedeutung zumessen. Bei Verfehlung des mit der Gewährung von öffentlichen Zuschüssen verfolgten Zwecks ist ein Widerruf im Regelfall auch intendiert (vgl. VG Würzburg, U.v. 25.1.2012 – W 6 K 11.411 – juris Rn. 60). Insbesondere wurden auch die Bemühungen des Klägers im sozialen Bereich erkannt und anerkannt, jedoch bei der Abwägung als zurücktretend eingestuft und hierzu ausgeführt, dass der allgemeine Geschäftsbetrieb des Klägers nicht Fördergegenstand des Förderprogramms war. Zudem hat der Beklagte sich nicht allein auf einzelne Verstöße gestützt, sondern es wurde insgesamt auf das Nichterreichen des Verwendungszwecks, dem hohen Überschreiten des Kostenplans und die unterbliebenen Mitteilungen, auch hinsichtlich des Personalwechsels, abgestellt.
Auch führt der klägerische Einwand, dass die Vertragsschlüsse nicht von dem Kläger beeinflusst hätten werden können, zu keiner anderen Beurteilung. Denn für diese Fälle sind gerade auch, wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat, zum Schutz des Zuwendungsempfängers die Mitteilungspflichten vorgesehen, um ihn vor Ausgaben, die nicht durch die Bewilligung der Mittel erfasst sind, zu bewahren und der Behörde Einwirkungsmöglichkeiten zu geben. Der Kläger hätte ohne weiteres erkennen können und mitteilen müssen, dass aufgrund der fehlenden Vertragsschlüsse der maßgebliche Zweck der Förderung nicht erreicht werden konnte. Da er diesen Mitteilungspflichten nicht nachkam und dies auch zu vertreten hat, sind die Interessen des Klägers ermessensfehlerfrei hinter den öffentlichen Interessen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zurückgetreten.
Die Beklagtenseite hat zudem die Jahresfrist für den Widerruf der Bewilligung der Förderung eingehalten. Nach Art. 49 Abs. 2a Satz 2 BayVwVfG i.V.m. Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Tatsachen, welche den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts rechtfertigen, zulässig. Die Kenntnis von den Tatsachen, welche den Widerruf rechtfertigen, ist dann erlangt, wenn die Tatsachen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sind (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 211, m.w.N.).
Zwar ging vorliegend der Verwendungsnachweis bereits im März 2015 ein. Hierdurch hatte die Beklagtenseite jedoch noch nicht die vollständige, uneingeschränkte und zweifelsfreie Kenntnis der die Rücknahme begründenden Tatsachen. Denn nach Eingang des Verwendungsnachweises reichte der Kläger noch weitere Unterlagen, die auch von der Beklagtenseite aufgrund unvollständiger Informationen angefordert worden waren, nach. Die Beklagtenvertreter hatten daher erst durch die letzte Stellungnahme zur Anhörung der Klägerseite vom 2. Juni 2017 die vollständige, uneingeschränkte und zweifelsfreie Kenntnis der die Rücknahme begründenden Tatsachen. Selbst wenn man auf die letzte Ergänzung zum Verwendungsnachweis vom 3. Februar 2017 abstellt und nicht auf die Stellungnahme zur Anhörung am 2. Juni 2017, wäre der Widerruf mit Bescheid vom 10. Januar 2018 noch innerhalb der Jahresfrist erfolgt.
Keine Bedenken oder Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit bestehen hinsichtlich der Festsetzung des Erstattungsanspruchs bezüglich des ausgezahlten Geldbetrags in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids sowie dessen Verzinsung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids nach Art. 49a BayVwVfG. Ebenso wenig sind die Kosten in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids zu beanstanden. Insbesondere ist keine unrichtige Sachbehandlung nach Art. 16 Abs. 5 KG ersichtlich.
Demnach war die Klage mit der Kostenentscheidung nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben