Sozialrecht

Studiengebühr; Wehr- und Zivildienst; Baden-Württemberg

Aktenzeichen  6 C 8/09

Datum:
15.12.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
Art 3 Abs 1 GG
Art 12 Abs 1 GG
Art 12a Abs 1 GG
Art 12a Abs 2 GG
Art 20 Abs 1 GG
Art 28 Abs 1 GG
Art 70ff GG
Art 70 GG
Art 104aff GG
Art 104a GG
Art 2 Abs 1 WiSoKuPakt
Art 13 Abs 2 Buchst c WiSoKuPakt
§ 3 HSchulGebG BW
§ 5 Abs 1 HSchulGebG BW
§ 7 HSchulGebG BW
Spruchkörper:
6. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 16. Februar 2009, Az: 2 S 1527/08, Urteil

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren nach dem baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetz (LHGebG BW).
2
Der Kläger leistete von September 2002 bis Juni 2003 Zivildienst. Im Wintersemester 2003/2004 nahm er an der beklagten Hochschule ein Studium im Diplomstudiengang Elektro-/Informationstechnik auf, für das er fortlaufend und noch im Wintersemester 2008/2009 eingeschrieben war.
3
Mit auf §§ 3, 5 Abs. 1 LHGebG BW gestütztem Gebührenbescheid vom 10. November 2006 verpflichtete die Beklagte den Kläger, ab dem Sommersemester 2007 für die weitere Dauer seines Studiums eine Studiengebühr von 500 € je Semester zu bezahlen. Mit Schreiben vom 29. März 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Studiengebühren für zwei Semester auszusetzen, da er aufgrund seines Zivildienstes erst ein Jahr später mit dem Studium habe beginnen können und daher nunmehr zwei Semester länger Studiengebühren bezahlen müsse, als wenn er keinen Zivildienst geleistet hätte. Mit Bescheid vom 5. April 2007 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab.
4
Mit seiner auf die Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2007 gerichteten Klage ist der Kläger vor dem Verwaltungsgericht erfolglos geblieben. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils zu verpflichten, ihn von der Studiengebührenpflicht für zwei Semester zu befreien. Zur Begründung hat er zum einen auf eine seiner Ansicht nach gegebene gebührenrechtliche Benachteiligung wegen der Nichtberücksichtigung geleisteten Wehr- und Zivildienstes verwiesen sowie zum anderen einen Verstoß der landesrechtlichen Gebührenregelungen gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG sowie den Internationalen Pakt vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) geltend gemacht.
5
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte habe auf den Antrag des Klägers vom 29. März 2007, ohne sich auf die Bestandskraft des Gebührenbescheids vom 10. November 2006 zu berufen, mit ihrem Bescheid vom 5. April 2007 erneut über die Verpflichtung des Klägers entschieden, für die weitere Dauer seines Studiums Studiengebühren zu bezahlen, und diese zu Recht bejaht. Der Kläger erfülle die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren nach dem Landeshochschulgebührengesetz. Dieses Gesetz stehe sowohl mit Verfassungsrecht als auch mit einfachem Bundesrecht in Einklang. Die Einführung der Abgaben, die als Benutzungsgebühren für die individuelle Inanspruchnahme der Hochschulen als staatlicher Infrastruktureinrichtungen geschuldet würden, habe in der Kompetenz des Landesgesetzgebers gelegen, der hierdurch nicht gegen seine Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verstoßen habe. Den Bestimmungen des Art. 2 Abs. 1 und des Art. 13 Abs. 2 Buchst. c IPwskR lasse sich weder ein striktes Gebot zur Abschaffung von Studiengebühren noch ein striktes Verbot ihrer (Wieder-)Einführung entnehmen. Der in der Gebührenerhebung liegende Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausbildungsfreiheit genüge selbst den Maßstäben, nach denen eine subjektive Beschränkung der Berufswahl gerechtfertigt sei. Der Landesgesetzgeber habe die Studiengebührenpflicht auch – insbesondere durch die Einräumung eines Anspruchs auf ein Studiengebührendarlehen in § 7 LHGebG BW – derart ausgestaltet, dass sie nicht zu einer unüberwindlichen sozialen Barriere für die Aufnahme eines Studiums werde. Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes werde nicht verletzt. Zwar entfalte die allgemeine Gebührenpflichtigkeit des Studiums insoweit eine sog. unechte Rückwirkung, als sie nicht nur Studienanfänger sondern auch Studierende erfasse, die bei Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen über ihre Einführung bereits an einer Hochschule des Landes eingeschrieben gewesen seien. Deren Erwartung, das Studium ohne Gebührenbelastung abschließen zu können, sei jedoch nicht geschützt. Die vorgesehene Übergangszeit bis zur ersten Gebührenerhebung im Sommersemester 2007 habe ihnen ausreichend Zeit gewährt, sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen. Ein weiter gehender Vertrauensschutz komme auch Studierenden nicht zu, die Zeitverluste durch einen vor ihrem Studium geleisteten Wehr- oder Zivildienst erlitten hätten. Für diese Gruppe von Studierenden habe der Landesgesetzgeber zudem weder aus Gründen des sonstigen Verfassungsrechts – Art. 12a Abs. 1 GG bzw. Art. 3 Abs. 1 GG – noch aus Gründen des einfachen Bundesrechts – § 34 Satz 1 Nr. 1 HRG – Befreiungstatbestände oder eine längere Übergangsfrist vorsehen müssen. Auch im Übrigen sei in den baden-württembergischen Regelungen zur Erhebung der Studiengebühren ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht angelegt.
6
Zur Begründung seiner von dem Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision führt der Kläger aus: Dem Landeshochschulgebührengesetz fehle es an einer Befreiungsregelung für Studierende, die vor Einführung der Gebührenpflicht Wehr- oder Zivildienst geleistet hätten. Diese würden im Vergleich mit Studierenden, die einen solchen Dienst nicht absolviert hätten und deshalb ihr Studium ein Jahr früher hätten aufnehmen können, benachteiligt, weil sie zwei Semester länger der Studiengebührenpflicht unterlägen. Dies verstoße gegen § 34 Satz 1 Nr. 1 HRG, der in rechtsgrundsätzlicher Weise ein allgemeines Benachteiligungsverbot zum Ausdruck bringe, sowie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
7
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. April 2008 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. Februar 2009 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2007 zu verpflichten, ihn für zwei Semester von der Studiengebührenpflicht zu befreien.
8
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9
Sie verteidigt das Berufungsurteil.


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