Sozialrecht

Verkehrssicherungspflichtverletzung bei umstürzender Tierskulptur

Aktenzeichen  1 U 2528/20

Datum:
12.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 47600
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 253 Abs. 2, § 823 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine im öffentlichen Raum vor einem Ladengeschäft aufgestellte, 200kg schwere Stierskulptur muss so beschaffen sein, dass sie nicht umkippt, auch und gerade wenn Kinder mit und auf der Tierfigur spielen, versuchen, sich an den Hörner hochzuziehen, den Stier besteigen und auch auf der Skulptur „herumturnen“, d.h. ihr gesamtes Körpergewicht so auf die Bronzefigur verlagern, dass diese nach vorne kippt. Anderenfalls haftet der Aufsteller aus Verkehrssicherungspflicht. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. 10.000,00 € für Teilamputation des linken Mittelfingers an der Schreibhand des linkshändigen, 6 Jahre alten Klägers. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 O 1229/19 2020-03-27 Endurteil LGMUENCHENII LG München II

Tenor

I. Das Endurteil des Landgerichts München II vom 27. März 2020, Az. 10 O 1229/19, wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1 ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000.- € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 7.500.- € seit 31.08.2018 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1 jeden weiteren immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 25.05.2016 zu ersetzen.
3. Die Klage des Klägers zu 2 wird abgewiesen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1.887,03 € an außergerichtlichen Anwaltskosten nebst 5% Zinsen über dem jeweils Basiszinssatz hieraus seit 31.08.2018 zu bezahlen.
II. Die Berufung des Klägers zu 2 wird zurückgewiesen.
III. Von den Gerichtskosten beider Instanzen tragen der Beklagte 9/10 und der Kläger zu 2 1/10. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten trägt der Kläger zu 2 1/10. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1. Im übrigen tragen der Beklagte und der Kläger zu 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.
Die Kläger begehren von dem Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld in Zusammenhang mit einer Verletzung, die sich der Kläger zu 1, der Sohn des Klägers zu 2, an einer vor der Metzgerei des Beklagten aufgestellten Bronzeskulptur zugezogen hat.
Der Beklagte betreibt in der M.straße … in … K. eine Metzgerei. Auf dem öffentlichen Gehweg, ca. 1 m von der Außenwand entfernt, befindet sich vor dem Ladengeschäft eine von dem Beklagten im Jahr 2011 aufgestellte ca. 80 cm hohe, ca. 130 cm lange und ca. 200 kg schwere Bronzeskulptur eines Stieres.
Am 25.05.2016 gegen 15.00 Uhr befand sich der damals 6-jährige Kläger zu 1 in Begleitung seiner Großmutter auf dem Heimweg, stieg vor der Metzgerei von seinem Tretroller ab, ging auf die Stierskulptur zu, und turnte entweder auf der Skulptur herum oder packte den Stier bei den Hörnern und versuchte sich hochzuziehen. Als die Skulptur nach vorne kippte, fiel der Kläger zu 1 zu Boden und seine linke Hand wurde von der umgefallenen Skulptur eingeklemmt.
Der Kläger zog sich dabei eine schwerwiegende Verletzung des linken Mittelfingers zu, die eine Teilamputation des Fingers zur Folge hatte, sowie eine Nagelbettverletzung am linken Daumen. Der Kläger zu 1 befand sich vom 25.05.2016 bis 28.05.2016 in stationärer Behandlung.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger zu 1 Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für zukünftige weitere immaterielle Schäden. Der Kläger zu 2 macht aus eigenem Recht, hilfsweise aus abgetretenem Recht, Reiserücktrittskosten, Selbstbeteiligungskosten im Rahmen der privaten Krankenversicherung sowie Fahrtkosten und Parkgebühren geltend.
Die Kläger haben vor dem Landgericht vorgetragen:
Der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Kläger zu 1 schuldhaft verletzt, da die Skulptur nicht standfest aufgestellt worden sei. Durch vorangegangene Vorfälle sei dem Beklagten bekannt gewesen, dass die Skulptur bereits bei leichter Krafteinwirkung nach vorne auf den Gehsteig umstürzen könne. Ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 7.500,000 € sei angemessen. Der Kläger zu 1 habe eine dauerhafte Behinderung durch die Amputation an der linken Hand erlitten. Bestimmte Tätigkeiten, die Fingerfertigkeit erforderten, wie etwa Gitarre spielen, seien nur mit besonderen Schwierigkeiten und eingeschränkt möglich. Bei seiner Einschulung im September 2017 sei für ihn als Linkshänder das Erlernen des Schreibens mit einem Stift besonders schwierig gewesen. Da dem Kläger zu 1 ein Dauerschaden entstanden sei, bestehe auch ein Feststellungsinteresse.
Dem Kläger zu 2 seien in Folge des Unfalles des Klägers zu 1 Vermögensschäden in Höhe von 1.082,24 € entstanden, die ihm vom Beklagten zu erstatten seien. Diese Ansprüche stünden dem Kläger zu 2 aus eigenem Recht zu. Er habe insofern nicht nur einen deliktsrechtlichen Anspruch, sondern auch einen vertraglichen Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB, da der Beklagte seine Sorgfaltspflicht bei der Erfüllung seiner Kaufverträge und laufenden Geschäftsbeziehungen mit dem Kläger zu 2 verletzt habe. Lediglich vorsorglich und hilfsweise erkläre der Kläger zu 1, vertreten durch den Kläger zu 2 und seine Mutter Frau A. Z., die Abtretung der in der Klageschrift geltend gemachten Forderungen. Die Abtretung sei auch als Insichgeschäft möglich, da sie der Erfüllung einer Verbindlichkeit des Klägers zu 1 gegenüber seinen Eltern diene.
Die Kläger haben vor dem Landgericht beantragt,
1.Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1 ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 7.500,00 € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 31.08.2018 zu bezahlen.
2.Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2 1.082,24 € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 31.08.2018 zu bezahlen.
3.Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1 jeden weiteren immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 25.05.2016 zu ersetzen.
4.Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1 und den Kläger zu 2 zur gesamten Hand 1.101,94 € an außergerichtlichen Anwaltskosten nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 31.08.2018 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vor dem Landgericht vorgetragen:
Ein irgendwie geartetes Verschulden des Beklagten in Form der Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht sei nicht ersichtlich. Er bestreite mit Nichtwissen, dass die Skulptur lediglich dadurch gekippt sei, dass der Kläger zu 1 mit beiden Händen die Hörner ergriffen und sich ein Stück nach oben in Richtung Rücken des Stiers hochgezogen habe und dass die Verletzung an der Hand des Klägers zu 1 dadurch entstanden sei, dass die Schnauze des Stiers auf die linke Hand des Klägers zu 1 gekippt sei. Es habe vielmehr eines „wilden Herumturnens“ auf dem Kopf der Skulptur bedurft, damit der Stier kippe. Der streitgegenständliche Vorfall sei allein durch die Verletzung der Aufsichtspflicht der Großmutter des Klägers zu 1 entstanden. Der Beklagte habe nicht damit rechnen müssen, dass ein Kind derart auf der Skulptur herumturne, dass diese kippe. Es habe keinen dem Beklagten bekannten Unfall zuvor gegeben und somit auch keine Veranlassung für den Beklagten, den Stier überobligatorisch zu sichern. Ein Schmerzensgeld sei allenfalls in Höhe von 2.500,00 € gerechtfertigt.
Der Kläger zu 2 sei nicht aktivlegitimiert. Besuchskosten naher Angehöriger könnten allenfalls vom Kläger zu 1 als dessen Gesundheitsschaden geltend gemacht werden. Hinsichtlich der übrigen geltend gemachten Vermögensschäden scheide ein Anspruch sowohl des Klägers zu 1 als auch des Klägers zu 2 aus, da der Schaden weder in der Person des Klägers zu 1 entstanden sei, noch ein Ausnahmefall der §§ 844, 845 BGB vorliege. Hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten seien Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Regelgebühr nicht dargetan.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen I. Z. (Großmutter des Klägers zu 1) und B. sowie der Inaugenscheinnahme der Stierskulptur vor Ort und Anhörung des Beklagten.
Das Landgericht wies mit Urteil vom 27.3.2020 die Klage ab und führte zur Begründung aus:
Hinsichtlich des Klageantrags zu III. (Feststellungsantrag) sei die Klage bereits unzulässig, da ein Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 ZPO insoweit nicht hinreichend dargetan worden sei. Im übrigen sei die Klage insgesamt unbegründet. Ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten bestehe bereits dem Grunde nach nicht. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte vorliegend schuldhaft eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Kläger zu 1 oder eine vertragliche Schutzpflicht gegenüber dem Kläger zu 2 verletzt habe. Das Gericht stützte seine Überzeugung insoweit maßgeblich auf die persönliche Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Skulptur im Ortstermin vom 13.02.2020, sowie auch auf die glaubhaften Angaben des Zeugen B. Nach der persönlichen Inaugenscheinnahme der Skulptur könne sich das erkennende Gericht zwar vorstellen, dass ein 6-jähriges Kind von durchschnittlicher Größe und durchschnittlichem Gewicht die streitgegenständliche Skulptur grundsätzlich zu einem Kippen nach vorne bringen könne. Hierfür sei nach Überzeugung des Gerichts allerdings eine deutlich stärkere Krafteinwirkung erforderlich als das bloße Ergreifen der Hörner und „ein bisschen Hochziehen“ an den Hörnern der Skulptur; es bedürfe der Verlagerung des gesamten Körpergewichts eines sechsjährigen Kindes auf den Kopf der Skulptur, um diese nach vorne zum Kippen zu bringen. Nach der Feststellung des Gerichts im Ortstermin würden sich bei einer entsprechenden Krafteinwirkung auf den Kopf die Hinterbeine der Skulptur zunächst anheben, dies geschehe jedoch nicht plötzlich, sondern hierfür müsse die Krafteinwirkung aufrechterhalten bleiben. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei der streitgegenständlichen Skulptur offenkundig nicht um ein für Kinderspiel aufgestelltes Gerät gehandelt habe, und da der Beklagte darauf vertrauen durfte, dass die für das minderjährige Kind aufsichtspflichtige Person für eine sorgfältige Benutzung der Skulptur sorgen würde, sei eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten zu verneinen. Hinsichtlich der von dem Kläger zu 2 geltend gemachten Ansprüche sei weder eine deliktische noch eine vertragliche Anspruchsgrundlage ersichtlich.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 20.04.2020 gegen das ihm am 27.03.2020 zugestellte Urteil Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25.05.2020 begründet.
Der Kläger trägt vor:
Das Landgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, da der Beklagte die Stierskulptur nicht hinreichend gegen ein Umkippen geschützt habe und damit rechnen habe müssen, dass Kinder mit der Skulptur bzw. auf der Skulptur spielen. Das Landgericht habe zu Unrecht vertragliche und deliktische Ansprüche des Klägers zu 2 verneint. Der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr sei allein wegen des zeitlichen Umfanges der Angelegenheit angemessen.
Die Kläger beantragen, das Endurteil des Landgericht München II vom 27. März 2020, Az. 10 O 1229/19, aufzuheben und wie in erster Instanz beantragt zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt vor:
Das Landgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten sei nicht gegeben, da der Stier nicht als Spielobjekt für Kinder gedient habe und der Beklagte keine Vorsorge vor der missbräuchlichen Nutzung seines Eigentums habe treffen müssen. Er habe zwar damit rechnen müssen, dass sich Kinder auf den Stier setzen würden, nicht aber, dass eine 200 kg schwere Skulptur so wild beklettert werde, dass sie kippe. Verantwortlich sei die Zeugin M. H., die ihre Aufsichtspflicht verletzt habe. Entweder habe die Zeugin H. zugesehen, wie der Kläger auf dem Stier herumgeturnt habe, oder, was wahrscheinlicher sei, sei abgelenkt gewesen und habe gar nicht aufgepasst. Das Landgericht habe zutreffend die Aktivlegitimation des Klägers zu 2 verneint. Der Ausnahmefall einer deliktischen Haftung nach §§ 844, 845 BGB sei nicht gegeben und ein Schadensersatzanspruch des Klägers zu 2 aus laufender Geschäftsbeziehung sei abwegig.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens nimmt der Senat Bezug auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze.
B.
Die zulässige Berufung des Klägers zu 1 erwies sich mit Ausnahme der Höhe der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten als begründet.
I.
Dem Kläger war nach §§ 823 Abs. 1; 253 Abs. 2 BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von € 10.000.- zuzusprechen.
1. Der Beklagte ist schuldhaft der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht, die vor seinem Ladengeschäft auf dem Bürgersteig aufgestellte Skulptur gegen Kippen oder Umfallen zu sichern, nicht nachgekommen.
Die Skulptur war nicht standsicher aufgestellt. Dies ergibt sich zunächst aus dem Unfall als solchem und aus den Feststellungen des Landgerichts, dass es möglich sei, durch Krafteinwirkung den Stier zum Kippen bzw. Umfallen zu bringen. Für den Senat ist es nicht entscheidend, ob der Stier alleine dadurch zum Kippen gebracht werden kann, dass ein Kind an den Hörnern zieht oder ob ein Kind mit vollem Körpergewicht sich in irgendeiner Form auf den Kopf des Stieres setzen muss. Aus beiden zwischen den Parteien strittigen Unfallvarianten folgt, dass der Stier nicht standsicher aufgestellt war und ihn ein sechsjähriges Kind zum Kippen bringen konnte. Da der Beklagte im öffentlichen Raum vor seinem Ladengeschäft die Skulptur aufgestellt hat, musste er auch, wie er selbst teilweise einräumt, damit rechnen, dass Kinder mit und auf der Tierfigur spielen, versuchen, sich an den Hörner hochzuziehen, den Stier besteigen und auch auf der Skulptur „herumturnen“, d.h. ihr gesamtes Körpergewicht so auf die Bronzefigur verlagern, dass diese nach vorne kippt. Er hätte dafür sorgen müssen, dass die Skulptur unter keinen Umständen, ganz egal, wie Kinder mit diesen Stier spielen, nach vorne kippen kann, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine 200 kg schwere Skulptur durch Umkippen insbesondere bei Kindern erhebliche Verletzungen verursachen kann.
2. Der Kläger muss sich kein Verschulden seiner Großmutter wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 254 Abs. 1 BGB bei der Schadensentstehung anrechnen lassen bzw. es ist kein Mitverschulden bei Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen.
a) Die Anrechnung eines etwaigen Mitverschuldens der Großmutter des Klägers zu 1 nach den §§ 254 Abs. 1, 278 Abs. 1 BGB scheidet bereits deshalb aus, da keine Sonderbeziehung zwischen dem Kläger zu 1 und dem Beklagten bei der Schadensentstehung bestanden hat (vgl. Palandt/Grüneberg § 254 BGB Rn. 48).
b) Desweiteren kann der Großmutter des Klägers zu 1 keine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht vorgeworfen werden. Die Großmutter des Klägers musste ihren Enkel nicht durchgehend beobachten und ihn auch nicht von dem Spielen auf der Figur abhalten. Zum einen dürfen normal entwickelte Kinder im Alter von sechs Jahren eine gewisse Zeit ohne unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit und Aufsicht gelassen werden (BGH NZV 2009, 384, beckonline) und zum anderen konnte und durfte die Großmutter des Klägers davon ausgehen, dass die Figur standsicher ist.
3. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat der Senat insbesondere die Teilamputation des linken Mittelfingers an der Schreibhand des linkshändigen Klägers, den damit verbundenen Krankenhausaufenthalt, die immer wieder auftretenden Schmerzen an dem Finger sowie das Alter des Klägers zu 1 und die mit der Amputation verbundene psychische Belastung des Klägers zu 1 berücksichtigt. Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000.- € für angemessen und ausreichend.
4. Der zugesprochene Zinsanspruch ergibt sich den §§ 286; 288 ZPO.
II.
Der Feststellungsklage ist zulässig und begründet.
Dem Feststellungsantrag war stattzugeben, da die Möglichkeit, dass dem Kläger zu 1 aufgrund der schweren Fingerverletzung nicht voraussehbare weitere immaterielle Schäden entstehen, nicht ausgeschlossen werden kann.
Bei schweren Verletzungen, worunter auch die Teilamputation eines Fingers zu rechnen ist, sind an einem Feststellungsanspruch in Bezug auf immaterielle Zukunftsschäden stets maßvolle Anforderungen zu stellen und es genügt, dass eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht besteht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden. Bei schwereren Unfallverletzungen triff dies in aller Regel zu. Der Feststellungsanspruch kann in Fällen dieser Art nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen immerhin zu rechnen; es ist nicht erforderlich, dass der Kläger von dem späteren Schaden eine bestimmte Vorstellung hat (BGH NJW-RR 1989, 1367, beckonline).
III.
Die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten waren hinsichtlich des Gegenstandswerts um die Forderung des Klägers zu 2 zu kürzen und die Geschäftsgebühr auf 1,3 zu reduzieren, da es sich um eine durchschnittliche Rechtssache gehandelt hat.
C.
Die Berufung des Klägers zu 2 erwies sich als erfolglos.
Dem Kläger zu 2 stehen die geltend gemachten Ansprüche weder aus eigenem noch abgetretenem Recht zu.
Eine deliktische Anspruchsgrundlage ist nicht gegeben, da keines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter des Klägers zu 2 durch den Unfall seines Sohnes verletzt wurden. Ein vertraglicher Anspruch des Klägers zu 2 gegen die Beklagten ist nicht ersichtlich.
Aus abgetretenem Recht kann der Kläger zu 2 keine Ansprüche herleiten, da der Abtretungsvertrag nach den §§ 181 Abs. 1 und 1629 Abs. 2 S.1 i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr.1 BGB unwirksam ist. Gemäß diesen Vorschriften können die Eltern das Kind nur vertreten, sofern dieses Rechtsgeschäft lediglich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger zu 1 durch die Abtretung seiner Ansprüche eine Verbindlichkeit gegenüber dem Kläger zu 2 erfüllt haben soll. Seitens des Klägers zu 2 wird auch nicht näher vorgetragen und dargelegt, inwieweit aufgrund des Unfalles eine Verbindlichkeit des Klägers zu 1 gegenüber seinen Eltern bzw. seinem Vater entstanden sein soll.
D.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den § 97; 92 Abs. 1, 100 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
E.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.


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