Sozialrecht

Zuständiger Leistungsträger für Vorschuss/Darlehen an einen Hilfebedürftigen

Aktenzeichen  L 7 AS 692/18 B ER

Datum:
23.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17658
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 7, § 8

 

Leitsatz

Ist das Jobcenter nicht auch zuständiger Leistungsträger, hat sich ein Hilfebedürftiger an den neuen Leistungsträger zu wenden wegen eines Vorschusses, wenn der neue Leistungsträger erst zum Ende des Monats auszahlt. (Rn. 21)

Verfahrensgang

S 42 AS 1399/18 ER 2018-06-25 Bes SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 25. Juni 2018 S 42 AS 1399/18 ER wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Bf.) begehrt vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Bg.) die Auszahlungen von Leistungen in Höhe von 873,98 EUR gemäß Bewilligungsbescheid vom 20.03.2018, darüber hinaus höhere Leistungen in Höhe von 116,94 Euro für die ihr tatsächlich entstehenden Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH).
Die Bf. ist seit längerem im Leistungsbezug nach dem SGB II. Sie wohnt zusammen mit ihrem im Jahr 2004 geborenen Sohn, für den sie Unterhalt und Kindergeld erhält. Je nach Zahlungseingang von Unterhalt, gehörte ihr Sohn zeitweilig zur Bedarfsgemeinschaft, zeitweilig nicht.
Am 14.02.2018 beantragte die Bf. beim Bg. die Weiterbewilligung von Leistungen für den Bewilligungszeitraum ab 01.04.2018. Am 16.03.2018 stellte die Bf. auf der Grundlage ihres Weiterbewilligungsantrags Eilantrag zum Sozialgericht München mit dem Begehren, Leistung ab dem 01.04.2018 ohne Zeitverzögerung weiter zu erhalten. Außerdem stünden ihr höhere KdUH zu, nämlich 116,94 Euro monatlich. Ihr Sohn erhalte 651,00 Euro monatlich an Unterhalt und gehöre damit wegen eigenen Einkommens nicht zur Bedarfsgemeinschaft. Nach der Rechtsprechung des BSG sei ihr Anteil an den KdUH zu beurteilen anhand der angemessenen Miete für einen Ein-Personen-Haushalt.
Mit Bewilligungsbescheid vom 20.03.2018 bewilligte der Bg. der Bf. und ihrem im Jahr 2004 geborenen Sohn als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.04.2018 bis 31.03.2019 und zwar für April 2018 bis Oktober 2018 in Höhe von monatlich 873,98 EUR und ab November 2018 885,98 EUR und für Dezember 2018 bis März 2019 monatlich 893,98 EUR, wobei die unterschiedliche Höhe der Zahlung auf der Vollendung des 14. Lebensjahres des Sohnes der Bf. zum 13.11.2018 und der damit entsprechenden Erhöhung des Regelbedarfs beruht. Zuletzt sei unklar gewesen, wieviel Unterhalt der Sohn tatsächlich erhalte. Gegen diesen Bescheid hat die Bf. Widerspruch eingelegt.
Den Eilantrag vom 16.03.2016 lehnte das Sozialgericht München mit Beschluss vom 10.04.2018 ab. Die Bf. und ihr Sohn erhielten zwischenzeitlich aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 20.03.2018 Leistungen. Soweit die Bf. höhere KdUH begehre, stünden ihr diese nicht zu. Sie und ihr Sohn erhielten die vom Bg. festgelegte angemessene Miete für einen 2-Personen-Haushalt. Dass der Sohn der Bg., wie von der Bf. nunmehr im gerichtlichen Verfahren neu vorgetragen, aufgrund seines Einkommens, insbesondere Unterhaltszahlungen in Höhe von 651,00 EUR monatlich, nicht zur Bedarfsgemeinschaft zähle und ihr deshalb entsprechend der Entscheidung des BSG vom 25.04.2018, B 14 AS 14/17 R höhere Leistungen zustünden, da für die Bf. die Mietobergrenze für einen Einpersonenhaushalt gelten würde, sei aufgrund der ungeklärten Einkommenssituation des Sohnes der Bg. nicht nachvollziehbar.
Die gegen den Beschluss des SG eingelegte Beschwerde wies das BayLSG mit Beschluss vom 30.05.2018, L 15 AS 372/18 B ER, zurück. Aufgrund der ungeklärten Einkommenslage wirke sich das von der Bf. angeführte Urteil des BSG vom 25.04.2018 B 14 AS 14/17 R nicht aus. Es handle sich um eine aus zwei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft.
Am 07.06.2018 stellte die Bf. erneut Eilantrag zum Sozialgericht München, diesmal mit dem Begehren, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 10.04.2016 in Gestalt des Beschlusses des Landessozialgerichts vom 30.05.2018 abzuändern und den Bg. ab Antragstellung vorläufig zu höheren SGB-II-Leistungen an die Bf. zu verpflichten. Ihr Sohn erhalte nachweisbar 651,00 EUR an Unterhaltszahlungen, so dass er nicht zur Bedarfsgemeinschaft zähle und sie Anspruch auf höhere KdUH habe.
Mit Beschluss vom 25.06.2018 lehnte das Sozialgericht München die Abänderung der Beschlüsse ab. Der Eilantrag sei unzulässig. Die gerichtlichen Eilentscheidungen seien rechtskräftig. Es fehle ein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Bf. sich nicht vorher an den Bg. bezüglich der Abänderung gewandt habe.
Zumindest sei der Abänderungsantrag unbegründet. Ein Abänderungsgrund bestehe nicht. Bei einem Gesamtbedarf in Höhe von 1.677,89 der Bf. und für deren Sohn, stünden dem Einkommen und Leistungen in einer Gesamthöhe von 1.718,98 EUR gegenüber. Die Bedarfsgemeinschaft erhalte monatlich 873,98 EUR vom Bg. Hinzu kämen 194,00 EUR an Kindergeld für den Sohn sowie Unterhaltszahlungen von 651,00 EUR an den Sohn. Aufgrund eines Rentenbewilligungsbescheides der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 13.06.2018 erhalte die Bf. ohnehin ab 01.07.2018 Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 1.131,97 EUR monatlich.
Ein Anordnungsgrund sei ebenfalls nicht glaubhaft, weil die Bf. monatlich lediglich 116,94 EUR zusätzlich beantragt habe. Dieser Betrag liege unterhalb von 30% des Regelbedarfs der Bf. Insoweit würde es sich – sollte man dem Begehren der Bf. im Eilverfahren entsprechen – um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache handeln, wenn diese Kürzung nicht zur Anwendung käme.
Auch sei ein Anordnungsanspruch deshalb nicht glaubhaft gemacht, weil die Bf. inzwischen Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehe. Es läge nahe, dass sie nicht erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II sein könnte und damit nicht mehr zum leistungsberechtigten Personenkreis nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II gehöre.
Hiergegen hat die Bf. Beschwerde eingelegt und dabei beantragt, dass ihr „unverändert höhere Leistungen“ sowie „Leistungen für den Monat Juli 01.07.2018 bis 31.07.2018 (gegebenenfalls als Darlehen/Vorschuss)“ gezahlt werden.
Der Bg. habe inzwischen den laufenden Bewilligungsbescheid vom 20.03.2018 mit Bescheid vom 19.06.2018 aufgehoben. Hiergegen habe sie Widerspruch am 22.06.2018 eingelegt. Es bleibe zumindest bei der Zahlungspflicht aus dem Bewilligungsbescheid, also 873,18 EUR monatlich. Insbesondere müsse der Bg. Leistungen zu Beginn des Julis erbringen, da die Rente erst am Ende des Monats ausgezahlt würde. Es drohten irreparable Nachteile, insbesondere Kündigung der Wohnung bei Nichtzahlung der Miete. Ihr aktueller Kontostand wäre 1,46 EUR. Darüber hinaus stünden ihr höhere Leistungen wegen KdUH zu.
Der Bg. hält sich nicht mehr für zuständig.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Aufhebungsbescheid des Bg. vom 19.06.2018 ist Gegenstand des Verfahrens geworden, da er den laufenden Bewilligungsbescheid vom 20.03.2018 betrifft, der Gegenstand des Eilverfahrens vor dem Sozialgericht war. Ebenfalls Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren, für Juli Leistungen ggf. als Vorschuss/Darlehen zu erhalten, da das Begehren in dem vom Bewilligungsbescheid vom 20.3.2018 umfassten Zeitraum fällt, über den das Sozialgericht entschieden hat.
1. Für den Zeitraum ab 01.07.2018 ist der Eilantrag abzulehnen, da der Bg. ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zuständiger Leistungsträger ist.
a) Im Hinblick auf den Aufhebungsbescheid, gegen den die Bf. Widerspruch eingelegt hat, ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nunmehr als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat der Bg. den Bewilligungsbescheid vom 20.03.2018 aufgrund des Rentenbescheids vom 13.06.2018 mit Aufhebungsbescheid vom 19.06.2018 mit Wirkung zum 01.07.2018 aufgehoben. Die Bf. erhält vorrangige Leistungen vom Rentenversicherungsträger wegen voller Erwerbsminderung ab Juli 2018. Die Bf. ist nicht mehr leistungsberechtigt nach dem SGB II. Soweit die Bf. evtl. zu ihrer Rente ergänzend Leistungen nach dem SGB XII erhalten könnte, muss sie sich an den dafür zuständigen Träger wenden.
b) Der Antrag der Bf. auf Darlehen/Vorschuss für Juli 2018 bis zur Auszahlung der Rente Ende Juli ist als Antrag auf Regelungsanordnung zulässig.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Ab Juli 2018 ist die Rentenversicherung zuständiger Leistungsträger für vorrangige Leistungen. Soweit die Bf. zu Beginn des Monats Julis aufgrund der Leistungserbringung durch den Rentenversicherungsträger erst zum Ende des Monats eventuell in eine Notlage kommen sollte, müsste sie sich an die Rentenversicherung wenden, der ab Juli 2018 für sie zuständig ist, und gegebenenfalls von der Rentenversicherung einen Vorschuss, auch im Wege eines Eilverfahrens, verlangen. Für ergänzende Leistungen nach dem SGB XII müsste sich die Bf. an den zuständigen Träger nach dem SGB XII wenden.
2. Für den Zeitraum bis 30.06.2018 hat der Eilantrag ebenfalls keinen Erfolg.
Ein Anordnungsgrund ist nicht ersichtlich. Die Bf. begehrt für sich selbst rückwirkend um 116,94 Euro monatlich höhere KdUH. Eilbedürftigkeit ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil die die Bf. nicht dargelegt bzw. glaubhaft gemacht hat, dass es in diesem Zeitraum überhaupt zu Mietrückständen gekommen ist. Offenbar hat die Bf. die Miete in der Vergangenheit gezahlt wie sich aus der Begründung ihrer Beschwerde im Schreiben vom 28.06.2018 ergibt, wenn die Bf. darin ausführt, dass bei Nichtzahlung der Miete im Juli 2018 ein Mietrückstand entstehen würde.
Nach alledem ist die Beschwerde der Bf. insgesamt unbegründet und sämtliche Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz erfolglos.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und der Erwägung, dass die Bf. mit ihrem Begehren erfolglos blieb.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.


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