Sozialrecht

Zuschuss zur Ausbildungsvergütung

Aktenzeichen  M 31 K 21.1883

Datum:
10.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18840
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 40
GVG §§ 17a, 17b
SGG § 51 Abs. 1 Nr. 4
SGB III
Erste Förderrichtlinie für das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht München verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen zwei Bescheide der Agentur für Arbeit A. vom 1. und 2. März 2021 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom (jeweils) 30. März 2021. Mit den Bescheiden wurde ein Zuschuss zur Ausbildungsvergütung für die Monate Dezember 2020 und Januar 2021 abgelehnt. Dieser Zuschuss wird gewährt auf Grundlage der Ersten Förderrichtlinie für das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ (Richtlinie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales v. 29.7.2020, BAnz AT 31.7.2020 B1, zuletzt geändert durch die 2. Änderungsrichtlinie vom 23.3.2021, BAnz AT 26.3.2021 B5), deren Ziel es ist, Ausbildungsbetriebe zu motivieren, ihr Ausbildungsniveau trotz der Folgen der Corona-Krise aufrechtzuerhalten (vgl. Ziff. 2.1.1 der vorgenannten Richtlinie).
Mit der am 7. April 2021 beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Klage (Schriftsatz vom 6.4.2021) begehrt der Kläger sinngemäß
die Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 1. und 2. März 2021 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 30. März 2021 unter Verpflichtung der Beklagten, den beantragten Zuschuss zur Ausbildungsvergütung zu bewilligen.
Mit Schreiben vom 19. April 2021 hat das Gericht die Beteiligten zur beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Sozialgericht München angehört. Die Beklagte hat sich hierzu mit Schreiben vom 27. April 2021 geäußert und ausgeführt, seitens der Beklagten stehe einer Verweisung an das Sozialgericht nichts entgegen.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Rechtsstreit ist nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen an das sachlich und örtlich zuständige Sozialgericht München (§§ 8, 57 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes in Bayern – AGSGG -) zu verweisen, da der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten (§ 40 VwGO) nicht eröffnet ist.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ergibt sich für das Klagebegehren aus § 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG. Danach entscheiden die Sozialgerichte in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit. Diese Bestimmungen sind trotz ihres Charakters als Ausnahmevorschriften zu § 40 VwGO weit auszulegen, um die gesetzgeberische Absicht einer Konzentration sozialrechtlicher Sachen bei speziellen Gerichten – d.h. den Sozialgerichten – zu erreichen (VG München, B.v. 20.11.2020 – M 31 K 20.5458 – juris Rn. 8; VG Ansbach, B.v.10.4.2007 – AN 14 K 07.504 – juris Rn. 2; VG Lüneburg, B.v. 29.11.2006 – 4 A 385/06 – juris).
Zum Arbeitsförderungsrecht zählt eine Streitigkeit, die ihre Grundlage im SGB III hat; zu den übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit gehören alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten in Angelegenheiten der Rechtsgebiete, deren Vollzug der Bundesagentur durch Gesetz, Verordnung, internationale Abkommen oder hierauf beruhende Vorschriften als Aufgabe obliegt (vgl. nur Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 51 Rn. 29; Wolff-Dellen in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 51 SGG, Rn. 74). Nach der Rechtsprechung entscheidend ist insoweit, ob das Rechtsverhältnis, aus dem der Kläger seinen Klaganspruch herleitet, seiner Natur nach zu den Rechtsgebieten gehört, deren Ausführung der Beklagten als Aufgabe obliegt (BSG, U.v. 16.2.1983 – 7 RAr 90/81 – juris Rn. 18).
Erfasst sind zunächst all diejenigen Rechtsstreitigkeiten, bei denen die vom Kläger hergeleitete Rechtsfolge ihre Grundlage im SGB III haben kann. Des Weiteren erstreckt sie sich auch auf solche Streitigkeiten, bei denen die inmitten stehende Maßnahme in engem sachlichen Zusammenhang mit behördlicher Verwaltungstätigkeit nach dem SGB III steht.
Der Beurteilung ist eine tendenziell weite Auslegung des Begriffs der „Arbeitsförderung“ zugrunde zu legen, orientiert an einer sach- und interessengerechten Abgrenzung zwischen den Rechtswegzuständigkeiten der Sozial- und Verwaltungsgerichte. Weder das Tatbestandsmerkmal „ausdrücklich“ in § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO noch ein insbesondere aus der dortigen Formulierung „alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten“ hergeleiteter (vermeintlicher) Vorrang der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zwingen zu einer engen Auslegung der Rechtswegzuweisung des § 51 SGG. In der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist anerkannt, dass es genügt, wenn eine Zuweisung zwar nicht unmittelbar ausgesprochen ist, sich der dahinterstehende Wille des Gesetzes jedoch aus dem Gesamtgehalt der Regelung und dem Sachzusammenhang in Verbindung mit der Sachnähe eindeutig und logisch zwingend ergibt (so zu § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG BSG, B.v. 1.4.2009 – B 14 SF 1/08 R – juris Rn. 15 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 15.5.1986 – 4 B 92/86 – NJW 1986, 2845; GmSOGB, B.v. 15.3.1971 – GmS-OGB 1/70 – juris).
Vor diesem Hintergrund ist vorliegend der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.
Ein Begehren steht insbesondere dann in engem sachlichen Zusammenhang zur Verwaltungstätigkeit der Behörden nach dem SGB III, wenn der Streitigkeit materiell Rechtsverhältnisse nach diesem Gesetz zugrunde liegen. Materiell steht hier die Gewährung eines Zuschusses zur Ausbildungsvergütung durch die Beklagte inmitten. Dieser Zuschuss beruht auf der Ersten Förderrichtlinie für das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ vom 29. Juli 2020. Ziel der Förderung ist es nach Nr. 1.3 der genannten Richtlinie, kleine und mittlere Unternehmen durch Zuschüsse in unterschiedlicher Form dafür zu gewinnen, Ausbildungsplätze zu erhalten und Ausbildungsaktivitäten fortzusetzen. Unter anderem ist auch die Vermeidung von Kurzarbeit eine Zielsetzung der Förderung (Nr. 2 der Richtlinie). Damit bewegt sich die Förderung im Bereich der durch das SGB III geregelten Arbeitsförderung, wie sie als Ziel in § 1 Abs. 1 SGB III formuliert und für den Bereich der Berufswahl und Berufsausbildung in den §§ 48 ff. SGB III geregelt ist. Das SGB III selbst sieht Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung für bestimmte Personengruppen vor (§ 73 SGB III), sodass sich der hier relevante Zuschuss zur Ausbildungsvergütung im Zusammenhang der Corona-Pandemie zwanglos in die Reihe der Instrumentarien des SGB III einordnen lässt.
Nach Nummer 6.3 der Förderrichtlinie richtet sich demgemäß auch die Zuständigkeit der Agentur für Arbeit unter dem Gesichtspunkt einer Leistung an den Arbeitgeber nach § 327 Abs. 4 SGB III. Damit besteht bei der Entscheidung über einen Zuschuss zur Ausbildungsvergütung jedenfalls ein enger sachlicher Zusammenhang mit behördlicher Verwaltungstätigkeit nach dem SGB III.
Danach war die Unzulässigkeit des beschrittenen Verwaltungsrechtsweges auszusprechen und die Streitsache nach Anhörung der Beteiligten an das örtlich und sachlich zuständige Sozialgericht München zu verweisen (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).
Eine Kostenentscheidung ist vorliegend nicht veranlasst, da die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht nach § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG als Teil der Kosten behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wird.


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