Sozialrecht

Überschreitung der Förderungshöchstdauer wegen fehlender Fremdsprachenkenntnisse

Aktenzeichen  AN 2 K 15.00032

Datum:
13.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG BAföG § 15 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, Nr. 4, Nr. 5, § 15a Abs. 1, Abs. 3
VwGO VwGO § 52 Nr. 3 S. 2, § 154 Abs. 1, § 167

 

Leitsatz

1 Ausbildungsförderung wird über die Förderungshöchstdauer, die der Regelstudienzeit entspricht, hinaus geleistet, wenn sie infolge des erstmaligen Nichtbestehens einer Abschlussprüfung überschritten wurde (§ 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG). Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn das Nichtbestehen einzelner Studienfächer im ersten Anlauf nicht kausal für ein über die Regelstudienzeit hinaus verlängertes Studium ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach § 15a Abs. 3 BAföG verlängert sich die Förderungshöchstdauer für einen Studiengang, der bestimmte, nicht gängige Fremdsprachen erfordert, wenn diese Kenntnisse während des Hochschulbesuchs erworben werden. Diese Vorschrift greift im Fall eines Auslandsstudiums nicht ein, denn die für ein Auslandsstudium erforderlichen Sprachkenntnisse sind vorauszusetzen; dies folgt aus der grundsätzlichen Pflicht jedes Studierenden, sein Studium so zu organisieren, dass es in der vorgesehenen Regelstudienzeit beendet wird. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Verwaltungsgericht Ansbach ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B. v. 6.10.1978, 5 ER 402/78 – juris) für die Entscheidung gemäß § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO zuständig, da sich der Zuständigkeitsbereich des Beklagten gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die örtliche Zuständigkeit für Ausbildungsförderung im Ausland auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt. Das erkennende Gericht schließt sich insoweit nicht der gegenteiligen Rechtsprechung (z. B. VG Frankfurt a. d. Oder, B. v. 17.3.2008, 3 K 693/07 oder VG München, B. v. 14.1.2014, M 15 K 13.5833 – jeweils juris) an.
Die Verpflichtungsklage auf Gewährung von Ausbildungsförderung nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO ist zulässig. Sie konnte insbesondere unmittelbar auf die Bewilligung von BAföG-Leistungen in gesetzlicher Höhe gerichtet werden und musste nicht auf eine Entscheidung dem Grunde nach beschränkt werden.
Sie ist jedoch unbegründet und deshalb abzuweisen, weil der Klägerin ab dem Studienjahr 2014/2015 keine Ausbildungsförderung mehr zustand, § 113 Abs. 5 VwGO.
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung grundsätzlich nur bis zum Ende der Förderungshöchstdauer geleistet. Die Förderungshöchstdauer entspricht nach § 15 a Abs. 1 BAföG der Regelstudienzeit. Diese beträgt für das Studium der Rechtswissenschaft an der Universität … unstreitig vier Studienjahre. Ein fünftes Studienjahr kann damit grundsätzlich nicht, auch nicht teilweise für nur ein weiteres Semester, gefördert werden.
Gründe für die Überschreitung der Förderungshöchstdauer liegen für die Klägerin nicht vor. Die von ihr vorgetragenen Umstände rechtfertigen eine solche Überschreitung nicht.
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG wird Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus geleistet, wenn sie infolge des erstmaligen Nichtbestehens einer Abschlussprüfung überschritten wurde. Es kann dahinstehen, ob das Nichtbestehen einzelner Studienfächer aufgrund des spanischen Prüfungssystems als Nichtbestehen der Abschlussprüfung angesehen werden kann, jedenfalls war das Nichtbestehen der Fächer Verwaltungsrecht und Strafprozessrecht im ersten Versuch nicht kausal dafür, dass die Klägerin ihr Studium nicht innerhalb von vier Studienjahren abgeschlossen hat. Wie sich aus den Studienbescheinigungen („Expediente académico“) der Klägerin vom 20. Februar 2014 und vom 5. September 2014 eindeutig ergibt, wurde das Modul Grundlage des Verwaltungsrechts („Fundamentos del Derecho Administrativo“) im Studienjahr 2011/2012 (zweites Studienjahr der Klägerin) zwar zunächst nicht bestanden, im darauf folgenden, dritten Studienjahr 2012/2013 jedoch erfolgreich abgeschlossen. Das Modul Strafprozessrecht (“Derecho Procesal Penal“) wurde im vorgesehenen dritten Studienjahr 2012/2013 nicht, aber im darauf folgenden vierten Studienjahr 2013/2014 erfolgreich abgelegt. Eine Verzögerung über das vierte Studienjahr hinaus hat sich hieraus somit nicht ergeben. Eine Kausalität zwischen der verzögerten Ableistung dieser Module und der Überschreitung der Förderungshöchstdauer wurde jedenfalls in keiner Weise dargelegt. Die der Klägerin am Ende des vierten Studienjahres noch fehlenden 15 Credit Points rühren nach der Bescheinigung vom 5. September 2014 – neben der fehlenden Abschlussarbeit – vielmehr aus anderen Studienfächern her, nämlich aus den Modulen Instrumente des Wirtschaftsverkehrs („Instrumentos de Tráfico Empresarial“) und Rechtssoziologie („Sociología del Derecho“), die die Klägerin nach der vorgelegten Bescheinigung für das Studienjahr 2014/2015 vorgesehen hatte. Ein erfolgloser Erstversuch ist für diese Studienfächer nicht vermerkt. Die Klägerin machte im gesamten Verfahren hierzu keinerlei Ausführungen. Auch der Bevollmächtigte der Klägerin konnte in der mündlichen Verhandlung keine Erklärung hierzu abgeben. Das Eingreifen der Ausnahmevorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 4 BAföG kann somit nicht festgestellt werden.
Eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer ist auch nicht deshalb zu gewähren, weil die Klägerin die katalanische Sprache erst während ihres Auslandsaufenthalts erlernt hat und sie als Nichtmuttersprachlerin der spanischen (kastilianischen) Sprache größere Schwierigkeiten bzw. einen höheren Aufwand im Studium hat als ihre Kommilitonen, insbesondere die schriftliche Abschlussarbeit hierdurch eventuell verzögert wurde. Eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer folgt weder aus § 15 a Abs. 3 BAföG, noch aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG.
Nach § 15 a Abs. 3 BAföG verlängert sich die Förderungshöchstdauer für einen Studiengang, der bestimmte, über die gängigen, vorauszusetzenden Sprachen hinaus Sprachkenntnisse erfordert, für jede Sprache um ein Semester, wenn diese Kenntnisse während des Hochschulbesuchs erworben werden.
Was die spanische (kastilianische) Sprache betrifft, besaß die Klägerin bei Studienbeginn bereits entsprechende Kenntnisse und mussten diese vom Grundsatz her nicht erst in Spanien erworben werden. Im Übrigen kann sich ein Student, der sein Studium im Ausland betreibt nicht darauf berufen, die erforderlichen Sprachkenntnisse hierfür nicht zu haben und so eine längere Förderung seines Studiums erwirken. Die erforderlichen Sprachkenntnisse sind vielmehr vorauszusetzen, wenn das Studium in Gänze statt im Inland im Ausland betrieben wird. Dies folgt aus der grundsätzlichen Pflicht jedes Studierenden, sein Studium so zu organisieren und zu betreiben, dass dieses in der vorgesehenen Regelstudienzeit beendet wird. Dies findet auch Niederschlag im Wortlaut des § 15 a Abs. 3 BAföG und entspricht seinem Sinn und Zweck. Dieser stellt abstrakt auf „ein(en) Studiengang“ und nicht konkret auf das Studium an einer bestimmten Hochschule ab. Hintergrund dieser Regelung ist letztlich die Gewährleistung des entsprechenden Berufszugangs für alle Studierenden und ist damit Ausfluss des Art. 12 Grundgesetz. Das BAföG zielt aber nicht auf die Ermöglichung des Studiums am Wunschort ab. Der Studiengang Rechtswissenschaften als solcher setzt gerade nicht allgemein Kenntnisse in den Fremdsprachen Spanisch und Katalanisch voraus, anders als etwa ein Theologiestudium Kenntnisse in Altgriechisch oder Hebräisch erfordert.
Dieser Auslegung steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Zusatz in § 5 Abs. 2 Satz 1 BAföG a. F., dass ausreichende Sprachkenntnisse für ein Auslandsstudium vorhanden sein müssen, durch den Gesetzgeber zwischenzeitlich gestrichen worden ist. Die Änderung zielte auf eine Erleichterung eines zeitweisen Auslandsstudiums z. B. im Rahmen von Austauschprogrammen zur Förderung von Sprachkenntnissen und Flexibilität ab, wollte aber nicht Studierende, die – aus welchen Gründen auch immer – ihr Studium in Gänze im Ausland betreiben, gegenüber Studierenden im Inland bevorteilen. Das gleiche Ziel verfolgt auch die Regelung des § 5 a BAföG, wonach maximal zwei Semester eines Auslandsstudiums bei der Ausbildungsförderung unberücksichtigt bleiben. Diese Regelung ist ausdrücklich auf die Ausbildungsförderung für eine Ausbildung im Inland begrenzt und kann mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht analog auf den Fall der Klägerin angewendet werden.
Eine Berücksichtigung von erschwerten Bedingungen aufgrund von fehlenden Sprachkenntnissen kann auch nicht über den Umweg des § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG als schwerwiegender Grund angesehen werden. Es stand der Klägerin offen, ihr Studium der Rechtswissenschaft im Inland zu betreiben. Die persönlichen Gründe, die sie zu einem Studium in … bewogen haben, können im Ergebnis nicht zu einer Erhöhung der Förderungshöchstdauer führen. Da die Abschlussarbeit und sämtliche andere Studienleistungen, wie die Informationen auf der Internetseite der Universität … ergeben, in einer von der Klägerin zu wählenden Landes-Sprache abgefasst werden können, stellt es ohnehin keinen schwerwiegenden Grund dar, wenn die Klägerin über nicht ausreichende Kenntnisse in der katalanischen Sprache verfügt.
Die Kostenentscheidung der damit abzuweisenden Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.


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